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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 22.10.2020, RV/5200071/2015

Keine Aussetzungszinsen bei rückwirkender Beseitgung des Abgabenanspruchs

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Zollamtes Linz Wels vom , Zl. ***1***, betreffend Aussetzungszinsen zu Recht erkannt:

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang und Sachverhalt

Mit Bescheid vom , Zl. ***2***, setzte das Zollamt Linz Wels gegenüber der nunmehrigen Beschwerdeführerin (Bf.), der ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** eine auf Art. 201 Abs. 1 Buchstabe a und Abs. 3 Zollkodex (ZK) in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) gegründete dort näher bezeichnete Eingangsabgabenschuld sowie eine Abgabenerhöhung im Gesamtbetrag von € 1.994.529,15 fest. Mit diesem Bescheid wurde die Zollschuld gemäß Art. 217 Abs. 1 ZK buchmäßig erfasst und gemäß Art. 221 Abs. 1 ZK mitgeteilt. Das Zollamt räumte der Bf. laut der in diesem Bescheid enthaltenen Zahlungsaufforderung für die Entrichtung des Gesamtbetrages gemäß Art. 222 Abs. 1 Buchstabe a ZK eine Frist von zehn Tagen nach Bescheidzustellung ein. Die Zustellung dieses Bescheides erfolgte am .

Gegen diesen Bescheid erhob die Bf. mit Schriftsatz vom Beschwerde verbunden mit dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Abgabenschuld gemäß Art. 244 ZK.

Das Zollamt wies die Beschwerde gegen den Abgabenbescheid mit Beschwerdevorentscheidung vom , Zahl: ***3***, als unbegründet ab. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wurde mit Bescheid vom , Zahl: ***4***, zugestellt am , abgewiesen.

Mit Eingabe vom erhob die Bf. gegen diesen Abweisungsbescheid das Rechtsmittel der Beschwerde.

Diese Beschwerde wies das Zollamt mit Beschwerdevorentscheidung vom , Zl. ***5***, als unbegründet ab.

Dieser Bescheid ist nach der Aktenlage unangefochten geblieben.

Nach Ergehen der Beschwerdevorentscheidung vom (im Abgabenfestsetzungsverfahren) stellte die Bf. fristgerecht einen Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht. Im Zusammenhang mit diesem Vorlageantrag vom brachte die Bf. einen neuerlichen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ein, den das Zollamt mit Bescheid vom , Zl. ***6***, abwies. Gegen diesen abweisenden Bescheid erhob die Bf. fristgerecht Beschwerde. Mit Beschwerdevorentscheidung vom , Zl. ***7***, gab das Zollamt der Beschwerde (nach Beibringung einer Sicherheit in der Höhe von € 100.000,00) statt und änderte den Aussetzungsbescheid vom dahingehend ab, dass dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Bescheides vom , Zl. ***2***, stattgegeben wurde. Gleichzeitig kam es zur Aussetzung der Vollziehung folgender noch nicht entrichteter Abgabenbeträge: Einfuhrumsatzsteuer: € 1.811.367,45, Abgabenerhöhung: € 135.407,42.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom , Zl. ***1***, setzte das Zollamt Linz Wels der Bf. gem. Art. 244 ZK iVm § 212a Abs. 9 BAO für den Zeitraum bis Aussetzungszinsen in der Höhe von € 11.300,51 fest.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vom .

Das Zollamt wies diese Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom , Zl. ***8***, als unbegründet ab. Mit Zustellung der die Aussetzung abweisenden Beschwerdevorentscheidung habe der Zahlungsaufschub geendet. Die Voraussetzungen für die Festsetzung von Aussetzungszinsen lägen daher vor.

Die Bf. stellte daraufhin mit Eingabe vom den Vorlageantrag.

Mit Beschluss vom , RV/5200027/2015, hat das Bundesfinanzgericht den Abgabenbescheid vom , Zl. ***2***, gemäß § 278 Abs. 1 BAO unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde aufgehoben.

Dagegen brachte das Zollamt beim Verwaltungsgerichtshof (VwGH) eine außerordentliche Revision ein (Amtsrevision), über die bislang noch nicht entschieden wurde. Mit Beschluss vom , ***9***, wies das Bundesfinanzgericht den Antrag des Zollamtes, der gegen den erwähnten Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom erhobenen Revision aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gemäß § 30 Abs. 2 VwGG ab.

Mit Eingabe vom zog die Bf. den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurück.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Es wird auf Pkt. I dieser Entscheidung verwiesen.

Beweiswürdigung

Der unter Punkt I. dargestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vom Zollamt vorgelegten Verwaltungsakten sowie aus den Angaben und Vorbringen der beschwerdeführenden Partei. Ausgehend von den Ermittlungsergebnissen sieht das Bundesfinanzgericht den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend geklärt an. Nach der Aktenlage liegen in sachverhaltsmäßiger Hinsicht keine begründeten Zweifel vor, die weitere Ermittlungen bzw. Abklärungen geboten erscheinen lassen. Das Bundesfinanzgericht kann daher im Rahmen der abgabenrechtlichen Würdigung bedenkenlos vom geschilderten Ablauf des Geschehens ausgehen.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Aufhebung)

3.1.1 Rechtslage:

Die maßgeblichen Regelungen der im Beschwerdefall anwendbaren Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABl. L 302 vom , (Zollkodex - ZK) bestimmen u.a.:

"Art. 7 ZK:

Abgesehen von den Fällen nach Art. 244 Abs. 2 sind Entscheidungen der Zollbehörden sofort vollziehbar.

Art. 244 ZK:

Durch die Einlegung des Rechtsbehelfs wird die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung nicht ausgesetzt. Die Zollbehörden setzen jedoch die Vollziehung der Entscheidung ganz oder teilweise aus, wenn sie begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung haben oder wenn dem Beteiligten ein unersetzbarer Schaden entstehen könnte. Bewirkt die angefochtene Entscheidung die Erhebung von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben, so wird die Aussetzung der Vollziehung von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht. Diese Sicherheitsleistung braucht jedoch nicht gefordert werden, wenn eine derartige Forderung auf Grund der Lage des Schuldners zu ernsten Schwierigkeiten wirtschaftlicher oder sozialer Art führen könnte.

Gemäß Art. 245 ZK werden die Einzelheiten des Rechtsbehelfsverfahrens von den Mitgliedstaaten erlassen.

Gemäß Art. 222 Abs. 1 ZK ist ein nach Art. 221 leg. cit. mitgeteilter Abgabenbetrag vom Zollschuldner innerhalb näher angeführter Fristen zu entrichten.

Ist der Abgabenbetrag nicht fristgerecht entrichtet worden, so werden gemäß Art. 232 Abs. 1 Buchstabe b) ZK zusätzlich zu dem Abgabenbetrag Säumniszinsen erhoben. Der Säumniszinssatz kann höher als der Kreditzinssatz sein, darf jedoch nicht niedriger sein."

§ 80 des Zollrechts-Durchführungesetzes (ZollR-DG) in der Stammfassung enthielt nähere Bestimmungen über die Säumniszinsen.

Gemäß § 1 BAO gelten ihre Bestimmungen in Angelegenheiten der Eingangsabgaben nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist.

§ 212a BAO regelt die Aussetzung der Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde abhängt.

Gemäß § 212a Abs. 5 BAO besteht die Wirkung einer Aussetzung der Einhebung in einem Zahlungsaufschub.

§ 212 a Abs. 9 BAO bestimmt:

Für Abgabenschuldigkeiten sind

a) solange auf Grund eines Antrages auf Aussetzung der Einhebung, über den noch nicht entschieden wurde, Einbringungsmaßnahmen weder eingeleitet noch fortgesetzt werden (§ 230 Abs. 6) oder

b) soweit infolge einer Aussetzung der Einhebung ein Zahlungsaufschub eintritt,

Aussetzungszinsen in Höhe von zwei Prozent über dem jeweils geltenden Basiszinssatz pro Jahr zu entrichten. Aussetzungszinsen, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen. Im Fall der nachträglichen Herabsetzung einer Abgabenschuld hat die Berechnung der Aussetzungszinsen unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen. Wird einem Antrag auf Aussetzung der Einhebung nicht stattgegeben, so sind Aussetzungszinsen vor der Erlassung des diesen Antrag erledigenden Bescheides nicht festzusetzen. Im Fall der Bewilligung der Aussetzung der Einhebung sind Aussetzungszinsen vor der Verfügung des Ablaufes (Abs. 5 oder 5a) oder des Widerrufes der Aussetzung nicht festzusetzen."

§ 230 Abs. 6 BAO lautet:

"Wurde ein Antrag auf Aussetzung der Einhebung gestellt, so dürfen Einbringungsmaßnahmen hinsichtlich der davon nach Maßgabe des § 212a Abs. 1, 2 lit. b, 2a und 3 letzter Satz betroffenen Abgaben bis zu seiner Erledigung weder eingeleitet noch fortgesetzt werden."

3.1.2 Rechtliche Erwägungen

In seinem Erkenntnis , führte der Verwaltungsgerichtshof aus:

"In Vollziehung des Art. 244 ZK sind die nationalen Bestimmungen des § 212a BAO anzuwenden, soweit der Zollkodex nicht (wie etwa hinsichtlich der Voraussetzung des § 212a BAO für die Aussetzung der Einhebung) anderes bestimmt (vgl. 2010/16/0196, und - wie vom Bundesfinanzgericht zitiert - 2003/16/0018, sowie 98/17/0227).

Die Wirkung eines Zahlungsaufschubes (§ 212a Abs. 5 BAO) tritt erst mit der Gewährung der Aussetzung ein.

Die Bestimmung des § 230 Abs. 6 BAO bewirkt noch keinen Zahlungsaufschub, sondern hemmt lediglich die Einbringung.

Der Antrag auf Aussetzung der Einhebung nach § 212a BAO und der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach Art. 244 ZK, nunmehr nach Art. 45 Abs. 2 UZK bewirken zwar gemäß § 230 Abs. 6 BAO eine Hemmung der Einbringung (§§ 229 bis 233 BAO), nicht jedoch eine Hemmung jeglicher Einhebung (6. Abschnitt der BAO; §§ 210 bis 242a BAO).

Dass im nationalen Recht bereits die Einbringung eines Antrages auf Aussetzung der Einhebung (§ 212a BAO) bis zur Erledigung des Antrages die Pflicht zur Entrichtung von Säumniszuschlägen ausschließt, beruht auf der Bestimmung des § 217 Abs. 4 lit. b BAO. Dafür sind bereits ab Antragstellung Aussetzungszinsen zu bezahlen (§ 212a Abs. 9 lit. a BAO).

Für das unionsrechtlich geregelte Zollrecht gelten die Bestimmungen der BAO über die Säumniszuschläge nicht, weil solche Säumnisfolgen im Unionsrecht geregelt sind (Säumniszinsen nach Art. 232 ZK, nunmehr Verzugszinsen nach Art. 114 UZK). Daher bewirkt ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach Art. 244 ZK oder nach Art. 45 Abs. 2 UZK allein noch keine Verlängerung der Zahlungsfrist und hindert nicht, dass bei ungenütztem Ablauf der Zahlungsfrist Verzugszinsen nach Art. 114 UZK festzusetzen sind. Bemerkt sei, dass mit der Regelung von Verzugszinsen nach Art. 114 UZK Aussetzungszinsen (§ 212a Abs. 9 lit. a BAO) für denselben Zeitraum ausgeschlossen sind.

Das bloße Einbringen des Aussetzungsantrages bewirkt somit de iure noch keine Aussetzung (vgl. auch Reuter/Fuchs, Das neue Zollrecht der Europäischen Union2, Rz 126 Punkt 5)."

Der Verwaltungsgerichtshof hat damit klargestellt, dass ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach Art. 244 ZK gemäß § 230 Abs. 6 BAO eine Hemmung der Einbringung, nicht jedoch eine Hemmung jeglicher Einhebung bewirkt.

In einem zu diesem Erkenntnis gebildeten Rechtssatz hat der Verwaltungsgerichtshof u.a. ausgesprochen, dass durch die unionsrechtlich geregelten Verzugszinsen (Art. 232 ZK bzw. Art. 114 UZK) Aussetzungszinsen (§ 212a Abs. 9 lit. a BAO) für denselben Zeitraum ausgeschlossen sind.

Die Festsetzung der Aussetzungszinsen erfolgte daher allein schon aus diesem Grund zu Unrecht.

Im Beschwerdefall ist aber darüber hinaus zu beachten, dass das Bundesfinanzgericht mit Beschluss vom den o.a. Abgabenbescheid vom gemäß § 278 Abs. 1 BAO unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde aufgehoben und mit Beschluss vom die aufschiebende Wirkung der dagegen erhobenen Revision nicht zuerkannt hat.

Eine solche Aufhebung wirkt ex tunc und das Verfahren tritt in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung des angefochtenen Bescheides befunden hat (Ritz, BAO6, § 278 Rz 12 f). Die Aufhebung hatte zur Folge, dass allen Rechtsakten und faktischen (Vollzugs-)Akten, die während der Geltung des aufgehobenen Bescheides auf dessen Basis gesetzt wurden, im Nachhinein die Rechtsgrundlage entzogen wurde (z.B. ; ). Solche Rechts- und Vollzugsakte wurden dadurch rechtswidrig und sind nach Maßgabe der verfahrensrechtlichen Handhaben zu beseitigen (Ritz, BAO6, § 278 Rz 14).

Das bedeutet für den vorliegenden Beschwerdefall, dass der formal begründete Abgabenanspruch in der Folge rückwirkend wieder beseitigt wurde.

Vor diesem Hintergrund erweist sich daher auch die mit dem angefochtenen Bescheid vom für den Zeitraum bis vorgenommene Festsetzung von Aussetzungszinsen als zu Unrecht erfolgt, sodass der Bescheid auch aus diesem Grund aufzuheben war.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die vorliegende Entscheidung kann sich auf die zitierte höchstgerichtliche Rechtsprechung stützen. Es musste daher der Revisionsausschluss zum Tragen kommen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
§ 212a Abs. 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 278 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 230 Abs. 6 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 212a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 217 Abs. 4 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 212a Abs. 9 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise





ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.5200071.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at