1. Vorschreibung von Lohnabgaben als Folge von geschätztem Lohnaufwand im Rahmen der Feststellung der Einkünfte 2. Pauschale Berechnung der Lohnabgaben mangels Feststellungsmöglichkeit der einzelnen Arbeitnehmer
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch MADER FELLMANN & CO TREUHAND GMBH, Seidengasse 45, 1070 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 12/13/14 Purkersdorf vom , Steuernummer ***BF1StNr1***, betreffend Haftungs- und Abgabenbescheid 01.2010-12.2011 betreffend Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Bisheriger Verfahrensgang
Die belangte Behörde hat die Bescheidbeschwerde der Beschwerdeführerin (Bf) gegen den Haftungsbescheid Lohnsteuer für die Jahre 2010 und 2011 und gegen die Abgabenbescheide betreffend Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2010 und 2011 dem Bundesfinanzgericht vorgelegt.
Strittig ist im vorliegenden Fall allein die Frage, ob die Bf Arbeitnehmer beschäftigt hat und die darauf entfallenden Lohnabgaben daher zu entrichten sind.
Dieser Frage liegt folgendes Verwaltungsgeschehen zu Grunde:
Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung wurde festgestellt, dass die Bf Fremdleistungsaufwand gewinnwirksam berücksichtigt hatte. Für diesen Fremdleistungsaufwand wurden in einem Fall zugehörige Belege nicht vorgelegt, im anderen Fall wurden die Belege zwar vorgelegt, jedoch stellten sich auf Grund der Gesamtumstände Zweifel am geltend gemachten Aufwand ein.
Für den geltend gemachten Aufwand der ***1*** wurden keine Belege vorgelegt. Die verrechneten Leistungen wurden für den Zeitraum Mai bis Oktober 2011 datiert und betrugen insgesamt 54.180 Euro. Die Beträge wurden laut einem handschriftlichen Vermerk bar bezahlt. Erhebungen bei der Firma ***1*** brachten folgendes Ergebnis: Der Geschäftsführer gab gegenüber der Betriebsprüfung an, dass er die Bf und deren Beteiligte nicht kenne und auch niemals Geschäfte mit dieser getätigt habe. Die befragte Firma habe auch niemals Geld von der Bf erhalten.
Der Kommanditist der Bf gab dazu an, dass dieser Fremdleistungsaufwand Leistungen der Firma ***2*** betroffen habe. Frau ***3*** sei als Vertreterin der Firma ***1*** aufgetreten. Die Beträge seien an diese bar bezahlt worden. Frau ***3*** habe die Beträge bis dato nicht zurückgegeben und sei auch nicht mehr erreichbar.
Für den Fremdleistungsaufwand der Firma ***4***, der für den Zeitraum Februar bis Dezember 2010 verrechnet worden sei, sind Belege vorgelegt worden. Der Fremdleistunsaufwand betrug insgesamt 73.320 Euro. Auf den vorgelegten Belegen war als Leistung "VWS Fassade herstellen" angegeben. Sämtliche Belege wurden bar bezahlt. Über diese Gesellschaft wurde am tt.mm.2010 der Konkurs eröffnet, trotzdem wurde noch eine Rechnung vom als Aufwand geltend gemacht und diese bar bezahlt. Die Unterschrift des Geschäftsführers auf den Vermietungsunterlagen stimmte nicht mit der Unterschrift auf den Eingangsrechnungen und den Kassa-Eingangsbelegen überein. Weiters zeigte die Rechnung an die Bf ein ganz anderes Schriftbild als die Rechnungen der ***4*** an einen anderen Kunden.
Der Kommanditist der Bf gab dazu an, dass diese Leistungen die Bauaufsicht für die Firma ***5*** betroffen hätten. Herr ***6*** sei als Vertreter der Firma ***4*** aufgetreten und habe auch die Zahlungsbelege unterschrieben.
Auf Grund dieser Zahlungs- und Abrechnungsmodalitäten ging die Betriebsprüfung davon aus, dass Leistungen zwar erbracht worden waren, jedoch für die Höhe des Aufwandes kein geeigneter Nachweis vorgelegt werden konnte. Die Betriebsprüfung stellte weiters fest, dass diese Leistungen der Fremdleister als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu qualifizieren sind. Die Betriebsprüfung schätze 60 Prozent des Fremdleistungsaufwandes als Lohnaufwand und brachte diesen in Abzug. Daneben wurde noch eine Rückstellung für Lohnabgaben in der Höhe von 22,9 Prozent gebildet.
Die Bf hat ihre Tätigkeit im Mai 2012 eingestellt.
Gegen die Bescheide betreffend Umsatzsteuer und Feststellung von Einkünften für die Jahre 2010 und 2011, die die Feststellungen der Betriebsprüfung berücksichtigten, wurde keine Beschwerde eingebracht.
Auf die abgabenbehördliche Prüfung folgte eine Prüfung der lohnabhängigen Abgaben für den Zeitraum 2010 bis 2012. Die Prüfung stellte fest, dass der nicht anerkannte Fremdleistungsaufwand im Zuge der abgabenbehördlichen Prüfung als Leistung, die von eigenem Personal erbracht wurde, qualifiziert wurde. Daher wurden für diese Beträge die Lohnabgaben nachverrechnet. Die Lohnsteuer wurde dabei pauschal mit 15 Prozent festgesetzt (in Anlehnung an die Rückstellung Lohnabgaben). Auf den geschätzten Lohnaufwand durch die Betriebsprüfung wurde verwiesen. Es ergingen in der Folge Haftungsbescheide für die Lohnsteuer 2010 und 2011 und Abgabenbescheide betreffend Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für eben diesen Zeitraum.
Gegen diese Bescheide wurde Beschwerde eingebracht. Die Bf brachte darin vor, dass sich die vorgeschriebenen Beträge lohnabhängiger Abgaben auf beschäftigte Dienstnehmer der Bf bezögen. Die Bf habe aber nachweislich nie Dienstnehmer beschäftigt. Ohne die Feststellung konkreter Sachverhalte könnten im Wege der reinen Vermutung Dienstverhältnisse nicht begründet werden.
Das Finanzamt entschied mit abweisender Beschwerdevorentscheidung. Wie schon im Betriebsprüfungsbericht ausgeführt, ist die Betriebsprüfung davon ausgegangen, dass die abgerechneten Leistungen erbracht wurden, diese aber als Leistung von eigenem Personal erbracht worden seien. Deshalb sei ein Anteil von 60 Prozent als Personalaufwand berücksichtigt worden. Deswegen seien keine eigenen Feststellungen über Dienstverhältnisse zu treffen gewesen. Der Sachverhalt des eigenen Lohnaufwandes habe sich schon aus dem Ergebnis der Betriebsprüfung ergeben.
Die Bf stellte den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht und beantragte die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung.
In der mündlichen Verhandlung wurde ausgeführt:
Der steuerliche Vertreter der Bf wiederholte seine bisherigen Vorbingen und führte nochmal dazu aus, dass die Bf ja Umsätze getätigt hat und selbst nie Dienstnehmer hatte. Zur Ausführung der Arbeiten seien immer ausschließlich Subunternehmer beschäftigt worden, eigene Angestellte hat die Bf nie gehabt. Die Lohnsteuerprüfung habe nun fiktive Dienstnehmer konstruiert, dafür gebe es aber keine Anhaltspunkte.
Die Richterin wendete ein, dass im Zuge der Betriebsprüfung der geschätzte Lohnaufwand und die Rückstellung der Lohnabgaben akzeptiert worden seien.
Dazu brachte der steuerliche Vertreter vor, dass es ja den Aufwand gegeben habe, und deswegen habe man der Berücksichtigung des Lohnaufwandes zugestimmt. Man habe aber nicht zugestimmt, dass es sich um Lohnaufwand gehandelt habe für Dienstnehmer. Konkludent sei die Dienstnehmereigenschaft immer in Frage gestellt worden.
Der Vertreter des FA hatte kein ergänzendes Vorbringen, er verwies auf das bisherige schriftliche Vorbringen.
Der steuerliche Vertreter brachte vor, die bei den Subunternehmen beschäftigten Dienstnehmer waren nie im Wirkungsbereich der Bf beschäftigt. Fest stehe, dass der gesamte Fremdleistungsaufwand tatsächlich bezahlt wurde und daher auch in dieser Größenordnung der Bf erwachsen sei. In diesem Aufwand ist ja auch der Lohnaufwand der Subunternehmen abgegolten inkl. jeglicher Lohnabgaben, womit durch die streitgegenständliche Vorschreibung die Lohnabgaben doppelt vorgeschrieben wurden.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
1. Sachverhalt
Das Bundesfinanzgericht stellt auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:
Die Bf hat Umsätze aus diversen Bauleistungen erzielt.
Die Bf hat keine eigenen Dienstnehmer angemeldet.
Die Aufwendungen für die Durchführung der Bauleistungen wurden als Fremdleistungsaufwand geltend gemacht.
Bei diesen Fremdleistungen wurde das Material von der Bf bereitgestellt. Die durchgeführte Arbeit wurde mit dem Fremdleistungsaufwand entlohnt.
Nach den Angaben auf den Rechnungen zum Fremdleistungsaufwand wurde dieser von der Firma ***1*** und von der Firma ***4*** ausgeführt.
Auf Grund von Ermittlungen wurde festgestellt, dass die Firma ***1*** keine Geschäftsbeziehungen zur Bf unterhielt. Dies wurde vom Kommanditisten der Bf in einer Vorhaltsbeantwortung selbst angegeben. Die betreffenden Zahlungen haben nach diesen Angaben der Firma ***2*** gegolten. Die Rechnungen wurden stets in bar beglichen.
Die Firma ***4*** hat an der angegebenen Geschäftsadresse nie eine Geschäftstätigkeit ausgeführt. Die Rechnungen wurden nur in bar beglichen. Die Unterschriften auf den Barzahlungsbelegen stimmten nicht mit den Unterschriften des Geschäftsführers auf den Vermietungsvereinbarungen überein.
Die Prüfung der lohnabhängigen Abgaben kam daher zu dem Schluss, dass der vorgebliche Fremdleistungsaufwand Aufwand für eigenes Personal darstellt, das nicht angemeldet worden ist.
Der steuerliche Vertreter hat im Zuge der Schätzung des Lohnaufwandes angegeben, dass 60 Prozent des Fremdleistungsaufwandes als Lohnaufwand realistisch sei (Aktenvermerk der Prüferin vom über Telefonat mit Mag. ***7*** zur Mail vom , Zu- und Abrechnungen, BP-Arbeitsbogen, Vorhalt und Vorhaltsbeantwortungen, Seite 1).
Diese Sachverhaltsfeststellungen sind aktenkundig bzw ergeben sich aus nachstehender Beweiswürdigung:
2. Beweiswürdigung
Wie aus den Erklärungen ersichtlich, hat die Bf Umsätze erzielt, die ohne arbeitendes Personal nicht erzielbar gewesen wären. Nun steht es dem Steuerpflichtigen grundsätzlich frei, ob er die angenommenen Aufträge durch eigenes Personal ausführen lässt oder sich dazu anderer Firmen bedient und diese Aufträge daher im Wege von Fremdleistungen bewerkstelligt.
Wenn nun Aufwendungen für Fremdleistungen geltend gemacht werden, so ist darüber ein Nachweis zu erbringen, wer diese Leistungen erbracht hat und dafür entlohnt wurde. Die Bf hat in dieser Hinsicht jeweils zwei Fremdleister angegeben, die die Leistungen tatsächlich nicht erbracht haben. Im Fall der Firma ***1*** hat dies der Bf selbst eingeräumt. Im anderen Fall wurden die Firma ***4*** als Fremdleister genannt, welche den Erhebungen zufolge keine Geschäftstätigkeit entfaltet hat. Auch dieser Fremdleister kann daher die Arbeiten nicht ausgeführt haben.
In beiden Fällen wurden die Leistungen ausschließlich bar beglichen, sodass auch im Wege des Geldflusses keine Überprüfung der Empfänger der Beträge möglich ist. Die Unterschrift auf dem Bargeldbeleg stimmte nicht mit der firmenmäßigen Zeichnung überein. Auch die vorgeblichen Barzahlungen scheiden als Nachweis oder zumindest als Glaubhaftmachung dafür, dass die beiden vorgeblichen Subfirmen für die Bf tatsächlich Leistungen erbracht haben sollen, aus.
Auf Grund dieser Gesamtumstände und der bekannten Malversationen in der Baubranche, die genau diesem Muster folgen, wie sich die Fremdleistungen im vorliegenden Fall darstellen, bestehen daher berechtigte Zweifel, dass es sich bei dem geltend gemachten Fremdleistungsaufwand um tatsächliche Fremdleistungen handelte. Mangels eigenen angemeldeten Personals ist daher davon auszugehen, dass mit diesem Aufwand Aufwand für eigenes Personal verschleiert werden sollte und die Lohnabgaben vermieden werden sollten.
Den vom Finanzamt zu den beiden vorgeblichen Subfirmen getroffenen Feststellungen und der daraus gezogenen Schlussfolgerung, dass die beiden vorgeblichen Subfirmen als Leistungserbringerinnen ausscheiden, ist die Bf nicht entgegen getreten. Vielmehr hat sie im Betriebsprüfungsverfahren selbst angegeben, dass ein Lohnaufwand von 60 Prozent realistisch sei.
Da die Bf aber tatsächlich Bauleistungen erbracht hat, diese aber nicht von den beiden vorgeblichen Subfirmen durchgeführt worden sind, und der Lohnaufwand von der Bf mit 60 Prozent als realistisch bezeichnet wurde, ist das Finanzamt zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass sich die Bf dafür eigener (nicht angemeldeter) Dienstnehmer bedient hat.
Das Bundesfinanzgericht geht daher davon aus, dass mit diesen Aufwendungen eigenes Personal, das nicht angemeldet wurde, entlohnt wurde. Bei den von den angeblichen Subfirmen in Rechnung gestellten Beträgen handelt es sich daher teilweise um versteckten Lohnaufwand.
Wenn die Bf nun vorbringt, dass man damit nur zugestimmt habe, dass der Aufwand berücksichtigt werde, konkludent aber das Vorhandensein von Personal und Lohnaufwand aber immer verneint habe, so ergibt sich aus diesem Vorbringen ein Widerspruch dahingehend, dass einerseits bei der Feststellung der Einkünfte der Lohnaufwand akzeptiert wird, andererseits aber bei der Vorschreibung der Lohnabgaben dieser Lohnaufwand aber verneint wird. Das Bundesfinanzgericht schenkt daher dem Vorbringen, dass 60 Prozent Lohnaufwand realistisch seien, mehr Glauben und geht daher von nicht angemeldeten Dienstnehmern aus.
Dass die Lohnabgaben damit der Bf und den Subunternehmen vorgeschrieben worden seien, trifft insofern nicht zu, als die genannten Subfirmen nicht die Leistungserbringer gewesen sind, und die Abfuhr von Lohnabgaben daher nicht festgestellt werden kann. Die in der Baubranche auftretenden Scheinfirmen betreiben ihr Geschäft üblicherweise zur Vermeidung von Lohn- und Sozialabgaben und kann daher aus diesem Grunde nicht davon ausgegangen werden, dass durch die Vorschreibung der Lohnabgaben an die Bf diese von der Abgabenbehörde zwei Mal vorgeschrieben und eingehoben würden.
Vor diesem Hintergrund durfte das Bundesfinanzgericht die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen annehmen.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)
Haftung für Lohnsteuer:
Gemäß § 82 EStG 1988 haftet der Arbeitgeber dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn einzubehaltenden Lohnsteuer. Gegen die durchgeführte Schätzung mit 60 Prozent bestehen keine Bedenken, da der Bf diese Schätzung im Betriebsprüfungsverfahren als realistisch bezeichnet hat. Gegen diese Schätzung und die in der Folge ergangenen Bescheide wurde keine Beschwerde erhoben, sodass diese Schätzung des Lohnaufwandes der Berechnung der Lohnsteuer zugrunde gelegt werden kann.
Gemäß § 86 Abs 2 EStG 1988 kann die Nachforderung der Lohnsteuer in einem Pauschbetrag erfolgen, wenn sich bei einer Außenprüfung ergibt, dass die genaue Ermittlung der auf den einzelnen Arbeitnehmer infolge einer Nachforderung entfallende Lohnsteuer mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden ist.
Auch im Falle einer pauschalen Nachforderung muss grundsätzlich ermittelbar sein, was auf den einzelnen Arbeitnehmer entfällt. Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen wird aber dann vorliegen, wenn zwar feststeht, dass der Arbeitgeber Arbeitnehmern geldwerte Vorteile gewährte, der Arbeitgeber aber selbst der Abgabenbehörde die Möglichkeit nimmt, die betreffenden Arbeitnehmer festzustellen (vgl. ).
Auf Grund des festgestellten Sachverhaltes und der Tatsache, dass die Bf die Beschäftigung von Arbeitnehmern durch vorgebliche Fremdleistungen in Abrede stellte, war es der Behörde nicht möglich, eine genaue Ermittlung der Arbeitnehmer und der auf diese entfallenden Lohnsteuer vorzunehmen. Aus diesem Grund wurde auf die pauschale Ermittlung zurückgegriffen.
Festsetzung Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag:
Ordnen die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen an oder gestatten sie dies, so kann gemäß § 201 Abs 1 BAO nach Maßgabe des § 201 Abs 2 BAO und muss nach Maßgabe des § 201 Abs 3 BAO auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen eine erstmalige Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid erfolgen, wenn der Abgabepflichtige, obwohl er dazu verpflichtet ist, keinen selbst berechneten Betrag der Abgabenbehörde bekannt gibt oder wenn sich die bekanntgegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist.
Gemäß § 201 Abs 2 Z 3 BAO kann die Festsetzung erfolgen, wenn kein selbstberechneter Betrag bekannt gegeben wird oder wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 303 BAO die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegen würden.
§ 303 BAO nennt als Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens, dass
a) der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder
b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder
c) der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist,
und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Gemäß § 41 Abs 1 FLAG 1967 haben den Dienstgeberbeitrag alle Dienstgeber zu leisten, die im Bundesgebiet Dienstnehmer beschäftigen; als im Bundesgebiet beschäftigt gilt ein Dienstnehmer auch dann, wenn er zur Dienstleistung ins Ausland entsendet ist.
Gemäß § 41 Abs 2 FLAG 1967 sind Dienstnehmer Personen, die in einem Dienstverhältnis im Sinne des § 47 Abs 2 des Einkommensteuergesetzes 1988 stehen, freie Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs 4 ASVG, sowie an Kapitalgesellschaften beteiligte Personen im Sinne des § 22 Z 2 des Einkommensteuergesetzes 1988.
Gemäß § 41 Abs 3 FLAG 1967 ist der Beitrag des Dienstgebers von der Summe der Arbeitslöhne zu berechnen, die jeweils in einem Kalendermonat an die im Abs 1 genannten Dienstnehmer gewährt worden sind, gleichgültig, ob die Arbeitslöhne beim Empfänger der Einkommensteuer unterliegen oder nicht (Beitragsgrundlage). Arbeitslöhne sind Bezüge gemäß § 25 Abs 1 Z 1 lit a und b des Einkommensteuergesetzes 1988 sowie Gehälter und sonstige Vergütungen jeder Art im Sinne des § 22 Z 2 des Einkommensteuergesetzes 1988 und an freie Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs 4 ASVG.
Gemäß § 41 Abs 5 FLAG 1967 beträgt der Beitrag 4,5 v.H. der Beitragsgrundlage.
Die Regelungen des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag (DZ), welcher von der in § 41 FLAG 1967 festgelegten Bemessungsgrundlage zu erheben ist, finden sich in § 122 Abs 7 und 8 des Wirtschaftskammergesetzes 1998 (WKG).
Gemäß § 47 Abs 2 EStG 1988 liegt ein Dienstverhältnis vor, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist.
Bezogen auf den "Neuerungstatbestand" ist somit erforderlich, dass für die Abgabenbehörde im Verfahren nicht geltend gemachte Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, wenn die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Voraussetzung für die Festsetzung ist daher, dass entscheidungserhebliche Tatsachen oder Beweismittel der Abgabenbehörde im Zeitpunkt der Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages noch nicht bekannt waren und dass diese Umstände nachträglich neu hervorkommen (etwa im Zuge einer Außenprüfung).
Im gegenständlichen Fall kam erst im Rahmen der Außenprüfung der Bf und in der darauf folgenden GPLA-Prüfung hervor, dass die Bf versteckten Lohnaufwand als Fremdleistungen geltend machte, diese Leistungen aber letztlich durch eigene Dienstnehmer erbracht worden sind, deren Löhne sie nicht in die Bemessungsgrundlagen für DB und DZ einbezogen hatte. Dies wurde auch im Bericht über die GPLA-Prüfung festgehalten, auf dessen Ausführungen in den bekämpften Bescheiden zur Begründung hingewiesen wurde.
Auf § 201 Abs 2 Z 3 BAO gestützte Festsetzungen liegen stets im Ermessen, dies unabhängig davon, ob sie auf Antrag oder von Amts wegen erfolgen können (vgl. Ritz, BAO6, § 201 Tz 38).
Da sich damit die Selbstberechnung von DB und DZ als unrichtig erweist, kann eine Festsetzung von DB und DZ für die genannten Jahre erfolgen. Es handelt sich dabei um eine Ermessensentscheidung.
Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), müssen sich gemäß § 20 BAO in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen.
Die maßgebenden Kriterien für die Übung des Ermessens ergeben sich primär aus der Ermessen einräumenden Bestimmung. In der Regel sind sie lediglich erschließbar aus dem Zweck der Norm (vgl. Ritz, aaO, § 20 , Tz 5).
Die Ermessensübung hat sich vor allem am Zweck der Norm zu orientieren. Daher ist bei einer Festsetzung nach § 201 BAO, die sich nach den Kriterien der Wiederaufnahmen der Verfahren (§ 303 BAO) richtet, insbesondere der Vorrang des Prinzips der Rechtsrichtigkeit (Gleichmäßigkeit der Besteuerung) vor jenem der Rechtsbeständigkeit zu beachten (vgl. Ritz, aaO, § 20 , Tz 8 und die dort wiedergegebene Judikatur und Literatur).
Unter Billigkeit versteht die ständige Rechtsprechung die "Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei", unter Zweckmäßigkeit das öffentliche Interesse, insbesondere an der Einbringung der Abgaben (vgl. Ritz, aaO, § 20 , Tz 7).
Da nicht erkennbar ist, welche berechtigten Interessen der Bf der korrekten Festsetzung der genannten Abgaben entgegenstehen könnten, andererseits ein Interesse der Allgemeinheit an der gleichmäßigen Besteuerung aller Steuerpflichtigen besteht, erscheint die Festsetzung nicht unbillig. Im Hinblick darauf, dass die Festsetzung zu einer nicht unerheblichen Nachforderung an DB und DZ führt, stehen ihr auch nicht das Gebot der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit entgegen.
Unter Berücksichtigung der von der Prüfung der lohnabhängigen Abgaben für die Streitjahre im Schätzungswege festgestellten Lohnaufwendungen errechnen sich die in den Bescheiden angeführten Abgabenbeträge.
Die bekämpften Bescheide stehen somit in Übereinstimmung mit der Rechtslage.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Bei der Beurteilung der Frage, ob die streitgegenständlichen Leistungen durch eigene Dienstnehmer der Bf oder durch Dienstnehmer von Subfirmen erbracht wurden, handelt es sich um eine reine Sachverhaltsfrage. Die rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes ergab sich aus dem klaren Wortlaut des Gesetzes. Hinsichtlich der pauschalen Nachverrechnung der Lohnsteuer erfolgte die Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht an Hand der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ().
Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung lag somit nicht vor. Daher war die Revision für unzulässig zu erklären.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 82 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 201 Abs. 2 Z 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 201 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 86 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 201 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 201 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 201 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 303 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 41 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 41 Abs. 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 47 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 4 Abs. 4 ASVG, Allgemeines Sozialversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 189/1955 § 22 Z 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 41 Abs. 3 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 25 Abs. 1 Z 1 lit. a und b EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 41 Abs. 5 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 41 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 122 Abs. 7 und 8 WKG, Wirtschaftskammergesetz 1998, BGBl. I Nr. 103/1998 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7105202.2015 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at