Stipendien als Einkünfte aus selbständiger Arbeit
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/7102982/2020-RS1 | Es ist keine getrennte Beurteilung der einzelnen Stipendien in der Form vorzunehmen, dass jedes Stipendium für sich mit der Höchststudienbeihilfe für Selbsterhalter in Relation zu setzen ist. Vielmehr stellt der Gesetzgeber den Vergleich mit den Werten nach § 27 StudFG mit der „jährlich insgesamten“ Höhe der Stipendien an. |
RV/7102982/2020-RS2 | Es ist keine einkommensersetzende Funktion anzunehmen, wenn lediglich die im Rahmen der wissenschaftlichen Betätigung entstandenen Kosten nicht pauschal, sondern konkret aufgrund geeigneter Belege ersetzt werden, da sie dem Empfänger im Sinne des Leistungsfähigkeitsprinzips nicht frei zur Befriedigung der Grundbedürfnisse und zur Zahlung der Einkommensteuer verfügbar sind. Es mangelt insofern an einer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers und liegen daher in wirtschaftlicher Betrachtung keine Einkommensersätze gemäß § 22 Z 1 lit a EStG 1988 und damit keine betrieblichen Einnahmen vor. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Alfred TRENDL Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs GmbH, Neubaugasse 79 Tür 10, 1070 Wien, und Dr. Alfred TRENDL Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs GmbH, Neubaugasse 79 Tür 10, 1070 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom , Steuernummer ***BF1StNr1***, betreffend Einkommensteuer 2017 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) teilweise Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird im Sinne der Beschwerdevorentscheidung vom abgeändert.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) in Verbindung mit § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) ist nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
Das Verfahren stellt sich wie folgt dar:
Einkommensteuerbescheid vom
Der Einkommensteuerbescheid 2017 vom wurde mit Bescheid gemäß § 299 BAO vom mit der Begründung aufgehoben, dass die aus der Begründung des Sachbescheides ergebende inhaltliche Rechtswidrigkeit eine nicht bloß geringfügige Auswirkung hat und bei der Ermessensübung der Vorrang des Grundsatzes der Gleichmäßigkeit der Besteuerung (Rechtsrichtigkeit) vor jenem der Rechtsbeständigkeit zu beachten war.
Ein neuer Einkommensteuerbescheid 2017 wurde mit erlassen und dabei Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 10.365,61 € berücksichtigt. Begründend wurde ausgeführt:
"Stipendien für eine wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätigkeit sind als steuerpflichtige Einkünfte aus selbständiger Arbeit zu behandeln, wenn diese wirtschaftlich einen Einkommensersatz darstellen. Entscheidend für die Beurteilung der Steuerpflicht ist, ob wirtschaftlich ein Einkommensersatz vorliegt oder nicht, unabhängig davon, ob Stipendien inner- oder außerhalb eines Dienstverhältnisses gewährt werden.
Gemäß den Unterlagen, welche dem Finanzamt am übermittelt wurden, sind Ihre Stipendien als Einkommensersatz zu werten, und somit steuerpflichtig. Neben den Einnahmen aus den Stipendien des ***Forum*** iHv. € 1.875,- und des ***Institut*** iHv. € 10.800,- wurden amtswegig Betriebsausgaben iHv. 6% der Einnahmen (siehe § 17 Abs. 1 EStG) und ein Gewinnfreibetrag iHv. 13% (siehe § 10 EStG) als Betriebsausgaben festgesetzt.
Der Gewinn aus Einkünften aus selbständiger Arbeit beträgt somit € 10.365,61."
Beschwerde vom
Durch den steuerlichen Vertreter des Beschwerdeführers wurde das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben und darin ausgeführt:
"Wie bereits vorgebracht ist It. VFGH ein Dissertationsstipendium nicht steuerpflichtig. Es war auch nicht für den eigenen Erhalt gedacht, dafür gab es ja die unselbständige Arbeit.
Das Stipiendiumg des "***Forum***" € 2.250,--ist überdies an überhaupt keine Bedingung geknüpft, sondern eine Art Wohltat für den ausländischen Studenten, damit er leichter sein Studium betreiben kann.
Ich beantrage daher Änderung des angefochtenen Bescheids und Erlass It. Erklärung.
2. In eventu:
3. wenn 1. Nicht statt gegeben wird, jedenfalls Entfall des Betrags von € 2.250,--/***Forum*** sowie konkrete (nicht pauschale) Gewinnermittlung It. Beilage."
Beschwerdevorentscheidung vom
Der Einkommensteuerbescheid 2017 wurde abgeändert, insbesondere wurden Abschreibungsaufwendungen, Ausgaben für Reise- und Fahrtspesen sowie sonstige Ausgaben von insgesamt 1.965,41 € als Betriebsausgaben der selbständigen Tätigkeit abgezogen.
Vorlageantrag vom
Der steuerliche Vertreter beantragte die Steuerfreistellung beider Stipendien, in jedem Fall jedoch die Steuerfreistellung des Stipendiums vom ***Forum*** über EUR 2.250,00, da dieses überhaupt an keine Bedingung geknüpft war, sondern eine Art Wohltat für den ausländischen Studenten war, damit er leichter sein Studium betreiben konnte.
Vorlagebericht vom
Die belangte Behörde legte das Rechtsmittel dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und gab dazu folgende Stellungnahme ab:
"Ein "Stipendium" ist eine finanzielle Unterstützung, die an eine Person deshalb gegeben wird, damit sie sich einer freiberuflichen Tätigkeit widmen kann und stellt daher auf Grund dieser Zielsetzung wirtschaftlich einen Einkommensersatz dar. Stipendien dieser Art sind Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit gem. § 22 Z 1 Iit. a EStG.
Soweit der Beschwerdeführer die Rechtsprechung (VwGH-Erkenntnis vom , 2011/13/0060) einwendet, so wird abermals auf die Änderung der Rechtslage seit 2017 durch das Abgabenänderungsgesetz 2016 verwiesen.
Zuflüsse aus Stipendien iRe der Tätigkeiten des § 22 Z 1 lit a (wissenschaftlich, künstlerisch, schriftstellerisch, unterrichtend oder erzieherisch) sind ab 2017 als Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit zu besteuern, wenn diese wirtschaftlich einen Einkommensersatz darstellen und keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sind.
Davon erfasst werden Stipendien (vor allem für wissenschaftliche Tätigkeiten), die für eine ihrem Gehalt nach wissenschaftlich Tätigkeit vergeben werden (zB Dissertationsstipendien, Habilitationsstipendien, Forschungsstipendien für Wissenschaftler).
Keinen Einkommensersatz stellen Stipendien dar, die jährlich nicht höher sind als die Höchststudienbeihilfe für Selbsterhalter nach § 27 des StudienförderungsG 1992. (Laudacher in Jakom, EStG 2020, 13. Aufl. 2020, § 3, II. Sachliche Steuerbefreiungen Rz 12)
Die Höchststudienbeihilfe betrug gemäß § 27 des StudienförderungsG 1992 im Jahr 2017 EUR 606,00 pro Monat.
Den übermittelten Unterlagen vom zufolge fällt das Stipendium des "***Institut**" mit einer monatlichen Summe von EUR 18.000 höher als die Höchststudienbeihilfe für Selbsterhalter aus und stellt somit einen Einkommensersatz dar. Diese Ansicht wird ebenfalls gestützt durch die Formulierung der Stipendienvereinbarung (Terms of award agreement Unterpunkt II. Conditions), in der festgelegt wird, dass von dem Stipendium sämtlich Lebenskosten (Miete, Reisekosten, Betriebs- sowie Reisekosten, als auch Kommunikationsmittel), während des Forschungsaufenthaltes, von dem Stipendium bezahlt werden sollen. Bei diesem Stipendium steht daher klar der Einkommensersatz im Vordergrund.
Auch fällt dieses Stipendium nicht unter die Steuerbefreiung gemäß § 3 Abs. 1 Z 3 Iit. f EStG, da im Einkommen des Beschwerdeführers Iohnsteuerpflichtige Einkünfte enthalten sind und ein PflichtveranIagungstatbestand gemäß § 41 Abs 1 gegeben ist und das Einkommen inklusive Stipendium mehr als EUR 12.000 beträgt. (siehe 262/ME XXV. GP, Ministerialentwurf - Erläuterungen)
Das Stipendium des ***Forum*** beträgt monatlich EUR 375,00 und liegt somit unter der Höchststudienbeihilfe für Selbsterhalter. Somit ist dieses Stipendium nicht als Einkommensersatz und folglich auch nicht als steuerpflichtige Einkünfte iSd § 22 Z 1 Iit. a EStG zu werten.
Es wird somit die teilweise Stattgabe der Beschwerde dahingehend beantragt, dass das Stipendium des ***Forum*** steuerfrei gestellt wird. Bezüglich der sonstigen Vorbringen der Beschwerde wird beantragt, dass diese als unbegründet abgewiesen werden."
Das Bundesfinanzgericht hat über die Beschwerde erwogen:
Da die Beschwerde zulässig ist, rechtzeitig eingebracht wurde und keine Erledigung in Beschlussform gemäß § 278 BAO zu ergehen hat, entscheidet das Bundesfinanzgericht gemäß § 279 BAO in der Sache selbst.
1. Streitpunkte
Strittig ist, ob die Zahlungen vom "***Institut*** (***Institut*)" in Höhe von 10.800,00 € sowie vom "***Forum*** (PF)" in Höhe von 1.875,00 € als Grundstipendium bzw. für Miete sowie in Höhe von 875,00 € als Kostenersatz für Studienmaterialien, als Einnahmen bei der Ermittlung der steuerpflichtigen Einkünfte aus selbständiger Arbeit zu erfassen bzw. steuerfrei sind.
2. Sachverhalt
Der Beschwerdeführer war vom bis im Rahmen des Programms "***Stipendium***" des ***Institut* in Wien tätig. Das "***Stipendium***" soll das Studium und die Reflexion des polnischen nationalen Erbes im Kontext der europäischen Tradition fördern. Der Beschwerdeführer widmete sich im Streitjahr seiner Dissertation zum Thema "***Thema***".
Auf der Grundlage einer Stipendienvereinbarung wurde ihm für die 10-monatige Tätigkeit am ***Institut* ein Stipendium in Höhe von 18.000,00 € in gleichmäßigen monatlichen Raten gewährt. Die Stipendien sollen es polnischen Senior- und Juniorforschern ermöglichen, an einem Forschungsprojekt ihrer Wahl zu arbeiten. Die Stipendien stehen allen akademischen Disziplinen der Geistes- und Sozialwissenschaften offen.
Der Beschwerdeführer erhielt seitens des ***Institut* im Jahr 2017 Zahlungen in Höhe von 10.800,00 € (Jänner - Juni 2017). Daraus sind gemäß der Bedingungen der Vereinbarung sämtliche Lebenshaltungskosten während der Forschungstätigkeit wie Fahrt- und Reisekosten nach und von Wien, Miete, Telefon, etc. wie auch Forschungskosten (zB Literatur, etc.) zu bestreiten. Die konkrete Verausgabung der Mittel musste nicht nachgewiesen werden.
Zusätzlich erhielt er vom PF ein Grundstipendium bzw. (als Kostenersatz) für Miete Zahlungen in Höhe von 1.875,00 € (monatlich 375,00 €) sowie als Kostenersatz für Studienmaterialien 875,00 € (monatlich 175,00 €), wobei letzterer Betrag nur nach Vorlage entsprechender Belege zur Auszahlung gelangte. Schriftliche Bedingungen liegen dazu keine vor.
Der Verein, der der Förderung der Kirchen in Ost(Mittel)Europa dient, unterstützt laut Website (siehe Punkt 3.) Personen aus der katholischen, der griechisch-katholischen und der orthodoxen Kirche. Die meisten davon haben in Pastoraltheologie habilitiert oder promoviert. Dem Beschwerdeführer wurde für sein Dissertationsvorhaben und der damit verbundenen wissenschaftlichen Tätigkeit ein Stipendium gewährt. Die Zulassung zum Doktoratsstudium an der Universität Wien ist Voraussetzung für eine Stipendienzusage.
Die Höchststudienbeihilfe für Selbsterhalter betrug 606,00 € bis bzw. 715,00 € ab .
Die in Streit stehenden Zahlungen sind durch das Dissertationsvorhaben und der damit verbundenen Forschungstätigkeit bedingt.
Die geltend gemachten Ausgaben von 1.965,41 € sind durch die Dissertationsabfassung veranlasst.
Der Beschwerdeführer war in seiner Tätigkeit nicht an Weisungen der Stipendienzahler gebunden und es war keine konkrete Arbeitsleistung geschuldet. Seitens des ***Institut* standen ihm Arbeitsplatz, Internet, Drucker, Telefon und die Bibliothek zur Verfügung. Ein Computer zur Abfassung der wissenschaftlichen Arbeit wurde nicht zur Verfügung gestellt. Am Ende der Forschungstätigkeit musste der Stipendiat gegenüber dem Institut einen Bericht über seine Tätigkeit und seine Leistung legen.
Seitens des PF erhielt der Beschwerdeführer lediglich Geld- bzw. geldwerte Leistungen. Vereinbarungen hinsichtlich Arbeitsplatz, -mittel und -leistung wurden nicht getroffen.
Der Beschwerdeführer erzielte in 2017 zusätzlich steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit aus zwei zum Teil gleichzeitigen Dienstverhältnissen (1. August - ), die beim Lohnsteuerabzug gesondert versteuert wurden, laut aktenkundiger Lohnzettel in Höhe von 11.152,79 €.
3. Beweiswürdigung
Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt und dem Abgabeninformationssystem der Finanzverwaltung sowie den Erhebungen des Bundesfinanzgerichts.
[...]
In der Stipendienvereinbarung wird unter Punkt II. 1. ausgeführt, dass sämtliche Lebenshaltungs- wie auch Forschungskosten während der Forschungstätigkeit aus dem Stipendium zu bestreiten sind ("you are responsible for covering all living expenses during your research stay, including travel to/from Vienna, rent, utilities, local transport, phone etc., as well as research costs (i.e. for literature, conference fees)"). Unter Punkt II. 4. finden sich die infrastrukturellen Angebote des ***Institut* ("will provide you with a personal office, equipped with high-speed internet connection, printer and phone (fellows generally bring their own laptop or PC), and give you access to ist infrastructure and research facilities (including our in-house library and borrowing services from the National Library and University libraries)"), unter Punkt II. 7. die Pflicht zur Berichtsabfassung ("to submit a report in writing that outlines their activities and accomplishments under the fellowship").
[...]
Die Einnahmen sind belegmäßig durch Banküberweisungsbestätigungen dem Grunde und der Höhe nach nachgewiesen.
Die berufliche Veranlassung der geltend gemachten Betriebsausgaben ist aufgrund des Vorbringens des Beschwerdeführers und den vorgelegten Belegen als erwiesen anzusehen und im Übrigen unstrittig.
4. Rechtslage
§ 3 Abs 1 Z 3 lit f Einkommensteuergesetz 1988 (EStG 1988) idF BGBl I Nr 105/2017 lautet:
"Von der Einkommensteuer sind befreit:
[…]
f) zur Förderung von Wissenschaft und Forschung (Stipendien) im Inland, wenn diese keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sind und für den Stipendienbezieher keine Steuererklärungspflicht gemäß § 42 Abs. 1 Z 3 vorliegt"
§ 22 EStG 1988 idF BGBl I Nr 117/2016 lautet auszugsweise:
"Einkünfte aus selbständiger Arbeit sind:
1. Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit. Zu diesen Einkünften gehören nur
a) Einkünfte aus einer wissenschaftlichen, künstlerischen, schriftstellerischen, unterrichtenden oder erzieherischen Tätigkeit. Dazu zählen auch Einkünfte aus Stipendien für eine der genannten Tätigkeiten, wenn diese wirtschaftlich einen Einkommensersatz darstellen und keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sind. Stipendien, die jährlich insgesamt nicht höher sind als die Höchststudienbeihilfe für Selbsterhalter nach § 27 des Studienförderungsgesetzes 1992, stellen jedenfalls keinen wirtschaftlichen Einkommensersatz dar. Die Befreiung gemäß § 3 Abs. 1 Z 3 lit. e bleibt davon unberührt.
[…]"
§ 41 Abs 1 EStG 1988 idF BGBl I Nr 117/2016 lautet auszugsweise:
"Sind im Einkommen lohnsteuerpflichtige Einkünfte enthalten, so ist der Steuerpflichtige zu veranlagen, wenn
1. er andere Einkünfte bezogen hat, deren Gesamtbetrag 730 Euro übersteigt,
2. im Kalenderjahr zumindest zeitweise gleichzeitig zwei oder mehrere lohnsteuerpflichtige Einkünfte, die beim Lohnsteuerabzug gesondert versteuert wurden, bezogen worden sind.
[…]"
§ 42 Abs 1 Z 3 EStG 1988 idF BGBl I Nr 22/2012 lautet:
"Der unbeschränkt Steuerpflichtige hat eine Steuererklärung für das abgelaufene Kalenderjahr (Veranlagungszeitraum) abzugeben, wenn
1. […]
2. […]
3. wenn das Einkommen, in dem keine lohnsteuerpflichtigen Einkünfte enthalten sind, mehr als 11 000 Euro betragen hat; liegen die Voraussetzungen des § 41 Abs. 1 Z 1, 2, 5, 6 oder 7 vor, so besteht Erklärungspflicht dann, wenn das zu veranlagende Einkommen mehr als 12 000 Euro betragen hat, oder
[…]"
§ 27 Abs 1 Studienförderungsgesetz 1992 (StudFG) lautet
in der bis geltenden Fassung BGBl I Nr 54/2016:
"Die Höchststudienbeihilfe beträgt - unbeschadet eines Erhöhungszuschlages gemäß § 30 Abs. 5 - monatlich 606 Euro (jährlich 7 272 Euro) für Studierende, die sich vor der ersten Zuerkennung von Studienbeihilfe durch Einkünfte im Sinne dieses Bundesgesetzes mindestens vier Jahre zur Gänze selbst erhalten haben."
in der ab geltenden Fassung BGBl I Nr 77/2017 auszugsweise:
"[…] monatlich 715 Euro (jährlich 8 580 Euro) […]"
5. Rechtliche Beurteilung (siehe I.)
5.1. Einkünfte gemäß § 22 Z 1 lit a EStG 1988
Einkünfte aus Stipendien für eine wissenschaftliche Tätigkeit zählen gemäß § 22 Z 1 lit a EStG 1988 zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit, sofern sie wirtschaftlich Einkommensersatz und keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sind. Wirtschaftlicher Einkommensersatz ist jedenfalls dann nicht gegeben, wenn sie jährlich insgesamt nicht höher sind als die Höchststudienbeihilfe für Selbsterhalter nach § 27 StudFG.
Eine wissenschaftliche Tätigkeit muss ausschließlich oder nahezu ausschließlich dem Erringen neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse dienen, indem eine schwierige Aufgabe nach streng sachlichen und objektiven Gesichtspunkten zu lösen versucht wird, wobei grundsätzliche Fragen oder konkrete Vorgänge unter Anwendung qualifizierter Methoden in ihren Ursachen erforscht, begründet und in einen Verständniszusammenhang derart gebracht werden, dass das Ergebnis der Arbeit sowohl von der Methodik her nachprüfbar und nachvollziehbar ist als auch von seinem Inhalt her geeignet sein muss, der Erweiterung wissenschaftlicher Erkenntnisse zu dienen (Peyerl in Jakom EStG13, § 22 Rz 11 mit Verweis auf ).
Dissertationen sind die wissenschaftlichen Arbeiten, die anders als die Diplom- und Masterarbeiten dem Nachweis der Befähigung zur selbstständigen Bewältigung wissenschaftlicher Fragestellungen dienen (§ 51 Abs 2 Z 13 Universitätsgesetz 2002). Eine wissenschaftliche Tätigkeit des Beschwerdeführers liegt daher zweifellos vor.
Die Verknüpfung der geleisteten Zahlungen mit der wissenschaftlichen Tätigkeit des Beschwerdeführers ist aufgrund des festgestellten Sachverhalts gegeben und im Übrigen unstrittig.
Ein Stipendium ist eine finanzielle Unterstützung, die an eine Person deshalb gegeben wird, damit sie sich einer in § 22 Z 1 lit a EStG 1988 umschriebenen freiberuflichen Tätigkeit widmen kann (ErläutRV 1352 BlgNR 25. GP 8). Dem Stipendiaten soll es ermöglicht werden, dass er ohne einer Erwerbstätigkeit nachzugehen oder um diese auf ein geringstmögliches Ausmaß einzuschränken, der zB wissenschaftlichen Tätigkeit zielstrebig nachgehen zu können. Die Stipendien ersetzen dadurch sonst zu erzielendes Einkommen, welches auf der nachfolgenden Stufe der Einkommensverwendung die allgemeinen Lebenshaltungskosten abdecken sollen. Sie können insofern ihrem wirtschaftlichen Gehalt nach einen Einkommensersatz darstellen.
Die in Höhe von 10.800,00 € bzw. 1.875,00 € gewährten Stipendien stellen dem Grunde nach wirtschaftlichen Einkommensersatz dar, als sie dem Stipendiaten unter Reduzierung einer sonstigen Erwerbstätigkeit allgemein zur Abdeckung der Lebenshaltungskosten dienten. Dass aus diesen Einnahmen auch Kosten von Studienmaterialien zu tragen waren, hindert im Gesamtbild nicht die Qualifikation als Einkommensersatz, da die Zahlungen pauschal und ohne belegmäßigen Nachweis erfolgten.
Das Stipendium des ***Institut* in Höhe von monatlich 1.800,00 € überschreitet, jenes des PF in Höhe von 375,00 € unterschreitet die Höchststudienbeihilfe für Selbsterhalter nach § 27 StudFG mit 606,00 € bis bzw. 715,00 € ab .
Entgegen der Ansicht der belangten Behörde ist keine getrennte Beurteilung der einzelnen Stipendien in der Form vorzunehmen, dass jedes Stipendium für sich mit der Höchststudienbeihilfe für Selbsterhalter in Relation zu setzen ist. Vielmehr stellt der Gesetzgeber aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlautes den Vergleich mit den Werten nach § 27 StudFG mit der "jährlich insgesamten" Höhe der Stipendien an. Jede andere Sichtweise würde Stipendiaten mit mehreren geringfügigen Stipendien bevorteilen, missbräuchliche Gestaltungen eröffnen und in der Folge auch dem Leistungsfähigkeitsprinzip widersprechen.
Da die Stipendien in ihrem monatlichen Gesamtbetrag (2.175,00 €) die Höchststudienbeihilfe für Selbsterhalter gemäß § 27 Abs 1 StudFG (606,00 € bzw. 715,00 €) übersteigen, liegt auch nach der gesetzlich vorgesehenen Vergleichsrechnung wirtschaftlicher Einkommensersatz vor.
Der Beschwerdeführer konnte beim PF zusätzlich monatlich bis zu 175,00 € an Kosten für Studienmaterialien belegmäßig abrechnen.
Einkommen ist gemäß § 2 Abs 2 EStG 1988 der Gesamtbetrag der Einkünfte aus den im Abs 3 leg cit aufgezählten Einkunftsarten nach Ausgleich mit Verlusten, die sich aus einzelnen Einkunftsarten ergeben, und nach Abzug der Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen sowie des Freibetrags nach § 105 leg cit.
Ziel der Einkommensbesteuerung ist die Erfassung der objektiven wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen. Dieses Prinzip ist nach der VfGH-Judikatur und dem überwiegenden Teil der Lehre anerkannt (Wiesner in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 2 Rz 4 (Stand , rdb.at) mwN).
Zur Einkunftseigenschaft von Kostenersätzen führen die ErläutRV 1352 BlgNR 25. GP 8 aus:
"Ebenfalls nicht erfasst sind einmalige Zuwendungen in Form von "Stipendien", die außerhalb einer bestehenden Einkunftsquelle geleistet werden und lediglich Kosten abgelten, aber keinen Einkommensersatz darstellen (zB die Abgeltung von Aufwendungen für Fachliteratur, Materialien, Reisen, etc)."
Es ist keine einkommensersetzende Funktion anzunehmen, wenn lediglich die im Rahmen der wissenschaftlichen Betätigung entstandenen Kosten nicht pauschal, sondern konkret aufgrund geeigneter Belege ersetzt werden, da sie dem Empfänger im Sinne des Leistungsfähigkeitsprinzips nicht frei zur Befriedigung der Grundbedürfnisse und zur Zahlung der Einkommensteuer verfügbar sind. Es mangelt insofern an einer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers und liegen daher in wirtschaftlicher Betrachtung keine Einkommensersätze gemäß § 22 Z 1 lit a EStG 1988 und damit keine betrieblichen Einnahmen vor.
Ein Dienstverhältnis gemäß § 47 Abs 2 EStG 1988 ist in Bezug auf beide stipendienzahlenden Stellen nicht gegeben. Insbesondere fehlt es diesbezüglich an der zu schuldenden Arbeitskraft bzw. an der persönlichen Weisungsgebundenheit und der organisatorischen Eingliederung, da dem Beschwerdeführer zwar Arbeitsort bzw -mittel zur Verfügung standen, jedoch Arbeitsstunden nicht verpflichtend einzuhalten waren und mit dem Computer ein wesentliches Arbeitsmittel selbst beigebracht werden musste. Die strittigen Einnahmen sind daher nicht den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zuzuordnen.
Die geltend gemachten Aufwendungen von 1.965,41 € waren aufgrund der beruflichen Veranlassung als Betriebsausgaben zu gewähren.
5.2. Steuerbefreiung gemäß § 3 Abs 1 Z 3 lit f EStG 1988
In Ergänzung zur Regelung von § 22 EStG 1988 sind steuerbare Stipendien zur Förderung von Wissenschaft und Forschung im Inland gemäß § 3 Abs 1 Z 3 lit f EStG 1988 von der Einkommensteuer befreit, wenn diese keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sind und für den Stipendienbezieher keine Steuererklärungspflicht gemäß § 42 Abs 1 Z 3 leg cit vorliegt.
Der Beschwerdeführer erzielte in 2017 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit aus zwei zum Teil gleichzeitigen Dienstverhältnissen (1. August - ) und erzielte daneben Einkünfte gemäß § 22 Z 1 lit a EStG 1988 aus Stipendien (siehe Punkt 5.1.) von insgesamt 20.253,14 € (nach Abzug von pauschalen Werbungskosten von 132,00 €).
Eine Steuererklärungspflicht besteht unter anderem dann, wenn der Abgabepflichtige neben lohnsteuerpflichtigen Einkünfte andere Einkünfte bezogen hat, deren Gesamtbetrag 730,00 € übersteigt (§ 41 Abs 1 Z 1 EStG 1988) bzw. im Kalenderjahr zumindest zeitweise gleichzeitig zwei oder mehrere lohnsteuerpflichtige Einkünfte, die beim Lohnsteuerabzug gesondert versteuert wurden, bezogen worden sind (§ 41 Abs 1 Z 2 EStG 1988) und das Einkommen mehr als 12.000,00 € beträgt.
Da gleichzeitig zwei lohnsteuerpflichtige Einkünfte und auch andere Einkünfte von über 730,00 € bezogen wurden sowie das Einkommen 12.000,00 € übersteigt, sind die Stipendien gemäß § 3 Abs 1 Z 3 lit f EStG 1988 nicht von der Einkommensteuer zu befreien.
Die Beschwerde erwies sich daher nur zum Teil - entsprechend der Beschwerdevorentscheidung vom - als begründet.
6. Unzulässigkeit einer Revision (siehe II.)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Rechtsfrage hinsichtlich der Steuerpflicht von erzielten Einkünften aus Stipendien wurde in Entsprechung des eindeutigen Gesetzeswortlauts des § 22 Z 1 lit a EStG 1988 gelöst. Es liegt daher keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vor.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 22 Z 1 lit. a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 3 Abs. 1 Z 3 lit. f EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
Zitiert/besprochen in | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7102982.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at