Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 18.12.2020, RV/7500810/2020

Parkometerabgabe; Erlassung einer Vollstreckungsverfügung; Vorbringen, die Strafverfügung wegen monatelanger Abwesenheit vom Zweitwohnsitz nicht erhalten zu haben

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK


Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Manuela Puntigam über die Beschwerde des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vom , gegen die Vollstreckungsverfügung des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, vom , Zl. Zahl, in Zusammenhang mit der Verwaltungsübertretung gemäß § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006, zu Recht erkannt:

Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und die angefochtene Vollstreckungsverfügung aufgehoben.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof durch die vor dem Bundesfinanzgericht belangte Behörde nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer (Bf.) war zur Beanstandungszeit () Zulassungsbesitzer des mehrspurigen Kraftfahrzeuges mit dem behördlichen Kennzeichen Vienna (D).

Mit Strafverfügung vom , Zahl, lastete der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, dem Bf. an, er habe das näher bezeichnete Fahrzeug am in der gebührenpflichtigen Kurzparkzone in 1060 Wien, Linke Wienzeile 44 ggü Parkplatz Reihe 1, ohne einem für den Beanstandungszeitpunkt 21:36 Uhr gültigen Parkschein abgestellt und demnach die Parkometerabgabe fahrlässig verkürzt.

Wegen Verletzung der Rechtsvorschriften des § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung iVm § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006 wurde über den Bf. eine Geldstrafe iHv € 60,00 und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Stunden verhängt.

Die Versendung der Strafverfügung wurde am gemäß § 26 Abs. 1 Zustellgesetz (Zustellung ohne Zustellnachweis) an die Adresse in ***Bf1-Adr*** veranlasst.

Am wurde die Versendung der Strafverfügung vom mit Rückscheinbrief RSb an die Adresse des Bf. in ***Bf1-Adr*** veranlasst.

Die Zustellung erfolgte durch Hinterlegung am .

Mit Vollstreckungsverfügung der Magistratsabteilung 6 - BA 32 vom wurde zur Einbringung der mit der Strafverfügung vom , Zahl verhängten rechtskräftigen und bis zur Erlassung der Vollstreckungsverfügung offenen Geldstrafe von € 29,00 und der mit gleichem Schreiben vorgeschriebenen Mahngebühr von € 5,00 (§ 54 Abs. 1 b VStG) gemäß §§ 3 und 10 Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 (VVG) die Zwangsvollstreckung verfügt.

Die Versendung der Vollstreckungsverfügung wurde von der Behörde gemäß § 26 Abs. 1 Zustellgesetz (Zustellung ohne Zustellnachweis) an die Adresse ***Bf1-Adr*** am veranlasst.

Mit E-Mail vom teilte der Bf. der Magistratsabteilung 6 mit, dass er nach mehrmonatiger coronabedingter Abwesenheit von seiner Wiener Zweitwohnung wegen des Einreiseverbots mehrere Schriftstücke der Behörde vorgefunden habe. Die Geldstrafe in Höhe von € 36,00 habe er soeben überwiesen. Da er nicht nach Österreich einreisen habe dürfen, ausweislich seiner Anmeldung sei Wien lediglich sein Nebenwohnsitz, habe er seit Ende Februar keine Schriftstücke, die an seine Wiener Adresse gesandt worden seien, entgegennehmen können.

Mit E-Mail vom teilte der Bf. der Magistratsabteilung 6, BA 32, mit, dass er mittlerweile weitere Schriftstücke von der Behörde vorgefunden habe, so dass er die Situation neu bewerte. Er lege gegen die Strafverfügung ein Rechtsmittel ein. Bezüglich der Fristversäumnis weise er auf das Einreiseverbot nach Österreich hin, dem er als Deutscher ohne triftigen Grund unterworfen gewesen sei. Wie bereits ausgeführt sei Wien lediglich Zweitwohnsitz. Den Nachweis würden seine Meldeunterlagen ergeben. Er sei in Österreich auch nicht beruflich beschäftigt, weswegen er keinen Einreisegrund gehabt habe. Die eventuelle Einreisegenehmigung auf Grund eines Nebenwohnsitzes, falls sie denn überhaupt erteilt worden wäre - unter der Bedingung einer zweiwöchigen Quarantäne - sei hier als unzumutbare Härte anzusehen. Er habe wegen seiner monatelangen Abwesenheit auf Grund höherer Gewalt alle Schreiben, in denen ihn die Behörde aufgefordert habe, den Fahrer zu benennen, nicht zur Kenntnis nehmen und demgemäß auch nicht beantworten können. Den Fahrer zur Tatzeit habe er mittlerweile benannt. In dem Schreiben vom sei auf eine Teilzahlung von € 36,00 hingewiesen worden. Er vermute, dass er die Anonymverfügung ohnehin beglichen gehabt habe, dann wäre die Frage nach dem Fahrer und die Strafverfügung ohnehin obsolet. Die von ihm vorgenommene Zahlung versuche er rückgängig zu machen, falls dies nicht mehr möglich sei, gelte diese Zahlung ausdrücklich nicht als Anerkennung des Strafbefehls und sei rückzuerstatten.

Mit Schreiben vom ("Verfahrensanordnung - Verspätungsvorhalt") wurde der Bf. von der Magistratsabteilung 67, in Kenntnis gesetzt, dass sein mittels E-Mail eingebrachter Einspruch vom gegen die Strafverfügung vom nach der Aktenlage verspätet erscheine, da die Rechtsmittelfrist abgelaufen sei. Die Strafverfügung sei am durch Hinterlegung bei der zuständigen Geschäftsstelle des Zustelldienstes ordnungsgemäß zugestellt worden.

Unter Hinweis auf den Gesetzeswortlaut des § 17 Abs. 3 Zustellgesetz wurde der Bf. von der Behörde aufgefordert bekanntzugeben, ob er zum Zeitpunkt der Hinterlegung der Strafverfügung nicht nur vorübergehend von der Abgabestelle abwesend gewesen und insbesondere durch eine Reise, einen Urlaub oder einen Krankenhausaufenthalt gehindert gewesen sei, von der Zustellung Kenntnis zu nehmen. Sollte dies der Fall gewesen sein, werde er aufgefordert, binnen zwei Wochen, gerechnet ab Zustellung dieses Schreibens, entsprechende Bescheinigungsmittel, wie eine Aufenthaltsbestätigung, Hotelrechnung, Reiseticket u. dgl. vorzulegen. Widrigenfalls sei von einer rechtswirksamen Zustellung der Strafverfügung auszugehen und der Einspruch wegen Verspätung zurückzuweisen.

Die Versendung des Verspätungsvorhaltes wurde von der Behörde gemäß § 26 Abs. 1 Zustellgesetz (Zustellung ohne Zustellnachweis) an die Adresse ***Bf1-Adr*** am veranlasst.

Der Bf. teilte der Magistratsabteilung 67 mit E-Mail vom mit, dass er "heute" das Schreiben vom erhalten habe, da er die letzten Wochen nicht in Wien gewesen sei. Er habe wegen COVID19 vor dem die Anweisung erhalten, wie alle anderen Mitarbeiter auf Dienstreise oder Auslandstätigkeit, sofort an den Wohnort zurückzukehren. Sein Hauptwohnsitz sei in Deutschland, somit habe er noch vor der Hinterlegung des Dokuments Österreich verlassen. Danach sei eine Rückkehr wegen der Grenzschließung bis Ende Juni nicht möglich gewesen. Bezüglich des weiteren Schriftwechsels wolle er mitteilen, dass er wegen der aktuellen Situation in Wien und der Einstufung als Risikogebiet heute Wien wieder bis auf weiteres verlasse, um im Rahmen der 48 Stundenregel quarantänefrei nach Deutschland zu kommen. Er bitte deswegen per Mail zu kommunizieren, per Post werde er nicht erreichbar sein. Der Nachweis, dass Wien lediglich Nebenwohnsitz sei, liege bei der Meldebehörde sowie dem zuständigen Finanzamt.

Mit E-Mail vom teilte der Bf. der Magistratsabteilung 6 mit, dass er die Strafe für die Zuwiderhandlung bereits entrichtet habe; die Anfragen bezüglich der Lenkererhebung habe er nicht rechtzeitig beantworten können, da er wegen Covid von seinem deutschen Hauptwohnsitz vor Ende Juni nicht nach Österreich einreisen habe dürfen; demgemäß sei ihm durch hoheitliches Handeln der Republik Österreich ein Zugang zu den von der Behörde gesandten Schreiben unmöglich gemacht worden. Das könne ihm nicht angelastet werden. Zudem sei er sich nicht sicher, ob hier nicht ohnehin unter einer anderen Vorgangsnummer derselbe Vorgang bereits abgehandelt worden sei, unter der Nr. Zahl, da hier eine Zahlung von € 36,00 vorliege, ebenso hoch wie bei diesem Vorgang.

Mit E-Mail vom teilte der Bf. der Magistratsabteilung 6, BA 32, mit, dass er wegen der aktuellen COVID Situation weiterhin in Deutschland an seinem Hauptwohnsitz sei und wohl vor Jänner 2021 nicht wieder nach Wien kommen werde. Demgemäß möge der Schriftwechsel nur per E-Mail oder an seine deutsche Adresse Deutschland, geschickt werden. Er habe in Wien niemanden, der sich um seinen Postkasten kümmere, falls die Behörde seit Ende September an ihn einen Brief geschrieben habe, werde er diesen Brief erst im Jänner 2021 öffnen können.

Die Magistratsabteilung 67 wertete die E-Mail vom als Beschwerde gegen die Vollstreckungsverfügung vom und legte das Schreiben samt Verwaltungsakt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor (Datum des Einlangens: ).

Über die Beschwerde wurde erwogen:


Gemäß § 10 Abs. 1 VVG idF ab sind auf das Vollstreckungsverfahren, soweit sich aus diesem Bundesgesetz nicht anderes ergibt, der I. Teil, hinsichtlich der Rechtsmittelbelehrung die §§ 58 Abs. 1 und 61 und der 2. und 3. Abschnitt des IV. Teiles des AVG sinngemäß anzuwenden.

Gemäß § 10 Abs. 2 VVG 1991 idF ab hat die Beschwerde beim Verwaltungsgericht gegen die Vollstreckungsverfügung keine aufschiebende Wirkung.

§ 54b Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG 1991) idF ab bestimmt über die Vollstreckung von Geldstrafen wie folgt:

(1) Rechtskräftig verhängte Geldstrafen oder sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen sind binnen zwei Wochen nach Eintritt der Rechtskraft zu bezahlen. Erfolgt binnen dieser Frist keine Zahlung, kann sie unter Setzung einer angemessenen Frist von höchstens zwei Wochen eingemahnt werden. Nach Ablauf dieser Frist ist die Unrechtsfolge zu vollstrecken. Ist mit Grund anzunehmen, dass der Bestrafte zur Zahlung nicht bereit ist oder die Unrechtsfolge uneinbringlich ist, hat keine Mahnung zu erfolgen und ist sofort zu vollstrecken oder nach Abs. 2 vorzugehen.

(1a) Im Fall einer Mahnung gemäß Abs. 1 ist ein pauschalierter Kostenbeitrag in der Höhe von fünf Euro zu entrichten. Der Kostenbeitrag fließt der Gebietskörperschaft zu, die den Aufwand der Behörde zu tragen hat.

(2) Soweit eine Geldstrafe uneinbringlich ist oder dies mit Grund anzunehmen ist, ist die dem ausstehenden Betrag entsprechende Ersatzfreiheitsstrafe zu vollziehen. Der Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe hat zu unterbleiben, soweit die ausstehende Geldstrafe erlegt wird. Darauf ist in der Aufforderung zum Strafantritt hinzuweisen.

(3) Einem Bestraften, dem aus wirtschaftlichen Gründen die unverzügliche Zahlung nicht zuzumuten ist, hat die Behörde auf Antrag einen angemessenen Aufschub oder Teilzahlung zu bewilligen. Die Entrichtung der Geldstrafe in Teilbeträgen darf nur mit der Maßgabe gestattet werden, dass alle noch aushaftenden Teilbeträge sofort fällig werden, wenn der Bestrafte mit mindestens zwei Ratenzahlungen in Verzug ist.

§ 1a Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 (VVG) idF ab normiert:

(1) Die Vollstreckung von Verpflichtungen, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse gelegen ist, ist von der Vollstreckungsbehörde

1. wenn ein von ihr selbst erlassener Bescheid zu vollstrecken ist, von Amts wegen,
2. wenn ein sonstiger Vollstreckungstitel zu vollstrecken ist,

auf Ersuchen der Stelle, von der er ausgegangen ist, einzuleiten.

(2) Die Vollstreckung von Verpflichtungen, auf deren Erfüllung ein Anspruch besteht, ist auf Antrag des Berechtigten (betreibender Gläubiger) einzuleiten.

(3) Die Vollstreckung ist von Amts wegen durchzuführen.

§ 3 VVG idF ab lautet:

Eintreibung von Geldleistungen

(1) Die Verpflichtung zu einer Geldleistung ist in der Weise zu vollstrecken, daß die Vollstreckungsbehörde durch das zuständige Gericht nach den für das gerichtliche Exekutionsverfahren geltenden Vorschriften die Eintreibung veranlaßt. In diesem Fall schreitet die Vollstreckungsbehörde namens des Berechtigten als betreibenden Gläubigers ein. Die Vollstreckungsbehörde kann die Eintreibung unter sinngemäßer Anwendung der Vorschriften über die Einbringung und Sicherung der öffentlichen Abgaben selbst vornehmen, wenn dies im Interesse der Raschheit und der Kostenersparnis gelegen ist.

(2) Der Vollstreckungstitel muss mit einer Bestätigung der Stelle, von der er ausgegangen ist, oder der Vollstreckungsbehörde versehen sein, dass er einem die Vollstreckbarkeit hemmenden Rechtszug nicht mehr unterliegt (Vollstreckbarkeitsbestätigung). Einwendungen gegen den Anspruch im Sinne des § 35 der Exekutionsordnung - EO, RGBl. Nr. 79/1896, sind bei der Stelle zu erheben, von der der Vollstreckungstitel ausgegangen ist.

(3) Natürliche Personen, juristische Personen des Privatrechts sowie der Bund, die Länder und die Gemeinden können die Eintreibung einer Geldleistung unmittelbar beim zuständigen Gericht beantragen. Andere juristische Personen des öffentlichen Rechts können dies nur, soweit ihnen zur Eintreibung einer Geldleistung die Einbringung im Verwaltungsweg (politische Exekution) gewährt ist.

§ 35 Exekutionsordnung (EO) idgF ab normiert:

(1) Gegen den Anspruch, zu dessen Gunsten Execution bewilligt wurde, können im Zuge des Executionsverfahrens nur insofern Einwendungen erhoben werden, als diese auf den Anspruch aufhebenden oder hemmenden Tatsachen beruhen, die erst nach Entstehung des diesem Verfahren zugrundeliegenden Executionstitels eingetreten sind. Falls jedoch dieser Executionstitel in einer gerichtlichen Entscheidung besteht, ist der Zeitpunkt maßgebend, bis zu welchem der Verpflichtete von den bezüglichen Tatsachen im vorausgegangenen gerichtlichen Verfahren wirksam Gebrauch machen konnte.

(2) Diese Einwendungen sind, unbeschadet eines allfälligen Rekurses gegen die Exekutions-bewilligung, im Wege der Klage bei dem Gericht geltend zu machen, das die Exekution in erster Instanz bewilligt hat. ... Einwendungen gegen einen Anspruch, der sich auf einen der im § 1 Z 10 und 12 bis 14 angeführten Executionstitel stützt, sind bei jener Behörde anzubringen, von welcher der Executionstitel ausgegangen ist.

(3) Alle Einwendungen, die die verpflichtete Partei zur Zeit der Geltendmachung bei Gericht oder zur Zeit des Einschreitens bei einer der in Abs. 2 bezeichneten Behörden vorzubringen imstande war, müssen bei sonstigem Ausschluss gleichzeitig geltend gemacht werden....

(4) Wenn den Einwendungen rechtskräftig stattgegeben wird, ist die Execution einzustellen.

Für die rechtmäßige Erlassung einer Vollstreckungsverfügung müssen nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes folgende Voraussetzungen vorliegen:

• Der Vollstreckungsverfügung muss ein entsprechender zu vollstreckender Bescheid (Titelbescheid) zu Grunde liegen (vgl. zB , ).

• Der Bescheid muss gegenüber dem Verpflichteten wirksam ergangen sein (vgl. zB , ).

• Der Verpflichtete ist seiner Verpflichtung innerhalb der festgesetzten Frist und bis zur Einleitung des Vollstreckungsverfahrens nicht nachgekommen (vgl. zB , )

• Die Leistung im Titelbescheid muss mit dem zu vollstreckenden Bescheid übereinstimmen (vgl. ).

Die Vollstreckungsbehörde hat nur zu prüfen, ob ein exekutierbarer Titel vorliegt und die Vollstreckung zulässig ist (, ).

Aus dem Verwaltungsakt geht hervor, dass der Magistrat der Stadt Wien, MA 67, die Versendung der Strafverfügung vom , Zahl, zunächst gemäß § 26 Abs. 1 Zustellgesetz (Zustellung ohne Zustellnachweis) an die Adresse ***Bf1-Adr*** und am die Versendung mit Rückscheinbrief veranlasst hat.

Aus dem im Verwaltungsakt einliegenden "Formular" über die Zustellung der Strafverfügung geht hervor, dass die Versendung der Strafverfügung am an die Adresse ***Bf1-Adr*** erfolgte.

Weiters enthält das Formular betreffend die Zustellung folgende Informationen:


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Datum
Statuscode
Übermittelt
Verarbeitet
Hinterlegt
Nicht behoben

Zustellnachweis

§ 22 Abs. 3 Zustellgesetz idF ab normiert:

"An die Stelle der Übersendung des Zustellnachweises kann die elektronische Übermittlung einer Kopie des Zustellnachweises oder der sich daraus ergebenden Daten treten, wenn die Behörde dies nicht durch einen entsprechenden Vermerk auf dem Zustellnachweis ausgeschlossen hat. Das Original des Zustellnachweises ist mindestens fünf Jahre nach Übermittlung aufzubewahren und der Behörde auf deren Verlangen unverzüglich zu übersenden."

Die Magistratsabteilung 67 erhält die Informationen betreffend die Zustellung von behördlichen Schriftstücken (Strafverfügungen, Straferkenntnisse) durch die Post gemäß § 22 Abs. 3 Zustellgesetz elektronisch übermittelt. Das bedeutet, dass das Bundesfinanzgericht von der Magistratsabteilung 67 mit dem Verwaltungsakt keine "Übernahmebestätigung" von RSb-Briefen erhält, sondern nur mehr ein "Formular" mit Daten (Name, Dienststelle, Status, Genehmigungsdatum, GZ. der MA 67, etc.).

Auf diesem "Formular" fehlen aber wichtige Daten im Zusammenhang mit der Zustellung durch Hinterlegung. So kann nicht nachvollzogen werden, bei welcher Post-Geschäftsstelle zB die Strafverfügung oder ein Straferkenntnis hinterlegt wurde, an welchem Tag der Zustellversuch stattgefunden hat, von wem das behördliche Schriftstück übernommen wurde oder ob der Zusteller die Verständigung über die Hinterlegung in die Abgabeeinrichtung eingelegt hat.

Die übermittelten Daten betreffend die Hinterlegung von behördlichen Schriftstücken stellen somit nach Ansicht des BFG keinen ausreichenden Zustellnachweis dar (vgl. das Erkenntnis des ).

Stumvoll (Stumvoll in Fasching/Konecny3 II/2 § 27 ZustG (Stand , rdb.manz.at) schreibt, dass nach den Intentionen des Gesetzgebers die allfällige faktische Vorgangsweise des Zustelldiensts nach § 22 Abs 3 und 4 ZustG (als jenen Normen entsprechend) zur Beurkundung von Zustellvorgängen (auch im Einvernehmen mit dem Zustelldienst) noch nicht ausreicht, wie dies der Gesetzestext des § 22 ZustG (im Widerspruch zu den die Bedeutung der hohen Anforderungen an die Echtheit der kopierten und elektronisch erfassten Unterschrift betonenden ErläutRV) 23 vermuten lasse. Dennoch sei es zum hybriden Rückscheinbrief gekommen (Rz 13 f, § 22 ZustG Rz 21 ff).

Geltendmachung eines Zustellmangels

Der Bf. macht insofern einen Zustellmangel geltend, als er der Magistratsabteilung 6, BA 32, mit E-Mail vom mitteilte, dass er nach coronabedingter Abwesenheit von seiner Wiener Zweitwohnung wegen des Einreiseverbots mehrere Schriftstücke von der Behörde vorgefunden habe. Die Geldstrafe von € 60,00 habe er soeben überwiesen. Er habe nicht nach Österreich einreisen dürfen, ausweislich seiner Anmeldung sei Wien lediglich sein Nebenwohnsitz, habe er seit Ende Februar keine Schriftstücke, die an seine Wiener Adresse gesandt worden seien, entgegennehmen können.

Mit E-Mail vom teilte der Bf. der Magistratsabteilung 6, BA 32, ua. mit, dass er "mittlerweile" weitere Schriftstücke der Behörde vorgefunden habe und die Situation neu bewerte. Er lege gegen die Strafverfügung ein Rechtsmittel ein. Er habe in Wien lediglich einen Zweitwohnsitz und sei in Österreich auch nicht beruflich beschäftigt und hätte deswegen auch keinen Einreisegrund gehabt. Die eventuelle Einreisegenehmigung auf Grund eines Nebenwohnsitzes, falls sie denn überhaupt erteilt worden wäre, unter der Bedingung einer zweiwöchigen Quarantäne, sei hier als unzumutbare Härte anzusehen. Er habe wegen seiner monatelangen Abwesenheit alle Schreiben, in denen er von der Behörde aufgefordert worden sei, den Fahrer zu benennen, nicht beantworten können.

Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung:

Abgabestelle

Nach § 13 Abs. 1 ZustellG ist die Sendung dem Empfänger an der Abgabestelle zuzustellen.

Gemäß § 2 Z. 3 Zustellgesetz bedeutet "Zustelladresse" eine Abgabestelle (Z 4) oder elektronische Zustelladresse (Z 5);

Gemäß § 2 Abs. 4 Zustellgesetz ist unter "Abgabestelle" unter anderem die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder auch der Arbeitsplatz des Empfängers zu verstehen.

Grundsätzlich liegt es im Ermessen der Behörde, welche Abgabestelle sie wählt. Die Abgabe-stellen stehen in keiner Rangordnung. Es ist jener Zustellort als Abgabestelle zu bezeichnen, von dem mit größter Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass dort die Zustellung bewirkt und das Schriftstück dem Empfänger am einfachsten und sichersten übergeben werden kann oder von dem zumindest mit größter Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass es der gewählte Zustellort dem Empfänger erlaubt, mit der erforderlichen Aufmerksamkeit von der Zustellung Kenntnis zu nehmen (Ritz, BAO5, § 2 Zustellgesetz, Tz 8 bis 9).

Unter einer "Wohnung" ist jene Räumlichkeit zu verstehen, die der Empfänger tatsächlich benützt, wo er also tatsächlich wohnt. Der dazu erforderliche regelmäßige Aufenthalt des Empfängers ist dabei nach objektiven Gesichtspunkten ex post und ohne Rücksicht darauf zu beurteilen, wie sich die Verhältnisse dem Zustellorgan seinerzeit subjektiv geboten haben sowie ohne Rücksicht auf die Absichten des Empfängers. Eine "Wohnung" wird durch das Faktum des (regelmäßigen) Bewohntwerdens begründet. Davon kann keine Rede sein, wenn nur eine bloß fallweise Benützung vorliegt (vgl. zB , ). Erst wenn das Vorliegen einer Wohnung im genannten Sinn und damit einer Abgabestelle iSd § 4 Zustellgesetzes bejaht werden kann, käme es im weiterer Folge darauf an, ob der Zustellempfänger iSd § 17 Abs. 3 Zustellgesetz wegen Abwesenheit von dieser Abgabestelle von einem Zustellvorgang nicht rechtzeitig hätte Kenntnis erlangen können (vgl. , ).

Liegt keine Abgabestelle vor, so kann schon aus diesem Grund die nach § 17 Abs. 1 Zustellgesetz erfolgte Hinterlegung keine Rechtswirkungen nach sich ziehen.

Auf die polizeiliche Meldung als Hauptwohnsitz kommt es nicht an (vgl. zum Ganzen die bei Walter-Mayer, Zustellrecht, Seite 32f, zitierte Rechtsprechung sowie das Erkenntnis des , 0012, 0013, wonach zur Auslegung des Begriffes der Wohnung im Sinne des § 4 des Zustellgesetzes auf die Rechtsprechung zur Rechtslage vor Erlassung des Zustellgesetzes, insbesondere zu § 22 Abs. 1 AVG 1950, zurückgegriffen werden kann).

Zustellung durch Hinterlegung

§ 17 idF ab normiert:

(1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

Nach § 17 Abs. 1 ZustG ist Voraussetzung für eine Hinterlegung, dass der Zusteller Grund zur Annahme hat, dass sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle aufhält.

Die durch den dritten Satz des § 17 Abs 3 ZustG normierte Zustellwirkung der Hinterlegung wird nach § 17 Abs 3 Satz 4 ZustG nicht durch Abwesenheit von der Abgabestelle schlechthin, sondern nur durch eine solche Abwesenheit von der Abgabestelle ausgeschlossen, die bewirkt, dass der Empfänger wegen seiner Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte (, ).

Hält sich der Empfänger nicht regelmäßig an der Abgabestelle auf, gilt das behördliche Schriftstück nicht als zugestellt (vgl , ).

Die belangte Behörde ging offensichtlich auf Grund des Umstandes, dass der Bf. im Zentralen Melderegister an der Wiener Adresse mit einem Hauptwohnsitz gemeldet ist, davon aus, dass sich der Bf. regelmäßig an dieser Adresse aufhält und ihm daher die Strafverfügung am rechtmäßig zugekommen ist. Nachdem der Bf. gegen die Strafverfügung keinen Einspruch erhob und die mit der Strafverfügung verhängte Geldstrafe von € 60,00 binnen der zweiwöchigen Zahlungsfrist nicht bezahlte, erließ die Behörde am die hier angefochtene Vollstreckungsverfügung.

Nachdem der Bf. in seinen E-Mails vom 1. und mit den bereits wiedergegebenen Ausführungen einen Zustellmangel der an ihn ergangenen Schriftstücke behauptete, brachte die Behörde dem Bf. mit Schreiben vom ("Verfahrensanordnung - Verspätungsvorhalt") zur Kenntnis, dass sein Einspruch vom gegen die Strafverfügung vom , nach der Aktenlage verspätet sei, da die Rechtsmittelfrist abgelaufen sei.

Ob eine Beschwerde rechtzeitig oder verspätet eingebracht wurde, ist eine Rechtsfrage, welche auf Grund von Tatsachen zu entscheiden ist, die die Behörde festzustellen hat, wobei der Partei gemäß § 45 Abs. 3 AVG Gelegenheit zu geben ist, vom Ermittlungsverfahren Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen.

Behauptet jemand, es liege ein Zustellmangel vor, so hat er diese Behauptung entsprechend zu begründen und Beweise dafür anzuführen, welche die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen geeignet sind ().

Der Bf. hat einen Wohnsitz in Deutschland und ist im Zentralen Melderegister unter der Wiener Adresse mit einem Hauptwohnsitz erfasst (Abfrage vom ).

Der Bf. hat glaubhaft vorgebracht, dass es sich bei der Adresse in Wien nur um einen Zweitwohnsitz handelt, an dem er sich nicht regelmäßig aufhält. Er habe wegen der Corona-Krise seit Ende Februar 2020 keine Schriftstücke, die an seine Wiener Adresse gesandt wurden, entgegennehmen können. Er habe noch vor der "Niederlegung des Dokuments" (gemeint: Hinterlegung der Strafverfügung) Österreich verlassen und sei monatelang nicht in Österreich gewesen, sondern habe sich an seinem Wohnsitz in Deutschland aufgehalten. Eine Rückkehr nach Wien sei wegen der Grenzschließung bis Ende Juni nicht möglich gewesen.

Damit wurde ein mit Blick auf § 17 Abs. 3 letzter Satz Zustellgesetz relevantes Vorbringen erstattet, welches klare Angaben insbesondere über die Dauer der behaupteten Abwesenheit enthielt.

Das Bundesfinanzgericht geht in freier Beweiswürdigung davon aus, dass der Bf. wegen der von Deutschland und Österreich in Zusammenhang mit der Coronapandemie gesetzten Maßnahmen zur Zeit der Zustellung der Strafverfügung () und bis Ende Juni 2020 nicht an der Abgabestelle in Wien aufhältig war und somit von der Hinterlegung der Strafverfügung keine Kenntnis erlangen konnte.

Demgemäß ist dem Bf. die mit datierte Strafverfügung nicht rechtswirksam zugekommen.

Gemäß den gesetzlichen Bestimmungen des § 3 VVG setzt die rechtmäßige Erlassung einer Vollstreckungsverfügung aber unter anderem voraus, dass dieser ein entsprechender Titelbescheid zu Grunde liegt und dieser Bescheid gegenüber dem Verpflichteten wirksam ergangen ist ().

Mangels gegenüber dem Bf. wirksam ergangener Strafverfügung lag daher die Voraussetzung für die rechtmäßige Erlassung der mit gegenständlicher Beschwerde bekämpften Vollstreckungsverfügung nicht vor.

Die Vollstreckungsverfügung war daher aufzuheben und spruchgemäß zu entscheiden.

Zur Unzulässigkeit der Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine solche Rechtsfrage lag verfahrensgegenständlich nicht vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Verwaltungsstrafsachen Wien
betroffene Normen
§ 10 Abs. 1 VVG, Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991, BGBl. Nr. 53/1991
§ 1a VVG, Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991, BGBl. Nr. 53/1991
§ 3 VVG, Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991, BGBl. Nr. 53/1991
§ 35 EO, Exekutionsordnung, RGBl. Nr. 79/1896
§ 22 Abs. 3 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 54b VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991
§ 27 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 17 Abs. 3 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7500810.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at