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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.07.2019, RV/7103300/2016

Haftung für Gesellschaftssteuer nach § 9 KVG, keine Verschuldensprüfung, Berücksichtigung der Insolvenzquote im Ermessen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache Bf., Anschrift, vertreten durch Ernst & Young Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungs GmbH, Blumauerstraße 46, 4020 Linz, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom , ERFNR N-1, betreffend Haftung gemäß § 9 Abs. 2 Z 2 KVG zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben und die Haftung auf die am gegenüber der G-1 in Höhe von € 210.000,00 festgesetzte Gesellschaftsteuer auf nunmehr € 153.720,00 herabgesetzt.

Im Übrigen wird die Beschwerde gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom wurde die Beschwerdeführerin (Bf.) gemäß § 9 Abs. 2 KVG für die bei der G-1 in der Höhe von € 210.000,00 aushaftende Gesellschaftsteuer (freiwilliger Gesellschafterzuschuss iSd § 2 Z 4 KVG vom D-2, Bescheid vom ) zur Haftung herangezogen.

Begründend wurde vorgebracht, dass die G-2 (FN N-2) 2013 einen Großmutterzuschuss an die G-3 (FN N-3) geleistet habe, der in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der G-1 (FN N-4; Tochtergesellschaft der G-2) als eigentlicher Empfängerin zuzurechnen sei.

Auf Grund der Verschmelzung der G-2 (FN N-2) auf die Bf. (FN N-5) sei diese Gesamtrechtsnachfolgerin der leistenden Gesellschaft und werde als Haftungspflichtige gemäß § 9 Abs. 2 Z 2 KVG in Verbindung mit § 224 Abs. 1 BAO in Anspruch genommen, da sich die Uneinbringlichkeit/Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabe bei der G-1 aus der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über deren Vermögen ergebe.

Bei der iSd § 20 BAO auszuübenden Interessensabwägung nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit sei unter Berücksichtigung des Normzweckes des § 224 Abs. 1 BAO dem öffentlichen Interesse an der Einbringung der Abgabe der Vorzug gegenüber berechtigten Parteieninteressen gegeben worden.

Zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage werde auf die angeschlossene Kopie des Gesellschaftsteuerbescheides vom an die G-1 verwiesen.

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In der dagegen am rechtzeitig eingebrachten Beschwerde wandte die Bf. im Wesentlichen ein, dass unabhängig von der zivilrechtlichen Gestaltung der Verträge und Abtretungen in wirtschaftlicher Betrachtungsweise kein gesellschaftsteuerpflichtiger Zuschuss vorliege, sondern lediglich ein Forderungsverzicht.

Es werde daher beantragt, die Gesellschaftsteuer mit EUR 0,00 festzusetzen.

*****

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab und führte aus:

Nach § 9 Abs. 1 KVG sei Steuerschuldner die Kapitalgesellschaft. Gemäß § 9 Abs. 2 Z 2 KVG hafte für die Gesellschaftsteuer bei Leistungen, wer die Leistung bewirke.

Gemäß § 224 Abs. 1 erster Satz BAO würden die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. Wenn dem Haftungsbescheid ein an den Abgabepflichtigen ergangener Abgabenbescheid vorangegangen sei, sei die Behörde daran gebunden und habe sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an diesen Abgabenbescheid zu halten. Die Geltendmachung der Haftung unter Ausübung des Ermessens nach § 20 BAO werde in der Beschwerde nicht in Zweifel gezogen.

In Ergänzung der elektronischen GeselIschaftsteuererklärung seien mit Schreiben vom auch eine Gesellschaftsteuererklärung in Papierform und die Kapitalausstattungszusage der G-2 vom D-2 übersendet worden.

Das KVG knüpfe an bestimmte Rechtsvorgänge an. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise im Sinne des § 21 Abs. 1 BAO trete im Bereich des KVG in den Hintergrund. Nach der in der Beschwerde genannten Judikatur sei anhand einer wirtschaftlichen und nicht einer formalen, allein auf die Herkunft der Einlagen abstellenden Betrachtungsweise zu beurteilen, wem die Zahlung von - der Gesellschaftsteuer unterliegenden Einlagen - tatsächlich zuzurechnen sei. Der Judikatur sei es jedoch fremd, dass - wie die Bf. vermeine - ganze Sachverhaltskomplexe in wirtschaftlicher Betrachtungsweise für Zwecke der Gesellschaftsteuer zu betrachten wären. Dazu nütze auch der Hinweis auf eine ertragsteuerliche Würdigung nichts. Sei doch die Gesellschaftsteuer eine Verkehrsteuer und keine Ertragsteuer.

Die (objektive) Eignung zur Werterhöhung der Gesellschaftsrechte, wie sie in § 2 Z 4 KVG tatbestandsmäßig sei, sei durch die Mittelzufuhr, bei der es auch zu einer Stärkung des Wirtschaftspotenzials gekommen sei, erfüllt.

*****

Fristgerecht beantragte die Bf. mit Schreiben vom die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht und brachte ergänzend lediglich weitere Argumente für ihre bereits in der Beschwerde vertretene Rechtsansicht betreffend Festsetzung der Abgabe vor.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 2 Z 4 KVG (Kapitalverkehrsteuergesetz) unterliegen der Gesellschaftsteuer folgende freiwillige Leistungen eines Gesellschafters an eine inländische Kapitalgesellschaft, wenn die Leistung geeignet ist, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen:
a) Zuschüsse,
b) Verzicht auf Forderungen,
c) Überlassung von Gegenständen an die Gesellschaft zu einer den Wert nicht erreichenden Gegenleistung,
d) Übernahme von Gegenständen der Gesellschaft zu einer den Wert übersteigenden Gegenleistung.

Steuerschuldner ist gemäß § 9 Abs. 1 KVG die Kapitalgesellschaft.

Gemäß § 9 Abs. 2 Z 2 KVG haftet bei Leistungen, wer die Leistung bewirkt.

Im Gegensatz zu anderen Haftungsbestimmungen (wie zB § 9 Abs. 1 BAO) ist die Haftungsinanspruchnahme nach § 9 Abs. 2 KVG an keine Voraussetzungen, wie Uneinbringlichkeit der Abgabenforderungen oder schuldhafte Pflichtverletzung, gebunden.

Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt aufgrund der Abgabenerklärung der G-4 vom , wonach die G-3, die am mit der übernehmenden G-4 verschmolzen wurde, von der G-2, die mit Vertrag vom D-1 mit der übernehmenden Bf. (Bf.) verschmolzen wurde, mit Urkunde vom D-2 eine Kapitalausstattungszusage in Höhe von € 21 Mio erhielt, die Gesellschaftsteuer an die am D-3 umgewandelte G-1 mit € 210.000,00 fest.

Der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige kann gemäß § 248 BAO unbeschadet der Einbringung einer Bescheidbeschwerde gegen seine Heranziehung zur Haftung (Haftungsbescheid, § 224 Abs. 1) innerhalb der für die Einbringung der Bescheidbeschwerde gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Bescheidbeschwerde einbringen.

Dem Vorbringen der Bf., dass in wirtschaftlicher Betrachtungsweise kein gesellschaftsteuerpflichtiger Zuschuss vorliege, sondern lediglich ein Forderungsverzicht, muss entgegengehalten werden, dass Einwendungen gegen den Abgabenanspruch nicht mit Erfolg im Haftungsverfahren vorgebracht werden können, sondern ausschließlich im Beschwerdeverfahren gemäß § 248 BAO betreffend Bescheide über den Abgabenanspruch, zumal nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes von der objektiven Richtigkeit der Abgabenfestsetzung auszugehen ist ().

Geht einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid voran, so ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an diesen Abgabenbescheid zu halten ().

Bringt der Haftungspflichtige sowohl gegen den Haftungsbescheid als auch gegen den maßgeblichen Bescheid über den Abgabenanspruch Beschwerden ein, so ist zunächst über die Beschwerde gegen den Haftungsbescheid zu entscheiden (), da von dieser Erledigung die Rechtsmittelbefugnis gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch abhängt ().

Die Einwendungen gegen die Richtigkeit des Abgabenanspruches sind daher im gegenständlichen Beschwerdeverfahren unbeachtlich, da dem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid an die Eigenschuldnerin vorausgegangen ist, welcher nach wie vor dem Rechtsbestand angehört, und ein Verschuldensausschluss aufgrund einer vertretbaren Rechtsansicht mangels Tatbestandsvoraussetzung nicht zu prüfen war.

Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung iSd § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles ().

Das Ermessen ist bei der Haftung nach § 9 Abs. 2 KVG im Sinne einer Nachrangigkeit der Haftungsinanspruchnahme zu üben. Eine ermessenswidrige Inanspruchnahme des Haftenden wird vor allem dann vorliegen, wenn die Abgabenschuld vom Eigenschuldner ohne Gefährdung und ohne Schwierigkeiten rasch eingebracht werden kann.

Davon kann im gegenständlichen Fall keine Rede sein, da mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom D-4 über das Vermögen der G-1 das Insolvenzverfahren eröffnet und am D-5 aufgehoben wurde.

Allerdings waren im Rahmen des Ermessens die in der Tagsatzung vom D-6 beschlossene Ausschüttung einer Zwischenverteilungsquote von 25% sowie die am D-7 genehmigte Schlussverteilungsquote von 1,8% zu berücksichtigen, weshalb die Haftungsinanspruchnahme auf 73,2% herabzusetzen war.

Von der Bf. wurden keine Gründe vorgebracht, die bei Abwägung von Zweckmäßigkeit und Billigkeit eine andere Einschätzung bewirken hätten können.

Auf Grund des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Z 2 KVG erfolgte somit die Inanspruchnahme der Bf. als Haftungspflichtige für die Abgabenschuldigkeit Gesellschaftsteuer der G-1 im Ausmaß von nunmehr € 153.720,00 zu Recht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die Entscheidung folgt vielmehr der dargestellten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 Abs. 2 Z 2 KVG, Kapitalverkehrsteuergesetz, dRGBl. I S 1058/1934
§ 248 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 2 Z 4 KVG, Kapitalverkehrsteuergesetz, dRGBl. I S 1058/1934
§ 9 Abs. 1 KVG, Kapitalverkehrsteuergesetz, dRGBl. I S 1058/1934
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7103300.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at