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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 13.10.2020, RV/2100758/2020

§ 303 Abs. 1 BAO: Wiederaufnahme nach einer Betriebsprüfung - mangelhafte Begründung, neue Tatsachen?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri. in der Beschwerdesache N.N., Adr.Bf., vertreten durch LBG Steiermark Steuerberatung GmbH, Rathausplatz 3, 8940 Liezen, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Judenburg Liezen vom betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2014 bis 2016, Steuernummer xxx, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (Bf.) erzielte in den Beschwerdejahren Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Die Einkommensteuerbescheide 2014 bis 2016 ergingen erklärungsgemäß.

Anlässlich einer die Jahre 2014 bis 2017 umfassenden Außenprüfung btr. Einkommensteuer - Prüfungsbeginn laut Prüfungsauftrag - wird in der Niederschrift über die Schlussbesprechung gem. § 149 Abs. 1 BAO anlässlich der Außenprüfung gem. § 147 BAO vom auf Seite 2 festgehalten:

"Die in der ZZ GmbH angesetzten Sachbezugswerte fanden bisher keinen Einfluss in der Steuererklärung von Frau N.N..
Im Rahmen der Außenprüfung werden die Sachbezugswerte für die Jahre 2014 und 2017 angesetzt.
Der Grundfreibetrag als auch die pauschalen Betriebsausgaben wird aufgrund der Erhöhung der steuerpflichtigen Einnahmen angepasst.
Als Frist zur Übermittlung der Unterlagen zum PKW wird der vereinbart."

Im Bericht gem. § 150 BAO über das Ergebnis der Außenprüfung vom wird auf Seite 3 unter "Wiederaufnahme des Verfahrens gern. § 303 Abs. 1 BAO" ausgeführt:
"Hinsichtlich nachstehend angeführter Abgabenarten und Zeiträume sind Feststellungen getroffen worden, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens gern. § 303 Abs. 1 BAO erforderlich machen. Die Kenntnis der in den bezeichneten Feststellungen bzw. in der gesonderten Begründung angeführten Wiederaufnahmetatbestände (gern. § 303 Abs. 1 lit. a bis c BAO) hätte allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens im Spruch anders lautende Bescheide herbeigeführt.
Abgabenart Zeitraum Feststellung
Einkommensteuer 2014 Tz 1
Einkommensteuer 2015 Tz 1
Einkommensteuer 2016 Tz 1
Einkommensteuer 2017 Tz 1
Die Wiederaufnahme erfolgt unter Bedachtnahme auf das Ergebnis der durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung und der sich daraus ergebenden Gesamtauswirkung. Im vorliegenden Fall können die steuerlichen Auswirkungen nicht als geringfügig angesehen werden. Bei der im Sinne des § 20 BAO vorgenommenen Interessenabwägung war dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit (Gleichmäßigkeit der Besteuerung) der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit (Parteiinteresse an der Rechtskraft) einzuräumen
."

In der angeführten Tz 1 wurde vom Außenprüfungsorgan folgende Feststellung getroffen:
"Tz. 1 PKW
Die in der
ZZ GmbH angesetzten Sachbezugswerte fanden bisher keinen Einfluss in der Steuererklärung von Frau N.N..
Im Rahmen der Außenprüfung werden die Sachbezugswerte der Lohnverrechnung (
ZZ GmbH) für die Jahre 2014 bis 10/2017 angesetzt. Am wurde ein neuer PKW angeschafft. Die Bemessungsgrundlage für den Sachbezugswert ab 10/2017 sind die Anschaffungskosten von € 37.900.-.
Der Grundfreibetrag als auch die pauschalen Betriebsausgaben wird aufgrund der Erhöhung der steuerpflichtigen Einnahmen angepasst ...
[es folgt die summenmäßige Darstellung der die steuerlichen Auswirkungen]."

Unter Zugrundelegung der Feststellungen des Prüfers nahm die belangte Behörde mit Bescheiden vom die Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer 2014 bis 2016 wieder auf. Als Begründung wurde angeführt:
"Die Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgte gern. § 303 (1) BAO aufgrund der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen sind. Daraus ist auch die Begründung für die Abweichungen vom bisherigen im Spruch bezeichneten Bescheid zu ersehen. Die Wiederaufnahme wurde unter Abwägung von Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen (§ 20 BAO) verfügt. Im vorliegenden Fall überwiegt das Interesse an der Rechtsrichtigkeit das Interesse auf Rechtsbeständigkeit. Die steuerlichen Auswirkungen können auch nicht als bloß geringfügig angesehen werden."

Gegen die Bescheide erhob die Bf. durch ihre steuerliche Vertretung mit Schreiben vom Beschwerde gegen die genannten Wiederaufnahmebescheide, da im Spruch der Wiederaufnahmetatbestand nicht enthalten sei, in der Begründung keine Wiederaufnahmegründe angeführt seien und eine Begründung hinsichtlich des Ermessens fehle.
Nach der Rechtsprechung des VwGH gehöre der maßgebliche Wiederaufnahmetatbestand in den Spruch des Bescheides. Wiederaufnahmegründe seien nur im Zeitpunkt der Bescheiderlassung existente Tatsachen, die später hervorkommen (nova reperta). Später entstandene Umstände (nova producta) seien hingegen keine Wiederaufnahmegründe. Maßgeblich sei, dass die Tatsachen und Beweismittel im jeweiligen Verfahren neu hervorgekommen seien, wobei auf den Wissensstand des jeweiligen Veranlagungsjahres abzustellen sei.
Im Umkehrschluss sei eine Wiederaufnahme daher nicht zulässig, wenn die Behörde die Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren bereits gekannt habe. Wenn der Behörde somit der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen sei, dass sie schon im wiederaufzunehmenden Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung gelangen hätte können, sei die Wiederaufnahme unzulässig. Seien der Behörde darüber hinaus im betreffenden Verfahren bestimmte Umstände bekannt gewesen, habe sie diese Umstände jedoch für unwesentlich gehalten, so seien solche Umstände keine Wiederaufnahmegründe. Den Beweis des Wiederaufnahmegrundes habe die Abgabenbehörde zu erbringen und habe die Abgabenbehörde durch unmissverständliche Hinweise zu begründen, welche Tatsachen oder Beweismittel auf welche Weise neu hervorgekommen seien. Die Anführung der Wiederaufnahmegründe sei auch dann erforderlich, wenn der Partei die Wiederaufnahmegründe aus Besprechungen mit dem Prüfer (zB aus der Schlussbesprechung) bekannt seien. Dies deshalb, da sich das BFG bei der Erledigung des gegen die Verfügung der Wiederaufnahme gerichteten Rechtsmittels auf keine neuen Wiederaufnahmegründe stützen könne. Das BFG habe lediglich zu beurteilen, ob die von der Abgabenbehörde angeführten Gründe eine Wiederaufnahme rechtfertigen.
Hinsichtlich Ermessensübung verstoße der bloß ,formelhafte' Verweis auf den Grundsatz des Vorranges der Rechtsrichtigkeit gegen die Begründungspflicht.

Ausgehend von diesen Darstellungen führte die steuerliche Vertretung aus, dass im Spruch der Wiederaufnahmetatbestand nicht enthalten sei. Auch könne die Begründung nicht als Auslegungsbehelf herangezogen werden, da diese keine weitergehenden Informationen zum relevanten Wiederaufnahmetatbestand enthalten würde. Zwar würde es nach einer Einzelfallentscheidung dem VwGH ausreichend erscheinen, dass der Wiederaufnahmetatbestand dem Außenprüfungsbericht entnehmbar sei, allerdings würde im vorliegenden Fall in der Bescheidbegründung in keiner Weise dargelegt, um welchen Prüfungsbericht es sich handeln solle.
Weiters seien in der Begründung keine Wiederaufnahmegründe angeführt, da die Begründungen in den Wiederaufnahmebescheiden lediglich auf Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, auf die darüber aufgenommene Niederschrift bzw. dem Prüfbericht verweisen würden. Um welche Niederschrift bzw. um welchen Prüfungsbericht es sich dabei handle oder welche Teilzahl des Berichts konkret gemeint sei, sei dieser Begründung nicht zu entnehmen, weshalb der Begründung des jeweiligen Wiederaufahmebescheids eben gerade nicht zu entnehmen sei, welche Wiederaufnahmegründe vorliegen würden.
Darüber hinaus werde mit dem "formelhaften" Verweis auf den Vorrang des Prinzips der Rechtsrichtigkeit vor dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit in den gegenständlichen Wiederaufnahmebescheiden nach Ansicht der Lehre der ordnungsgemäßen Begründungspflicht hinsichtlich des Ermessens nicht Rechnung getragen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerden gegen die Wiederaufnahme der Verfahren bezüglich Einkommensteuer 2014 bis 2016 ab.

Zur Begründung wurde - nach Wiedergabe der Begründung der angefochtenen Bescheide - ausgeführt, dass aus dieser ein Verweis auf weitere Behördenschriftstücke ersichtlich sei und ein solcher Verweis nach Lehre und ständiger Rechtsprechung jedenfalls zulässig sei. Sowohl in der erstellten Niederschrift (Seite 2) wie auch im anschließenden Prüfungsbericht vom (auf Seite 1 laut Fußzeile, unter Tz 1) sei die bis dahin bei der Einkommensermittlung der Abgabepflichtigen unterbliebene Sachbezugsbesteuerung für die private Nutzung des GmbH-PKWs angeführt, was als neu hervorgekommene Tatsache den tauglichen Wiederaufnahmsgrund in Form eines Neuerungstatbestandes bilde.

Daran anschließend wurde von der belangten Behörde die bereits oben angeführte Textierung zur Wiederaufnahme von Seite 3 des Prüfberichts wiedergegeben.

Es sei zwar im unmittelbaren Begründungsteil des Bescheid zu den dort verwiesenen Schriftstücken ("darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfbericht") keine Datumsangabe angeführt, was jedoch entgegen der Beschwerde keinen mangelhaften bzw. zu wenig konkreten Verweis und schon gar nicht einen wesentlichen Begründungsmangel darzustellen vermöge, zumal - abgesehen davon, dass bei dieser Abgabepflichtigen ohnehin noch nie zuvor eine Außenprüfungsmaßnahme stattgefunden habe und somit keinerlei Unklarheit oder Verwechslungsmöglichkeit mit anderen Prüfungsmaßnahmen möglich sei - die im Vorfeld und eindeutigen Konnex mit den gegenständlichen Wiederaufnahmsbescheiden 2014 bis 2016 gesetzten Verfahrensschritte (nachweislich persönlich am zugestellten Prüfungsauftrag vom , Prüfungsdurchführung, Schlussbesprechung samt Niederschriftsunterzeichnungen in Anwesenheit der Abgabepflichtigen und ihres Steuerberaters am , Zustellung aller Bescheide samt Bericht vom an den zustellbevollmächtigten Steuerberater) ohne jeden Zweifel und damit ganz offensichtlich eben nur diese eine Niederschrift vom gem. § 149 (1) BAO und nur diesen einen Prüfbericht vom gem. § 150 BAO bezüglich der laut Prüfungsauftrag gern § 148 BAO geprüften Abgabenart Einkommensteuer 2014 - 2016 betreffen haben können. Insgesamt bestehe für die Abgabepflichtige und ihren Steuerberater eine völlig zweifelsfrei nachvollziehbare durchgehende bzw. lückenlose Verweis- und Begründungskette.

Zur Ermessensbegründung wurde von der belangten Behörde unter Heranziehung der Ausführungen von Ritz BAO6, Rz 62ff zu § 303, festgehalten, dass sich aus den jeweiligen Wiederaufnahmebescheiden eine völlig ordnungsgemäße Begründung für das geübte Ermessen ergebe und neben dem Hinweis auf den Vorrang der Rechtsrichtigkeit auch auf die nicht bloß geringfügigen Auswirkungen hingewiesen worden sei.

Mit Schreiben vom brachte die Bf. durch ihre steuerliche Vertretung den Antrag auf Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht ein. Ergänzend zur Beschwerde wird wiederholend festgehalten, dass die bekämpften Wiederaufnahmebescheide wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben seien, da im Spruch der relevante Wiederaufnahmetatbestand nicht enthalten sei, in der Begründung keine Wiederaufnahmegründe angeführt seien und die fehlende Angabe der Wiederaufnahmegründe in der Begründung des mit Beschwerde angefochtenen Bescheides in der Beschwerdevorentscheidung nicht nachholbar sei, sowie konkrete Begründungen hinsichtlich der Ermessensübung fehlten.

Die belangte Behörde legte die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht am zur Entscheidung vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde. In der Stellungnahme verwies die belangte Behörde auf die Begründung in der Beschwerdevorentscheidung.

Die Beschwerdeführerin beantragte durch ihre steuerliche Vertretung die Entscheidung durch den Senat gem. § 272 Abs. 2 Z 1 BAO und Abhaltung einer mündlichen Verhandlung gem. § 274 Abs. 1 Z 1 BAO. Mit Eingabe vom wurden die Anträge zurückgezogen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Die Bf. bekämpft durch ihren steuerlichen Vertreter in der Beschwerde vom und im Vorlageantrag vom ausdrücklich nur die Bescheide über die Wiederaufnahme der Verfahren und erhebt keine Einwendungen gegen den Spruch der mit den Verfahrenswiederaufnahmen verbundenen Abgabenbescheide.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gem. § 303 Abs. 1 BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren ua. von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Bei einer Beschwerde gegen eine Wiederaufnahme von Amts wegen ist die Sache, über welche das Bundesfinanzgericht gemäß § 279 Abs. 2 BAO zu entscheiden hat, nur die Wiederaufnahme aus den vom Finanzamt herangezogenen Gründen, also jene wesentlichen Sachverhaltsmomente, die das Finanzamt als Wiederaufnahmegrund beurteilt hat. Unter Sache ist in diesem Zusammenhang die Angelegenheit zu verstehen, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Abgabenbehörde gebildet hatte. Die Identität der Sache, über die abgesprochen wurde, wird durch den Tatsachenkomplex begrenzt, der als neu hervorgekommen von der für die Wiederaufnahme zuständigen Behörde zur Unterstellung unter den von ihr gebrauchten Wiederaufnahmetatbestand herangezogen wurde. Aufgabe des Bundesfinanzgerichts bei Entscheidungen über ein Rechtsmittel gegen die amtswegige Wiederaufnahme durch ein Finanzamt ist es daher, zu prüfen, ob dieses Verfahren aus den vom Finanzamt gebrauchten Gründen wieder aufgenommen werden durfte, nicht jedoch, ob die Wiederaufnahme auch aus anderen Wiederaufnahmegründen zulässig gewesen wäre ().

Mit dem Vorbringen, dass dem Spruch der angefochtenen Bescheide der "Wiederaufnahmetatbestand" nicht zu entnehmen sei (siehe Seite 3 der Beschwerde), zeigt die Beschwerdeführerin keine Rechtswidrigkeit auf, weil es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der amtswegigen Wiederaufnahme des Verfahrens darauf ankommt, ob die Abgabenbehörde die Wiederaufnahme des Verfahrens ausreichend begründet hat, indem sie jene (als Wiederaufnahmegründe tauglichen) Umstände, die als Tatsachen oder Beweismittel neu hervorgekommen sind (und die Abgabenbehörde im wiederaufgenommenen Verfahren zu einem anderslautenden Bescheid veranlasst haben), dem Abgabepflichtigen bekannt gegeben hat (vgl. dazu die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum bis geltenden Rechtsmittelverfahren, insbes ; vgl. auch ; ; ; ; ; ; ; ; ; ; ; ). Die Bestimmungen zur Wiederaufnahme des Verfahrens wurden zwar mit dem FVwGG 2012, BGBl I 2013/14, geändert (in Kraft mit ), betreffend die amtswegige Wiederaufnahme erfolgte aber inhaltlich keine Änderung. Die genannte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtslage vor dem FVwGG 2012 ist somit weiterhin heranzuziehen (vgl. ).

Wenn die Bf. rügt, dass in der Begründung keine Wiederaufnahmegründe angeführt seien und die Begründungen der Wiederaufnahmebescheide keine "weitergehenden Informationen zum hier relevanten Wiederaufnahmetatbestand" zu entnehmen sei (nochmals Seite 3 der Beschwerde), so ist ihr die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegenzuhalten, wonach es nicht rechtswidrig ist, in der Begründung eines Bescheides auf die der Partei zugegangenen Schriftstücke (zB Betriebsprüfungsbericht) Bezug zu nehmen (; ; ).

Zur Rüge der Bf., dass der (auf die über die abgabenbehördliche Prüfung aufgenommene Niederschrift und den Prüfungsbericht verweisenden) Begründung der Wiederaufnahmebescheide nicht zu entnehmen sei, um welche Niederschrift bzw. um welchen Prüfungsbericht es sich dabei handle oder welche Teilzahl des Berichts konkret gemeint sei, und dass mangels Verweises auf einen konkreten Bericht bzw. eine konkrete Teilzahl der Begründung der jeweiligen Wiederaufnahmebescheide nicht zu entnehmen sei, welche Wiederaufnahmegründe vorlägen (siehe Seite 4 der Beschwerde), so zeigt sie damit keine Rechtswidrigkeit auf, weil ihr Vorbringen nicht erkennen lässt, dass tatsächlich (berechtigte) Zweifel aufgekommen sind, dass mit dem Verweis der Begründung der Wiederaufnahmebescheide auf den Prüfungsbericht der der Bf. (im sachlichen und zeitlichen Zusammenhang) bekannt gegebene Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung vom gemeint war. Aus dem im Betriebsprüfungsbericht gegebenen Hinweis auf einzelne Textziffern darf die Rechtsmittelbehörde im Zusammenhang mit der Wiederaufnahme der Verfahren gemäß § 303 Abs. 4 BAO folgern, dass das Finanzamt die Wiederaufnahme auf den Neuerungstatbestand gestützt hat und die in den einzelnen Textziffern getroffenen Prüfungsfeststellungen jenen Tatsachenkomplex bilden, der nach Ansicht des Finanzamtes im Zuge der Prüfung neu hervorgekommen ist ().

Schließlich bemängelt die Bf., dass die angefochtenen Wiederaufnahmebescheide hinsichtlich der Ermessensübung keine konkretisierten Ausführungen enthielten, sondern einen bloß "formelhaften" Verweis auf den Vorrang des Prinzips der Rechtsrichtigkeit vor dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit, womit der ordnungsgemäßen Begründungspflicht hinsichtlich des Ermessens nicht Rechnung getragen worden sei (Seite 4 der Beschwerde).

Die Durchführung der Wiederaufnahme des Verfahrens liegt im Ermessen der Behörde. Wenn die Rechtsfrage dahingehend geklärt ist, dass ein Wiederaufnahmegrund tatsächlich gegeben ist, hat die Behörde in Ausübung ihres Ermessens zu entscheiden, ob die Wiederaufnahme zu verfügen ist. Dabei sind der Sinn des Gesetzes (Art. 130 Abs. 2 B-VG idF vor BGBl. I Nr. 51/2012, nunmehr Art. 133 Abs. 3 B-VG) und § 20 BAO als Ermessensrichtlinien zu berücksichtigen (vgl. zB ).

Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), müssen sich in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen (§ 20 BAO).

Im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren in Abgabensachen ist die Ermessensentscheidung durch das Bundesfinanzgericht zu treffen (vgl. Art. 130 Abs. 3 B-VG).

Im Beschwerdefall geht das Bundesfinanzgericht davon aus, dass die Wiederaufnahme der Abgabenverfahren aus den von der Abgabenbehörde herangezogenen Umständen zur Erhebung der betroffenen Einkommensteuer in der gesetzlichen (und nicht geringfügigen) Höhe in Erfüllung des gesetzlichen Auftrages zur Gleichbehandlung aller Abgabepflichtigen (§ 114 BAO) zweckmäßig war. Unbilligkeitsgründe sind der Aktenlage nicht zu entnehmen und wurden auch von der Bf. nicht behauptet.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Erkenntnis stützt sich auf die oben angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs. Eine Rechtsfrage iSd. Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt sohin nicht vor, weshalb auszusprechen war, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig ist.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 279 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.2100758.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at