zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 01.12.2020, RV/6100605/2019

Schätzung von Schwarzlöhnen, Bindung an rechtskräftiges Strafurteil

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinBE in der Beschwerdesache Bf, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***Vertreter***, ***VertreterAdr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des FA vom betreffend Wiederaufnahme des Verfahren betreffend Einkommensteuer 2011 bis 2014, Einkommensteuer 2011 bis 2014 sowie Anspruchszinsen 2011 bis 2014, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

  • Die Beschwerden gegen die Bescheide betreffend Wiederaufnahme des Verfahren betreffend Einkommensteuer 2011 bis 2014 sowie Anspruchszinsen 2011 bis 2014 werden als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerde gegen die Bescheide betreffend Einkommensteuer 2011 bis 2014 wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Bei dem in den Beschwerdejahren bei der Firma AG als Kellner beschäftigten Beschwerdeführer (Bf) nahm das Finanzamt unter Zugrundelegung der übermittelten Lohnzettel die Arbeitnehmerveranlagungen 2010 bis 2014 vor.

In der Folge wurden im Zuge einer Betriebsprüfung bei seiner Arbeitgeberin Schwarzlohnzahlungen, u. a. an den Bf, festgestellt. Nach den bei einer Hausdurchsuchung sichergestellten Unterlagen erhielt der Bf als Arbeitslohn insgesamt 1,5 % des Restaurantumsatzes, wobei es zu einer Barauszahlung des Differenzbetrages zu seinen offiziellem Nettolohn kam. Das Finanzamt schätzte die dem Bf zugeflossenen Schwarzlohnzahlungen mit 1.000 Euro monatlich. Nach Wiederaufnahme der Verfahren erließ es unter Ansatz von Einkünften ohne inländischen Steuerabzug in Höhe von jeweils 12.000 Euro in den Jahren 2010 bis 2013 sowie 7.500 Euro im Jahr 2014 die entsprechenden Einkommensteuerbescheide 2010 bis 2014 vom . Mit gleichem Datum ergingen die Bescheide über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2010 bis 2014.

Dagegen brachte der Bf innerhalb verlängerter Beschwerdefrist am durch seine rechtsfreundliche Vertretung Beschwerde ein. Begründend wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass der Bf keine regelmäßigen Schwarzlohnzahlungen, sondern unregelmäßig, durchschnittlich zwei bis dreimal im Jahr, Bonuszahlungen in stark schwankender Höhe erhalten habe. Keinesfalls habe er regelmäßig Beträge von 1.000 Euro monatlich erhalten. Die in den Monaten Juli und August 2010 vorgefundenen Bonuszahlungen würden nach der Erinnerung des Bf jedenfalls die Obergrenze von erfolgten Bonuszahlungen darstellen, sodass allenfalls eine Schätzung dahingehend gerechtfertigt sei, dass er im Jahr ca. 2.000 Euro an solchen Bonuszahlungen erhalten habe.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der Beschwerde über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2010 stattgegeben und die Beschwerden gegen den Einkommensteuer- und den Anspruchszinsenbescheid 2010 als unzulässig (geworden) zurückgewiesen. Die Beschwerden gegen die Wiederaufnahme- sowie die Anspruchszinsenbescheide 2011 bis 2014 wurden als unbegründet abgewiesen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurden die Einkommensteuerbescheide 2011 bis 2014 - nunmehr unter Ansatz umsatzabhängiger Schwarzlohnzahlungen - geändert.

Mit Vorlageantrag vom beantragte der Bf durch seinen Rechtsvertreter die Vorlage seiner Beschwerde gegen die Bescheide über die Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer 2011 bis 2014 sowie die Einkommensteuer- und Anspruchszinsenbescheide 2011 bis 2014 an das Bundesfinanzgericht. Ergänzend wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass es nach den bei der Arbeitgeberin des Bf sichergestellten Unterlagen jedenfalls unrichtig sei, dass Schwarzlohnzahlungen von 1,5 % des jeweiligen monatlichen Umsatzes zusätzlich zu einem offiziell über die Gehaltsabrechnung abgerechneten Betrag bezahlt worden seien. Offenbar sei nur eine allfällige Differenz "schwarz" ausgezahlt worden. Dies stehe auch im Einklang mit der bisherigen Einlassung des Bf, wonach es keinesfalls jedes Monat bei ihm zur Überreichung von "Sackerln" gekommen sei, sondern dies nur in unregelmäßigen Abständen einige Male pro Jahr stattgefunden habe. Wenn andere Zeugen angegeben hätten, dass die Zahlungen öfter als zwei bis drei Mal jährlich bezogen worden seien, könne aus näher dargelegten Überlegungen nicht geschlossen werden, dass nicht konkret beim Bf tatsächlich die Situation so gewesen sei, dass gerade in den umsatzschwächeren Monaten keine Differenz zwischen seinem offiziellen Gehalt und einem allfälligen prozentuellen Anteil vorgelegen sei, sondern dies nur in starken Monaten, wie etwa dem Monat August 2010, der Fall gewesen sei. Die in der Beschwerdevorentscheidung angenommenen Einkommensbeträge seien immer noch wesentlich überhöht, derart hohe Zahlungen habe der Bf nie erhalten.

Weiters beantragte der Bf die Berücksichtigung des Pendlerpauschales 2011 in Höhe von 1.476 Euro und des Unterhaltsabsetzbetrages 2013 von 351 Euro.

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerden dem Bundesfinanzgericht mit dem Antrag auf Abweisung zur Entscheidung vor.

Am fand ein Erörterungsgespräch mit dem Vertreter des Finanzamtes statt. Dabei wurde von Seiten des Finanzamtes einer Schätzung der dem Bf zugeflossenen Schwarzlohnzahlungen im Einklang mit dem zwischenzeitlich diesbezüglich ergangenen, rechtskräftigen Strafurteil des Landesgerichtes X, vom XX.X.2020, GZ xx, mitdem der Bf wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach §§ 11 dritter Fall, 33 Abs 2 lit b FinStrG verurteilt wurde, zugestimmt. Weiters wurde die Berücksichtigung des beantragten Pendlerpauschales und des Unterhaltsabsetzbetrages außer Streit gestellt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Bf war in den Beschwerdejahren bis zum bei der Firma AG als Kellner beschäftigt.

Die vom Bf beantragten Arbeitnehmerveranlagungen 2010 bis 2014 nahm das Finanzamt unter Zugrundelegung der dem Finanzamt übermittelten Lohnzettel vor. Die diesbezüglichen Bescheide erwuchsen in Rechtskraft.

Bei seiner Arbeitgeberin wurde im Rahmen einer abgabenbehördlichen Prüfung festgestellt, dass der Bf zusätzlich zu den offiziellen Lohnzahlungen monatliche Schwarzlohnzahlungen erhalten hat. Nach den vorgefundenen Unterlagen erhielt der Bf als Arbeitslohn insgesamt 1,5 % des Restaurantumsatzes, wobei der Differenzbetrag zwischen offiziellem Nettolohn und der Umsatzbeteiligung "schwarz" in bar ausbezahlt wurde. Das Finanzamt schätzte die dem Bf zugeflossenen Schwarzlohnzahlungen mit 1.000 Euro monatlich und erließ nach Wiederaufnahme der Verfahren unter Ansatz von Einkünften ohne inländischen Steuerabzug iHv jeweils 12.000 Euro in den Jahren 2011 bis 2013 sowie 7.500 Euro im Jahr 2014 die strittigen Einkommensteuerbescheide vom . Im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung vom nahm das Finanzamt eine von den Feststellungen der Außenprüfung abweichende Schätzung der Umsätze der Arbeitgeberin vor und berücksichtigte 1,5 % dieser Umsätze als Schwarzlohnzahlungen in den geänderten Einkommensteuerbescheiden an 2011 bis 2014.

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes X, vom XX.X.2020, GZ xx, wurde der Bf neben weiteren Mitangeklagten wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach §§ 11 dritter Fall, 33 Abs 2 lit b FinStrG verurteilt.

Der Spruch des Urteils lautet auszugsweise:

"…, Bf, … sind schuldig;
sie haben in
X vorsätzlich durch Vereinbarung mit dem faktischen und seit auch unternehmsrechtlichen Geschäftsführer der AG, A, der steuerlichen Nichterklärung von Lohnzahlungen und der jeweiligen Annahme von diesen in bar in der Gewissheit um die dadurch infolge bewirkte Verkürzung von Lohnsteuer dazu beigetragen, dass die für die steuerlichen Belange der AG als ihre Arbeitgeberin in den Jahren 2010 bis 2016 abgabenrechtlich Verantwortlichen und faktisch diese steuerlichen Belange Wahrnehmenden (§ 80 Abs 1 BAO, §§ 78 f EStG), nämlich B, C und A, im Bereich des Finanzamtes FA1 als Betriebsfinanzamt (§ 21 AVOG) vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Führung von den § 76 EStG 1988 und § 1 Lohnkontenverordnung 2006 entsprechenden Lohnkonten durch Nichterfassung dieser Lohnzahlungen am Lohnkonto und Nichteinbehaltung und -abführung der sich aus diesen nicht erfassten Lohnzahlungen ergebenden Lohnsteuer bis jeweils zum 15. des auf die Barzahlung folgenden Kalendermonats an das Finanzamt FA1 nach §§78 f EStG eine Verkürzung von Lohnsteuer - … - bewirkten und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss hielten, wobei sich der Vorsatz der Nichterfassung der Lohnzahlungen am Lohnkonto und der nicht rechtzeitigen Abführung der sich daraus ergebenden Lohnsteuer an das Finanzamt FA1 bei sämtlichen Angeklagten nur auf ihre jeweiligen Lohnzahlungen erstreckte und mit diesen für nachgenannte Entrichtungszeiträume eine Verkürzung von Lohnsteuer in nachgenannter Höhe wie folgt bewirkt wurde, und zwar hinsichtlich

2.
Bf in Höhe von insgesamt EUR 13.440,00, nämlich
I. während aller Entrichtungszeiträume im Zeitraum Jänner bis Dezember 2010 in Höhe von insgesamt EUR 2.880,00;
II. während aller Entrichtungszeiträume im Zeitraum Jänner bis Dezember 2011 in Höhe von insgesamt EUR 2.880,00;
III. während aller Entrichtungszeiträume im Zeitraum Jänner bis Dezember 2012 in Höhe von insgesamt EUR 2.880,00;
IV. während aller Entrichtungszeiträume im Zeitraum Jänner bis Dezember 2013 in Höhe von insgesamt EUR 2.880,00 und
V. während aller Entrichtungszeiträume im Zeitraum Jänner bis August 2014 in Höhe von insgesamt EUR 1.920,00;

Bf … haben hiedurch begangen die Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach §§ 11 dritter Fall, 33 Abs 2 lit b FinstrG begangen und sie werden hiefür … wie folgt verurteilt: …"

Als erwiesen angenommene Tatsachen wurde Nachstehendes:

"Es wird auf den Spruch verwiesen. Sämtliche Angeklagte wurden wegen der dem Schuldspruch zu Grunde liegenden Taten als Beschuldigte im November 2017 vernommen."

Strafmildernd erachtete das Gericht das umfassende und reumütige Geständnis des Bf.

Der Bf hat einen Rechtsmittelverzicht abgegeben.

Den im Spruch genannten Verkürzungsbeträgen an Lohnsteuer liegen monatliche Schwarzlohnzahlungen von 800 Euro zugrunde (800 x 12 x 30 % = 2.880;
800 x 8 x 30 % = 1.920).

Im Vorlageantrag beantragte der Bf das Pendlerpauschale für das Jahr 2011 sowie den Unterhaltsabsetzbetrag für das Jahr 2013. Deren Gewährung ist unstrittig.

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vom Finanzamt vorgelegten Veranlagungsakt und dem Urteil des Landesgerichtes X, vom XX.X.2020, Gz xx.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung)

  • Wiederaufnahme des Verfahren betreffend Einkommensteuer 2011 bis 2014

Nach § 303 Abs. 1 BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Maßgebend ist, ob der Abgabenbehörde in dem wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung gelangen hätte können (vgl. Ritz, BAO6, § 303 Tz 24 und der dort zitierten Rechtsprechung des VwGH).

Die Wiederaufnahme der Verfahren wurde damit begründet, dass im Zuge der abgabenbehördlichen Prüfung bei der Arbeitgeberin des Bf Unterlagen vorgefunden worden seien, aufgrund derer festgestellt worden sei, dass ein Teil seines Lohnes ohne Entrichtung der Lohnabgaben ausbezahlt worden sei. Diese Unterlagen würden neue Tatsachen bzw. Beweismittel darstellen, die im abgeschlossenen Verfahren nicht berücksichtigt worden seien.

Im Zuge der abgabenbehördlichen Prüfung bei der Arbeitgeberin des Bf sind Tatsachen und Beweismittel neu hervorgekommen, die im Zeitpunkt der Erlassung der ursprünglichen Einkommensteuerbescheide 2011 bis 2014 noch nicht bekannt waren und deren Kenntnis zu anderslautenden Bescheiden geführt hätte. Dem Finanzamt wurde aufgrund der vorgefundenen Unterlagen erstmals bekannt, dass der Bf in den Beschwerdejahren Schwarzlohnzahlungen erhalten hat. Der Erhalt bislang nicht erklärter Lohnzahlungen ergibt sich zweifelsfrei aus dem Urteil des Landesgerichtes X, vom XX.X.2020, xx.

Ein Wiederaufnahmegrund lag daher ohne jeden Zweifel vor. Angesichts der Höhe der nicht erklärten Lohnzahlungen und der damit verbundenen steuerlichen Auswirkungen ist auch die Ermessensentscheidung des Finanzamtes, nämlich dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit gegenüber dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit den Vorzug zu geben, nicht zu beanstanden.

Die Beschwerde gegen die Wiederaufnahme der Verfahren war daher als unbegründet abzuweisen.

  • Einkommensteuer 2011 bis 2014

Gemäß § 83 Abs. 1 EStG 1988 ist der Arbeitnehmer beim Lohnsteuerabzug Steuerschuldner.

Gemäß § 83 Abs. 3 EStG 1988 kann der Arbeitnehmer unmittelbar in Anspruch genommen werden, wenn er und der Arbeitgeber vorsätzlich zusammenwirken um sich einen gesetzeswidrigen Vorteil zu verschaffen, der eine Verkürzung der vorschriftsmäßig zu berechnenden und abzuführenden Lohnsteuer bewirkt.

Wenn der Arbeitnehmer nach § 83 Abs. 3 unmittelbar in Anspruch genommen wird, ist gemäß § 41 Abs. 1 Z 11 EStG 1988 der Steuerpflichtige zu veranlagen, wenn im Einkommen lohnsteuerpflichtige Einkünfte enthalten sind.

Gemäß § 20 BAO müssen sich Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen.

Gemäß § 184 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann, zu schätzen, wobei alle Umstände zu berücksichtigen sind, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Insbesondere ist dann zu schätzen, wenn der Abgabepflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft über Umstände verweigert, die für die Ermittlung der Grundlage wesentlich sind (§ 184 Abs. 2 BAO).

Gemäß § 116 Abs. 2 BAO sind Abgabenbehörden an Entscheidungen der Gerichte insoweit gebunden, als in dem gerichtlichem Verfahren, in dem die Entscheidung ergangen ist, bei der Ermittlung des Sachverhaltes von Amts wegen vorzugehen war. Diese Bindung besteht auch für das Bundesfinanzgericht (siehe dazu § 2a BAO).

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung erkennt, entfaltet ein rechtskräftiges Strafurteil bindende Wirkung hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen, auf denen sein Spruch beruht, wozu jene Tatumstände gehören, aus denen sich die jeweilige strafbare Handlung nach ihren gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen zusammensetzt. Ein vom bindenden Strafurteil abweichendes Abgabenverfahren würde zu Lasten der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes einer Durchbrechung der materiellen Rechtskraft und einer unzulässigen Kontrolle der Organe der Rechtsprechung durch die Verwaltung gleichkommen; die Bindungswirkung erstreckt sich auf die vom Gericht festgestellten und durch den Spruch gedeckten Tatsachen (zB , , ). Eine Bindung betrifft nur den festgestellten Sachverhalt, nicht jedoch dessen steuerliche Beurteilung ().

Die Rechtsordnung misst damit der Beweiskraft von Beweismitteln, die zu einer strafgerichtlichen Verurteilung führen, besondere Bedeutung bei, weil anders als im Abgabenverfahren, wo die größte Wahrscheinlichkeit genügt, hier die volle Überzeugung der Strafbehörde gegeben sein muss. Es ist daher davon auszugehen, dass in den Fällen, in denen eine Straftat mit rechtskräftigem Urteil als erwiesen angenommen wurde, keine begründeten Zweifel mehr am Tatgeschehen offengeblieben sind (; ).

Die Beschwerde richtet sich gegen das Ausmaß der von der Abgabenbehörde vorgenommenen Schätzung der Schwarzlohnzahlungen.

Nachdem erwiesenermaßen ein Teil des Arbeitslohnes des Bf "schwarz" ausbezahlt wurde und weder bei der Arbeitgeberin nachvollziehbare, lückenlose Aufzeichnungen vorliegen noch der Bf darüber Buch geführt hat, besteht zweifelsfrei die Berechtigung zur Schätzung der zu versteuernden Schwarzlohnzahlungen.

Ziel der Schätzung ist es, den wahren Besteuerungsgrundlagen (den tatsächlichen Gegebenheiten) möglichst nahe zu kommen, somit diejenigen Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln, welche die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich haben (vgl. Ritz, BAO6, § 184 Tz 3).

Zwischenzeitlich wurde der Bf im Finanzstrafverfahren mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Landesgerichtes X vom XX.X.2020, Gz xx, wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach §§ 11 dritter Fall, 33 Abs. 2 lit. b FinStrG verurteilt.

Nach § 116 Abs. 2 BAO ist das Bundesfinanzgericht an die Entscheidung des Gerichtes gebunden, wobei sich die Bindungswirkung auf die vom Gericht festgestellten und durch den Spruch gedeckten Tatsachen erstreckt.

Zu den vom Gericht als erwiesen angenommenen Tatsachen verweist es auf den Spruch des Urteils; sämtliche Angeklagte seien wegen der dem Schuldspruch zu Grunde liegenden Taten als Beschuldigte im November 2017 vernommen worden. Demzufolge hat der Bf vorsätzlich durch Vereinbarung der steuerlichen Nichterklärung von Lohnzahlungen und der Annahme von diesen in bar dazu beigetragen, dass eine Verkürzung von Lohnsteuer während aller Entrichtungszeiträume im Zeitraum Jänner bis Dezember 2011 iHv insgesamt 2.880 Euro, während aller Entrichtungszeiträume im Zeitraum Jänner bis Dezember 2012 iHv insgesamt 2.880 Euro, während aller Entrichtungszeiträume im Zeitraum Jänner bis Dezember 2013 iHv insgesamt 2.880 Euro und während aller Entrichtungszeiträume im Zeitraum Jänner bis August 2014 iHv insgesamt 1.920 Euro bewirkt wurde.

Den aus dem Spruch abgeleiteten Feststellungen des Urteils zu Folge sah das Strafgericht im Zeitraum Jänner 2011 bis einschließlich August 2014 (vom Bf eingestandene) monatliche Schwarzlohnzahlungen von 800 Euro als erwiesen an. Dieser Betrag wurde als Bemessungsgrundlage für die bewirkten Lohnsteuerverkürzungen herangezogen (800 x 12 x 30 % = 2.880, 800 x 8 x 30 % = 1.920). Diesbezüglich besteht Bindungswirkung für das Bundesfinanzgericht.

Eine Veranlassung für eine darüber hinausgehende Schätzung der Schwarzlohnzahlungen - im Abgabenverfahren genügt hinsichtlich der Beweiskraft von Beweismitteln die größte Wahrscheinlichkeit, im Strafverfahren ist dagegen die volle Überzeugung gefordert- sieht das Bundesfinanzgericht aufgrund der Aktenlage nicht. Dieser Auffassung wurde von Seiten des Finanzamtes nicht entgegengetreten.

Angesichts der Bindungswirkung an das rechtskräftige Strafurteil braucht auf das vom Bf in der Beschwerde und im Vorlageantrag erstattete Vorbringen nicht eingegangen werden.

Das Bundesfinanzgericht schätzt daher die monatlichen Schwarzlohnzahlungen mit 800 Euro. In den Jahren 2011 bis 2013 sind somit Schwarzlöhne in Höhe von jeweils 9.600 Euro und im Jahr 2014 in Höhe von 6.400 Euro der Besteuerung zu unterziehen.

Das Finanzamt hat den Bf zu Recht nach § 83 Abs. 3 EStG 1988 unmittelbar in Anspruch genommen. Er und seine Arbeitgeberin haben vorsätzlich zusammengewirkt, um sich einen gesetzeswidrigen Vorteil zu verschaffen, der eine Verkürzung der vorschriftsmäßig zu berechnenden und abzuführenden Lohnsteuer bewirkt. Eine Inanspruchnahme der primär haftungspflichtigen Arbeitgeberin (§ 82 EStG 1988) war infolge Konkurseröffnung nicht möglich. Der Bf war daher gem. § 41 Abs. 1 Z 11 EStG 1988 zu veranlagen.

Der Beschwerde war in diesem Punkt teilweise stattzugeben.

Das außer Streit stehende Pendlerpauschale für das Jahr 2011 und der Unterhaltsabsetzbetrag für das Jahr 2013 werden - wie im Vorlageantrag beantragt - berücksichtigt. Der Beschwerde war diesbezüglich stattzugeben.

Gesamthaft war spruchgemäß zu entscheiden.

  • Anspruchszinsen 2011 und 2014

Gemäß § 205 Abs. 1 BAO sind Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, die sich aus Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen (Abs. 3), nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben, für den Zeitraum ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Bescheide zu verzinsen (Anspruchszinsen).

Anspruchszinsen im Sinne des § 205 BAO sind eine objektive Rechtsfolge, um (mögliche) Zinsvorteile oder Zinsnachteile auszugleichen, die sich aus unterschiedlichen Zeitpunkten der Abgabenfestsetzung ergeben (). Anspruchszinsenbescheide sind an die Stammabgabenbescheide gebunden. Wenn sich diese nachträglich als rechtswidrig erweisen und abgeändert oder aufgehoben werden, sind neue, an die geänderten Stammabgabenbescheide gebundene Anspruchszinsenbescheide zu erlassen ().

Wegen der genannten Bindung ist der Zinsenbescheid nicht (mit Aussicht auf Erfolg) mit der hier erfolgten Begründung anfechtbar, der maßgebende Einkommensteuerbescheid sei inhaltlich rechtswidrig (vgl. Ritz, BAO6, § 205 Tz 34).

Die dagegen gerichtete Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Zu Spruchpunkt II. (Unzulässigkeit der Revision)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 83 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 184 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 116 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 205 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 205 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.6100605.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at