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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 13.10.2020, RV/6100372/2019

Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten zulässig?

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/6100372/2019-RS1
Sind Verbindlichkeiten dem Grunde nach sicher und nur der Zeitpunkt und/oder die Höhe nach unsicher, so sind Rückstellungen zu bilden ().

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Winkler - Mag. Perterer & Partner KG, Steuerberatungsgesellschaft, Josef-Pirchl-Straße 5, 6370 Kitzbühel, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Salzburg-Stadt vom betreffend Körperschaftsteuer 2011 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Im Zuge einer bei der Beschwerdeführerin (Bf) im Jahr 2015 für den Zeitraum 2010 bis 2012 durchgeführten Betriebsprüfung wurden folgende noch in Streit stehende Feststellungen getroffen (BP-Bericht vom ):

"…Die Gesellschaft bilanzierte im Veranlagungsjahr 2011 mit einem abweichenden Wirtschaftsjahr per . Im Wirtschaftsjahr 2012 erfolgte eine Änderung des Bilanzstichtages auf . Das Veranlagungsjahr 2012 per umfasst daher den Zeitraum bis (18 Monate).

Die Beschwerdeführerin wurde im Jahr 2010 gegründet und erwarb am vom Masseverwalter der insolventen Firma1 unter anderem 2.195 Tonnen Salzschlacke gegen einen Kaufpreis in Höhe von EUR 572,11. Diese Salzschlacke ist in den Jahren vor 2010 entstanden und wurde vom Amtssachverständigen für Chemie und Umwelttechnik sowie Abfallwirtschaft als gefährlich im Sinne des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002(AWG) eingestuft.

Um die Verwertbarkeit der Salzschlacke feststellen zu können, beauftragte die Beschwerdeführerin den externen Industrieberater Herrn Name1 (Firma2) mit der Durchführung einer Datenanalyse, der die Möglichkeiten einer Verwertung der Altschlacke aufzeigen sollte. In der Folge schien bis Ende Mai 2011 eine Verwertbarkeit der Salzschlacke in der Düngemittelproduktion als durchaus wahrscheinlich. Zusätzlich zu dieser Verwertungsmöglichkeit wurde alternativ ebenfalls noch die Verwertung der Altschlacke im Rahmen der Bauindustrie ins Auge gefasst.

Die damalige Geschäftsführung ging davon aus, dass die Verwertung der o.a. Salzschlacke gewinnbringend möglich und die Marktfähigkeit der Salzschlacke zum Bilanzstichtag gegeben war.

Am , acht Monate nach dem Bilanzstichtag , bestätigte Herr Name1 der Beschwerdeführerin mittels eines Endberichtes, dass die Salzschlacke als Mineraldünger ohne Kostenbelastung wirtschaftlich verwertbar wäre.

In einem neuen Gutachten vom , 14 Monate nach dem Bilanzstichtag , führte sodann Herr Name1 erstmalig aus, dass eine kostenneutrale Verwertung der Salzschlacke entgegen der bisherigen Auffassung nicht möglich wäre.

Daraufhin wurde der Jahresabschluss 2011 dahingehend überarbeitet und eine Rückstellung für Salzschlacke eingestellt. Die Beschwerdeführerin dotierte zum Bilanzstichtag (Wj 2011) eine Rückstellung unter der Bezeichnung "Entsorgung Salzschlacke" in der Höhe von EUR 1.058.460,00 und erfolgte gem. § 9 Abs. 5 EStG ein steuerrechtlicher Ansatz in Höhe von 80 % ebenjenen Betrages sohin EUR 846.768,00.

Die rückstellungsbegründende Salzschlacke war im Zeitpunkt Mai 2015 noch immer vorrätig und erfolgte bis zu diesem Zeitpunkt keine Verwertung. Ein konkreter Verwertungszeitpunkt konnte nicht genannt werden. Es lagen zu diesem Zeitpunkt weder Bescheide des Salzburger Landeshauptmannes betreffend die Entsorgung bzw. Verwertung der Salzschlacke nach dem Abfallwirtschaftsgesetz vor noch erließ das zuständige Zollamt Bescheide nach dem Altlastensanierungsgesetz zwecks Vorschreibung des Altlastensanierungsbeitrages. Ein diesbezüglicher Schriftverkehr zwischen der Beschwerdeführerin und den oben genannten Behörden, wonach mit der Erlassung von entsprechenden Bescheiden zu rechnen wäre, wurde im Rahmen der Außenprüfung nicht vorgelegt...".

Nach Ansicht der Betriebsprüfung fehlte für die steuerlich aufwandwirksame Bildung einer Rückstellung im Wirtschaftsjahr 2011 eine hinreichende Konkretisierung des Entstehungszeitpunktes der Verpflichtung zur Verwertung (Entsorgung). Sie versagte der im Jahr 2011 erfolgten Bildung der Rückstellung "Entsorgung Salzschlacke" dem Grunde nach die steuerliche Anerkennung. Die Rückstellung wurde in den Prüfungsfeststellungen steuerlich hinzugerechnet.

Die Betriebsprüfung beurteilte die Rückstellungsbildung für die Entsorgung der Salzschlacke erst zum Bilanzstichtag als zulässig, da ab für die Bf davon auszugehen war, dass die Entsorgungspflicht und damit die Entsorgungskosten schlagend werden könnten.

Das Finanzamt folgte den Feststellungen der Betriebsprüfung und nahm unter anderem das Verfahren für das Jahr 2011 wieder auf und erließ am den entsprechenden neuen Sachbescheid (Körperschaftsteuerbescheid 2011).

Am erhob die Bf unter anderem Beschwerde gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2011 vom und führte dazu begründend und auszugsweise aus.

"…Die Rückstellung "Entsorgung Salzschlacke" stellt dem Grunde und der Höhe nach eine steuerliche Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten gem. § 9 EStG dar. Eine Verpflichtung durch das Unternehmen besteht zweifellos. Vonseiten des Salzburger Landeshauptmannes als Exekutivorgan des Abfallwirtschaftsgesetzes ist die Entsorgung/Verwertung vorzuschreiben, wenn nicht innerhalb der oben genannten Fristen eine Entsorgung oder Verwertung erfolgt. Durch das Unternehmen wurde bisher zweifelsfrei versucht, die Salzschlacke zu verwerten, was bis zum ohne Vorschreibung des Altlastenbeitrages möglich gewesen wäre. Seit diesem Zeitpunkt kann die Behörde jederzeit den Altlastenbeitrag sowie die Frist zur Entsorgung/Verwertung der Schlacke mit Bescheid vorschreiben. Das Zollamt kann den Altlastenbeltrag einheben, sobald der Bestand aufgenommen wurde. Aus Sicht der Bf bildet die Rückstellung Salzschlacke somit eine Rückstellung aufgrund öffentlich-rechtlicher Verpflichtung, da es sich bei der Salzschlacke um keinen "üblichen Abfall" handelt. Nach Fristablauf fallen Beiträge an, die von der Behörde vorgeschrieben werden. Anschließend wird mit Bescheid über die Frist zur Entsorgung/Verwertung abgesprochen, womit wiederum Kosten anfallen.

Im Sinne des VwGH - Erkenntnisses vom , 2011/15/0198 ist auf den vorliegenden Fall folgende Aussage zutreffend: Dass die Bf die streitgegenständliche Salzschlacke zu verwerten oder zu entsorgen haben wird, ist daher dem Grunde nach sicher. Unsicher sind lediglich der Zeitpunkt der Entsorgung und die tatsächliche Höhe der damit verbundenen Kosten. Bei Verbindlichkeiten, die dem Grunde nach sicher und nur dem Zeitpunkt und/oder der Höhe nach unsicher sind, ist eine Rückstellung zu bilden. Es liegen konkrete Umstände für die Bildung einer Rückstellung vor, weshalb es sich hier nicht um eine Pauschalrückstellung im Sinne des § 9 Abs. 3 EStG 1988 handelt (vgl. Doralt, EStG, § 9 T2 10/2). Die Verpflichtung zur Entsorgung wurde mit dem Erwerb der Krätze begründet und hat ihre wirtschaftliche Verursachung in der Lagerung. Für die Verwertung ist daher in den Jahren zwischen Erwerb und Entsorgung eine Rückstellung zu bilden...".

Gleichzeitig beantragte die Bf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Am nahm die Betriebsprüfung zur Beschwerde Stellung und führte ergänzend aus, dass 2 Tatbestandsmerkmale für die steuerlich zulässige Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten vorliegen müssten, nämlich eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Entsorgung aus dem Gesetz und eine hinreichende Konkretisierung, dass die Steuerpflichtige zur Einhaltung der Verpflichtung gezwungen werden würde. Das Vorliegen einer öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Entsorgung würde von Seiten der Betriebsprüfung nicht bestritten. Allerdings könnte eine hinreichende Konkretisierung nicht erkannt werden. Bis zum Abschluss des Betriebsprüfungsverfahrens wäre weder ein fremder Dritter mit der Verwertung der Salzschlacke beauftragt worden noch wären Umstände dargelegt worden, das die Bf unmittelbar zur Einhaltung der Verwertungspflicht von Seiten der zuständigen Behörde mittels Bescheid gezwungen worden wäre oder dies unmittelbar bevorstünde.

Eine Verpflichtung zur Entsorgung aus den einschlägigen Gesetzen von der Betriebsprüfung würde nicht in Abrede gestellt werden, aber bis zum heutigen Zeitpunkt wäre nicht klar, ob überhaupt eine Verbindlichkeit aus einer etwaigen Entsorgung gegenüber Dritte entstehen werde, oder ob eine kostenneutrale bzw. ertragsbringende Entsorgung erfolgen könnte. Bis Sommer 2015 erfolgte noch keine Verwertung. Nach mündlicher Auskunft der jetzigen Geschäftsführung würde nach wie vor an einer kostenneutralen aber zumindest wesentlich kostengünstigeren Verwertung der Salzschlacke, als derzeit möglich, gearbeitet. Ein konkreter Verwertungszeitpunkt könnte nicht genannt werden.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde vom für das Veranlagungsjahr 2011 (Körperschaftsteuerbescheid 2011) abgewiesen.

Dazu wurde unter anderem begründend ausgeführt, dass das Tatbestandsmerkmal der "hinreichenden Konkretisierung" nach Ansicht des Finanzamtes erst dann vorläge, wenn für die Bf von einem Abfall und keinem Nebenprodukt iSd § 2 Abs. 3a AWG auszugehen war. Wie aus dem Sachverhalt ersichtlich, wäre die Bf bis zum sicher gewesen, die Salzschlacke als Düngemittel weiter verwerten zu können. Unter Berücksichtigung des § 2 Abs. 3a Z 1 AWG 2002 könnte aus Sicht der Bf frühestens ab diesem Zeitpunkt von einem Abfall iSd AWG gesprochen werden.

Es wäre daher erst zum Bilanzstichtag die Rückstellungsbildung für die Entsorgung der Salzschlacke als zulässig zu beurteilen, da ab dem (siehe e- Mail vom von Name1) für die Bf davon auszugehen gewesen wäre, dass die Entsorgungspflicht und damit die Entsorgungskosten schlagend werden würden.

Die Bf stellte daraufhin den Antrag, die Beschwerde betreffend Körperschaftsteuerbescheid 2011 dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen. Ergänzend wurde ausgeführt, dass - entgegen den Ausführungen des Finanzamtes - bereits im Jahresabschluss 2011 zum , welcher am beim Firmenbuch eingereicht wurde, eine Rückstellung betreffend Salzschlacke gebildet und die Höhe daran bemessen worden wäre, dass mit einer Verwertung und nicht mit einer Entsorgung gerechnet wurde. Aufgrund wiederholter und eingehender Aufarbeitung des Sachverhaltes im Rahmen des internen Kontrolllsystems des Unternehmens sowie der Muttergesellschaft wäre festgestellt worden, dass die Grundlage für die Bilanzierung zwar klar, allerdings die Höhe des Aufwandes zu korrigieren gewesen wäre.

Mit Schriftsatz vom ergänzte die Bf durch Name2, von September 2012 bis Dezember 2013 Finanzleiter und Prokurist der Beschwerdeführerin, das Beschwerdevorbringen insoweit, als dieser zu den Vorfällen 2010 bis 2013 im Namen der Konzernführung unter anderem ausführte:

"…In den Jahren 2012 und 2013 wurden die beiden damaligen Geschäftsführer aufgrund mehrerer wirtschaftlicher Fehlentscheidungen und auch persönlicher Verfehlungen gegenüber der Gesellschaft und deren Gesellschafterin abberufen.

Hinsichtlich der Salzschlacke kam es durch diese Geschäftsführer zu einer Fehlbeurteilung zugunsten ihres persönlichen Vorteiles.

Die Alt-Salzschlacke befand sich bereits im Zeitpunkt der Übernahme des Betriebs 2010 auf dem Betriebsgelände von der insolventen Firma1. Die damalige Geschäftsführung hoffte daraus Profit schlagen zu können.

Mit Abberufung der Geschäftsführung wurden sodann alle relevanten Problemfelder aufbereitet und analysiert.

Die damals gebildete Rückstellung betreffend die Entsorgung der Salzschlacke iHv. EUR 80.000,00 wurde als zu gering eingestuft. Sodann wurde der Jahresabschluss 2011, der beim Finanzamt Anfang 2013 noch nicht eingereicht war, nochmals geöffnet und die Rückstellung dahingehend richtiggestellt, dass der "Wunschtraum" ein "Geschäft" damit zu machen, nicht nur wegen der Expertise von Herrn Name1 aus dem Herbst 2012, sondern vor allem aufgrund der Vorgeschichte utopisch und somit nicht realistisch war. Zurückkehrend auf die Situation Anfang 2013:

Die Rückstellung wurde im letzten nicht veranlagten Zeitraum erhöht, da die Konzernleitung sowie die neue Geschäftsleitung und vor allem durch mich als damals neu installierter Finanzleiter und Prokurist die Sachlage wesentlich anders beurteilt hatte. Die Entsorgung war wahrscheinlich und somit wurde eine Erhöhung der Rückstellung noch im Jahr 2011 vorgenommen. Gegen die Erfassung im Zeitpunkt des Erwerbes am spricht, dass im Übernahmeprotokoll die Fässer zunächst als Vorräte ausgewiesen waren und die damalige Geschäftsführung wider besseren Wissens von einem Wertstoff ausging. Die Verpflichtung zur Entsorgung ging aus dem damaligen Kaufpreis ebenfalls nicht hervor.

Sohin hätte die Rückstellung in voller Höhe für den von der Vorgängerfirma übernommenen Schlackebestand im Jahr 2010 erfolgen müssen, da jedoch die Veranlagung bereits erfolgte, wurde von der Übergangsgeschäftsleitung die Variante gewählt, den noch nicht veranlagten Jahresabschluss zu ändern.

Aus unserer Sicht war es zu diesem Zeitpunkt die subjektiv wirtschaftlich richtige Entscheidung, auch wenn die Rückstellung unter objektiver Beurteilung spätestens zum bereits gebildet gehört hätte.

Wir bitten die Darstellung in die Abwägung der Beurteilung des Beschwerdeverfahrens zu berücksichtigen...".

Gleichzeitig wurde der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurückgezogen.

II. entscheidender Sachverhalt

Beschwerderelevant ist das abweichende Wirtschaftsjahr 2011, bis .

Die Beschwerdeführerin wurde im Jahr 2010 gegründet und erwarb am vom Masseverwalter der insolventen Firma1 unter anderem 2.195 Tonnen Salzschlacke gegen einen Kaufpreis in Höhe von EUR 572,11. Diese Salzschlacke ist in den Jahren vor 2010 entstanden und wurde vom Amtssachverständigen für Chemie und Umwelttechnik sowie Abfallwirtschaft als gefährlich im Sinne des Abfallwirtschaftsgesetzes eingestuft.

Um die Verwertbarkeit der Salzschlacke feststellen zu können, beauftragte die Beschwerdeführerin den externen Industrieberater Herrn Name1 (Firma2) mit der Durchführung einer Datenanalyse.

Mit Endbericht vom , acht Monate nach dem Bilanzstichtag , bestätigte der externer Industrieberater Herr Name1 der Bf, dass die Salzschlacke als Mineraldünger ohne Kostenbelastung wirtschaftlich zu verwerten wäre.

Bis zum Bilanzstichtag , sowie 8 Monate danach, ging die Bf von einer Marktfähigkeit und einer gewinnbringenden Verwertung der Salzschlacke aus (siehe dazu Beschwerdeausführungen vom ).

Mit Gutachten vom , 14 Monate nach dem Bilanzstichtag , erklärte Herr Name1 erstmalig, dass eine kostenneutrale Verwertung der Salzschlacke entgegen der bisherigen Auffassung e-Mail-Verkehr zwischen Herrn Name1 und der Geschäftsführung der Bf, Gutachten des Industrieberaters Name1 vom ).

Bis Mai 2015 war die Altschlacke bei der Bf noch vorrätig und erfolgte keine Verwertung. Bis zu diesem Zeitpunkt lag eine bescheidmäßige Aufforderung des zuständigen Salzburger Landeshauptmannes als Exekutivorgan des Abfallwirtschaftsgesetzes zur Verwertung bzw. Entsorgung der Salzschlacke nicht vor. Im Sommer 2015 konnte seitens der Bf ein konkreter Verwertungszeitpunkt der Salzschlacke nicht genannt werden, da nach wie vor an einer kostenneutralen bzw. zumindest wesentlich kostengünstigeren Verwertung der Schlacke gearbeitet wurde (siehe dazu Stellungnahme der BP vom ).

Zum Bilanzstichtag erfolgte für 2011 eine steuerliche Rückstellungsdotierung iHv
€ EUR 846.768,00.

Der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde zurückgezogen (siehe dazu Schriftsatz der Bf vom ).

III. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt stützt sich auf die Angaben der Bf, auf die dem Gericht vorgelegten Urkunden der Bf sowie auf Ergebnisse der von der Behörde bzw. vom Bundesfinanzgericht durchgeführten Ermittlungen.

IV. Rechtsausführungen

Gemäß § 9 Abs. 1 EStG 1988 (Einkommensteuergesetz idgF) können Rückstellungen nur gebildet werden für

1. Anwartschaften auf Abfertigungen,

2. laufende Pensionen und Anwartschaften auf Pensionen,

3. sonstige ungewisse Verbindlichkeiten, wenn die Rückstellungen nicht Abfertigungen, Pensionen oder Jubiläumsgelder betreffen.

4. drohende Verluste aus schwebenden Geschäften.

Gegenstand einer Verbindlichkeitsrückstellung muss stets eine Verpflichtung gegenüber Dritten sein.

Nach § 9 Abs. 3 EStG 1988 der angeführten Bestimmung dürfen Rückstellungen im Sinne des Absatzes 1 Ziffer 3 und 4 nicht pauschal gebildet werden. Die Bildung von derartigen Rückstellungen ist nur dann zulässig, wenn konkrete Umstände nachgewiesen werden können, nach denen im jeweiligen Einzelfall mit dem Vorliegen oder dem Entstehen einer Verbindlichkeit (eines Verlustes) ernsthaft zu rechnen ist. Bei diesen im § 9 Abs. 3 EStG 1988 für die Rückstellungsbildung genannten Voraussetzungen handelt es sich um solche, die bereits zum maßgebenden Bilanzstichtag vorgelegen sein müssen. Die Verpflichtung selbst muss zwar nicht bereits am Bilanzstichtag entstanden sein (), ihr Entstehen muss aber nach den Verhältnissen am Bilanzstichtag zumindest ernsthaft drohen ().

Rückstellungen erfassen Aufwendungen, die ihre Ursache in einem abgelaufenen Wirtschaftsjahr haben. Mit einer Rückstellung werden Ausgaben, die erst in einer späteren Periode konkret anfallen, der Periode ihres wirtschaftlichen Entstehens zugeordnet.

Bei der Bildung einer Rückstellung handelt es sich um ein Gewinnkorrektivum, welches steuerlich nur in der Höhe anzuerkennen ist, in der der Erfolg des betreffenden Wirtschaftsjahres voraussichtlich mit künftigen Ausgaben belastet wird. Handelt es sich um eine drohende Verbindlichkeit, deren wirtschaftliche Verursachung über mehrere Perioden verteilt ist, so ist eine Rückstellung laufend in den Jahren wirtschaftlicher Verursachung aufzubauen und zwar in der Form einer Ansammlungsrückstellung (siehe dazu Ansammlungsrückstellung, Hinweis Hofstätter/Reichl, Die Einkommensteuer - EStG 1988, Kommentar, zu § 9 EStG, Tz 75ff).

Sind Verbindlichkeiten dem Grunde nach sicher und nur der Zeitpunkt und/oder die Höhe nach unsicher, so sind Rückstellungen zu bilden ().

§ 7 Abs. 2 KStG 1988 (Körperschaftsteuergesetz) idgF lautet:

Einkommen ist der Gesamtbetrag der Einkünfte aus den im § 2 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes 1988 aufgezählten Einkunftsarten nach Ausgleich mit Verlusten, die sich aus den einzelnen Einkunftsarten ergeben, und nach Abzug der Sonderausgaben (§ 8 Abs. 4) und des Freibetrages für begünstigte Zwecke (§ 23). Wie das Einkommen zu ermitteln ist, bestimmt sich nach dem Einkommensteuergesetz 1988 und diesem Bundesgesetz. Anzuwenden sind § 2 Abs. 2a des Einkommensteuergesetzes 1988 auf Einkünfte aus einer Beteiligung, wenn das Erzielen steuerlicher Vorteile im Vordergrund steht, sowie § 2 Abs. 2b und § 2 Abs. 8 des Einkommensteuergesetzes 1988.

§ 15 Abs. 5 AWG 2002 (Bundesgesetz über nachhaltige Abfallwirtschaft idgF) lautet: Ist der Abfallbesitzer zu einer entsprechenden Behandlung nicht berechtigt oder imstande, hat er die Abfälle einem zur Sammlung oder Behandlung Berechtigten zu übergeben. Die Übergabe hat so rechtzeitig zu erfolgen, dass Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) vermieden werden; Abfälle sind regelmäßig, mindestens einmal in drei Jahren, einem zur Sammlung oder Behandlung Berechtigten zu übergeben.

§ 15 Abs. 5a lautet:

Der Abfallbesitzer ist dafür verantwortlich, dass

a) die Abfälle an einen in Bezug auf die Sammlung oder Behandlung der Abfallart berechtigten Abfallsammler oder - behandler übergeben werden und

b) die umweltgerechte Verwertung oder Beseitigung dieser Abfälle explizit beauftragt wird.

§ 15 Abs. 5b lautet:

Wer Abfälle nicht gemäß Abs. 5a übergibt, kann bis zur vollständigen umweltgerechten Verwertung oder Beseitigung dieser Abfälle als Verpflichteter gemäß gem. § 73 Abs. 1 mit Behandlungsauftrag in Anspruch genommen werden.

§ 73 Abs. 1 AWG 2002 lautet:

Wenn

1. Abfälle nicht gemäß den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, nach diesem Bundesgesetz erlassenen Verordnungen, nach EG-VerbringungsV oder nach EG-POP-V gesammelt, gelagert, befördert, verbracht oder behandelt werden oder

2. die schadlose Behandlung der Abfälle zur Vermeidung von Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) geboten ist,

hat die Behörde die erforderlichen Maßnahmen dem Verpflichteten mit Bescheid aufzutragen oder das rechtswidrige Handeln zu untersagen.

§ 73 Abs. 2 AWG lautet:

Bei Gefahr im Verzug hat die Behörde die erforderlichen Maßnahmen unmittelbar anzuordnen und gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten nötigenfalls unverzüglich durchführen zu lassen.

V. Erwägungen

Zunächst wird festgehalten, dass Gegenstand des Beschwerdeverfahrens die rechtliche Beurteilung der Dotierung der Rückstellung betreffend die Verwertung der Salzschlacke für das Jahr 2011 ist (siehe dazu e-Mail Verkehr mit der steuerlichen Vertretung der Bf vom , , , Telefonate vom , sowie dem e-Mail vom mit Name3, FA 91).

Unstrittig ist zunächst, dass die Entsorgung der gegenständlichen Salzschlacke unter das Abfallwirtschaftsgesetz fällt. Demnach hat ein Abfallbesitzer, der zu einer entsprechenden Behandlung nicht berechtigt oder imstande ist, die Abfälle mindestens einmal in drei Jahren einem zur Sammlung oder Behandlung Berechtigten zu übergeben. Andernfalls kann er bis zur vollständigen umweltgerechten Verwertung oder Beseitigung dieser Abfälle als Verpflichteter gemäß gem. § 73 Abs. 1 mit Behandlungsauftrag in Anspruch genommen werden.

Gemäß § 9 Abs. 1 EStG 1988 idgF können Rückstellungen u.a. gebildet werden für sonstige ungewisse Verbindlichkeiten, wenn die Rückstellungen nicht Abfertigungen, Pensionen oder Jubiläumsgelder betreffen.

§ 9 Abs. 3 EStG 1988 legt als Voraussetzung für die Bildung einer Verbindlichkeitsrückstellung fest, dass im jeweiligen Einzelfall mit dem Vorliegen oder dem Entstehen der Verbindlichkeit (Aufwand) ernsthaft zu rechnen ist. Die Rückstellung darf gewinnmindernd nur dann für das Jahr 2011 gebildet werden, wenn 2011 der Aufwand wirtschaftlich verursacht wurde.

Entscheidend sind die Verhältnisse am Bilanzstichtag . Die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung müssen dem Grunde nach bereits zu diesem Zeitpunkt vorliegen. Keine Bedenken bestehen jedoch in Fällen, in denen der Abgabenpflichtige innerhalb von drei Monaten nach dem Bilanzstichtag vom Vorliegen rückstellungsbegründender Umstände Kenntnis erlangt hat, eine steuerliche Wirksamkeit der Rückstellung zuzulassen (siehe dazu EStR 2000, Rz 3318).

Bei Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten muss eine Verpflichtung gegenüber Dritten vorliegen.

Eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Entsorgung kann Grundlage einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten sein, wenn die Verpflichtung nach ihrem Inhalt und insbesondere ihrem Entstehungszeitpunkt hinreichend konkretisiert ist (VwGH in seinem (grundsätzlichen) Erkenntnis vom , 94/15/0089). Das ist dann der Fall, wenn sich die Verpflichtung in der Art unmittelbar aus dem Gesetz (hier: AWG) ergibt oder auf einem besonderen Verwaltungsakt beruht (Kriterium der hinreichenden Konkretisierung) und wenn die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Steuerpflichtige zur Einhaltung der Verpflichtung gezwungen wird (Kriterium der hinreichenden Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme, hier: Bescheide der zuständigen Behörde).

Das war keineswegs der Fall.

Entgegen der Argumentation der Bf lag zum Bilanzstichtag bzw. zum keine ausreichende Konkretisierung in Bezug auf die Qualifikation der Salzschlacke als Abfall vor. Vielmehr ging die Bf zu diesem Zeitpunkt von einer gewinnbringenden Verwertbarkeit der Salzschlacke aus. Wie den Beschwerdeausführungen vom selbst zu entnehmen ist, beauftragte die Bf im Frühjahr 2011 einen externen Industrieberater, um eine Datenanalyse zur Verwertung der Salzschlacke durchführen zu lassen, mit dem Ergebnis, dass von einer Marktfähigkeit zum auszugehen war. Der Endbericht des Industrieberaters Name1 vom , 8 Monate nach dem Bilanzstichtag , bestätigte die wirtschaftliche Verwertbarkeit der Salzschlacke als Mineraldünger (somit ohne Kostenbelastung).

Damit ging die Bf bis März 2012 von einer Salzschlacke als Werkstoff aus, somit von deren Marktfähigkeit und gewinnbringenden Verwertbarkeit. Die Frage nach einer kostenpflichtigen Entsorgung der Salzschlacke als Abfall stellte sich bis zu diesem Zeitpunkt nicht.

Ob es sich dabei um eine Fehlbeurteilung durch die damalige Geschäftsführung "zugunsten ihres persönlichen Vorteils" handelte (siehe dazu Schriftsatz der Bf vom ), ist im Nachhinein nur schwer zu beurteilen und lässt sich auch daraus für die rechtliche Beurteilung nichts gewinnen.

Hinzu kommt noch das Faktum, dass die Bf auch keine konkreten Umstände auf eine drohende Inanspruchnahme aus der gesetzlichen (bzw. öffentlich-rechtlichen) Verpflichtung nach dem AWG bzw. ALSAG aufzeigen konnte. Bis zum Bilanzstichtag (bzw. ) lag weder ein Bescheid des Salzburger Landeshauptmannes als Exekutivorgan des AWG vor, der die Entsorgung bzw. Verwertung der Salzschlacke bis zu einem bestimmten Zeitpunkt angeordnet hätte, noch wurde der Bf seitens der zuständigen Zollverwaltung ein Altlastensanierungsbeitrag nach dem ALSAG vorgeschrieben (siehe dazu die eigenen Ausführungen der Bf in der Beschwerde vom ).

Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten dürfen steuerlich nur gebildet werden, wenn konkrete Umstände nachgewiesen werden, dass ein Schaden zum Bilanzstichtag entstanden ist. Bei Verbindlichkeiten, die dem Grunde nach nicht sicher sind, ist eine Rückstellung nicht zu bilden.

Erst 14 Monate nach dem Bilanzstichtag führte Industrieberater Name1 in seiner Expertise vom erstmalig aus, dass eine wirtschaftliche Verwertung der Schlacke in der Düngemittelindustrie ausgeschlossen, die Salzschlacke entgegen der bisherigen Auffassung nicht wirtschaftlich verwertbar wäre und es sich dabei um Abfall iSd Abfallwirtschaftsgesetzes handeln würde.

Die Verpflichtung zur Entsorgung wurde - entgegen der Ansicht der Bf - nicht mit dem Erwerb der Krätze begründet, sondern erstmalig im Herbst 2012, als mit dem Gutachten 2012 feststand, dass es sich bei der Altschlacke um Abfall handelte. Erst mit der Einstufung der Schlacke als Abfall iSd AWG kommt es 2012 zur (gesetzlichen, öffentlich-rechtlichen) Verpflichtung nach dem AWG, den Altstoff kostenpflichtig zu entsorgen.

Die Vorgehensweise der Betriebsprüfung, die Rückstellungsbildung für die Entsorgung der Altschlacke erst zum Bilanzstichtag als zulässig zu beurteilen, ist damit zu bestätigen.

Wenn die Bf in ihren Beschwerdeausführungen auf einem "ähnlich gelagerten Fall" im Erkenntnis des verweist, so muss ihr folgendes entgegnet werden:

Ausgangspunkt in diesem Erkenntnis war eine Liftgesellschaft, der mit Dienstbarkeitsvertrag das Recht eingeräumt wurde, auf bestimmte Liegenschaften Liftanlagen zu errichten und zu betreiben. Gleichzeitig wurde sie daraus verpflichtet, nach Abbau der Liftanlagen den ursprünglichen Zustand der Landschaft auf eigene Kosten wiederherzustellen (Abbau und Rekultivierung).

Eine Verpflichtung zum Abbruch und zur Rekultivierung ergab sich auch aus § 52 Seilbahngesetz. Dass die Beschwerdeführerin die streitgegenständlichen Liftanlagen abzutragen und den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen haben wird, war daher (im Gegensatz zum vorliegenden Beschwerdefall) dem Grunde nach sicher. Unsicher waren lediglich der Zeitpunkt der Abtragung bzw. Rekultivierung und die Höhe der damit verbundenen Kosten.

Die Verpflichtung zum Abbau und zur Rekultivierung wurde bereits mit der Errichtung der gegenständlichen Anlagen begründet und hatte ihre wirtschaftliche Verursachung im Betrieb der Anlagen.

Im Beschwerdefall der Bf hingegen stand vorerst nicht fest, ob überhaupt je eine Entsorgungspflicht nach dem Abfallwirtschaftsgesetz entsteht und damit ob Entsorgungskosten anfallen würden. Wäre die Salzschlacke in der Düngemittelindustrie oder in der Bauindustrie verwertbar gewesen, wäre eine Verpflichtung der Bf zur kostenpflichtigen Entsorgung nicht entstanden. Erst mit der Einstufung der Altschlacke als Abfall im September 2012 (Gutachten) wurde die (öffentlich-rechtliche) Verpflichtung nach dem Abfallwirtschaftsgesetz begründet, die Schlacke kostenpflichtig zu entsorgen.

Eine analoge Auslegung zum oben zitierten VwGH-Urteil ist daher nicht zulässig, da zu den jeweiligen Stichtagen nicht nur die Höhe und der Zeitpunkt der Entstehung, sondern die Entstehung einer Verbindlichkeit an sich (Aufwand, Kosten) ungewiss waren.

Die Beschwerde war als unbegründet abzuweisen.

VI. Zulässigkeit der Revision

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da der hier zu lösenden Rechtsfrage keine grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Bundesfinanzgericht folgt der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ().

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 7 Abs. 2 KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988
§ 9 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 9 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 15 Abs. 5 AWG 2002, Abfallwirtschaftsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 102/2002
§ 73 Abs. 1 AWG 2002, Abfallwirtschaftsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 102/2002
Verweise
Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.6100372.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at