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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 19.11.2020, RV/2100667/2020

§ 303 Abs. 1 lit b und lit c BAO: Voraussetzungen für den Neuerungstatbestand und für den Vorfragetatbestand nicht erfüllt. Kein Anwendungsfall des Grundsatzes von Treu und Glauben.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri. in der Beschwerdesache N.N., Adr.Bf., über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Umgebung vom betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlichEinkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2013, Steuernummer xxx, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (Bf.) bezog im Streitjahr 2013 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Im Zuge der am elektronisch eingebrachten Einkommensteuererklärung 2013 machte der Bf. u. a. Alleinerzieherabsetzbetrag und das Pendlerpauschale iHv. 1.476,00 Euro sowie den Pendlereuro iHv. 861,00 Euro geltend.

Die belangte Behörde erließ am ein Ergänzungsersuchen, in welchem sie den Bf. ersuchten, das geltend gemachte Pendlerpauschale sowie den Pendlereuro anhand der Formulare L34 und L34a nachzuweisen.

In einem elektronisch eingebrachten Schreiben vom antwortete der Bf. auf eine das Familienbeihilfeverfahren betreffende Anfrage der belangten Behörde bzgl. Schulbesuchsbestätigung des Sohnes, nicht jedoch auf das die Arbeitnehmerveranlagung betreffende Ergänzungsersuchen.

Die belangte Behörde erließ in Folge am den Einkommensteuerbescheid (Arbeitnehmerveranlagung) 2013 und anerkannte den Alleinverdiener- und den Alleinerzieherabsetzbetrag nicht an. Zur Begründung wurde ausgeführt:
"Der Alleinverdienerabsetzbetrag steht bei Personen, die in einer eheähnlichen Gemeinschaft leben, nur dann zu, wenn diese Partnerschaft im Kalenderjahr länger als sechs Monate besteht und einer der Partner für mindestens ein Kind mehr als sechs Monate den Kinderabsetzbetrag (Auszahlung mit der Familienbeihilfe) bezieht. Da diese Voraussetzungen bei Ihnen nicht gegeben sind, kann der Alleinverdienerabsetzbetrag nicht berücksichtigt werden.
Der Alleinerzieherabsetzbetrag steht nur dann zu, wenn der (die) Alleinerzieher(in) im Kalenderjahr mehr als sechs Monate für mindestens ein Kind Anspruch auf den Kinderabsetzbetrag (Auszahlung mit der Familienbeihilfe) hat
.
Unter Wahrung des Parteiengehörs wurden die von Ihnen geltend gemachten Aufwendungen hinterfragt. Da trotzdem die benötigten Unterlagen (zum Teil) nicht beigebracht wurden, konnten die Aufwendungen in freier Beweiswürdigung nur in Höhe der nachgewiesenen bzw glaubhaft gemachten Aufwendungen berücksichtigt werden."

Der Bf. erhob mit Schreiben vom Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2013. Aufgrund eines Eingabefehlers hätten Ausgaben und Freibeträge nicht einbezogen werden können. Der Bf. habe bezüglich der Kinderbeihilfe ein bis zum zu beantwortendes Schreiben per Post erhalten. In der Eile habe er am und weil der Bf. dachte, das Schreiben in der Databox sei das wegen der Kinderbeihilfe gewesen, leider falsch geantwortet. Darum reiche er nun Beschwerde ein, damit der Steuerbescheid entsprechend nachbearbeitet und korrigiert werde, sodass die Pendlerausgaben richtig angerechnet werden könnten und man vorerst auch abwarten müsse, da wegen der offenen Gewährung der Kinderbeihilfe die anzurechnenden Freibeträge und Ausgaben eigentlich gar nicht klar seien, und das im speziellen Fall zuerst abgeklärt werden müsse, sodass die Ausgaben entsprechend angerechnet und im Steuerbescheid richtige einberechnet werden können. Es müssten entweder die Ausgaben für Unterhalt wie 2012 angerechnet werden, bzw. würden die Unterhaltzahlungen dann wegfallen, wenn dem Bf. die Kinderbeihilfe voll gewährt werden würde, bzw dies irgendwie anteilig, also umgerechnet 7 Monate Kinderbeihilfe und 5 Monate Unterhaltszahlung ins Ausland, aufgeteilt werden müsste, da der Sohn des Bf. aufgrund der Vereinbarung das Jahr so aufgeteilt bei ihm in Österreich und seiner Ex-Frau im Ausland verbringe. Aufgrund der längeren Sommerferien sei es angebracht dass er bei seiner Mutter zur Schule gehe, wobei der Bf. aber nahezu die gesamten Unterhaltskosten, Schulkosten sowie die Verpflegungskosten für den Ganztagesuntterricht in der Schule, sowie etwaige Krankenkosten wegen seiner Erkrankung an Diabetes Typ I im Ausland übernehmen müsse, da seine Ex-Frau kein regelmäßiges und nur geringes Einkommen habe. Auch sei mit der Schule eine Möglichkeit ausgeredet und geschaffen worden, sodass sein Sohn mittels Heimunterricht vom regulären Unterricht vor und nach den Sommer und Winterferien fernbleiben könne, da in der Schule auch ein Wert auf Deutsch gelegt werde da es dort als 2. Fremdsprache unterrichtet werde. Auch sei es so ein ausgewogenes Verhältnis, dass er die beiden Muttersprachen und Länder der Eltern erlernen könne, sodaß er überall künftig leben könne.

Die belangte Behörde erließ mit zur Beschwerde ein Ergänzungsersuchen, in welchem der Bf. ersucht wurde, den Gerichtsbeschluss oder die außergerichtliche Einigung betreffend die Unterhaltszahlungen sowie die Zahlungsnachweise vorzulegen oder im Fall einer privatrechtliche Vereinbarung, eine Bestätigung der empfangsberechtigten Person vorzulegen, aus der der monatliche Unterhalt je Kind ersichtlich sei.

Der Bf. übermittelte am elektronisch das Antwortschreiben mit der Scheidungsvereinbarung vom xxx 2010 und führte aus, dass diese 2012 dahin einvernehmlich abgeändert worden sei, dass der Bf. die gesamten Unterhaltskosten von da an übernehmen sollte, sowie dass ihm im Zuge dessen das ganze Sorgerecht bis auf Widerruf übertragen werde, da seine Ex-Frau kein geregeltes Einkommen hätte. Die Unterhaltsleistungen sei in Form des zuvor vereinbarten Grundbetrages und dann je nach erhöhten Bedarf meist in bar sowie teilwiese über Nachweise von Belege bei der Übergabe des Sohnes dann übergeben und abgerechnet worden. Auch aufgrund der günstigeren Markenprodukte besserer Qualität, sei der Unterhalt in Form von Naturalien geleistet worden, wie gerade benötigte Kleidung Schuhe Schulutensilien etc. Diese Regelung sei bis dato beibehalten, im Schnitt würden sich die gesamten Kosten in Form von Bargeld inklusive Familienheimflüge auf insgesamt 4.800,00 Euro im Jahr belaufen und seien mit dem Beschluss Deckungsgleich, die gekauften Naturalien seien da teilweise inbgriffen, und seien mit der fälligen Zahlung der Unterhaltsleistung, während sein Sohn sich in den Sommer und Wintermonaten beim Bf. aufgehalten habe, abgegolten worden.
Dem Schreiben war die Vergleichsausfertigung des BG Graz-Ost, Gz xxx, vom xxx 2010 beigefügt.

Die belangte Behörde wies mit Beschwerdevorentscheidung vom die Beschwerde ab. Nach Wiedergabe des § 33 Abs. 4 Z. 3 EStG 1988 und Bezugnahme auf den Gerichtsbeschluss führte das Finanzamt aus, dass das Kind seit der Scheidung mit der Kindesmutter in Russland lebe und daher der Unterhaltsabsetzbetrag gemäß § 33 Abs. 4 Z. 3 EStG 1988 nicht anerkannt werden könne, da sich das Kind nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes oder in der Schweiz aufhalten würde.

Gegen die Beschwerdevorentscheidung wurde kein Rechtsmittel erhoben und wurde daher rechtskräftig.

Mit dem Schreiben vom , beim Finanzamt am eingegangen, legte der Bf. unter dem Titel "Beschwerde und Abänderungsantrag Arbeitnehmerveranlagung 2013 wegen nicht angerechneter Pendlerpauschale" das folgende Anbringen vor:
"Aufgrund von meinem Anliegen um bei der gelebten Doppelresidenz Anspruch auf Familienbeihilfe zu bekommen bzw. Anrechnung der Unterhaltskosten für außergewöhnliche Belastungen was erst alles geklärt werden musste bzw noch nicht korrigiert worden ist, sowie der von mir damaligen Verwechslung des eingereichten Ergänzungsschreibens für die Arbeitnehmerveranlagung 2013, ist eine fehlerhafte Arbeitnehmerveranlagung entstanden, die mich steuerlich benachteiligt. Ich bitte um entsprechende Abänderung und Aufrollung der Arbeitnehmerveranlagung dahingehend, dass mir nun mal die Pendlerpauschale angerechnet wird. Ich habe diesbezüglich in dem Ergänzungsschreiben für die Arbeitnehmerveranlagung 2014 dies bereits vorgebracht, da mir die Pendlerpauschale aus ungeklärten Gründen für 2013 gar nicht angerechnet wurde. Auch habe ich dort erwähnt, dass der Pendelrechner für den gleichen Arbeitsweg unterschiedliche Ergebnisse liefert.
Ich bitte nun ausdrücklich um eine entsprechende Berichtigung der Arbeitnehmerveranlagung 2013, dass mir für das Jahr zumindest hier mal die korrekte Pendlerpauschale angerechnet wird. Bezüglich der Anrechnung der anzurechnenden Unterhaltskosten für 2013, aufgrund des Urteils des BFG, dass mir keine Familienbeihilfe zusteht und man dort zu der Erkenntnis gekommen ist, dass mein Sohn sich trotz geführter Doppelresidenz ständig im EU-Ausland befindet, habe ich einen weiteren entsprechenden Abänderungsantrag eingereicht, da ich die Unterhaltsleistungen dann als außergewöhnliche Belastungen absetzen kann
."

Die belangte Behörde wertete das Anbringen als Antrag auf Wiederaufnahme des mit Einkommensteuerbescheid 2013 vom abgeschlossenen Verfahrens und wies den Antrag am mit der Begründung ab, dass das Wiederaufnahmeverfahren nicht den Zweck habe, allfällige Versäumnisse (z.B. nachträgliche Beantragung vergessener/übersehener Aufwendungen) einer Partei im Verwaltungsverfahren zu sanieren, sondern es soll die Möglichkeit bieten, bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen Rechnung zu tragen. Ein Antrag auf Wiederaufnahme habe - bei Geltendmachung NEU hervorgekommener Tatsachen - insbesondere die Behauptung zu enthalten, dass Tatsachen oder Beweismittel, neu hervorgekommen seien. Nach der überwiegenden Rechtsprechung sei der Kenntnisstand derjenigen Verfahrenspartei maßgebend, die den Rechtsbehelf der Wiederaufnahme in Anspruch nehmen will. Der Antrag betreffend der vom Bf. beantragten Pendlerpauschale hätte innerhalb eines Jahres erfolgen müssen. Der Antrag auf Wiederaufnahme sei daher abgewiesen worden.

Gegen diesen Bescheid brachte der Bf. mit Schreiben vom , eingegangen beim Finanzamt am , Beschwerde ein. Er habe nach dem Bescheid der Arbeitnehmerveranlagung 2013 und wegen der Familienbeihilfe eine Beschwerde bis zum Bundesfinanzgericht eingereicht, wo es erst Ende Oktober 2019 eine Entscheidung gegeben habe, welche auch einen Einfluss auf den Einkommenssteuerbescheid und den gemachten Angaben für 2013 habe. Auch habe er sich damals telefonisch erkundigt, wie das gehe da er eine Beschwerde wegen der Familienbeihilfe laufen habe und auch bei der Pendlerpauschale anscheinend etwas schief gegangen sei, da diese ihm nicht angerechnet worden sei, obwohl er alle Angaben für die Pendlerpauschale, Arbeitsort, Arbeitsweg (mit Pendelrechner) gemacht habe. Ihm als Bf. sei gesagt worden, er soll einmal die Beschwerde beim Bundesfinanzgericht abwarten, was sich da ergebe, und dass er nach der Beschwerde ein Jahr Zeit habe dies alles aufzurollen um die absetzbaren Beträge zu korrigieren. Dieses Jahr, dass er seine Arbeitnehmerveranlagung und angegeben absetzbaren Kosten entsprechend korrigiere, da die Entscheidung des BFG und die Familienbeihilfe einen Einfluss auf die absetzbaren Beträge der Einkommenssteuererklärung 2013 hätten, sei klarerweise nicht verstrichen, und widerspreche sich auch mit der telefonischen Auskunft und dem zuletzt zugestellten Schreiben, dass er nach Erkenntnis von Beweisen ein Jahr den Einkommenssteuerbescheid durch Wiederaufnahmeverfahren berichtigen könne.
Für ihn sei der Einkommenssteuerbescheid 2013 erst mit dem Urteil des Bundesfinanzgerichtes, das ihm Ende Oktober zugestellt worden sei, wirklich abzuschließen gewesen, da dies auf den Einkommenssteuerbescheid wegen der möglichen absetzbaren Beträge einen Einfluss hätte, die damals ja nicht korrekt angegeben werden haben können. Zudem hätte er telefonisch die Auskunft erhalten, dass er danach ein Jahr Zeit habe den Einkommenssteuerbescheid zu berichtigen, weshalb er eine Wiederaufnahmeverfahren des Einkommenssteuerbescheids 2013 beantrage.

Die belangte Behörde wies mit Beschwerdevorentscheidung vom die Beschwerde ab und führte begründend aus, dass ein Antrag auf Wiederaufnahme insbesondere die Behauptung zu enthalten habe, dass Tatsachen oder Beweismittel neu hervorgekommen seien. Eine Wiederaufnahme auf Antrag setze beim Neuerungstatbestand voraus, dass die Umstände im abgeschlossenen Verfahren ohne grobes Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten (§ 303 Abs. 1 lit. b BAO). Vergessene Kosten, vorhergehende Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage würden daher zu keiner Wiederaufnahme führen.
Da der Bf. in den Vorjahren im Zuge der Arbeitnehmerinnenveranlagung stets das Pendlerpauschale sowie den Pendlereuro beantragt habe, hätten eventuelle Abweichungen im Erstbescheid bereits früher beeinsprucht werden müssen. Somit sei kein Neuerungstatbestand gegeben. Das Familienbeihilfeverfahren stehe mit der Arbeitnehmerinnenveranlagung nicht in Zusammenhang. Da Unwissenheit oder Vergessen der Antragsstellung keine Neuerungstatbestände seien, sei die Beschwerde als unbegründet abzuweisen gewesen.

Der Bf. erhob mit Schreiben vom , beim Finanzamt am eingegangen, "Beschwerde gegen Einkommenssteuerbescheid 2013 - Wiederaufnahme", welche als Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde an das Bundesfinanzgericht gem. § 264 BAO (Vorlageantrag) zu behandeln ist.

Da er bei seiner Arbeitnehmerveranlagung für 2013 damals die als außergewöhnliche Belastungen eigentlich absetzbaren Unterhaltskosten für seinen Sohn, der sich im EU-Ausland aufhalten würde, wegen der beantragen Familienbeihilfe aufgrund der angenommenen gelebten Doppelresidenz, bei zugesprochener Familienbeihilfe korrekterweise nicht auch mit absetzen hätte können, würde das Familienbeihilfeverfahren sehr wohl mit dem Einkommenssteuerbescheid 2013 zusammenhängen. Das Familiebeihilfeverfahren sei erst im Oktober 2019 entgegen seiner eigentlich zuversichtigen Annahme zumindest einen Teilanspruch auf Familienbeihilfe zu haben dennoch abgelehnt worden. Vor dem Abschluss des Familienbeihilfeverfahren sei es also nicht möglich gewesen die absetzbaren Kosten anzugeben, da er nicht die Kinderbeihilfe bekommen und dann auch zusätzlich die Unterhaltskosten als außergewöhnliche Kosten absetzen könne. Auch habe er, nachdem er irrtümlich über Finanzonline die angefragten Unterlagen für den Familienbeihilfeanspruch eingereicht und den Steuerbescheid 2013 bekommen habe, in seiner Beschwerde, die ergänzenden Angaben für die Pendlerpauschale beim Finanzamt nachgereicht. Diese Unterlagen mit der Berechnung der Pendlerpauschale müssten dem Finanzamt vorliegen, warum diese nachgereichten Unterlagen für die Pendlerpauschale nicht angerechnet worden seien, sei ihm unklar.
Auch habe er beim Finanzamt angerufen und wollte dies klären warum die Pendlerpauschale nicht angerechnet worden sei. Dabei sei aber das Problem mit den absetzbaren Unterhaltskosten und Familienbeihilfe angesprochen worden, wo es geheißen habe, er solle dies abwarten, danach habe er dann wieder ein Jahr die Möglichkeit auch das mit der Pendlerpauschale zu berichtigen. Jetzt würde es aber heißen, dass dies schon verjährt sei. Auch habe er im Spätsommer nur wegen der Pendlerpauschale die Aufrollung beantragt, habe jedoch dann die Unterlagen für die Arbeitnehmerveranlagung für 2014 bekommen. Er habe mittlerweile auch für das Jahr 2014 die Arbeitnehmerveranlagung bereits eingereicht sowie auch dort eine Beschwerde eingereicht und auch dort bereits die Aufrollung der Arbeitnehmerveranlagung für 2013 beantragt, da auch in 2014 die Unterhaltskosten, welche er nicht eindeutig mit Belegen beweisen könne, nicht angerechnet werden würden.
Er beantrage die Wiederaufnahme bzw. Berichtigung der Arbeitnehmerveranlagung 2013 um die Pendlerpauschale und auch die als außergewöhnliche Belastungen absetzbaren Unterhaltskosten, da sein Sohn sich laut BFG (RV/xxx) ständig im EU-Ausland aufhalte. Die Verjährungsfrist für die Arbeitnehmerveranlagung 2013 habe erst mit dem Erhalt des Urteilsspruchs des BFG am xxx2019 begonnen.
Dem Vorlageantrag waren angeschlossen: Beschwerdevorentscheidung vom ; Verzichtserklärung auf Familienbeihilfe und Bestätigung der Unterhaltszahlung der Kindesmutter ohne Datumsangaben; Beschwerde Arbeitnehmerveranlagung 2014 vom und ergänzendes Schreiben ohne Datum; Scheidungsvergleich vom xxx 2 010.

Die belangte Behörde legte die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht am zur Entscheidung vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

Das Bundesfinanzgericht richtete mit ein Schreiben an den Bf., in welchem neben der Aufforderung zur Angabe der maßgeblichen Adresse im Beschwerdejahr (Adr.Bf. oder Adr.Bf.2) auch nachgefragt wurde, ob der Bf. über das Telefonat mit dem Finanzamt, laut welchem ihm gesagt wurde er solle die Beschwerde beim Bundesfinanzgericht abwarten, genauere Angaben machen könne (wann und mit wem wurde das Telefonat geführt) und warum erst mit Schreiben vom der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gestellt wurde, obwohl das Bundesfinanzgericht-Verfahren btr. Familienbeihilfe bereits mit xxx 2019 beendet wurde.

Der Bf. gab mit Eingaben vom 30. und bekannt, dass im Jahre 2013 der Wohnsitz in Adr.Bf., gewesen sei. Hinsichtlich des Telefonats teilte der Bf. mit, dass es ihm leider nicht mehr bekannt sei, mit wem und wann er damals genau telefoniert habe. Soweit er sich erinnere sei es nachdem er den Bescheid bekommen und er das mit der Familienbeihilfe eingereicht habe. Er habe anfangs mit einer Frau gesprochen, dann sei er verbunden worden und habe mit einem Herren gesprochen. Bezüglich des Wiederaufnahmeantrags erklärte der Bf., dass er wegen der Info der Meinung gewesen sei, ein Jahr nach der letzten Erkenntnis - also nach dem Urteil des Finanzgerichtes - den Bescheid auch wegen anderer Anliegen nochmal aufrollen zu können Auch sei er wegen diverser Belastungen (Burnout), Scheidung etc. in Krankenstand gewesen, und hätte eben keinen Kopf dafür gehabt.

In einem weiteren Anbringen teilte der Bf. dem Bundesfinanzgericht mit, dass ein Einzelgesprächsnachweis für den Zeitraum Februar 2019 und Mai/Juni 2019 vom Telefonanbieter nicht mehr zur Verfügung gestellt werden könne, da die Daten der Kunden aufgrund der gesetzlich Vorgaben nur für die Dauer von 6 Monaten gespeichert würden. Dies entspreche dem vorgeschriebenen Datenschutz. Lediglich aufgrund eines richterlichen Beschlusses könne eine entsprechende Anfrage an die Fachabteilung weitergeleitet werden, allerdings könne nicht versprochen werden, ob und welche Daten überhaupt gespeichert und wiederhergestellt werden könnten.

Bezüglich der telefonischen Auskunft durch das Finanzamt wurde der belangten Behörde vom Bundesfinanzgericht das Vorbringen des Bf. zur Kenntnis gebracht und angefragt, ob von Seiten der Behörde ein Aktenvermerk über das Telefonat vorliege.

Die belangte Behörde gab bekannt, dass ein Aktenvermerk nicht vorliege und gab zu bedenken, dass der Anrufer - insbesondere dann, wenn er mindestens einmal weiterverbunden worden sein sollte - nicht zwingend im Finanzamt Graz-Umgebung "gelandet" sein müsse. Es sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass eine wie die geschilderte Auskunft von Mitarbeitern des Finanzamtes Graz-Umgebung nicht erteilt würde.

Der Bf. reichte mit Anbringen vom den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz, Gz yyy, vom xxx 2020 und den Beschluss des Bezirksgericht Graz-Ost, Gz zzz, vom xxx 2020 ein. In diesem durch Antrag vom initiierten Verfahren erfolgte die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung der zwischen den Eltern am geschlossenen Vereinbarung, wonach eine Doppelresidenz mit hauptsächlichem Aufenthalt des Sohnes im Haushalt des Bf. vorliege.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Bf. ist steuerlich nicht vertreten und begehrt mit seinem Schreiben vom , eingegangen bei der belangten Behörde am , "um entsprechende Abänderung und Aufrollung der Arbeitnehmerveranlagung" 2013. Mit dem Anbringen beantragte der Bf. hinsichtlich des bereits rechtskräftig gewordenen Einkommensteuerbescheid (Arbeitnehmerveranlagung) 2013 einerseits die Berücksichtigung des nicht gewährten Pendlerpauschale, andererseits die Anerkennung der Unterhaltszahlungen an seinen Sohn als außergewöhnliche Belastungen. Beschwerdegegenständlich ist daher die Frage, ob eine Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303 Abs. 1 BAO hinsichtlich des abgeschlossenen Einkommensteuerverfahren 2013 geboten ist oder nicht.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Das Anbringen vom wurde von der belangten Behörde rechtsrichtig als Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens 2013 gewertet. Denn für die Beurteilung von Anbringen kommt es nicht auf die Bezeichnung von Schriftsätzen und die zufälligen verbalen Formen an, sondern auf den Inhalt, das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteienschrittes. Parteienerklärungen im Verwaltungsverfahren sind nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen, dh es kommt darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszweckes und der der Behörde vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss (siehe zB ). Im Zweifel ist dem Anbringen einer Partei, das sie zur Wahrung ihrer Rechte stellt, nicht ein solcher Inhalt beizumessen, der ihr die Rechtverteidigungsmöglichkeit nimmt ().

Die belangte Behörde legte das Anbringen auf "Abänderung und Aufrollung" des rechtskräftig gewordenen Einkommensteuerverfahrens 2013 nicht als Antrag gem. § 299 Abs. 1 BAO, welcher aufgrund der verstrichenen Jahresfrist im gegenständlichen Fall verspätet eingebracht worden wäre [zur Fristberechnung bei § 299-Anträgen siehe unter "C. Grundsatz von Treu und Glauben"], sondern als Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303 Abs. 1 BAO aus, womit dem Bf. die Wahrung seiner Rechte ermöglicht wurde und diese Deutung durchaus zu seinen Gunsten erfolgte.

§ 303 Abs. 1 BAO lautet:
"Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn
a) der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder
b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder
c) der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist,
und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte
."

A.§ 303 Abs 1 lit b BAO (Neuerungstatbestand):

Die belangte Behörde wies den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens im Bescheid vom mit der Begründung ab, dass das Wiederaufnahmeverfahren nicht den Zweck habe, allfällige Versäumnisse einer Partei im Verwaltungsverfahren zu sanieren. Der Antrag auf Gewährung des im Einkommensteuerbescheid vom nicht berücksichtigte Pendlerpauschale hätte vom Bf. innerhalb eines Jahres erfolgen müssen.

In der Beschwerdevorentscheidung vom wurden die Voraussetzungen der Wiederaufnahme in Form des Neuerungstatbestandes weiter ausgeführt und festgehalten, dass Unwissenheit oder Vergessen der Antragstellung keine Neuerungstatbestände seien.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordert der Neuerungstatbestand entscheidungsrelevante Tatsachen oder Beweismittel, die zwar im Zeitpunkt der Bescheiderlassung "im abgeschlossenen Verfahren" bereits existierten, aber erst danach hervorgekommen sind (). Das Wiederaufnahmeverfahren hat nicht den Zweck, allfällige Versäumnisse einer Partei im Verwaltungsverfahren zu sanieren, sondern soll die Möglichkeit bieten, bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen Rechnung zu tragen ().

Der Verwaltungsgerichtshof stellte in seinem Erkenntnis vom klar, dass bei einem auf den Neuerungstatbestand gestützten Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens das Neuhervorkommen von Tatsachen aus der Sicht des Antragstellers zu beurteilen ist. Die bereits im Zeitpunkt der Bescheiderlassung existierenden Tatsachen oder Beweismittel müssen also aus Sicht des Abgabenpflichtigen später neu hervorgekommen sein. Hatte der Abgabenpflichtige im Bescheiderlassungszeitpunkt bereits Kenntnis von diesen Tatsachen oder Beweismitteln, ist ein Antrag auf Wiederaufnahme als unbegründet abzuweisen (; bestätigt durch ; )

Im vorliegenden Fall war der Umstand der Nichtberücksichtigung des Pendlerpauschales dem Bf. bekannt, wie aus dem Beschwerdeschreiben vom klar hervorgeht. Die daraufhin ergangene abweisende Beschwerdevorentscheidung vom und damit auch die Nichtgewährung des Pendlerpauschales wurde jedoch vom Bf. nicht bekämpft.

Der belangten Behörde hat daher zu Recht festgestellt, dass dem Bf. die Umstände bezüglich des Pendlerpauschales im abgeschlossenen Einkommensteuerverfahren 2013 bekannt waren, und dass das Wiederaufnahmeverfahren nicht den Zweck hat Versäumnisse der Partei zu sanieren.

Entsprechend liegen keine neu hervorkommenden Tatsachen vor, welche eine Wiederaufnahme auf Grundlage des Neuerungstatbestandes rechtfertigen.

B.§ 303 Abs. 1 lit c BAO (Vorfragentatbestand):

Wie bereits ausgeführt, kommt es für die Beurteilung von Anbringen im Sinne des § 85 BAO (insbesondere Erklärungen, Anträge, Rechtsmittel) nicht auf die Bezeichnung von Schriftsätzen und die zufälligen verbalen Formen an, sondern auf den Inhalt, das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes (Ritz, BAO6, § 85 Tz 1 und die dort zitierten höchstgerichtlichen Erkenntnisse).

Da der Bf. steuerlich unvertreten ist, ist entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs die Parteierklärung nach dem objektiven Erklärwert auszulegen. In seiner Beschwerde im Erstverfahren vom hat der Bf. deutlich ausgeführt, dass wegen des offenen Verfahrens btr. Gewährung der Kinderbeihilfe die anzurechnenden Freibeträge und Ausgaben im Einkommensteuerverfahren noch nicht klar seien, und erst nach Ausgang des Familienbeihilfeverfahrens die Ausgaben entsprechend im Einkommensteuerbescheid richtig einberechnet werden könnten, da entweder die Ausgaben für seine Unterhaltsleistungen angerechnet werden müssten bzw. bei Gewährung der Kinderbeihilfe die Unterhaltzahlungen wegfallen würden.

Der objektive Erklärungswert der Bescheidbeschwerde ist dahin zu verstehen, dass der Bf. im Fall der Nichtgewährung der Familienbeihilfe die Berücksichtigung von Kosten für die Unterhaltsleistung an seinen Sohn begehrte.

Die belangte Behörde wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom mit der Begründung ab, dass der Unterhaltsabsetzbetrag gemäß § 33 Abs. 4 Z. 3 EStG 1988 nicht anerkannt werden könne, da sich das Kind nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes oder in der Schweiz aufhalten würde.

Im Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens vom beantragte der Bf. - neben der Gewährung des Pendlerpauschale - aufgrund des zwischenzeitlich ergangenen abweisenden Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts, in dem ausgesprochen wurde, dass dem Bf. Familienbeihilfe nicht zusteht, die Anerkennung der Unterhaltsleistungen als außergewöhnliche Belastungen.

Die belangte Behörde hat sich im Abweisungsbescheid vom mit diesem Vorbringen nicht auseinandergesetzt und die Wiederaufnahme lediglich wegen des Vorliegens des Neuerungstatbestandes betreffend die Anerkennung des Pendlerpauschale versagt.

In der Beschwerde vom wies der Bf. u. a. darauf hin, dass er nach Ergehen des Einkommensteuerbescheids 2013 in der Familienbeihilfesache Beschwerde an das Bundesfinanzgericht erhoben habe und dieses Verfahren erst Ende Oktober 2019 entschieden worden sei. Diese Entscheidung habe einen Einfluss auf den Einkommenssteuerbescheid und auf die absetzbaren Beträge der Einkommenssteuererklärung 2013. Weiters berief sich der Bf. auf eine telefonische Auskunft des Finanzamts, dass er das Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht abwarten solle, da er danach ein Jahr Zeit habe den Einkommenssteuerbescheid zu berichtigen.

Auch in der Beschwerdevorentscheidung vom wird die Abweisung primär mit dem nicht vorliegenden Neuerungstatbestand begründet. Bzgl. der Ausführungen zu den Unterhaltsleistungen entgegnete die belangte Behörde, dass Familienbeihilfeverfahren nicht im Zusammenhang mit der ArbeitnehmerInnenveranlagung stehe.

Aus den Ausführungen des Bf., dass er bei Nichtgewährung der Familienbeihilfe die Anerkennung der Unterhaltsleistungen begehre, ist klar erkennbar, dass der Bf. den Ausgang des Verfahrens vor dem Bundesfinanzgericht betreffend Familienbeihilfe abwarten wollte. Dies wird aus dem Wiederaufnahmeantrag vom und der Beschwerde vom deutlich, insbesondere aber auch aus der Beschwerde gegen den Erstbescheid vom . Zusammenfassend argumentiert der Bf., dass entweder die Ausgaben für den geleisteten Unterhalt angerechnet werde müssten, oder die Unterhaltzahlungen dann wegfallen würden, wenn dem Bf. die Kinderbeihilfe gewährt werden würde. Der Ausgang des Familienbeihilfeverfahren vor dem BFG hätte daher auf das Verfahren des Einkommenssteuerbescheid 2013 wegen der möglichen absetzbaren Beträge einen Einfluss.

Der objektive Erklärungswert des Antrags auf Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens 2013 ist im Sinn der VwGH-Judikatur somit dahin zu verstehen, dass der Bf. im Fall der Nichtgewährung der Familienbeihilfe, welche Gegenstand des BFG-Verfahrens zu RV/xxx war, die Berücksichtigung von Kosten für die Unterhaltsleistung an seinen Sohn QQ begehrte.

Im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht zu RV/xxx war strittig, ob die vom Bf. beantragte und vom Finanzamt abgewiesene Gewährung der Familienbeihilfe ab Jänner 2013 für seinen Sohn QQ zustehe oder nicht. Das Bundesfinanzgericht wies die Beschwerde des Bf. mit Erkenntnis vom xxx 2019, RV/xxx, als unbegründet ab, da im Fall der nach § 5 Abs. 3 FLAG 1967 geforderte "ständige Aufenthalt" bei im Ausland/Drittland studierenden oder dort eine Schule besuchenden Kindern im Ausland (Russland) und nicht in Österreich gelegen war.

Für das Wiederaufnahmeverfahren bedeutet dies, dass für die Beurteilung der Unterhaltsleistungen nicht der Neuerungstatbestand § 303 Abs. 1 lit b BAO, sondern der Vorfragentatbestand des § 303 Abs. 1 lit c BAO zu prüfen ist.

§ 116 Abs. 1 BAO bestimmt, dass die Abgabenbehörden grundsätzlich berechtigt sind, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauungen zu beurteilen und diese Beurteilung ihrer Entscheidung zugrunde zu legen. Bildet sich die Abgabenbehörde in diesem Sinn ein Urteil über die Vorfrage und legt sie ihre selbst gefundene Lösung der Vorfrage ihren Bescheiden zugrunde, ergeht aber dann nach Rechtskraft ihrer Entscheidung, von der zuständigen Behörde oder vom zuständigen Gericht eine inhaltlich abweichende Erledigung dieser Rechtsfrage, dann kann ein Wiederaufnahmegrund nach § 303 Abs. 1 lit. c BAO vorliegen, wenn auch eine Bindungswirkung gegeben ist.

Bei der Vorfrage handelt es sich um eine Frage, die von einer in einer bestimmten Verwaltungsangelegenheit zuständigen Behörde nicht selbst entschieden werden kann, da diese nicht zuständig ist, die aber eine notwendige Grundlage für ihre Entscheidung bildet und auch berücksichtigt werden muss.
Eine Vorfrage ist daher eine Frage, deren Beantwortung ein unentbehrliches Tatbestandselement für die Entscheidung der Hauptfrage im konkreten Rechtsfall bildet (vgl. ),

Der Vorfragentatbestand des § 303 Abs. 1 lit c BAO setzt Tatbestandskongruenz, Parteienidentität und die Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen im vorhergehenden Verfahren voraus (Stoll, BAO, S. 1329f):

Tatbestandskongruenz liegt vor, wenn der Sachverhalt im aktuellen Verfahren oder ein Teil hiervon auch unter den Vorfragentatbestand eines anderen Verfahrens subsumiert werden kann, d.h., wenn die vom Bescheid der Abgabenbehörde betroffene Sache auch die Sache des Verfahrens vor der Behörde / dem Gericht [hier: BFG] war, welches die Vorfrage zu entscheiden hatte.

Parteienidentität bedeutet, dass die Entscheidung der Hauptfragenbehörde gegenüber der Partei des wiederaufnehmenden Abgabenverfahrens bindend geworden ist.

Die Voraussetzung der Tatbestandskongruenz ist erfüllt, da sowohl die Gewährung von Familienbeihilfe als auch die einkommensteuerliche Entlastung im Besteuerungsverfahren durch die Anerkennung von außergewöhnlichen Belastung die verfassungsrechtliche Verpflichtung zur Berücksichtigung der durch die Unterhaltsverpflichtung gegenüber Kindern bewirkten Minderung der Leistungsfähigkeit betrifft (vgl. , , und ).
Der Verwaltungsgerichtshof judiziert hiezu, dass bei unbeschränkt steuerpflichtigen Personen, denen keine entsprechende Transferzahlung (Familienbeihilfe) zukommt, die verfassungsrechtlich gebotene, der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auf Grund der Unterhaltsverpflichtung gegenüber minderjährigen Kindern entsprechende einkommensteuerliche Entlastung im Besteuerungsverfahren herbeizuführen ist (vgl. sowie , mwN). Somit ist der verfassungsrechtlichen Verpflichtung zur Berücksichtigung der durch die Unterhaltsverpflichtung gegenüber Kindern bewirkten Minderung der Leistungsfähigkeit entweder durch die Gewährung der Familienbeihilfe oder durch Anerkennung der Unterhaltsleistungen als außergewöhnliche Belastungen zu entsprechen. Das bedeutet aber auch, dass nur eine Entlastungsvariante zulässig ist - dh entweder Transferzahlung oder Entlastung im Besteuerungsverfahren - und die Entscheidung über eine unmittelbare Auswirkung auf die andere hat.

Die Voraussetzung der Parteienidentität, dass also sowohl im Familienbeihilfe-, wie auch im Einkommensteuerverfahren der Bf. Adressat des Bescheids/des Erkenntnis ist, ist offenkundig. Ebenso ist - wie soeben dargestellt - die Bindungswirkung gegeben.

Gleiches gilt für die sowohl im Einkommensteuerverfahren als auch im Beihilfenverfahren bestehende Pflicht zur amtswegigen Sachverhaltsermittlung. Zusätzlich wurde in beiden Verfahren (Hauptverfahren und Vorfrageverfahren) über das Jahr 2013 abgesprochen.

Die Frage, ob dem Bf. im Jahr 2013 Familienbeihilfe zusteht, welche die Anerkennung von Unterhaltsleistungen als außergewöhnliche Belastung im Einkommensteuerverfahren 2013 ausschließt, ist somit eine Vorfrage, die im Familienbeihilfeverfahren mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom xxx 2019, RV/xxx, als Hauptfrage entschieden wurde. Dieser Entscheidung kommt Bindungswirkung für das gegenständliche Einkommensteuerverfahren zu.

Insofern wären diese Voraussetzungen des Vorfragetabestands erfüllt. Allerdings ist als weitere Voraussetzung normiert, dass "nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist".

Im Erstbescheid vom wurde von der belangten Behörde der Alleinverdienerabsetzbetrag und der Alleinerzieherabsetzbetrag mangels Vorliegens der jeweiligen Voraussetzungen nicht gewährt. Hinsichtlich des Alleinerzieherabsetzbetrag wurde ausgeführt, dass dieser nur dann zustehe, "wenn der (die) Alleinerzieher(in) im Kalenderjahr mehr als sechs Monate für mindestens ein Kind Anspruch auf den Kinderabsetzbetrag (Auszahlung mit der Familienbeihilfe) hat." Anspruchsvoraussetzung für den Kinderabsetzbetrag wiederum ist nach dem Wortlaut des § 33 Abs. 3 EStG 1988 die Gewährung der Familienbeihilfe (vgl. auch ). Die belangte Behörde hat damit die Frage, ob ein Anspruch auf den Kinderabsetzbetrag zusteht und damit voraussetzend auch die Frage des Bestehens eines Familienbeihilfeanspruchs, verneint.

Damit vertritt die belangte Behörde aber hinsichtlich des Anspruchs auf Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrags (Vorfrage) die gleiche Rechtsansicht wie das Bundesfinanzgericht in seiner Entscheidung vom xxx 2019, RV/xxx (Hauptfrage) und ist vom Bundesfinanzgericht über die Vorfrage nicht anders entschieden worden.

Da somit die Voraussetzung, dass vom Gericht (BFG) in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist, nicht gegeben ist, fehlt es auch am Wiederaufnahmegrund gem.
§ 303 Abs. 1 lit c BAO und war die Beschwerde abzuweisen.

Nur ergänzend wird darauf hingewiesen, dass diese Beurteilung auch durch die mit Anbringen vom vorgelegten Entscheidungen des LGZ Graz vom xxx 2020 und BG Graz-Ost vom xxx 2020 keine Änderung erfährt, da die mit Beschluss vom xxx 2020 pflegschaftsgerichtlich genehmigte Doppelresidenz erst ab dem Jahr 2020 relevant ist.

C. Grundsatz von Treu und Glauben:

Die Bf. hat sich seinen Angaben nach telefonisch an das Finanzamt gewandt, und habe die Auskunft erhalten "er solle einmal die Beschwerde beim Bundesfinanzgericht - gemeint damit das Beschwerdeverfahren hinsichtlich Familienbeihilfe - abwarten" und er habe nach der Beschwerde[erledigung] ein Jahr Zeit, das Einkommensteuerverfahren aufzurollen um die absetzbaren Beträge zu korrigieren. Die belangte Behörde verwies in ihrer Stellungnahme darauf, dass der Anrufer nicht zwingend im Finanzamt Graz-Umgebung gelandet sein müsse und eine solche Auskunft von Mitarbeitern des Finanzamtes Graz-Umgebung nicht erteilt würde.

Für das Bundesfinanzgericht ist es glaubhaft der Bf. sich telefonisch an das Finanzamt gewandt hat. Allerdings ist es aufgrund der österreichweit eingerichteten Telefonie fraglich, ob der Bf. mit Mitarbeitern des Finanzamts Graz-Umgebung gesprochen hat, zumal es bei der betroffenen Behörde keine Aktenvermerke über das Telefonat und von Seiten des Bf. keine Gesprächsnachweise gibt. Jedoch wurde in der geschilderten Auskunft aufgrund des Verweises auf die Ein-Jahresfrist offenkundig die Bescheidaufhebung nach § 299 BAO angesprochen. Gemäß § 299 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist.
Die Aufhebung ist bis zum Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe des Bescheides (§ 97 BAO) zulässig, wobei der Antrag auf Aufhebung vor Ablauf der Jahresfrist einzubringen ist (vgl. § 302 Abs. 2 lit b BAO iVm § 302 Abs. 1 BAO).
Unter der die Frist auslösende "Bekanntgabe des Bescheides" ist bei schriftlichen Erledigungen die Zustellung zu verstehen (vgl. § 97 Abs. 1 BAO).

Im gegenständlichen Fall handelt es sich - wie der Bf. auch durch die Wiedergabe des Telefonats selbst anführt - bei dem aufzuhebenden Bescheid um den das Einkommensteuerverfahren (Arbeitnehmerveranlagung) 2013 abschließenden und rechtskräftig gewordenen Bescheid, folglich um die Beschwerdevorentscheidung vom
, welche unter Einbeziehung des Postlaufs, in der Kalenderwoche 9 (zw. 25. Februar und ) zugestellt worden ist. Nicht hingegen handelt es sich um das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom xxx 2019, da diese Entscheidung über ein anderes Verfahren - das Familienbeihilfeverfahren - abgesprochen hat.
Ergänzend ist festzuhalten, dass das Anbringen des Bf. vom , wäre es von der belangten Behörde als Antrag gem. § 299 Abs. 1 BAO (und nicht als Wiederaufnahmeantrag) gewertet worden, als verspätet eingebracht zu beurteilen gewesen wäre, da die Einjahresfrist spätestens mit zu laufen begonnen hätte.

Soweit sich die Bf. auf die angeführte telefonische Auskunft, somit auf einen Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben beruft, nachdem jeder, der am Rechtsleben teilnimmt zu seinem Wort und zu seinem Verhalten zu stehen hat und sich nicht ohne triftigen Grund in Widerspruch zu dem setzen darf, was er früher vertreten hat und worauf andere vertraut haben (vgl. ) ist darauf zu verweisen, dass dieser Grundsatz nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs die Anwendung bindender Vorschriften, selbst für den Einzelfall, nicht auszuschließen vermag (vgl. zB ).
Der Anwendungsbereich des Grundsatzes von Treu und Glauben ist auf Ermessensentscheidungen bzw. allenfalls die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe eingeschränkt (vgl. Ritz, BAO6, § 114 Tz 8), und kann nur insoweit Auswirkungen zeigen, als das Gesetz der Vollziehung einen Vollzugsspielraum einräumt (vgl. z.B. ).
Da sowohl der Aufhebungsgegenstand nach § 299 Abs. 1 BAO wie auch die Frist gem. § 302 Abs. 2 lit b BAO iVm § 302 Abs. 1 BAO weder einer Ermessensentscheidung zugänglich ist noch einen unbestimmten Gesetzesbegriff darstellt und auch keinen Vollzugsspielraum einräumt, war aus diesem Grund keine Anwendbarkeit des Grundsatzes von Treu und Glauben gegeben.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass im Beschwerdeverfahren weder die Voraussetzungen des Neuerungstatbestands gem. § 303 Abs. 1 lit b BAO noch die des Vorfragetatbestands gem.
§ 303 Abs. 1 lit c BAO erfüllt sind. Zudem liegt auch kein Anwendungsfall des Grundsatzes von Treu und Glauben vor. Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da das Erkenntnis der zitierten, Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Wiederaufnahme des Verfahrens und des Grundsatzes von Treu und Glauben folgt, hängt dieses Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ab. Eine (ordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher nicht zulässig.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 Abs. 1 lit. c BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 302 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 299 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 116 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.2100667.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at