Handelsübliche Matratzen und Betteinsätze stellen keine außergewöhnliche Belastung dar
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Irene Kohler in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 4/5/10 vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer (Bf.) bezog im streitgegenständlichen Jahr ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von der Pensionsversicherungsanstalt.
In der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2019 beantragte der Bf. ua. unter der Kennzahl 730 "außergewöhnliche Belastungen mit Selbstbehalt Krankheitskosten" in Höhe von € 916,00 und unter der Kennzahl 735"Sonstige außergewöhnliche Belastungen" in Höhe von € 3.488,00. Der Grad der Behinderung wurde mit 60% angegeben.
Mit Bescheid vom betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2019 wurde insoweit von der Erklärung abgewichen, als die vom Bf. angeschafften zwei Matratzen sowie zwei Betteinsätze nicht anerkannt wurden.
Begründend wurde dazu ausgeführt, dass es sich dabei um ein Serienprodukt, welches für alle Menschen geeignet und verwendbar sei, handeln würde und daher auch allen Menschen, besonders natürlich solchen mit Schädigung der Wirbelsäule, empfohlen werde. Im Handel allgemein erhältliche Matratzen stellen somit keine typischen Heilbehelfe dar.
Für jene Aufwendungen, für die nachvollziehbare Beweise vorliegen würden, seien die Aufwendungen berücksichtigt worden.
Die Aufwendungen für außergewöhnliche Belastungen seien nicht berücksichtigt worden, da die Aufwendungen niedriger seien als der für den Bf. gültige Selbstbehalt in Höhe von Euro 2.364,66.
Mit Eingabe vom erhob der Bf. gegen den oa Bescheid Beschwerde. Begründend führte der Bf aus, dass ihm die Matratze als Gesundheitsmatratze empfohlen und verkauft worden sei. Er ersuche um neuerliche Überprüfung seiner Arbeitnehmerveranlagung.
Nach diversen Vorhalten legte der Bf. mit Schreiben vom der Bf. den Prospekt der Fa. Vita-Med vor. Weiters führte der Bf. im Wesentlichen aus, dass die Matratze auf spezielle Bestellung geliefert worden sei und er drei Wochen hätte warten müssen.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde vom als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt:
"Wie bereits im Erstbescheid angeführt, handelt es sich bei der von ihnen angeschafften Matratze um ein Produkt, welches unbestrittener Maßen ein "handelsübliches" und am freien Markt erwerbbar ist und welches auch von allenfalls gesundheitsbewussten, jedoch nicht beeinträchtigten Personen, entsprechend verwendet wird bzw. einem solchen Personenkreis angeboten wird. Dadurch wurde aber, anders als etwa bei Rollstühlen Prothesen oder behindertengerechten Umbauten, ein expliziter, für jedermann nutzbarer, messbarer, Gegenwert geschaffen. Dementsprechend liegt allerdings kein endgültiger Vermögensabfluss, sondern lediglich eine Vermögensumschichtung (Geldmittel gegen allgemein verwendbares Wirtschaftsgut) vor und es mangelt somit bereits neben der im § 34 EStG
1988 geforderten Zwangsläufigkeit auch am Vorliegen einer wirtschaftlichen Belastung an sich.
Ein Indiz für Zwangsläufigkeit wäre eine ärztliche Verordnung bzw. ein Ersatz durch einen
Krankenversicherungsträger."
Im Vorlageantrag (vom Bf. als Beschwerde bezeichnet) datiert vom führte der Bf. ergänzend aus:
"Eine wirtschaftliche Belastung liegt sehr wohl vor, da ich im Privatkonkurs bin.
Was Sie mit Vermögensumschichtung meinen, da muss ich zugeben, weiß ich nicht, was Sie meinen. Ärztliche Verordnung habe ich keine, ich kann aber bei Bedarf sämtliche Unterlagen über meine 4 Bandscheiben bzw. Hüft OP zukommen lassen. Über meine Beschwerden zeugen allerdings auch die bei Ihnen eingereichten Arztbelege. All diese Beschwerden haben mich zum Kauf dieser Gesundheitsmatratze bewogen.
Ich bitte daher, auch im Hinblick auf meine finanzielle Situation, nochmals um Überprüfung."
Mit Bericht vom legte das Finanzamt die oa Beschwerde dem BFG zur Entscheidung vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde.
Im Zuge des Verfahrens vor dem BFG legte der Bf. mit Schreiben vom eine Kopie der Rechnung vom der Fa. Vita-Med über den Kauf von 2 Stück Orthopädischen Regenerationsbetteinsätzen und Orthopädischen Matratzen Wohlfühloase orthoPLUSSILVER im Gesamtwert von € 3.488,00 vor. Zudem legte der Bf. ein Farbfoto der orthopädischen Matratze vor.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Der Bf. erwarb im streitgegenständlichen Jahr ein orthopädisches Matratzenset sowie Regenerationsbetteinsätze der Fa. Vita-Med (s. Rechnung vom ) in Höhe von € 3.488,00, welches ihm aus gesundheitlichen Gründen (4 Bandescheiben bzw. Hüft OP) empfohlen worden ist.
Im Zuge der Arbeitnehmerveranlagung beantragte er diese als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen.
Strittig ist daher im gegenständlichen Fall, ob die Anschaffung zweier Orthopädischen Regenrationsbetteinsätze orthoPLUS und Orthopädischer Matratzen im Gesamtwert von € 3.488,00 als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden können.
Beweiswürdigung
Aus dem vorliegenden Verwaltungsakt ergibt sich, dass der Bf. eine Pension nach ASVG bezieht und vom Bundessozialamt eine Minderung der Erwerbsfähigkeit im Ausmaß von 60% bescheinigt bekommen hat. Dies ist seitens der Verfahrensbeteiligten unstrittig.
Das BFG schließt sich dieser Sachverhaltsannahme an.
Aus der Rechnung vom geht hervor, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Matratzenset zwar um orthopädische Matratzen mit Regenerationsbetteinsatz handelt, jedoch nicht um ein spezielles behindertengerechtes Hilfsmittel. Es wurden zwei Garnituren angeschafft und findet sich kein Hinweis darauf, dass beide Garnituren nur zur Nutzung durch Behinderte vorgesehen und ausgestattet sind.
Nach Ansicht des BFG lag auch keine Spezialanfertigung vor, da laut Rechnung zwischen dem Bestelldatum () und dem Lieferdatum () nur wenige Tage und nicht wie der Bf. behauptete drei Wochen lagen.
Aus der Homepage der Fa. Vita-Med geht nicht hervor, dass sich die Angebote an Behinderte richten würden. Nach Ansicht des BFG handelt es sich dabei um handelsübliche jedoch orthopädisch hochwertige Matratzen und Betteinsätze, die von nichtbehinderten Personen gleichermaßen verwendet werden können.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben außergewöhnliche Belastungen abzuziehen, die folgende Voraussetzungen erfüllen müssen: Sie müssen außergewöhnlich sein (Abs. 2), muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3) und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4). Die Belastung darf weder Betriebsausgabe, Werbungskosten noch Sonderausgabe sein.
Die Belastung ist gemäß § 34 Abs. 2 EStG 1988 außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst. Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen gem. § 34 Abs. 3 EStG 1988 zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
Gemäß § 34 Abs. 6 EStG 1988 kann der Bundesminister für Finanzen mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf den Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind.
Gemäß § 4 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen BGBl Nr. 303/1996 idgF, sind nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (zB Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen.
Der VwGH hat ua in dem Erkenntnis vom , 93/13/0192, dargelegt, dass die Zwangsläufigkeit durch eine ärztliche Diagnose und eine ärztliche Bescheinigung über die Zweckmäßigkeit der Therapie zu belegen ist.
Seitens des Bf. wurde keine ärztliche Verordnung bzw. Diagnose vorgelegt.
Aus der Rechnung ist zudem ersichtlich, dass seitens der Sozialversicherungsträger keinerlei Ersatz geleistet worden ist, da der ganze Kaufpreis geltend gemacht worden ist. Das BFG wertet dies als ein Indiz dafür, dass es sich nicht um einen Heilbehelf im Sinne der Verordnung handelt.
Es liegt im gegenständlichen Fall nicht das allgemeine Merkmal der Außergewöhnlichkeit vor.
Eine Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie bezogen auf das Kalenderjahr - höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse erwächst. Auf die Außergewöhnlichkeit des - den Aufwand auslösenden - Ereignisses kommt es hingegen nicht an (vgl. Jakom/Baldauf EStG, 2020 § 34 Rz 36).
Das Merkmal der Außergewöhnlichkeit dient der Abgrenzung atypischer Aufwendungen (-F/02). Es erfordert einen Vergleich mit den üblichen Belastungen eines Steuerpflichtigen () bzw. mit den im täglichen Leben üblichen Erscheinungen (). Aufwendungen können nur außergewöhnlich sein, die der Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen (vgl. Jakom/Baldauf EStG 2020, § 34 Rz 37).
Bei einer Matratze handelt es sich um einen Gegenstand des täglichen Lebens, der von Zeit zu Zeit erneuert bzw. auf Grund von körperlichen Beeinträchtigungen angepasst gehört; davon ist jedoch die Mehrzahl der Steuerpflichtigen betroffen. Im gegenständlichen Fall ist das geforderte Merkmal der Außergewöhnlichkeit daher nicht gegeben.
Die Matratze kann auch nicht als Hilfsmittel im Sinne des § 4 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen angesehen werden. Bei den in der VO erfassten Hilfsmitteln handelt es sich um Gegenstände und Vorrichtungen, die geeignet sind, die Funktion fehlender oder unzulänglicher Körperteile zu übernehmen oder die mit einer Behinderung verbundenen Beeinträchtigungen zu beseitigen bzw. zu mildern (Jakom/Baldauf EStG 2020 § 35 Rz 25).
Grundsätzlich bleibt noch anzumerken:
Verwaltungspraxis und Rechtsprechung stehen seit jeher auf dem Standpunkt, dass unter Aufwendungen im Sinne des § 34 EStG 1988 nur vermögensvermindernde Ausgaben zu verstehen sind, also solche, die mit einem endgültigen Verbrauch, Verschleiß oder sonstigen Wertverzehr verknüpft sind. Ihnen stehen die Ausgaben gegenüber, die nicht zu einer Vermögensverminderung, sondern zu einer bloßen Vermögensumschichtung führen und deshalb nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden. Diese Auffassung lässt sich auch aus dem Gesetzeswortlaut ableiten, da schon der Ausdruck "Aufwendungen" auf eine vermögensvermindernde Ausgabe hinweist und auch die eigentümliche Bedeutung des Wortes "Belastung" in diese Richtung deutet - ist doch unter einem Erwerb von Vermögensgegenständen im allgemeinen Sprachgebrauch keine Belastung zu verstehen (vgl. Hofstätter-Reichel, Kommentar zum EStG 1988, § 34 Tz3).
Es kann bei der Art der Wirtschaftsgüter (Betteneinsätze, Matratzen) sicherlich nicht unterstellt werden, dass die angeschafften Wirtschaftsgüter nur eine eingeschränkte Verkehrsfähigkeit hätten (vgl. ).
Wenn auch der Austausch des Betteneinsatzes und der Matratze gesundheitliche Gründe des Bf. hatte (Bandscheibenvorfälle und Hüft OP), so steht nach Ansicht des BFG doch fest, dass eine solche Maßnahme im Wesentlichen eine Vermögensumschichtung darstellt.
Unter diesen Voraussetzungen kann also nicht davon ausgegangen werden, dass die hier getätigten Investitionen vor allem das gesetzliche Merkmal der Außergewöhnlichkeit erfüllen. Sie beeinflussen aber auch nicht die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich, da den Aufwendungen ein entsprechender Gegenwert gegenübersteht, sodass von einer endgültigen Vermögensminderung nicht die Rede sein kann.
Es mangelt somit bereits neben der Zwangsläufigkeit auch am Vorliegen einer wirtschaftlichen Belastung an sich (). Eine ärztliche Empfehlung für die Anschaffung einer anderen Gesundheitsmatratze kann zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung führen.
Die Kosten der Anschaffung der orthopädischen Matratzen plus Betteinsätze sind demnach nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Zu § 34 EStG 1988 liegt eine einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor. Zudem hing die Entscheidung im Wesentlichen von im Streitfall ausschließlich einzelfallbezogenen Sachverhaltsfragen ab. Eine ordentliche Revision ist demnach nicht zulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 34 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7104247.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at