Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 25.11.2020, RV/2101123/2020

(Keine) Vorsteuererstattung für innergemeinschaftliche Lieferungen

Rechtssätze


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Folgerechtssätze
RV/2101123/2020-RS1
wie RV/0441-G/12-RS1
Ein Ausweis der Umsatzsteuer trotz Vorliegens einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung berechtigt nicht zum Vorsteuerabzug. Dies deshalb, weil die Steuerschuld auf Grund der Rechnung nach § 11 Abs. 12 UStG 1994 nicht zum Vorsteuerabzug führt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Hörmann & Partner, Steuerberater MBB, Haslacher Straße 20, 83278 Traunstein, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Vorsteuererstattung 1-12/2019, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer, ein deutscher Unternehmer, brachte einen rechtzeitigen Antrag auf Vorsteuererstattung für das Jahr 2019 elektronisch beim Finanzamt ein.
Bis auf eine Rechnung wurden ihm die beantragten Vorsteuerbeträge erstattet.
Diese Rechnung betraf den Kauf eines Smartphones in Österreich.
Im Vorsteuererstattungsbescheid wurde die Nichterstattung mit dem Hinweis auf Ausgaben für private Zwecke begründet.
In der Beschwerde wies der steuerliche Vertreter darauf hin, dass das Smartphone für die Geschäftstätigkeit des BF notwendig sei, um die Fahrer jederzeit kontaktieren zu können.
In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung verwies das Finanzamt darauf, dass es sich bei diesem Kauf um eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung gem. Art. 7 UStG 1994 handle.
Im Vorlageantrag übersendete der BF nochmals die beschwerdegegenständliche Rechnung und verwies darauf, dass es sich bei diesem Kauf um keine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung gem. Art. 7 UStG 1994 handle, da auf der Rechnung 20 % Umsatzsteuer ausgewiesen worden sei.

Im Vorlagebericht an das BFG führte das Finanzamt aus:
"Die Richtlinie 2008/9/EG des Rates der europäischen Union regelt die Erstattung von Mehrwertsteuer an ausländische Unternehmer. Nach Artikel 4 b dieser Richtlinie sind in Rechnung gestellte Mehrwertsteuerbeträge für Lieferungen von Gegenständen, die gemäß Art 138 oder Art 146 Abs 1 Buchstabe b der Richtlinie 2006/112/EG von der Steuer befreit sind oder befreit werden können, nicht zu erstatten. Das Erstattungsverfahren ist nicht anwendbar für fälschlich in Rechnung gestellte Mehrwertsteuerbeträge. Der öst. Leistende darf im Zuge einer innergemeinschaftlichen Lieferung im Abholfall keine Mehrwertsteuer in der Rechnung ausweisen. Der deutsche Leistungsempfänger muss die Erwerbsbesteuerung in Deutschland durchführen. Die Rechnungen können vom öst. Leistenden berichtigt werden."
Um Abweisung der Beschwerde werde ersucht.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer ist ein deutscher Unternehmer, der einen rechtzeitigen elektronischen Antrag auf Vorsteuererstattung für das Jahr 2019 beim Finanzamt einbrachte.
Die beantragten Vorsteuerbeträge aus den Kraftstoffrechnungen wurden ihm erstattet.
Die Vorsteuer aus der Rechnung (ausgewiesen waren 20 %) für den Kauf eines Smartphones in Österreich für betriebliche Zwecke wurde abgelehnt; im Ergebnis mit dem Hinweis auf das Vorliegen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung, für welche das Erstattungsverfahren nicht anzuwenden sei.

Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage und ist insoweit unstrittig.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen, mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen wird, BGBl. Nr. 279/1995 idF BGBl. II Nr. 158/2014, ist die Erstattung der abziehbaren Vorsteuerbeträge an nicht im Inland ansässige Unternehmer, das sind solche, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben, abweichend von den §§ 20 und21 Abs. 1 bis 5 UStG 1994 nach Maßgabe der §§ 2, 3 und 3a durchzuführen, wenn der Unternehmer im Erstattungszeitraum
1. keine Umsätze im Sinne der § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 und Art. 1 UStG 1994 oder
2. nur steuerfreie Umsätze im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 3 UStG 1994 oder
3. nur Umsätze, bei denen die Steuerschuld auf den Leistungsempfänger übergeht (§19 Abs. 1 zweiter Unterabsatz UStG 1994) ausgeführt hat. ...

§ 3 (Erstattungsverfahren für im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer) Abs. 1: Der im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer hat den Erstattungsantrag auf elektronischem Weg über das in dem Mitgliedstaat, in dem er ansässig ist, eingerichtete elektronische Portal zu übermitteln. Der Antrag ist binnen neun Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres zu stellen, in dem der Erstattungsanspruch entstanden ist. In dem Antrag hat der Unternehmer den zu erstattenden Betrag selbst zu berechnen. Der Erstattungsantrag gilt nur dann als vorgelegt, wenn er alle in den Art. 8, 9 und 11 der Richtlinie 2008/9/EG des Rates vom zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer gemäß der Richtlinie 2006/112/EG an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einemanderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige (ABl. Nr. L 44 S. 23) festgelegten Angaben enthält. Die Abgabenbehörde kann zusätzliche Informationen anfordern, welche auch die Einreichung des Originals oder einer Durchschrift der Rechnung oder des Einfuhrdokumentes umfassen können. Diese Aufforderung kann auch mit E-Mail erfolgen. Die Zustellung des E-Mails gilt mit dessen Absendung als bewirkt, ausgenommen der Antragsteller weist nach, dass ihm das E-Mail nicht zugestellt worden ist.

Nach Art. 6 Abs. 1 UStG 1988 sind steuerfrei die innergemeinschaftlichen Lieferungen (Art. 7).
Art. 7 UStG 1988 Innergemeinschaftliche Lieferungen
Eine innergemeinschaftliche Lieferung (Art. 6 Abs. 1) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen vorliegen:
1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet;
2. der Abnehmer ist
a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
....
3. der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung ist beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat steuerbar (Art. 7 Abs. 1 UStG 1994).

Hat der Unternehmer in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen Steuerbetrag, den er nach dem UStG für den Umsatz nicht schuldet, gesondert ausgewiesen, so schuldet er diesen Betrag auf Grund der Rechnung, wenn er sie nicht gegenüber dem Abnehmer der Lieferung oder dem Empfänger der sonstigen Leistung entsprechend berichtigt (§ 11 Abs. 12 UStG 1994).

Gemäß § 12 Abs. 1 UStG 1994 kann der Unternehmer Vorsteuerbeträge abziehen, die von anderen Unternehmern in einer Rechnung (§ 11) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind.
Die (EU-Vorsteuererstattungs-) gilt nicht für:
a) nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates der Erstattung fälschlich in Rechnung gestellte Mehrwertsteuerbeträge;
b) in Rechnung gestellte Mehrwertsteuerbeträge für Lieferungen von Gegenständen, die gemäß Artikel 138 oder Artikel 146 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 2006/112/EG von der Steuer befreit sind oder befreit werden können (Artikel 4 der RL des Rates vom , RL 2008/9/EG; vgl. dazu auch Ra 2017/15/0064, Rn 20).

Es ist den Ausführungen des Finanzamtes im Ergebnis zuzustimmen, dass die Vorsteuererstattungsverordnung VO Nr. 279/1995 idgF nicht anwendbar ist auf Lieferungen von Gegenständen, die von der Steuer befreit sind oder nach Art. 6 iVm Art. 7 UStG 1994 befreit werden können, wenn die gelieferten Gegenstände vom Erwerber oder für dessen Rechnung versandt oder befördert werden (Art. 171 Abs. 3 MwSt-RL 2006/112/EG iVm der 8. und der 13.RL bzw. Art. 4 RL 2008/9/EG mit Wirksamkeit ab ).

Für fälschlich in Rechnung gestellte Mehrwertsteuerbeträge sowie für in Rechnung gestellte Umsatzsteuer für innergemeinschaftliche Lieferungen (igL), die steuerfrei sind oder von der Steuer befreit werden können, kommt das Erstattungsverfahren grundsätzlich nicht zur Anwendung.
Das bedeutet, dass sowohl bei Ausfuhren als auch bei igL, bei denen der Verkäufer die Waren an den Abnehmer liefert bzw. versendet, eine Erstattung von diesbezüglich in Rechnung gestellter Umsatzsteuer nicht vorgenommen werden kann, wenn die Lieferungen tatsächlich steuerfrei sind oder steuerfrei sein können.

Es ist demnach zu prüfen, ob trotz der Inrechnungstellung der Umsatzsteuer die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit nach Art. 7 UStG 1994 vorliegen oder nachträglich erbracht werden können.
Insofern ist auch ein strenger Maßstab im Vorsteuererstattungsverfahren anzulegen, da eine allfällige Berichtigung der vorgelegten Rechnungen bedeuten würde, dass die Umsatzsteuer doppelt erstattet wird.

Zudem hat es der Unternehmer zum Zeitpunkt des Einkaufs in der Hand, durch Auftreten unter seiner Umsatzsteuer-Identifikationsnummer offenzulegen, dass er den Gegenstand für Zwecke seines Unternehmens erwirbt. Durch Aufnahme der igL in die Zusammenfassende Meldung seitens des Lieferers wird der Vorgang auch entsprechend im MIAS (Mehrwertsteuerinformationsaustauschsystem) erfasst und der entsprechende innergemeinschaftliche Erwerb im Unternehmensstaat sichergestellt. Bei solcherart gelagerten Fällen muss sich daher der Leistungsempfänger zunächst um eine Rechnungsberichtigung beim Rechnungsaussteller bemühen (vgl. Melhardt, ÖStZ 2009, 331), da ansonsten die Gefahr besteht, dass sowohl die Rechnung nachträglich berichtigt und die Vorsteuer (ein weiteres Mal) im Vorsteuererstattungsverfahren vergütet wird.
§ 12 UStG 1994 ist auch innerstaatlich einschränkend zu interpretieren.

In richtlinienkonformer Interpretation ist nämlich davon auszugehen, dass sich der Anspruch auf Vorsteuerabzug nicht auf eine Steuer erstreckt, die deshalb geschuldet wird, weil sie in der Rechnung ausgewiesen ist ( und unter Hinweis auf , "Genius Holding"; , Rn 25: dies gilt auch für die Fälle der Vorsteuererstattung an ausländische Unternehmer).

Für alle fälschlich in Rechnung gestellten Mehrwertsteuerbeträge sowie für in Rechnung gestellte Umsatzsteuer für innergemeinschaftliche Lieferungen (igL), die steuerfrei sind oder von der Steuer befreit werden können, kommt daher das Erstattungsverfahren grundsätzlich nicht zur Anwendung (so schon -G/12 und ; ; RV 2100342/2016; ; ; ; ; ).

Hinsichtlich des Erwerbes des beschwerdegegenständlichen Smartphones ist davon auszugehen, dass dieses im Zuge der Lieferung nach Deutschland gebracht wurde, dort für das Unternehmen des BF angeschafft wurde und der Vorgang in Deutschland grundsätzlich erwerbsteuerpflichtig ist.

Das geht auch aus den Ausführungen des BF hervor, der ausführt, dass das Smartphone für das Unternehmen in Deutschland Verwendung fand.

Damit wurde in der Rechnung die österreichische Umsatzsteuer zu Unrecht ausgewiesen. Im beschwerdegegenständlichen Fall hätte es der BF in der Hand gehabt, zum Zeitpunkt des Einkaufs unter seiner UID-Nummer aufzutreten (nach der Aktenlage verfügt er über eine gültige UID-Nummer), und damit zu erkennen zu geben, dass er die Waren für sein Unternehmen erwirbt und dem Lieferer wäre die Ausstellung einer steuerfreien Rechnung möglich gewesen.

Somit erscheint es nicht gerechtfertigt, die Vorsteuererstattung gegen die Vorgaben des Unionsrechtes zuzulassen.
Wenn nun der BF dem Lieferer seine UID-Nummer nicht vor Ausstellung der Rechnung vorgelegt hatte, konnte dieser davon ausgehen, dass der BF entweder privater Abnehmer ist, die Erwerbsschwelle in Deutschland nicht überschreitet bzw. keinen Verzicht auf die Anwendung der Erwerbsschwelle in Deutschland abgegeben hat, weshalb dieser die Umsatzsteuer zunächst auch zu Recht in Rechnung gestellt hatte.
Keine dieser Konstellationen berechtigt allerdings zum Vorsteuerabzug (vgl. -G/12).
Grundsätzlich kann daher lediglich eine Korrektur der Rechnung zur Entlastung des BF führen.
Dass eine Rechnungsberichtigung aber rechtlich nicht möglich wäre, dafür findet sich nach der Aktenlage kein Anhaltspunkt.
Da die Lieferung im Beschwerdefall als innergemeinschaftliche Lieferung von der Steuer befreit werden kann, ist eine Erstattung dieser insoweit zu Unrecht in Rechnung gestellten Umsatzsteuer nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes () nicht zulässig.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und die Beschwerde abzuweisen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Der VwGH hat mit Erkenntnis vom , Ra 2017/15/0064, im Ergebnis entschieden, dass bei Vorliegen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung und Ausweis der Umsatzsteuer dafür in der Rechnung, diese nicht als Vorsteuer im Vergütungsverfahren zu erstatten ist.
Es liegt demnach keine ungeklärte Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, weshalb eine Revision nicht zuzulassen ist.
Eine gesicherte Rechtsprechung besteht bereits bei Vorliegen eines begründeten Erkenntnisses (vgl. ) und wird auf die oben zitierte VwGH-Judikatur verwiesen.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Art. 7 Abs. 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
Art. 146 Abs. 1 Buchstabe b RL 2006/112/EG, ABl. Nr. L 347 vom S. 1
RL 2008/9/EG, ABl. Nr. L 44 vom S. 23
Art. 4 RL 2008/9/EG, ABl. Nr. L 44 vom S. 23
§ 1 Abs. 1 Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern, BGBl. Nr. 279/1995
Art. 7 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.2101123.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at