Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 30.11.2020, RV/7105116/2018

Abstandnahme von der Abgabenfestsetzung, wenn die Gesellschaft nach Aufhebung des Konkurses aufgelöst und vermögenslos ist.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinRi in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerden vom gegen die Haftungsbescheide der belangten Behörde Finanzamt Wien 1/23 vom betreffend die Kapitalertragsteuer für die Zeiträume bis und bis sowie gegen die Bescheide vom und vom betreffend die Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich der Umsatzsteuer 2012 und 2013 und betreffend die Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich der Körperschaftsteuer 2012 und 2013 zu Recht erkannt:

  • Die Beschwerde gegen die Bescheide betreffend Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich der Umsatzsteuer 2012 und 2013 wird gem. § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

  • Die Beschwerde gegen die Bescheide betreffend Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich der Körperschaftsteuer 2012 und 2013 wird gem. § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

  • Die Haftungsbescheide betreffend die Kapitalertragsteuer für die Zeiträume bis sowie bis werden gem. § 279 BAO abgeändert. Von der Festsetzung der Kapitalertragsteuer wird gemäß § 206 Abs. 1 lit. b BAO Abstand genommen

  • Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (Bf.) ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die im Jahre 2011 gegründet wurde und im Gastronomiebereich tätig war.

Im Zuge der Außenprüfung wurden zur Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer für die Jahre 2012 und 2013 infolge Grundaufzeichnungsmängel und Umsatzdifferenzen im Wesentlichen nachfolgende steuerliche Feststellungen getroffen, die im Sinne des § 303 Abs. 1 BAO als neu hervorgekommene Tatschen gewürdigt worden waren. Die Außenprüfung nahm auf Grundlage dieser festgestellten Tatsachen die Verfahren hinsichtlich der Umsatzsteuer 2012 und 2013 sowie der Körperschaftsteuer 2012 und 2013 wieder auf.

In Tz 3 des Prüfungsberichtes stellte die Prüferin eine Umsatzdifferenz zwischen den in der Umsatzsteuererklärung angegebenen und jenen in der Buchhaltung für 2012 ausgewiesenen Umsätzen in Höhe von 111,53 €.

In Tz 4 wurden Grundaufzeichnungsmängel festgestellt und eine Zuschätzung von Umsätzen für 2012 im Ausmaß von 33.584,27 € und für 2013 von 112.903,07 € vorgenommen.

Die Prüferin hat die sachliche Richtigkeit der Buchhaltungsunterlagen für den Zeitraum 2012 und 2013 aus nachfolgenden Gründen verneint:

1. Die Bf legte keine elektronischen Registrierkassendaten vor, obwohl eine elektronische Kassa genutzt wurde. Vorgelegt wurden lediglich Tagesabschlüsse (Z-Bons und X-Bons) und Einzelbelege.

2. Das Kassabuch enthielt Lücken

3. Für das Jahr 2013 wurde lediglich eine Inventur der alkoholischen Getränke vorgelegt und es wäre lediglich die Veränderung der alkoholischen Getränke im Jahresabschluss enthalten gewesen. Die für das Jahr 2012 eingebuchte Inventurbewertung wurde nicht vorgelegt.

4. Für den gesamten Prüfungszeitraum wären keine Speisekarten zur Einsicht bereitgestellt worden.

5. Es fehlten Aufzeichnungen für den Eigenverbrauch, die Personalverpflegung und für Einladungen. Vereinzelte Aufzeichnungen über den Eigenverbrauch seien jedoch nicht in die Buchhaltung aufgenommen worden.

6. Kontoauszüge des Kreditkontos, Haftungskontos und Darlehenskontos wurden lediglich teilweise vorgelegt.

7. Die verbuchten Tagesabschlüsse der Registrierkassa seien nicht korrekt gewesen.

8. Es fehlten Aufzeichnungen über vorgenommene Stornierungen des Zeitraumes 2012 bis Juli 2013

9. Ab der Inbetriebnahme der neuen Registrierkassa wären teilweise Stornierungen nach Geschäftsabschluss vorgenommen worden bzw. Stornierungen von Speisen nach Küchenende. Häufig wären hochpreisige Artikel storniert worden.

10. Die Verprobung der Rohaufschlagskoeffizienten ergab einen negativen Wert bei den Getränken und einen äußerst niedrigen Wert bei den Speisen. Durch die nicht vorgelegte Inventurbewertung und angesichts der übrigen oben angeführten Punkte könnten diese Werte in keinster Weise nachvollzogen werden. Aus diesem Grund errechnete die Prüferin eine Kalkulation der Rohaufschläge auf Basis der vorgelegten Stornierungen und der vorgelegten Bonierungen. Diese ergab einen RAK der alkoholfreien Getränke von 4,82 und einen RAK der alkoholischen Getränke von 4,23.

15. Ebenso festgestellt wurde, dass die Lebenshaltungskosten der Geschäftsführerin der Bf. nicht gedeckt seien und dass diese im Jahr 2012 dennoch eine Einlage i.H.v. 171.000 € in die Bf. geleistet habe.

Als Schätzungsgrundlage diente der sich durch die Kalkulation ergebende Rohaufschlagskoeffizient der Getränke. Im Rahmen der Speisen wird im Jahr 2012 eine pauschale Zuschätzung auf einen RAK von 2,9 und im Jahr 2013 auf einen RAK von 2,3 vorgenommen. Die Zuschätzung basiert auf der Grundlage, dass das günstigste und einzig kalkulierbare Produkt einen RAK von 2,5 aufweist. Unter Berücksichtigung, dass im Jahr 2013 eine Geschäftsraumübersiedlung stattgefunden habe und damit möglicherweise auch vermehrt Waren verdorben worden wären, nahm die Prüferin eine geringere Zuschätzungbasis an. Vor diesem Hintergrund kam es für das Jahr 2012 zu einer Zuschätzung von Umsätzen i.H.v. 33.584,27 € und für das Jahr 2013 i.H.v. 112.903,07 €.

In Tz 5 hat die Prüferin als Betriebsausgaben geltend gemachte Ausgaben, die der nichtunternehmerischen Sphäre der Bf zuzurechnen seien, nicht anerkannt. Es ging dabei um Aufwendungen für Pkw, Strafen, Bewirtungskosten, Reisekosten und sonstige Ausgaben. Es kam daher zu einer Kürzung der Betriebsausgaben für 2012 i.H.v. 2.756,56 € und für 2013 i.H.v. 7.638,72 €.

In Tz 6 wurden Vorsteuer nicht anerkannt weil die entsprechenden Eingangsrechnungen nicht vorgelegt worden sind.

Das Finanzamt folgte den Feststellungen der Außenprüfung und erließ die verfahrensgegenständlichen Bescheide.

In den Beschwerden gegen die genannten Wiederaufnahmebescheide und gegen die Haftungsbescheide betreffend die Kapitalertragsteuer der verfahrensgegenständlichen Zeiträume wandte die steuerliche Vertretung zur vorgenommenen Schätzung im Wesentlichen ein, dass es keine Buchführungsmängel gegeben habe, vielmehr habe die Geschäftsführerin personalbedingt, welches offensichtlich schlecht gewirtschaftet habe oder auch "in die eigene Tasche gewirtschaftet hat", nur relativ geringe Umsätze erzielt.

Die belangte Behörde erließ am abweisende Beschwerdevorentscheidungen, in deren Begründungsteil sie darlegte:

1. Die Bf hätte im Sinne des § 131 Abs. 1 Z. 6 BAO und des § 131 Abs. 3 BAO im Rahmen der Losungsermittlung mittels elektronischen Aufzeichnungssystems (Registrierkasse) keine entsprechende Protokollierung der Datenerfassung sichergestellt. Die Vorlage der Tagesabschlüsse, teilweise als Z-Bons oder X-Bons, i.V.m. der teilweisen Vorlage von einzelnen Belegen ersetzte die Zurverfügungstellung des Datenerfassungsprotokolles (elektronische Registrierkassendaten) nicht, da die Vollständigkeit durch das "Unsichtbarbleiben" von wesentlichen Verarbeitungsschritten im Zeitpunkt der Erlöserfassung nicht bestätigt oder überprüft werden könne. Im Zuge der eingereichten Bescheidbeschwerde wurde der vorliegende Mangel nicht behoben. Es wären keine Daten nachgereicht worden.

2. Die Lücken im Kassabuch wären nicht aufgeklärt worden.

3. Die Inventuren wären nicht vollständig vorgelegt worden, es wäre lediglich ein Auszug über die Bestände und Bestandsveränderungen der alkoholischen Getränke bezüglich des Jahres 2013 dargestellt worden. Die übrigen Grundaufzeichnungen wären nicht nachgereicht worden. Es wird zudem auf § 5 Abs. 1 EStG 1988 und auf die Pflichten einer GmbH im Sinne des § 189 UGB und des § 191 UGB verwiesen und ausgeführt, dass der Unternehmer verpflichtet sei, bei Beginn des Unternehmens die Vermögensgegenstände und Schulden genau zu verzeichnen und deren Wert anzugeben. Außerdem müsse er für den Schluss jedes Geschäftsjahres ein solches Inventar aufstellen. Diesen Anforderungen habe die Bf nicht entsprochen, weshalb die in der Buchhaltung berücksichtigten Werte keiner Überprüfung unterzogen werden konnten. Ebenfalls erscheinen die verbuchten Warenvorräte des Jahres 2012 nicht plausibel. Für das Jahr 2013 wurde nur die Wertveränderung der alkoholischen Getränke berücksichtigt.

Aus all dem müsse gefolgert werden, dass nicht alle Geschäftsvorfälle ordnungsgemäß erfasst worden seien und Aufzeichnungen fehlten.

4. Für den gesamten Prüfungszeitraum seien keine Speisekarten (Grundaufzeichnung) vorgelegt worden.

5. Es habe keine Aufzeichnungen über einen Eigenverbrauch, über Personalverpflegung oder Einladungen gegeben.

6. Die fehlenden Kontoauszüge betreffend Kreditkonto, Haftungskonto wurden nicht vorgelegt.

7. Ein schwerer Mangel in den Erlösaufzeichnungen stellte die Tatsache dar, dass noch offene Tische nicht in den Tagesabschlüssen erfasst worden wären.

8. Es fehlten Aufzeichnungen über vorgenommene Stornierungen.

9. Es wurden keine Tagesabschlüsse betreffend den Monat August 2012 vorgelegt.

Zu den Einwendungen der Beschwerden, wonach die Geschäftsführerin der Bf. nicht für das schlechte wirtschaftliche Ergebnis der Gesellschaft verantwortlich gewesen sei, sondern dieses vielmehr personalbedingt entstanden wäre, und dass auch ein "in die eigene Tasche wirtschaften" der Mitarbeiter ins Treffen geführt wurde, wurde ausgeführt:

Wenn ein Geschäftsführer mit einer derartig schlechten Gewinnsituation oder Umsatzerzielung konfrontiert sei, dann werde im gewöhnlichen Geschäftsleben dieser Zustand nicht über Jahre hinweg als gegeben akzeptiert, sondern die Fehlerquellen gesucht. Es wäre versucht worden, die Ertragslage zu verbessern, Mitarbeiter auszutauschen und verstärkte Kontrollen durchzuführen. Wird zudem festgestellt, dass die Gesellschaft durch eigene Mitarbeiter bestohlen würde, dann wären diese Diebstähle zur Anzeige gebracht, bzw. die Mitarbeiter unverzüglich entlassen worden. Derartige Vorgänge konnten im konkreten Fall nicht nachgewiesen werden.

Dass die Lebenshaltungskosten der Geschäftsführerin der Bf. nicht gedeckt wären, werde nach Ansicht der belangten Behörde dadurch bekräftigt, dass die Bf. im Zuge einer Besprechung nicht glaubhaft darlegen konnte, wie die Geschäftsführerin die Lebenshaltungskosten bezahlt habe und wie sie die bereits erwähnten Einlagen finanziert habe. Demzufolge ging das Finanzamt davon aus, dass die festgestellte Umsatzzuschätzung aufgrund der Aufzeichnungs- und Kalkulationsmängel, als auch die festgestellte Erklärungsdifferenz aus der Umsatzsteuererklärung 2012 der Geschäftsführerin zur Deckung der eigenen Lebenshaltungskosten bzw. zur Finanzierung der genannten Einlage zugeflossen wären.

Im Übrigen wird auf die ausführliche Begründung in der Beschwerdevorentscheidung vom verwiesen.

Der nunmehrige Geschäftsführer der Bf. nahm schriftlich am den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurück.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Wiederaufnahme:

Für die Beurteilung des Vorliegens von neu hervorgekommenen Tatsachen im Sinne des § 303 Abs. 1 BAO legen die Feststellungen der Prüferin in Tz 3, Tz 4 und Tz 5 des Prüfungsberichtes bezogen auf die Jahre 2012 und 2013 deutlich dar, dass die Voraussetzungen einer Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Umsatzsteuer 2012 und 2013 sowie die Körperschaftsteuer 2012 und 2013 erfüllt sind.

Festgestellt werden Grundaufzeichnungsmängel, die eine Zuschätzung im von der Prüferin vorgenommenen Ausmaß begründet haben. Die Ausführungen der Beschwerde konnten wie das Finanzamt in der Beschwerdevorentscheidung zu Recht darlegte keineswegs die Prüfungsfeststellungen widerlegen. Es war daher davon auszugehen, dass die Aufzeichnungen und Bücher der Bf. sachlich unrichtig waren bzw. solche formellen Mängel aufwiesen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher und Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen.

Desgleichen ist mangels gegenteiliger Hinweise und stichhaltiger Beschwerdeeinwendungen von der Richtigkeit der in Tz 5 getroffenen Feststellungen bezüglich einer Aufwandskürzung auszugehen, die sich ebenso auf die Jahre 2012 und 2013 bezogen haben.

Die oben dargestellten Feststellungen führen zu einer verdeckten Ausschüttung und bei der Bf zu einer Hinzurechnung des Schätzungsergebnisses zum erklärten Gewinn.

Haftungsbescheide betreffend die Kapitalertragsteuer:

Das Abgabenkonto der Bf. weist einen Rückstand von 106.547,15 € aus. Die Abgabennachforderungen aus den angefochtenen Kapitalertragsteuerbescheiden der erwähnten Zeiträume betragen insgesamt 56.709,69 € und wurden nicht entrichtet, sondern es wurde die Einbringung ausgesetzt.

Nach dem Firmenbuchauszug wurde laut Beschluss des Handelsgerichts vom ***1***, bekanntgemacht am ***2***, der Konkurs der Beschwerdeführerin mangels Kostendeckung aufgehoben, sodass davon auszugehen ist, dass die strittigen Abgabenansprüche gegenüber der Bf. aufgrund ihrer Vermögenslosigkeit nicht durchsetzbar sein werden.

Dem ist auch das Finanzamt in seiner Stellungnahme vom nicht entgegengetreten. Die belangte Behörde stimmte der Abstandnahme von den Abgabenfestsetzungen wegen Uneinbringlichkeit gegenüber der Bf. zu.

Eine Löschung der Gesellschaft im Firmenbuch erfolgte nicht. Die Rechtspersönlichkeit der Bf besteht daher weiter.

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich im Wesentlichen aus den Akten und den Ergebnissen der Außenprüfung, die - wie oben ausgeführt - eindeutige Mängel der sachlichen Richtigkeit der vorliegenden Bücher und Aufzeichnungen darlegen und denen die Bf. bzw. die steuerliche Vertretung während des gesamten Verfahrens nicht begründet entgegengetreten ist. Damit wurden während des Prüfungsverfahrens Sachverhaltsumstände als erwiesen dargelegt, deren Berücksichtigung bei Erlassung der Umsatzsteuer- und Körperschaftsteuerbescheide zu anderen Ergebnissen geführt hätten.

Die Feststellungen zur Höhe der Abgabenfestsetzung und ihrer Uneinbringlichkeit ergaben sich aus dem Firmenbuchauszug sowie infolge Einsichtnahme in die Datenbank der Finanzverwaltung.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. und II.

§ 303 Abs. 1 BAO bestimmt:

Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn

a) der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder

b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder

c) der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist,

und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Tatsachen sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände (zB ; , 95/14/0094); also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis (als vom Bescheid zum Ausdruck gebracht) geführt hätten, etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften (zB ; , 95/14/0094; , 2006/13/0107; , 2010/15/0064).

Vor diesem Hintergrund sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen einer Wiederaufnahme erfüllt, weil im Zuge der Außenprüfung die Prüferin Mängel der ordnungsgemäßen Buchführung feststellte und Tatsachen aufzeigte, die zu einer rechtswidrig gewinnmindernden Berücksichtigung von Aufwendungen führten. Diese Feststellungen sind neu hervorgekommene Tatsachen im Sinne des § 303 Abs. 1 lit b BAO, die im Zeitpunkt der Erlassung der Umsatzsteuer- und Körperschaftsteuerbescheide 2012 und 2013 bereits existiert haben, jedoch dem Finanzamt nicht bekannt waren und erst während der Prüfung neu hervorgekommen sind und deren Berücksichtigung ein anderes Ergebnis, bezogen auf den konkreten Fall, jedenfalls im Umfang des Schätzungsergebnisses herbeigeführt hätten.

Zu Spruchpunkt III. (Abänderung)

Die Abgabenbehörde kann gemäß § 206 Abs. 1 lit b BAO von der Festsetzung von Abgaben ganz oder teilweise Abstand nehmen, soweit im Einzelfall auf Grund der der Abgabenbehörde zur Verfügung stehenden Unterlagen und der durchgeführten Erhebungen mit Bestimmtheit anzunehmen ist, dass der Abgabenanspruch gegenüber dem Abgabenschuldner nicht durchsetzbar sein wird.

Gemäß § 206 Abs. 2 BAO erlischt durch die Abstandnahme der Abgabenanspruch nicht. Die Abstandnahme berührt nicht die Befugnis, diesbezügliche persönliche Haftungen gegenüber Haftungspflichtigen geltend zu machen.

Abstandnahmen von der Abgabenfestsetzung nach § 206 BAO können nicht nur von Abgabenbehörden, sondern auch von Verwaltungsgerichten getroffen werden (vgl. Fischerlehner, Abgabenverfahren² (2016), § 206 Tz 1).

Die gemäß § 263 Abs. 1 BAO und § 279 Abs. 1 BAO (jeweils idF FVwGG 2012) bestehende Befugnis, Abgabenbescheide abzuändern, umfasst auch die Abänderung in einem auf § 206 BAO gestützten "Nichtfestsetzungsbescheid". Dies gilt auch für meritorische Erledigungen von Bescheidbeschwerden (vgl. Ritz, BAO6 , § 206 Tz 2).

Festgestellt wurde, dass die Bf. aufgelöst und vermögenslos ist. Die festgesetzte Kapitalertragsteuer in den angefochtenen Haftungsbescheiden ist im Hinblick auf das abgewickelte und mit Beschluss vom ***1*** gem. § 123a IO aufgehobene Konkursverfahren gegenüber der Bf. mit Bestimmtheit nicht durchsetzbar und zur Gänze uneinbringlich.

Die Abstandnahme von der Abgabenfestsetzung war nach dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Verwaltungsführung angesichts der fehlenden Einbringungsmöglichkeiten geboten. Durch die Abstandnahme wird auch den Interessen der Bf. entsprochen.

Solche Abstandnahmen sprechen nicht über die Höhe des Abgabenanspruches ab. Sie stehen daher der Inanspruchnahme persönlich Haftungspflichtiger nicht entgegen; ihnen gegenüber entfalten Bescheide über den Abgabenanspruch (iSd § 248 BAO), insoweit in ihnen derartige Abstandnahmen erfolgen, keine Bescheidwirkungen (Ritz/Koran, Finanzverwaltungsgerichtsbarkeit, 178). Der Wortfolge "gegenüber dem Abgabenschuldner" des § 206 Abs. 1 lit. b BAO ist die Bedeutung beizumessen, dass die Uneinbringlichkeitnur beim Abgabenschuldner selbst (d. i. im gegenständlichen Fall die GmbH) und nicht auch bei allenfalls Haftenden gegeben sein muss (Ritz, BAO6, § 206, Tz 5 mwN).

Zu Spruchpunkt IV. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Gegen dieses Erkenntnis ist die Revision nicht zulässig, da der Entscheidung einerseits bezüglich der Abstandnahme von der Abgabenfestsetzung keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt und daher keine Rechtsfragen zu lösen waren. Andererseits folgte das Bundesfinanzgericht bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Wiederaufnahme der genannten Verfahren der im Erkenntnis zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, sodass keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorlag und insgesamt gesehen die Revision als nicht zulässig zu beurteilen war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 206 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7105116.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at