Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 23.11.2020, RV/7104290/2020

Zurückweisung der Beschwerde, weil die als Bescheid intendierte Erledigung mangels Zustellung an den Erwachsenenvertreter nicht wirksam wurde

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Ilse Rauhofer in der Beschwerdesache Dipl. Ing. (FH) ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***NAME RA***, ***1***, als gerichtlicher Erwachsenenvertreter gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom betreffend Abweisung des Antrages auf Aussetzung gemäß § 212a BAO vom zu ErfNr***1***, Steuernummer ***BF1StNr1*** beschlossen:

Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO als nicht zulässig zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel ua. die Beschwerde des Herrn Dipl.-Ing. (FH) ***Bf1*** gegen den Bescheid vom betreffend Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO, ErfNr***1*** Team 22, StNr. ***BF1StNr1*** dem Bundefinanzgericht zur Entscheidung vor. Der Vorlagebericht enthält folgende Darstellung des Sachverhalts:

"Nachdem die Beschwerde zum Gebührenbescheid vom BFG zu GZ. RV/7103226/2020 abgewiesen wurde, wurde vom Finanzamt ein Bescheid über den Ablauf der Aussetzung der Einhebung erlassen. Dagegen wurde eine Beschwerde sowie ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand eingebracht. Das Finanzamt hat dieses Schreiben vom als neuerlichen Antrag auf Aussetzung der Einhebung gewertet und beide Anträge mit Bescheiden vom 21. bzw. abgewiesen. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde damit begründet, dass aus Sicht des Bf. die Entscheidung über die Beschwerde in Hinblick auf das beim BFG anhängige Rechtsmittelverfahren zu GZ. RV/4100094/2020 zu Unrecht nicht iSd § 271 BAO ausgesetzt worden sei. Die Aussetzung der Einhebung wurde begehrt, da mit der Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch die Aussetzung der Einhebung wiederherzustellen sei."

Die Rechtssache betreffend Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO wurde beim BFG unter der Geschäftszahl RV/7104290/2020 protokolliert und als Angelegenheit der Abgabensicherung der Gerichtsabteilung 1062 (Einzelrichterin Mag. Ilse Rauhofer) zugeteilt.

Von der zuständigen Richterin wurde zunächst Einsicht in die elektronisch vom FA vorgelegten Aktenteile genommen. Weiters wurden Recherchen im Rechtsmittelinformationssystem des Bundesfinanzgerichtes (kurz REMIS) durchgeführt und dabei festgestellt, dass beim Bundesfinanzgericht weitere Beschwerden des Herrn Dipl.-Ing. (FH) ***Bf1*** zu folgenden Geschäftszahlen gegen die nachstehend angeführten Bescheide anhängig waren bzw sind (alle aus dem Fachgebiet Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel):


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Gz. BFG
Angefochtener Bescheid
Vefahrensstand
RV/7103226/2020
vom betreffend Gebühr und Erhöhung zu ErfNr***1***
Abweisung mit Erkenntnis vom
RV/7104137/2020
vom betreffend Gebühr und Erhöhung zu ErfNr.***2***
Zurückweisung des Vorlageantrages mit Beschluss vom
RV/4100094/2020
vom betreffend Gebühr und Erhöhung zu ErfNr.***3***
noch anhängig
RV/7104292/2020
vom betreffend Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrages zu ErfNr***1***
noch anhängig
RV/7104421/2020
vom betreffend Gebühr und Erhöhung zu ErfNr.***4***
noch anhängig

Im Zuge dieser Recherche wurde weiters festgestellt, dass für den Beschwerdeführer Dipl.-Ing. (FH) ***Bf1*** mit Beschluss des Bezirksgerichtes Linz vom Herr Rechtsanwalt ***NAME RA*** als gerichtlicher Erwachsenenvertreter mit sofortiger Wirksamkeit bestellt worden ist und dass mit Schreiben vom Herr Rechtsanwalt ***NAME RA*** dem Finanzamt eine Kopie des Bestellungsbeschlusses übersandt hat und das FA ersucht hat, sämtliche Zustellungen zu seinen Handen vorzunehmen.

Mit dem Beschluss vom erfolgte gemäß § 120 AußStrG die Bestellung zum einstweiligen Erwachsenenvertreter für die Besorgung folgender dringender Angelegenheiten:

"1. Vertretung in finanziellen Angelegenheiten

2. Vertretung in allen behördlichen Verfahren, Insbesondere

- Vertretung in allen gegenständlich anhängigen und anstehenden gerichtlichen Verfahren

- Vertretung in Verwaltungsverfahren

- Vertretung in Verwaltungsgerichtlichen Verfahren

- Vertretung vor Kammern und Sozialversicherungsträgem

3. Vertretung bei Verträgen, welche über den täglichen Gebrauch hinausgehen."

Der Beschluss enthält am Ende den Hinweis, dass die Bestellung eines einstwilligen Erwachsenenvertreters sofort wirksam wird und dass die Handlungsfähigkeit der betroffenen Person durch die einstweilige Erwachsenenvertretung nicht eingeschränkt wird (§ 242 ABGB).

Daraus folgt für das gegenständliche Verfahren betreffend Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO Folgendes:

§ 242 ABGB lautet wie folgt:

"(1) Die Handlungsfähigkeit einer vertretenen Person wird durch eine Vorsorgevollmacht oder eine Erwachsenenvertretung nicht eingeschränkt.

(2) Soweit dies zur Abwendung einer ernstlichen und erheblichen Gefahr für die vertretene Person erforderlich ist, hat das Gericht im Wirkungsbereich der gerichtlichen Erwachsenenvertretung anzuordnen, dass die Wirksamkeit bestimmter rechtsgeschäftlicher Handlungen der vertretenen Person oder bestimmter Verfahrenshandlungen bei Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichten wie nach § 865 Abs. 3 und Abs. 5 die Genehmigung des Erwachsenenvertreters und in den Fällen des § 258 Abs. 4 auch jene des Gerichts voraussetzt. Der Genehmigungsvorbehalt bleibt ungeachtet der Übertragung einer Erwachsenenvertretung im Sinn des § 246 Abs. 3 Z 2 bestehen; er ist vom Gericht aufzuheben, wenn er nicht mehr erforderlich ist.

(3) Schließt eine volljährige Person, die nicht entscheidungsfähig ist, ein Rechtsgeschäft des täglichen Lebens, das ihre Lebensverhältnisse nicht übersteigt, so wird dieses - sofern in diesem Bereich kein Genehmigungsvorbehalt nach Abs. 2 angeordnet wurde - mit der Erfüllung der sie treffenden Pflichten rückwirkend rechtswirksam."

Wird - wie im gegenständlichen Fall - kein sog. Genehmigungsvorbehalt nach § 242 Abs. 2 ABGB gesetzt, ist grundsätzlich von der Behörde/vom Verwaltungsgericht im Einzelfall zu prüfen, ob die vertretene Person die in Frage stehende Rechtshandlung rechtswirksam vornehmen konnte. Der Bestellungsbeschluss entzieht weder konstitutiv die Handlungsfähigkeit (anders als früher die Bestellung eines Sachwalters), noch kann damit eine Handlungsfähigkeit - wenn de facto keine besteht - eingeräumt werden (siehe dazu Gitschthaler/Schweighofer, Erwachsenenschutzrecht, (2017), § 242 ABGB, Anm 1-2).

Nach der Begründung des Bestellungsbescheides drohen dem Betroffenen erhebliche finanzielle Nachteile "insbesondere durch die von ihm angestrengten zahlreichen Gerichtsverfahren und die in diesem Zusammenhang immer wieder anfallenden Gerichtsgebühren", die es hintanzuhalten gilt. Dies spricht nach Ansicht der erkennenden Richterin dafür, dass der Bf. gerade bei Rechtshandlungen, die Gebühren auslösen (können), als nicht handlungsfähig zu betrachten ist. Es wäre zwar denkbar, dass er bei Rechtshandlungen, die- nur - seinem Rechtsschutz dienen (wie die Bekämpfung von Gebührenbescheiden) als handlungsfähig anzusehen ist. Durch das neue Erwachsenenschutzrecht wäre es jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass die vertretene Person im Einzelfall auch selber - neben ihrem Vertreter - rechtswirksam tätig werden kann.

Neben der Frage der Prozessfähigkeit ist hier allerdings auch noch von Bedeutung, dass der Erwachsenenvertreter dem Finanzamt bereits am bekannt gegeben hat, dass er als Vertreter bestellt wurde und dass sämtliche Zustellungen zu seinen Handen vorzunehmen sind. Bemerkt wird, dass nach § 265 Abs. 6 BAO das Finanzamt verpflichtet wäre, davon auch das BFG zu verständigen.

Für die Wirksamkeit eines (der schriftlichen Ausfertigung vorbehaltenen) Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichtes genügt es, wenn dieses einer Verfahrenspartei eines Mehrparteienverfahrens, etwa der vor dem Bundesfinanzgericht belangten Behörde, zugestellt worden ist (vgl. , mwN). Gegenteiliges gilt jedoch für die Bescheide der Abgabenbehörde, die wegen Missachtung der Zustellvollmacht des steuerlichen Vertreters mangels Erfüllung der Voraussetzungen des § 97 Abs. 1 lit. a BAO unwirksam bleiben (vgl. Knechtl, BFG-Journal 2019, 221 unter Hinweis auf /0043; ).

Umgelegt auf die Situation bei der Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters kann zwar das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7103226/2020 durch die Zustellung an die Amtspartei Wirksamkeit erlangt haben. Die weiteren Erledigungen des Finanzamtes betreffend Aussetzung der Einhebung, sowohl der "Bescheid" vom , mit dem der Ablauf der Aussetzung der Einhebung verfügt wurde, als auch der nunmehr angefochtene "Bescheid" vom , mit dem vom FA die als neuerlicher Antrag auf Aussetzung der Einhebung gewertete Eingabe vom zurückgewiesen wurde, als auch die Beschwerdevorentscheidung vom in der Aussetzungsangelegenheit sind hingegen mangels Erfüllung der Voraussetzungen des § 97 Abs. 1 lit. a BAO unwirksam geblieben.

Gemäß § 7 ZustG gilt zwar grundsätzlich, dass, wenn im Verfahren der Zustellung Mängel unterlaufen, die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt ist, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zukommt. Wird in der Erledigung jedoch ein unzutreffender Empfänger genannt, liegt kein Fall vor, bei dem im Sinne des § 7 ZustG durch das tatsächliche Zukommen des Dokumentes an den Empfänger eine Heilung eines Zustellmangels und damit eine wirksame Zustellung erfolgen könnte (vgl sowie mwN noch zur Bestellung eines Sachwalters und der Rechtslage vor Inkrafttreten des Erwachsenenschutzrechtes).

Selbst wenn man von einer Handlungsfähigkeit des Bf. für die Gebührenverfahren ausginge, so wäre die vom Erwachsenenvertreter gegenüber dem FA geltend gemachte Zustellvollmacht zu beachten gewesen.

Eine Adressierung und Zustellung einer Erledigung an den Vollmachtgeber, obwohl eine aufrechte Zustellvollmacht besteht, hat die Wirkung, dass die Zustellung rechtsunwirksam ist (vgl. ). Eine Sanierung ist nach § 9 Abs. 3 zweiter Satz Zustellgesetz nur möglich, wenn das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zukommt.

Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt gemäß den §§ 7 und 9 ZustG die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger (Zustellungsbevollmächtigten) tatsächlich zukommt. Ein tatsächliches Zukommen setzt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes voraus, dass der vom Gesetz vorgesehene Empfänger tatsächlich in den Besitz des zuzustellenden Schriftstücks kommt. Nicht ausreichend ist die bloße Kenntnisnahme des Inhalts des Schriftstücks beispielsweise durch Übermittlung einer Ablichtung oder durch Akteneinsicht. Wenn die Kenntnisnahme des Schriftstücks (ohne tatsächliches Zukommen) nicht genügt, dann saniert auch der Umstand, dass ein Rechtsmittel gegen das Schriftstück eingebracht wird, die fehlende Zustellung nicht (vgl. etwa ; sowie im Ergebnis bereits ). Die BAO enthält in Verbindung mit dem ZustG Regelungen über die Heilung von Zustellmängeln; eine "Heilung durch Einlassung" kennen diese Bestimmungen nicht (vgl. unter Hinweis auf ).

Es liegt kein Hinweis dafür vor, dass die an Herrn Dipl.-Ing. (FH) ***Bf1*** persönlich adressierten und diesem mittels Post übermittelten Erledigungen dem Erwachsenenvertreter im Original weitergeleitet worden wären, zumal alle weiteren Eingaben ans Finanzamt betreffend die Aussetzung der Einhebung (sowohl die als Beschwerde als auch die als Vorlageantrag gewerteten Eingaben) von Herrn Dipl.-Ing. (FH) ***Bf1*** persönlich verfasst wurden.

Nach § 260 Abs. 1 BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie
a) nicht zulässig ist, oder
b) nicht fristgerecht eingebracht wurde.

Eine Bescheidbeschwerde ist vor allem unzulässig bei mangelnder Bescheidqualität.

Zurückzuweisen ist eine Bescheidbeschwerde gegen einen mangels Zustellung rechtlich nicht existent gewordenen Bescheid (siehe dazu Ritz, BAO6, § 260, Tz 8 unter Hinweis auf ; , 93/17/0318, ).

Aus den zitierten Bestimmungen ergibt sich klar, dass das Verwaltungsgericht die Bescheidbeschwerde bzw den Vorlageantrag zuerst auf ihre Zulässigkeit zu prüfen hat, widrigenfalls das Rechtsmittel mit Beschluss zurückzuweisen ist (vgl. dazu ).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall ist das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu verneinen, weil sich die die maßgebliche Rechtslage unmittelbar und klar aus dem Gesetz ergibt bzw. die zu lösenden Rechtsfragen bereits durch die oben zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes geklärt sind.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 97 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise



ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7104290.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at