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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 28.12.2020, RV/5200044/2016

Keine wirksame Zustellung eines Schriftstückes im Ausland

Beachte

Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2021/13/0031.

Entscheidungstext

Beschluss

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***V***, ***V-Adr***, gegen den Bescheid des Zollamtes Linz Wels vom , Zahl ***1***, betreffend Haftung gemäß § 9 iVm § 80 BAO, beschlossen:

  • Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom , Zahl ***1***, nahm das Zollamt Linz Wels den Beschwerdeführer gemäß § 9 Bundesabgabenordnung (BAO) als Haftenden für folgende Abgabenschuldigkeiten der ***3***, in Anspruch:


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Art
Zeitraum
Betrag
Mineralölsteuer
Jänner 2011
€ 319.318,13
Säumniszuschlag
€ 6.386,37
Mineralölsteuer
Februar 2011
€ 169.455,38
Säumniszuschlag
€ 3.389,11
Mineralölsteuer
März 2011
€ 91.744,88
Säumniszuschlag
€ 1.834,89
€ 592.128,76

Mit Schriftsatz vom , ergänzt mit Schriftsatz vom , brachte der Beschwerdeführer unter anderem auch gegen den Haftungsbescheid vom den Rechtsbehelf der Beschwerde ein. Gleichzeitig wurde die Entscheidung durch den Senat und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Begründend brachte der Beschwerdeführer vor, dass der mit datierte Haftungsbescheid ihm bis dato nicht wirksam zugestellt worden sei. Die Rechtsmittelfrist habe daher noch nicht zu laufen begonnen. Zudem sei der Bescheid auch aus Ermessenserwägungen rechtswidrig.

Mit Beschwerdevorentscheidung (Bescheid I) vom , Zahl ***4***, wies das Zollamt die Beschwerde gegen den Haftungsbescheid als verspätet zurück.

In seiner Begründung führte das Zollamt im Wesentlichen aus, dass mit Polen keine internationalen Vereinbarungen betreffend die Zustellung abgabenbehördlicher Schriftstücke bestehen würden. Zustellungen könnten daher entsprechend der internationalen Übung mittels internationalen Rückschein durch die Post vorgenommen werden. Die Zustellung des Haftungsbescheides sei durch Hinterlegung bei der dafür zuständigen Stelle in Polen unter den hierfür im polnischen Recht vorgesehenen Voraussetzungen mit Ablauf der Abholfrist () erfolgt. Der Beschwerdeführer sei nicht ständig beruflich unterwegs gewesen. Im Übrigen habe er vom Haftungsverfahren durch Übernahme des diesbezüglichen Vorhaltes Kenntnis gehabt und sei somit verpflichtet gewesen die Änderung der Abgabestelle mitzuteilen. Die Beschwerdefrist zur Einbringung einer Beschwerde gegen den Haftungsbescheid sei daher bereits abgelaufen.

Dagegen richtet sich der Vorlageantrag vom . Der Beschwerdeführer habe wegen Ortsabwesenheit während der gesamten Abholfrist das hinterlegte Dokument nicht beheben können. Eine Zustellung sei daher nicht erfolgt. Eine Mitteilung hinsichtlich einer neuen Abgabestelle gemäß § 8 Abs. 1 ZustG habe nicht erfolgen müssen, da die Abgabestelle nicht verlegt worden sei.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Nach dem vom Zollamt festgestellten relevanten Sachverhalt war der Beschwerdeführer ab Geschäftsführer der ***3***. Mit Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft mangels Kostendeckung nicht eröffnet. Aufgrund der sich daraus ergebenden Uneinbringlichkeit der Abgabenschuldigkeiten bei der Primärschuldnerin, erließ das Zollamt gegenüber dem Beschwerdeführer nach § 9 BAO den mit datierten Haftungsbescheid.

Die Zustellverfügung lautet auf die polnische Meldeadresse des Beschwerdeführers in "***2***". Der Bescheid wurde unter Beifügung eines internationalen Rückscheines der Österreichischen Post AG zur Beförderung übergeben. Am wurde das Schriftstück mit dem Vermerk "non réclamé" (nicht behoben) vom polnischen Zustelldienst wieder an das Zollamt zurückgesendet.

Gemäß § 43 Abs. 1 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) steht gegen Entscheidungen von Zollbehörden als Rechtsbehelf der ersten Stufe (Art. 44 Abs. 2 Buchstabe a des Zollkodex) die Beschwerde zu.

Gemäß § 243 Bundesabgabenordnung (BAO) sind gegen Bescheide, die Abgabenbehörden erlassen, Beschwerden (Bescheidbeschwerden) an die Verwaltungsgerichte zulässig, soweit in Abgabenvorschriften nicht anderes bestimmt ist.

Gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist.

Für die Erhebung einer Beschwerde ist Voraussetzung, dass ein Bescheid wirksam erlassen wurde.

Gemäß § 97 Abs. 1 BAO werden Erledigungen dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Nach § 98 leg.cit. sind Zustellungen nach dem Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982, vorzunehmen, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist.

Betreffend Zustellungen im Ausland bestimmt § 11 Abs. 1 Zustellgesetz (ZustG) Folgendes:

"§ 11. (1) Zustellungen im Ausland sind nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen oder allenfalls auf dem Weg, den die Gesetze oder sonstigen Rechtsvorschriften des Staates, in dem zugestellt werden soll, oder die internationale Übung zulassen, erforderlichenfalls unter Mitwirkung der österreichischen Vertretungsbehörden, vorzunehmen."

Aus § 11 Abs. 1 ZustG ergibt sich eine abgestufte Reihenfolge, die bei der Prüfung, ob eine entsprechende Zustellung in einen anderen Staat möglich und zulässig ist, anzuwenden ist (vgl. ). Zustellungen im Ausland sind primär nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen vorzunehmen. Entscheidend ist daher, ob derartige Vereinbarungen im maßgeblichen Zeitpunkt bestanden haben.

Das Europäische Übereinkommen über die Zustellung von Schriftstücken in Verwaltungssachen im Ausland, BGBl. Nr. 67/1983 idF BGBl. III Nr. 53/2005, dessen Art. 11 die unmittelbare Zustellung eines Schriftstückes durch die Post im Hoheitsgebiet anderer Vertragsstaaten zulässt, ist auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil es von der Republik Polen nicht ratifiziert wurde.

Das Übereinkommen über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen, BGBl. III, Nr. 193/2014, welches für Verbrauchsteuern eine Zustellung von Schriftstücken an eine Person im Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei unmittelbar durch die Post vorsieht (Artikel 17 Abs. 3), ist für Österreich erst mit in Kraft getreten und kann daher im Beschwerdefall ebenfalls nicht angewendet werden.

Nach Art. 13 des Übereinkommens aufgrund von Artikel K.3 des Vertrages über die Europäische Union über die gegenseitige Amtshilfe und Zusammenarbeit der Zollverwaltungen samt Erklärungen (im Folgenden Neapel-II-Übereinkommen), BGBl. II Nr. 100/2006, welches nach Art. 4 auch auf die Verbrauchsteuern angewendet werden kann und am in Kraft getreten ist, gibt auf Antrag der ersuchenden Behörde die ersuchte Behörde dem Empfänger nach Maßgabe der nationalen Bestimmungen des Mitgliedstaats, in dem sie ihren Sitz hat, alle die Anwendung dieses Übereinkommens betreffenden Verwaltungsakte oder sonstigen Entscheidungen der zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, in dem die ersuchende Behörde ihren Sitz hat, bekannt oder lässt sie ihm bekannt geben.

Da es sich beim Haftungsbescheid um eine Einhebungsmaßnahme handelt, ist auch die Anwendung der Richtlinie 2010/24/EU des Rates vom über die Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen (Beitreibungsrichtlinie) möglich. Gemäß deren Art. 5 stellt ebenfalls auf Ersuchen der ersuchenden Behörde die ersuchte Behörde dem Empfänger alle mit einer Forderung gemäß Artikel 2 oder mit deren Beitreibung zusammenhängen Dokumente, einschließlich der gerichtlichen, zu, die aus dem ersuchenden Mitgliedstaat stammen.

Eine Zustellung im Postwege ist weder nach dem angeführten Neapel-II-Übereinkommen, noch nach der Beitreibungsrichtlinie vorgesehen. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass die Zustellung des Haftungsbescheides noch nicht wirksam erfolgt sei, erweist sich im Ergebnis daher als zutreffend. Eine Heilung nach § 7 ZustG scheidet schon deshalb aus, weil das Schriftstück nicht behoben wurde und ohne, dass es dem Empfänger zur Kenntnis gelangte, an die belangte Behörde zurückgesendet worden ist. Es kann daher nicht von einem tatsächlichen Zukommen gesprochen werden.

Im Beschwerdefall ist daher noch kein wirksamer Haftungsbescheid des Zollamtes ergangen, gegen den eine Beschwerde erhoben werden hätte können. Die Beschwerde war daher gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO als unzulässig zurückzuweisen.

Gemäß § 272 Abs. 4 BAO obliegt dem Berichterstatter auch die Erlassung von Zurückweisungen nach § 260 BAO. Der Beschluss konnte daher ohne Befassung des Senates getroffen werden.

Gemäß § 274 Abs. 3 Z 1 iVm Abs. 5 BAO kann im Falle einer Zurückweisung einer Beschwerde von der mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Das Absehen von der mündlichen Verhandlung liegt im Ermessen und ist im Beschwerdefall verfahrensökonomisch zweckmäßig. Eine Unbilligkeit ist nicht erkennbar. Daher wurde von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen.

Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht ist von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen. Die (ordentliche) Revision war daher als unzulässig zu erklären.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
RL 2010/24/EU, ABl. Nr. L 84 vom S. 1
§ 97 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.5200044.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at