Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 16.12.2020, RV/6100619/2019

Anspruch auf Familienbeihilfe bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinBE in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Abweisungsbescheid des Finanzamtes vom betreffend Familienbeihilfe für den Sohn S, für den Zeitraum Juni 2019 bis November 2019 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Antrag vom beantragte die Beschwerdeführerin (Bf) die Zuerkennung der Familienbeihilfe für ihren am 11/94 geborenen Sohn S ab September 2018.

Das Finanzamt wies diesen Antrag unter Hinweis auf § 10 Abs. 4 und § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 und die im FLAG 1967 vorgesehenen Verlängerungstatbestände mit im Wesentlichen folgender Begründung ab:

Die Familienbeihilfe für September 2018 sei bereits ausbezahlt worden. Ab Oktober 2018 bestehe kein Anspruch mehr auf Familienbeihilfe, da S das im Wintersemester 2014 begonnene Bachelorstudium Technische Informatik, dessen höchstzulässige Studiendauer 8 Semester betrage, mit September 2018 hätte abschließen müssen. Eine Verlängerung des Familienbeihilfenanspruches bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres setze in jedem Fall voraus, dass sich das Kind zum Zeitpunkt der Vollendung des 24. Lebensjahres in einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 befinde. Er habe mit seinem Masterstudium im Sommersemester 2019 (Februar 2019) begonnen. Im Zeitraum 10/2018 bis 1/2019 habe er sich somit in keiner Berufsausbildung im Sinne des FLAG befunden. S sei bei Vollendung seines 24. Lebensjahres im November 2018 in keiner Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 gewesen, somit bestehe auch kein Anspruch auf Familienbeihilfe bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres.

Mit Schriftsatz vom , beim Finanzamt eingelangt am , brachte die Bf betreffend den Zeitraum ab Oktober 2018 Beschwerde ein und begründete diese wie folgt:

Im Abweisungsbescheid werde argumentiert, dass sich ihr Sohn zum Zeitpunkt der Vollendung des 24. Lebensjahres (im Wintersemester 2018) nicht in einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG befunden habe, weil er noch nicht mit dem Masterstudium begonnen habe. Er habe jedoch im Wintersemester 2018 alle für das erste Master-Semester vorgesehenen Pflichtveranstaltungen absolviert.

Beigelegt sei der Semesterplan für das Masterstudium Technische Informatik sowie die Studienerfolgsbestätigung.

Sie stelle den Antrag, die erbrachten Studienleistungen zu berücksichtigen und den Anspruch auf Familienbeihilfe anzuerkennen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Nach Wiedergabe der Rechtgrundlagen wurde im Wesentlichen Folgendes begründend ausgeführt:

Die höchstzulässige Studiendauer beim Bachelorstudium Technische Informatik betrage 8 Semester. Da S das Bachelorstudium im Wintersemester 2014 (10/2014) begonnen habe, hätte er dieses daher mit 9/2018 abschließen müssen. Er habe das Bachelorstudium mit abgeschlossen. Somit bestehe für den Zeitraum 10/2018 bis 6/2019 kein Anspruch auf Familienbeihilfe, da er die höchstzulässige Studiendauer überschritten habe. Er habe sich somit im Zeitraum 10/2018 bis 6/2019 in keiner Berufsausbildung im Sinne des FLAG befunden.

Eine Verlängerung des Familienbeihilfenanspruches wegen Berufsausbildung längstens bis zum 25. Lebensjahres setze in jedem Fall voraus, dass sich das Kind zum Zeitpunkt der Vollendung des 24. Lebensjahres in einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG befinde.

Das Bachelorstudium Technische Informatik sei bis zum das Hauptstudium des Sohnes gewesen, er sei nur in diesem Studium gemeldet gewesen. Seit dem sei er zum Masterstudium inskribiert. Die vorgezogenen Prüfungen seien für den Anspruch auf Familienbeihilfe nicht relevant.

Da der Sohn bereits im November 2018 sein 24. Lebensjahr vollendet habe und sein Masterstudium erst mit begonnen habe, habe er sich im Zeitpunkt der Vollendung des 24. Lebensjahres in keiner Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 befunden. Es bestehe somit auch kein Anspruch auf Familienbeihilfe bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres. Es bestehe daher für den Zeitraum ab 6/2019 kein Anspruch auf Familienbeihilfe.

Mit Schriftsatz vom , beim Finanzamt eingelangt am , stellte die Bf einen Vorlageantrag an das Bundesfinanzgericht.

Ergänzend zu ihrem Beschwerdevorbringen führte die Bf aus, dass ihr Sohn nach der Matura Zivildienst geleistet habe, anschließend (Okt. 2014) mit dem Studium der Technischen Informatik begonnen habe und seit Juni 2019 im Master-Studium sei. Laut Information auf der offiziellen Homepage oesterreich.gv.at finde man zum Thema Bezugsdauer der Familienbeihilfe folgende Erklärung:
Verlängerung der Bezugsdauer
Bei Ableistung des Präsenz-, Zivil- oder Ausbildungsdienstes kann die Familienbeihilfe bis zum Alter von 25 Jahren gewährt werden.

Das bedeute, er sollte ab Juni 2019 bis zu seinem 25. Geburtstag wieder die Familienbeihilfe bekommen, sie habe daher beim zuständigen Finanzamt den Antrag auf Familienbeihilfe für ihren Sohn gestellt.

Dieser sei mit der Begründung abgewiesen worden, dass sich S zum Zeitpunkt der Vollendung des 24. Lebensjahres (November 2018) in keiner Ausbildung im Sinne des FLAG befunden habe - er sei im November 2018 im 9. Semester gewesen, habe in diesem Semester alle Pflichtveranstaltungen des 1. Semesters vom Masterstudium absolviert, da die Bachelorarbeit noch nicht fertig gewesen sei, sei er noch im Bachelorstudium inskribiert gewesen.

Sie beeinspruche diese Abweisung aus zwei Gründen:

Erstens: irreführende Information von der behördenübergreifenden Plattform oesterreich.gv.at und vom (Anmerkung: im Beschwerdezeitpunkt zuständigen, im Bundeskanzleramt angesiedelten) Bundesministerium für Frauen, Familien und Jugend.

Die Begründung, mit der ihr Antrag auf Familienbeihilfe abgewiesen worden sei, scheine in keiner der offiziellen Informationsplattformen auf.

Die Information auf oesterreich.gv.at erwecke den Eindruck, dass sich für diejenigen, die Zivildienst/Bundesheer vor einem Studium leisten, die Altersgrenze für Anspruch auf Familienbeihilfe einfach um ein Jahr verschiebe. Gleiches gelte auch für die (wörtlich wiedergegebenen) Ausführungen auf HELP.gv.at oder auf der Informationsseite des Bundeskanzleramtes samt dem Informations-Folder.

Von einer zusätzlichen Bestimmung (§ 2 Abs. 1 lit. b FLAG) bzw. einer zusätzlichen Voraussetzung, die nach dieser Bestimmung zu erfüllen sei, erfahre man nichts. Die überall beschriebene Bestimmung über die Verlängerung des Anspruches erscheine außerdem logisch und gerecht, es gebe für Eltern keinerlei Anlass noch genauer nach versteckten, zusätzlichen Bestimmungen zu suchen.

Als ihr Sohn sich für das Studium der Technischen Informatik entschieden habe, sei klar gewesen, dass er dieses sehr anspruchsvolle und aufwendige Studium höchstwahrscheinlich nicht in der Mindeststudienzeit absolvieren werde. Mit dem Wissen um die oben angeführte Bestimmung im FLAG wäre sicher die Möglichkeit erwogen worden den Zivildienst erst nach dem Studium zu absolvieren. Die Bf hätte in diesem Fall mit Beginn seines Masterstudiums bis zur Vollendung seines 24. Lebensjahres Anspruch auf Familienbeihilfe gehabt. Man werde, bei gleicher Studienleistung, schlechter gestellt, wenn man die falsche Reihenfolge - erst Zivildienst, dann Studium - wähle. Zum Zeitpunkt der Wahl werde man darüber nicht informiert.

Zweitens führe diese zusätzliche Bestimmung zu einer Benachteiligung für alle, die Zivildienst/Bundesheer vor dem Studium leisten. Es könne nicht im Sinne des Gesetzgebers sein, dass dies zu einer Benachteiligung gegenüber jenen, die diesen Dienst nicht leisten müssten, führe.

Aus den angeführten Gründen ersuche die Bf um Zuerkennung der Familienbeihilfe für den Zeitraum Juni 2019 bis November 2019.

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Sohn der Bf, S, wurde am 11/94 geboren. Er vollendete das 24. Lebensjahr im November 2018.

Er absolvierte nach Ablegung der Reifeprüfung den Zivildienst und begann in der Folge im Oktober 2014 (Wintersemester 2014) das Bachelorstudium Technische Informatik (E033535) an der Uni, das er am abschloss.

Seit ist er im Masterstudium Technische Informatik (E066938) an der Uni gemeldet. Bereits im Wintersemester 2018 absolvierte er Pflichtveranstaltungen des ersten Semesters des Masterstudiums im Ausmaß von 18 ECTS.

Die Regelstudiendauer des Bachelorstudiums Technische Informatik (E033535) an der Uni umfasst sechs Semester.

Die Bf bezog für ihren Sohn beginnend mit dem Monat November 1994 durchgehend Familienbeihilfe bis September 2013. Nach Ableistung des Zivildienstes bezog sie von Juli 2014 bis September 2018 wiederum durchgehend Familienbeihilfe.

Im angefochtenen Abweisungsbescheid vom wies das Finanzamt den Antrag auf Familienbeihilfe für den Zeitraum ab September 2018 ab. Die dagegen erhobene Beschwerde vom (betreffend den Zeitraum ab Oktober 2018) wies das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab. Im Vorlageantrag beantragt die Bf nur mehr die Gewährung der Familienbeihilfe für den Zeitraum Juni 2019 bis November 2019.

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vom Finanzamt vorgelegten Akt und ist unstrittig.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

  • Streitzeitraum

Die Familienbeihilfe wird gemäß § 10 Abs. 2 FLAG 1967 vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

Die Frage, ob für einen bestimmten Anspruchszeitraum Familienbeihilfe zusteht, ist anhand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum zu beantworten. Der gesetzlich festgelegte Anspruchszeitraum ist der Monat. Das Bestehen des Familienbeihilfenanspruchs für ein Kind kann somit von Monat zu Monat anders zu beurteilen sein (, , , ).

Der gegenständliche Abweisungsbescheid vom ist ein Sammelbescheid, der über das Bestehen bzw. das Nichtbestehen eines Familienbeihilfenanspruchs der Bf für die Monate ab September 2018 abspricht.

Die Beschwerde der Bf vom richtete sich gegen die Abweisung ihres Antrages auf Familienbeihilfe für den Zeitraum ab Oktober 2018. Nachdem die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen wurde und im Vorlageantrag die Zuerkennung der Familienbeihilfe nur noch für den Zeitraum Juni 2019 bis November 2019 beantragt wird, ist die Beschwerdevorentscheidung, soweit sie über den Zeitraum bis Mai 2019 abspricht, in Rechtskraft erwachsen.

  • Familienbeihilfenanspruch im Zeitraum Juni bis November 2019

Nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr 305, genannten Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. ….

Nach § 2 Abs. 1 lit. g FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die in einem Monat, in dem sie das 24. Lebensjahr vollenden, den Präsenz- oder Ausbildungsdienst oder Zivildienstleisten oder geleistet haben, bis längstens zur Vollendung des 25. Lebensjahres, sofern sie nach Ableistung des Präsenz- oder Ausbildungsdienstes oder Zivildienstes für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist; für Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs 1 lit. b vorgesehenen Studiendauer. …

Für volljährige Kinder wird Familienbeihilfe grundsätzlich nur für die Monate gewährt, in denen sich das Kind in Berufsausbildung befindet. Eine nähere Umschreibung des Begriffes "Berufsausbildung" enthält das Gesetz nicht. Eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 FLAG 1967 liegt aber jedenfalls während der allgemeinen Schulausbildung in Österreich vor. Unter welchen Voraussetzungen ein Studium als Berufsausbildung anzusehen ist, ist in § 2 Abs. 1 lit. b zweiter bis letzter Satz FLAG 1967 genau geregelt (vgl. , ).

Hinsichtlich der Gewährung von Familienbeihilfe für volljährige Kinder sieht das FLAG 1967 zusätzlich bestimmte Altersobergrenzen vor.

Durch das Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl. I 111/2010 wurde die Altersgrenze für die Gewährung der Familienbeihilfe vom 26. auf das vollendete 24. Lebensjahr herabgesetzt. Gleichzeitig wurden zwei Verlängerungstatbestände und zwar in § 2 Abs. 1 lit. j und k FLAG 1967 eingeführt. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (ErlRV 981 BlgNR 24. GP, 223f) wird dazu ua Folgendes ausgeführt:

"Die Familienbeihilfe soll nach dem Erreichen der Volljährigkeit grundsätzlich nur bis zum Abschluss einer Berufsausbildung gewährt werden. Durch Änderungen des Studienrechts in den letzten Jahren, zu denen nicht zuletzt die Einführung des Bachelor-Studiums an Fachhochschulen und in den meisten der an österreichischen Universitäten angebotenen Studienrichtungen zählt, wird die Selbsterhaltungsfähigkeit nunmehr in der Regel bereits nach sechs Semestern (Mindeststudiendauer) erreicht. Im Gleichklang mit diesen studienrechtlichen Änderungen führt die Herabsetzung der Altersobergrenze für den Bezug der Familienbeihilfe grundsätzlich vom abgeschlossenen 26. auf das abgeschlossene 24. Lebensjahr nicht zu einer Verschlechterung der Möglichkeiten der Studierenden, ein Studium in jenem Zeitraum, für den Familienbeihilfe gewährt wird, abzuschließen.

….

Für Mütter bzw. Schwangere sowie für Personen, die den Präsenz-, Zivil- oder Ausbildungsdienstabsolvieren bzw. absolviert haben, und für erheblich behinderte Kinder, die sich in Berufsausbildung befinden, wird die Altersgrenze - analog zur bisherigen Rechtslage - mit der Vollendung des 25. Lebensjahres festgelegt.

Ergänzend zu diesen Verlängerungsgründen wird auch die besondere Situation bei Studierenden berücksichtigt, deren Studium mindestens zehn Semester dauert. Des Weiteren wird auch eine Ausnahmeregelung für jene Personen aufgenommen, die vor dem Studium eine freiwillige praktische Hilfstätigkeit bei einer von einem gemeinnützigen Träger der freien Wohlfahrtspflege zugewiesene Einsatzstelle ausgeübt haben. Bei den genannten Personenkreisen wird demzufolge bei der Altersgrenze ebenfalls auf die Vollendung des 25. Lebensjahres abgestellt."

Den Materialien RV 981 BlgNR 24. GP ist auch zu entnehmen, dass die allgemeine Altersgrenze aus Gründen der Budgetkonsolidierung auf das vollendete 24. Lebensjahr herabgesetzt wird.

Die Familienbeihilfe soll also nach dem Erreichen der Volljährigkeit grundsätzlich nur bis zum Abschluss einer Berufsausbildung gewährt werden, wobei aus Gründen der Budgetkonsolidierung als generelle Altersgrenze für die Gewährung der Familienbeihilfe die Vollendung des 24. Lebensjahres festgelegt wurde.

Aus der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ergibt sich, dass der Gesetzgeber nicht gehalten ist, Beihilfen in unbeschränkter Weise zu gewähren. Der Gesetzgeber ist verfassungsrechtlich weder dazu verhalten, den Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder durchgehend mit dem Bestehen einer Unterhaltsverpflichtung zu verknüpfen, noch verpflichtet, diesen Anspruch jedenfalls bis zum Abschluss der bzw. einer Berufsausbildung vorzusehen. Ein verfassungsrechtliches Gebot, diesen Anspruch bis zu einer bestimmten Altersgrenze vorzusehen, ist ebenfalls nicht anzunehmen. Es liegt vielmehr im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, die Altersgrenze, bis zu der ein Anspruch auf Familienbeihilfe grundsätzlich eingeräumt wird, nach Maßgabe familienpolitischer Zielsetzungen und budgetärer Bedeckungsmöglichkeit hinaufzusetzen oder auch wieder herabzusetzen, sofern er dabei sachlich vorgeht ( G 6/11).

Die generelle Herabsetzung der Altersgrenze für den Bezug von Familienbeihilfe vom 26. auf das 24. vollendete Lebensjahr, die Herabsetzung vom 27. auf das 25. Lebensjahr bei Vorliegen gesetzlich umschriebener Verlängerungstatbestände sowie die Einführung von weiteren Verlängerungstatbeständen mit Altersgrenze durch das Budgetbegleitgesetz 2011 sind somit nicht verfassungswidrig.

Ein über das vollendete 24. Lebensjahr hinausgehender Anspruch auf Familienbeihilfe besteht nach dem Willen des Gesetzgebers nur dann, wenn einer der im Streitzeitraum vorgesehenen fünf Verlängerungstatbestände vorliegt (§ 2 Abs. 1 lit. g bis k FLAG 1967): Ableistung des Präsenz- Ausbildungs- bzw. Zivildienstes (lit. g), erhebliche Behinderung während der Berufsausbildung (lit. h), Geburt eines eigenen Kindes bzw. Schwangerschaft (lit. i), Absolvierung eines langen Studiums (lit. j) und Absolvierung einer freiwilligenpraktischen Hilfstätigkeit (lit. k).

Der Sohn der Bf vollendete im November 2018 das 24. Lebensjahr, sodass die beantragte Gewährung der Familienbeihilfe ab Juni 2019 davon abhängt, ob einer der fünf Verlängerungstatbestände erfüllt wird, wobei die Verlängerungstatbestände nach lit. h, i und k im gegenständlichen Fall von vorneherein ausgeschlossen werden können.

Auch die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 lit. j FLAG 1967 (Absolvierung eines langen Studiums mit einer Mindeststudiendauer von 10 Semestern) sind unstrittig nicht erfüllt werden, da das Bachelorstudium und das Masterstudium nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eigenständige Studien darstellen (vgl. ; ).

Strittig und zu prüfen bleibt daher, ob der Sohn der Bf den Verlängerungstatbestand des § 2 Abs. 1 lit. g FLAG 1967 erfüllt:

Richtig ist, dass sich auf den von der Bf im Vorlageantrag genannten Webseiten hinsichtlich des Familienbeihilfenanspruches für volljährige Kinder die von ihr wortwörtlich wiedergegeben Textauszüge finden. Dazu ist festzuhalten, dass in diesen Ausführungen jeweils ausdrücklich das Wort "kann" verwendet wird, zB: "Wenn diese Kinder aber den Präsenz-, Zivil- oder Ausbildungsdienst geleistet […] haben, kann sich die Anspruchsdauer bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres […] verlängern." (www.frauen-familien-jugend.bka.gv.at/familie/finanzielle-unterstuetzungen/familienbeihilfe0/anspruchsvoraussetzung.html). Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass in den Fällen der Ableistung des Präsenz-, Zivil- oder Ausbildungsdienstes eine Verlängerung der Anspruchsdauer möglich ist (gemeint bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen), nicht aber dass in derartigen Fällen eine Verlängerung der Anspruchsdauer auf jeden Fall Platz greift.

Voraussetzung ist, dass in dem Monat, in dem das Kind das 24. Lebensjahr vollendet hat, der Präsenz-, Ausbildungs- oder Zivildienst geleistet wird oder davor geleistet wurde.

Der Sohn der Bf leistete den ordentlichen Zivildienst unstrittig vor der Vollendung des 24. Lebensjahres im November 2018 ab.

Wurde der Dienst vor dem 24. Lebensjahr abgeleistet, muss sich das Kind bei Vollendung des 24. Lebensjahres in Berufsausbildung befinden (s , mit dem die Behandlung der Beschwerde gegen , abgelehnt wurde). (Vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG2, § 2 Rz 30).

Da es sich um einen Verlängerungstatbestand handelt, muss zum Zeitpunkt der Absolvierung des 24. Lebensjahres jedenfalls eine Berufsausbildung vorliegen (da nur eine zum 24. Lebensjahr bestehende Berufsausbildung verlängert werden kann).

Im Zeitpunkt der Vollendung des 24. Lebensjahres betrieb der Sohn der Bf das Bachelorstudium Technische Informatik. Er begann dieses Studium mit dem Wintersemester 2014 und schloss dieses am ab.

Bei Besuch einer in § 3 StudFG genannten Einrichtung - wie der Uni - ist weitere Voraussetzung, dass die in § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 vorgesehene Studiendauer eingehalten wird.

Das Kind muss sich also im Zeitpunkt der Vollendung des 24. Lebensjahres "im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 vorgesehenen Studiendauer" und somit innerhalb der "vorgesehenen Studienzeit" zuzüglich der in dieser Bestimmung näher geregeltenToleranz- und Verlängerungssemester befinden (vgl. ).

Der Begriff der "vorgesehenen Studienzeit" entspricht dem Begriff der "gesetzlichen Studiendauer". Darunter ist nach § 13 Abs. 2 des Studienförderungsgesetzes1992, BGBl Nr. 305/1992, "jene in Semestern oder Studienjahren definierte Zeitspanne zu verstehen, die in den jeweiligen Studienvorschriften für die Absolvierung eines Studienabschnitts oder eines Studiums festgelegt ist" (vgl. ).

Die vorgesehene Studienzeit des gegenständlichen Bachelorstudiums Technische Informatik beträgt sechs Semester. Bei einem Studienbeginn im Wintersemester 2014 endete somit die gesetzliche Studiendauer mit dem Sommersemester 2017.

Das Finanzamt gewährte Familienbeihilfe für die vorgesehene Studienzeit von 6 Semestern und darüber hinaus für das Wintersemester 2017 und das Sommersemester 2018, somit für zwei Toleranzsemester.

Nach der in der Literatur (s Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG2, § 2 Rz 80) vertretenen Ansicht ist bei nach den maßgeblichen Studienvorschriften in Semester gegliederten Studien eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester überschritten wird. Bei Studien, die zwar in Semester, aber nicht in Studienabschnitte gegliedert sind, steht nur ein Toleranzsemester zu. Bei Einrichtungen, die keine Semestereinteilung haben, darf die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschritten werden. (Vgl auch -I/11, , , ).

Bachelor-, Master- und Doktoratsstudien sind nicht in Studienabschnitte gegliedert (§ 51 Abs. 2 Z. 4, Z 5 und Z 12 UG 2002). (Vgl Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG2, § 2 Rz 79).

Nach der Verwaltungspraxis verlängert sich bei Studienrichtungen ohne Studienabschnitten (zB Bachelorstudium) die vorgesehene Studienzeit um ein Ausbildungsjahr (zulässige Studienzeit ist gesetzliche Studiendauer plus ein Ausbildungsjahr).

Der Sohn der Bf vollendete im November 2018 das 24. Lebensjahr. Im Wintersemester 2018 absolvierte er das neunte Semester seines Bachelorstudiums. Unabhängig davon, ob der Ansicht der Literatur oder der Verwaltungspraxis gefolgt wird, befand sich der Sohn der Bf im November 2018 mit seinem im Juni 2019 abgeschlossenen Bachelorstudium nicht mehr "im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 vorgesehenen Studiendauer" und damit nicht in Berufsausbildung im Sinne des FLAG. Das Bachelorstudium konnte daher den Verlängerungstatbestand des § 2 Abs. 1 lit. g FLAG 1967 (unstrittig) nicht auslösen.

Wie bereits ausgeführt, handelt es sich bei dem im Sommersemester 2019 begonnen Masterstudium Technische Informatik um ein eigenständiges Studium.

Grundsätzlich ist die Familienbeihilfe nicht auf eine einzige Berufsausbildung beschränkt. Wird eine Ausbildung abgeschlossen, ist es möglich für eine weitere im Rahmen der übrigen Anspruchsvoraussetzungen Familienbeihilfe zu beziehen. (Vgl. )

Das Masterstudium wurde vom Sohn der Bf erst im Juni 2019, also außerhalb der generellen Altersgrenze von 24 Jahren, aufgenommen. Dem Umstand, dass er bereits im Wintersemester 2018 - noch vor Abschluss seines Bachelorstudiums - Pflichtveranstaltungen aus dem ersten Semester des Masterstudiums absolvierte, kommt dabei keine Bedeutung zu.

Der Sohn der Bf befand sich im Juni 2019 bereits im 25. Lebensjahr. Das Masterstudium ist daher nicht geeignet den Verlängerungstatbestand des § 2 Abs. 1 lit. g FLAG 1967 auszulösen.

Die Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid vom betreffend Familienbeihilfe für den Zeitraum Juni 2019 bis November 2019 ist daher als unbegründet abzuweisen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art.133 Abs. 4 B-VG).

Im gegenständlichen Fall wird die Revision nicht zugelassen, weil keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt. Das Erkenntnis steht im Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.6100619.2019

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