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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 05.10.2020, RV/7102220/2020

fehlende Vollstreckbarkeit einer Abgabenschuld, weil weder Buchungsmitteilung noch Mahnung dem Abgabenschuldner zugekommen sind

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Ilse Rauhofer in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom betreffend Pfändung einer Geldforderung StNr. 10-***BF1StNr2*** zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensablauf

Gebührenbescheid und Bescheid über eine Gebührenerhöhung vom

Mit Bescheiden vom zur GZ ***1***, StNr. ***1*** setzte das Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel gegenüber Herrn ***Bf1*** (der nunmehrige Beschwerdeführer, kurz Bf.) für eine Beschwerde des Bf. an den Verfassungsgerichtshof vom gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom , GZ RS/7100009/2018 die Gebühr gemäß § 17a VfGG iHv € 240,00 und eine Gebührenerhöhung gemäß § 9 Abs. 1 GebG iHv € 120,00 fest.

Der Gebührenbescheid enthält den Hinweis, dass die Gebühr bereits fällig war und wird hinsichtlich der Zahlungsfrist gemäß § 210 Abs. 4 BAO auf die gesondert ergehende Buchungsmitteilung verwiesen.

Auch der Bescheid über die Gebührenerhöhung verweist hinsichtlich des Fälligkeitstermins auf die gesondert ergehende Buchungsmitteilung.

Gegen den Gebührenbescheid und den Bescheid über eine Gebührenerhöhung brachte der Bf. am Beschwerde ein, die vom FA mit Beschwerdevorentscheidung vom - dem Bf. nachweislich am an seiner aktuellen Adresse in ***2***, zugestellt - als unbegründet abgewiesen wurde. Damit erwuchs die Abgabenfestsetzung über insgesamt € 360,00 in Rechtskraft.

Ausstellung eines Rückstandsausweises

Da die Abgabenschuldigkeiten iHv € 360,00 nicht entrichtet worden waren, stellte das FA am einen Rückstandsausweis aus, in dem angegeben wurde, dass die Abgabenschul iHv € 360,00 vollstreckbar sei.

Pfändungsbescheide vom

Am erließ das FA Pfändungsbescheide an die Pensionsversicherungsanstalt und an die ***3*** Pensionskassen AG. Das FA pfändete Geldforderungen (die dem Bf. zustehenden beschränkt pfändbaren Forderungen aus einem Arbeitsverhältnis oder sonstige Bezüge im Sinne des § 290a EO) gemäß § 65 AbgEO hinsichtlich Abgabenschuldigkeiten iHv € 360,00 plus Pfändungsgebühren und Barauslagen für diese Pfändung iHv € 18,65, somit insgesamt € 378,65.

Weiters wurde am vom FA bescheidmäßig die Zusammenrechnung der beschränkt pfändbaren Geldforderungen gemäß § 292 EO i.V.m. § 53 AbgEO angegeordnet und die Pensionsversicherungsanstalt als jener Drittschuldner bestimmt, der (neben den Steiegerungsbeträgen nach § 291a Abs. 3 EO) die unpfändbaren Grundbeträge nach § 291a Abs. 1 und 2 EO zu berücksichtigen hat.

Gleichzeitig mit den Pfändungsbescheiden erließ das FA am an den Bf. zwei Bescheide mit der Bezeichnung "Verfügungsverbot". Diese wurde jedoch an die nicht mehr aktuelle Adresse des Bf. in ***4*** adressiert und wurden diese Bescheide sowie die angeschlossenen Pfändungsbescheide daher dem Bf. zunächst nicht zugestellt.

Mit Entrichtungstag wurde ein Betrag iHv € 233,31 von der Pensionsversicherungsanstalt und ein Betrag iHv € 315,98 von der ***3*** Pensionskassen AG ans FA überwiesen. Dadurch ergab sich eine Überzahlung in Höhe von € 170,64.

Nach dem sich der Bf. mittels Email vom an das Bundesministerium für Finanzen gewandt hatte und eine Nachfrage eines Mitarbeiters des Bundesministeriums für Finanzen mittels E-Mail vom beim FA erfolgt war, fertigte das FA am neuerlich Bescheide mit der Bezeichnung "Verfügungsverbot" an den Bf. aus, wobei nunmehr die aktuelle Adresse des Bf. in ***2*** angeführt wurde. Diesen Bescheiden wurden die an die PVA und an die ***3*** Pensionskassen AG gerichteten Pfändungsbescheide vom angeschlossen. Die Annahme dieser Bescheide wurde am vom Bf. verweigert.

Am wurde der Betrag iHv € 170,64 vom FA an den Bf. überwiesen.

Beschwerde gegen die Pfändungsbescheide

Mit Telefax vom brachte der Bf. beim Bundesfinanzgericht gegen die Pfändungsbescheide Beschwerde ein. Diese Beschwerde wurde gemäß § 249 Abs. 1 letzter Satz BAO am an das FA GVG als zuständige Abgabenbehörde weitergeleitet.

In der Beschwerde beantragte der Bf., die gepfändeten Beträge zur Gänze seinem Konto wieder gutzuschreiben. Weiters beantragte er außerdem eine Entschädigung für die ihm entstandenen Unannehmlichkeiten, Zeit und Kosten, die nicht von ihm zu vertreten seien, sondern durch Fehler seitens der Finanzämter entstanden seien.

Begründet wurde dieser Abänderungsantrag damit, dass der Bescheid über die Pfändung einer Geldforderung ihm nicht habe zugestellt werden können, weil fälschlicherweise vom Finanzamt eine veraltete Adresse gewählt worden sei sowie ein überhöhter Geldbetrag gepfändet worden sei. Da er seit dem um die zur Diskussion stehende Korrektur ersucht habe, bislang aber nichts dergleichen passiert sei, halte er den Zeitpunkt dieser Beschwerde für zwingend notwendig. So lange ihm nicht die zu Unrecht gepfändeten Geldbeträge wieder gutgeschrieben und damit das Verfahren nicht auf den Zeitpunkt vor dem abgestellt werde, könnten von ihm keine Pfändungsbescheide akzeptiert werden.

Beschwerdevorentscheidung vom

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das FA die Beschwerde mit folgender Begründung als unbegründet ab;

"Da zum Zeitpunkt der Amtshandlung am ein vollstreckbarer Rückstand in Höhe von 378,65 Euro bestand, wurde der Bescheid "Pfändung einer Geldforderung" zu Recht erlassen.

Hinweis: Gemäß § 17a Z 1 Verfassungsgerichtshofgesetz (VfGG) ist gemäß § 15 Abs. 1 einschließlich der Beilagen eine Eingabegebühr in Höhe von 240,00 Euro zu entrichten. Die Gebührenschuld entsteht im Zeitpunkt der Überreichung der Eingabe; die Gebühr wird mit diesem Zeitpunkt fällig, unabhängig vom Zeitpunkt der anschließenden Erledigung des Antrages durch den Verfassungsgerichtshof.

Die Rückzahlung, des vom Drittschuldner zu viel an uns überwiesenen Betrages, in Höhe von 170,64 Euro erfolgte am ."

Vorlageantrag

Dagegen richtet sich der Vorlageantrag vom . Darin führte der Bf. aus wie folgt:

"Die einzige Begründung der Beschwerdevorentscheidung geht alleine deswegen ins Leere, weil bisher nicht bestritten wurde, dass der Bescheid "Pfändung einer Geldforderung" zu Recht erlassen wurde.

Dagegen wird in der Begründung mit keinem Wort Stellung bezogen zu den Argumenten meiner Beschwerde. Daher an dieser Stelle nochmals die Fakten und deren Folgen:

1. Weder der Bescheid noch weitere Korrespondenz ist mir jemals zugestellt worden, weil das Finanzamt eine seit 3 Jahren veraltete Adresse verwendet hat, obwohl die aktuelle Adresse vorgelegen hat.

2. Durch die fehlerhaft verwendete veraltete Adresse seitens des Finanzamtes, obwohl die aktuelle Adresse aktenkundig war, wurde mir die Gelegenheit genommen, zu diesem Bescheid Stellung zu beziehen bzw. dagegen vorzugehen.

3. Dennoch wurde nicht nur der angebliche Rückstand von € 378,65, sondern darüber hinaus ohne jegliche Grundlage oder Begründung weitere € 170,64 über eine Kürzung meiner Rentenbezüge eingezogen.

4. Nur über meine eigenen langwierigen und zeitaufwendigen Bemühungen konnte ich diese mir unerklärlichen Vorgänge in Erfahrung bringen. Der in meiner Beschwerde vom beigefügte Schriftwechsel per email gibt darüber ausführlich Aufschluss.

Meiner Aufforderung an Mag. ***5*** zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes, also Rückerstattung der gepfändeten Beträge, wurde nicht Folge geleistet. Mein darauffolgender Rückzahlungsantrag an das Finanzamt führte lediglich dazu, dass mir der Betrag von € 170,64 rückerstattet wurde. Die in der Begründung der Beschwerdevorentscheidung angeführte Einlassung, "die Rückzahlung des vom Drittschuldner zu viel an uns überwiesenen Betrages in Höhe von 170,64 Euro erfolgte am .'' ist irreführend. Es ist kaum vorstellbar, dass der Drittschuldner freiwillig zu viel überwiesen haben könnte, vielmehr wird es so sein, dass seitens des Finanzamtes ein zu hoher Betrag gepfändet wurde.

6. Durch das fehlerhafte Verhalten des Finanzamtes hinsichtlich der verwendeten falschen Adresse wurden widerrechtlich Beträge von meiner Pension gepfändet. Darüber hinaus wurde ein über den Pfändungsbeschluss hinausgehender Betrag ohne jede Rechtsgrundlage und weitere Begründung gepfändet. Nur durch mein Einschreiten wurde mir gegenüber dieser Umstand zugegeben. Ein derartiges Fehlverhalten seitens der Behörden kann nur dadurch geheilt werden, dass der ursprüngliche Zustand wiederhergestellt wird. Das allerdings hat das Finanzamt bisher ohne jede Begründung verweigert.

7. Nach Bekanntwerden der Tatsache, das ein überhöhter Betrag gepfändet wurde, hätte das Finanzamt von sich aus Schritte unternehmen müssen, diesen Betrag unverzüglich wieder rückzuerstatten. Auch das wurde verabsäumt, das ist mir erst durch einen entsprechenden Antrag gelungen. Da die Erstattung des überhöht gepfändeten Betrages erst am , also erst ca. 3 Monate nach der Pfändung, durchgeführt wurde, liegt die Vermutung nahe, dass ohne mein Einschreiten und den entsprechenden Antrag keine Erstattung erfolgt wäre. Daher ist offenkundig, dass dieser Betrag ohne mein Einschreiten niemals rückerstattet worden wäre.

Aufgrund der eindeutigen Faktenlage muss ich darauf bestehen und den ANTRAG stellen, den gesamten gepfändeten Betrag mir unverzüglich zu überweisen, um den ordnungsgemäßen und rechtmäßigen Zustand vor der Pfändung wiederherzustellen.

Darüber hinaus beantrage ich eine Entschädigung für die mir entstandenen Unannehmlichkeiten, Zeit und Kosten, die ich aufgrund des zweifelsfrei fehlerhaften Verhaltens des Finanzamtes nicht zu vertreten habe."

Vorlage ans BFG

Mit Vorlagebericht vom (eine Ausfertigung davon wurde auch dem Bf. übersandt) legte das FA die Beschwerde dem BFG zur Entscheidung vor. Dabei gab das FA folgende Stellungnahme ab:

"Die Vorlage der Beschwerde erfolgt unter Bezugnahme auf die Begründung der Beschwerdevorentscheidung mit dem Antrag auf Abweisung. Im Hinblick auf die angeführten Zustellmängel ist festzuhalten, dass die Verfügungsverbote auch an die richtige Adresse zugestellt wurden (siehe oben im Sachverhalt). Dass eine Vollstreckbarkeit des Abgabenrückstandes gegeben war, ist unstrittig, zumal die Festsetzung der (bei Pfändung) rückständigen Abgaben dem Abgabepflichtigen auch bekannt sein musste. Die Festsetzung der Gebühren samt Erhöhung, sowie der Beschwerdevorentscheidung mit der Abweisung der dagegen erhobenen Beschwerde wurden dem Abgabpflichtigen auch an die zutreffende Adresse mit Rückschein zugestellt. Hierzu wird auf die vorgelegten Unterlagen verwiesen. Eine einlangende Überzahlungen ist auch bereits zurück überwiesen worden."

Beweiserhebung durch das BFG

Vom Bundesfinanzgericht wurde zunächst Beweis erhoben durch Einsicht in die vom Finanzamt elektronisch vorgelegten Teile des Finanzamtsaktes StNr. 10-***BF1StNr2*** (siehe dazu das Aktenverzeichnis des Finanzamtes) und durch Abfragen im Abgabeninformationssystem des Bundes (kurz AIS) zur StNr 10-***BF1StNr2*** und ergibt sich daraus der oben dargestellte Verfahrensablauf.

Ermittlungsauftrag ans FA

Am richtete das BFG einen Ermittlungsauftrag an das FA. Darin wurde das FA aufgefordert, bis zum Ermittlungen darüber durchzuführen, ob an den Beschwerdeführer vor Erlassung der Pfändungsbescheide eine Buchungsmitteilung und/oder eine Mahnung zugestellt wurde. Weiters wurde das FA um Übersendung einer Ausfertigung des Rückstandsausweises gebeten.

Dabei verwies das BFG ua auf Folgendes:

"Nach der Aktenlage wurden der Gebührenbescheid und der Bescheid über die Gebührenerhöhung vom (die hinsichtlich der Zahlungsfrist gemäß § 210 Abs. 4 BAO bzw des Fälligkeitstermins auf die gesondert ergehende Buchungsmitteilung verweisen) an die aktuelle Adresse des Bf. (***2***) adressiert. Auch die die Beschwerdevorentscheidung in der Gebührenangelegenheit vom erging an die aktuelle Adresse und wurde dem Bf. nachweislich am zugestellt.

Aus den vorgelegten Aktenteilen und der Stellungnahme im Vorlagebericht ist jedoch nicht zu entnehmen, ob die Buchungsmitteilung, die Mahnung und die zwei Zahlungsaufforderungen an die aktuelle Adresse gesandt wurden oder ob diese noch an die - offensichtlich bis Jänner 2020 in den Grunddaten gespeicherte "alte" Adresse (***4***) übersandt wurde. Ebenso ist nicht aktenkundig, wann diese Verfahrensschritte vom FA gesetzt wurden und welchen Inhalt (zB Mahnfrist) diese Erledigungen hatten.

Diese Verfahrensschritte sind hier insofern von Relevanz, als nach § 227 Abs. 1 BAO vollstreckbar gewordene Abgabenschuldigkeiten grundsätzlich einzumahnen sind.

Die Mahnung wird gemäß § 227 Abs. 2 BAO durch Zustellung eines Mahnschreibens (Mahnerlagscheines) vollzogen, in dem der Abgabepflichtige unter Hinweis auf die eingetretene Vollstreckbarkeit aufgefordert wird, die Abgabenschuld binnen zwei Wochen, von der Zustellung an gerechnet, zu bezahlen (Mahnklausel). Ein Nachweis der Zustellung des Mahnschreibens ist nicht erforderlich; bei Postversand wird die Zustellung des Mahnschreibens am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post vermutet.

Gemäß § 227 Abs.4 lit a BAO ist eine Mahnung dann nicht erforderlich, wenn dem Abgabepflichtigen spätestens eine Woche vor dem Eintritt der Fälligkeit, oder wenn eine Mahnung bis dahin nicht erfolgt sein sollte, spätestens eine Woche vor dem Ablauf der gesetzlich zustehenden oder durch Bescheid zuerkannten Zahlungsfrist eine Verständigung (Buchungsmitteilung, Lastschriftanzeige) zugesendet wurde, die ihn über Art, Höhe und Zeitpunkt der Zahlungsverpflichtung unterrichtet.

Sowohl bei zwingend vorgesehen Mahnungen als auch bei freiwilligen Mahnungen ist während der Mahnfrist nach § 230 Abs. 1 BAO die Einbringung der gemahnten Abgabenschuldigkeiten gehemmt (vgl. Ritz, BAO6, § 227 Tz 4).

Trotz "Vollstreckungshemmung" zwangsweise eingebrachte Abgaben sind "zu Unrecht zwangsweise eingebrachte" Abgaben iSd § 241 Abs. 1 BAO (vgl. Ritz, BAO6 § 230 Tz 1).

Gemäß § 15 Abs. 2 AbgEO ist eine gesetzwidrig oder irrtümlich erteilte Bestätigung der Vollstreckbarkeit vom Finanzamt, das den Exekutionstitel ausgestellt hat, von Amts wegen oder auf Antrag des Abgabenschuldners aufzuheben.

Das FA wird daher aufgefordert bis zum Ermittlungen darüber durchzuführen, ob an den Beschwerdeführer vor Erlassung der Pfändungsbescheide eine Buchungsmitteilung und/oder eine Mahnung zugestellt wurde.

Weiters wird das FA um Übersendung einer Ausfertigung des Rückstandsausweises gebeten.

Im Übrigen wird bemerkt, dass für das Bundesfinanzgericht auf Grund der vorgelegten Aktenteile nicht nachvollziehbar ist, weshalb für die Abgabenschuldigkeiten iHv € 360,00 nicht nur gleichzeitig sowohl bei der PVA als auch bei der ***3*** Pensionskassen AG eine Pfändung von Geldforderungen (inklusive Gebühren und Barauslagen für die Pfändung) iHv € 378,65 erfolgte, sondern auch bei beiden Drittschuldnern gleichzeitig vollzogen wurde, sodass es zur "Überzahlung" von € 170,64 gekommen ist. Sollte sich dazu näheres aus dem Einbringungsakt ergeben, wird um Übersendung des Aktes gebeten."

Stellungnahme des FA vom

Am übermittelte das FA dem BFG eine Stellungnahme mit folgendem Inhalt:

"Zum Ermittlungsauftrag und den aufgeworfenen Fragen wird die chronologische Zusammenfassung durch die Abgabensicherung samt den im Einzelnen angeführten Beilagen vorgelegt.
Ergänzend wird berichtet, dass nach den Erhebungen auch im Bemessungsakt ein Rücklangen der automatisierten Ausfertigungen Buchungsmitteilung oder Mahnung, die an die Adresse in ***4*** erstellt wurden, nicht ersichtlich ist.

Wie sich aus der chronologischen Aufstellung der Abgabensicherung ergibt, ist das erstmalige Rücklangen eines Schreibens an die Adresse in ***4***, der Zahlungsaufforderung vom beim Finanzamt erst am zu verzeichnen. Dies erfolgte aber nicht unmittelbar in der Abgabensicherung, weshalb es zu der Überschneidung gekommen ist und auch die Lohnpfändung durch die Abgabensicherung, ausgefertigt am noch an die (alte) Adresse ***4*** ergangen ist. Die nachfolgende Neuzustellung (Datum ) an die Adresse ***2*** wurde wegen Annahmeverweigerung retourniert (Unterlagen bereits vorgelegt).

Zum gleichzeitigen Vollzug der Pfändung bei den beiden Drittschuldnern wird auf die Ausführungen zur Zusammenrechnung wegen des Existenzminimums durch die Abgabensicherung verwiesen.
Dass beide Drittschuldner den gesamten Betrag ungekürzt und am selben Tag überwiesen haben, darauf hatte das Finanzamt keinen Einfluss. Aufgrund der Zahlung am selben Tag konnte auch keiner der Drittschuldner über eine Einstellung bzw. Einschränkung des Betrags informiert werden.
Die sich ergebende Überzahlung wurde aber, wie ersichtlich bereits an den Abgabepflichtigen zurückbezahlt."

Die erwähnte chronologische Zusammenfassung enthält folgende Darstellung:

" händischer Bescheid über die Festsetzung von Gebühren und Erhöhung

Adresse ***2***

Eine Buchungsmitteilung wurde gleichzeitig versendet. Da die Adresse im Zuge der Ausfertigung des händischen Bescheides nicht geändert wurde

Adresse ***4***

In der EDV wurde der als Fälligkeitstag bestimmt.

Da die Buchungsmitteilung nicht rücklangte und die Abgabe nicht bis zum Fälligkeitstag entrichtet wurde, wurde eine Mahnung ausgefertigt.

1.) AUSDRUCK DER RÜCKSTANDSAUFGLIEDERUNG -
AUSFERTIGUNG DER MAHNUNG ERSICHTLICH ANBEI

Adresse ***4***

Die Mahnfrist war ungenutzt verstrichen um zum monatlichen Einhebungsdienst ein Rückstandsausweis ausgefertigt.

2.) KOPIE ANBEI

In Bearbeitung des Rückstandsausweises wurde eine Zahlungsanforderung versendet.

Adresse ***4***

Der Abgabenrückstand ist unverändert offen und es ergeht eine zweite Zahlungsaufforderung.

Adresse ***4***

Die Zahlungsaufforderung vom kommt retour.

3.) KOPIE ZAHLUNGSAUFFORDERUNG UND KUVERT ANBEI

Wird eine Lohnpfändung ausgefertigt und mit internationalem Rückschein versendet.

Adresse ***4***

Zu diesem Zeitpunkt ist die rückgelangte Zahlungsaufforderung noch nicht in der Abgabensicherung eingelangt. Daher kam es zu dieser Überschneidung.

Ausfertigung eines Rückstandsausweises auf Grund der, mit der Lohnpfändung festgesetzten Pfändungsgebühren.

4.) KOPIE ANBEI

Die Lohnpfändung vom kommt retour.

5.) KUVERT ANBEI

Die zweite Zahlungsaufforderung kommt retour

6.) KUVERT ANBEI

Zusammenfassend ist zu sagen, dass dem Abgabenschuldner weder eine Buchungsmitteilung noch eine Mahnung vor der Ausfertigung der Lohnpfändung an die Adresse in ***2*** zugesendet wurde, sondern diese Zustellungen an die Adresse in ***4*** adressiert waren.

Die Adresse wurde erst im Zuge der Neuzustellung des Verfügungsverbotes am in den Grunddaten geändert. Die Annahme wurde jedoch verweigert und eine Beschwerde gegen den Pfändungsbescheid eingebracht.

Über die Lohnpfändung

Die Lohnpfändung bei mehreren auszahlenden Stellen ist damit begründet, dass nur durch die Zusammenrechnung eine Pfändungsmöglichkeit auf Grund der Überschreitung des Existenzminimums erreicht wird.

Auf den Umstand, dass es mehrere auszahlende Stellen gibt und diese eine gemeinschaftliche Auszahlung nach den Bezügen vorzunehmen haben wird im Bescheid Zusammenrechnung beschränkt pfändbarer Geldforderungen gern. § 292 EO i. V. m. §53 AbgEO hingewiesen.

7.) KOPIEN DER BESCHEIDE ANBEI

Von der PVA wurde ein Betrag von € 233,31 überwiesen. Die ***3*** AG hat jedoch am gleichen Tag nicht nur den Differenzbetrag, sondern € 315,98 überwiesen. Diese Zahlung führte zu einer Überzahlung von €170,64.

Dieses Guthaben wurde dem Abgabenschuldner rücküberwiesen."

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Auf Grund der ergänzenden Ermittlungen und der vom FA nachgereichten Unterlagen gelangte das BFG zu folgenden ergänzenden Feststellungen über den maßgeblichen Sachverhalt:

Die vom FA automatisiert erstellte Buchungsmitteilung nennt als Fälligkeitstag bzw Ende der Zahlungsfrist nach § 210 Abs. 4 BAO den . Die Übersendung der Buchungsmitteilung erfolgte - anders als der händisch erstellte Bescheid, der dem Bf. an seiner aktuellen Adresse in ***2*** zugestellt wurde - an eine nach wie vor in den Grunddaten des Abgabeninformationssystem des Bundes (kurz AIS) gespeicherte frühere Adresse des Bf. in ***4***.

Da die Abgabenschuldigkeiten nicht bis zum Fälligkeitstag entrichtet worden war, fertigte das FA am eine Mahnung an den Bf. aus. Die Übersendung erfolgte abermals an die frühere Adresse des Bf. in ***4***.

Am und am fertigte das FA noch jeweils eine Zahlungsanforderung aus. Die Übersendung erfolgte abermals an die in den Grunddaten gespeicherte frühere Adresse des Bf. in ***4***.

Am langte die Zahlungsaufforderung vom mit dem Postvermerk "Empfänger verzogen" wieder beim FA ein.

Die Buchungsmitteilung, die Mahnung sowie die Zahlungsaufforderungen erreichten den Bf. nicht, weil diese vom FA an die nicht mehr aktuelle Adresse des Bf. adressiert wurden. Zu diesem Fehler kam es, weil die Grunddaten im Abgabeninformationssystem des Bundes irrtümlich nicht aktualisiert worden waren, obwohl dem FA aus dem Verfahren zu ***1*** die aktuelle Adresse des Bf. bekannt war.

Beweiswürdigung

Durch die vom FA nachgereichten Unterlagen und die Ausführungen in der Stellungnahme vom ist klargestellt, dass die automatisiert ergehenden Erledigungen wie Buchungsmitteilung, Mahnung und Zahlungsaufforderungen alle noch an die frühere Adresse des Bf. adressiert wurden. Auch wenn erst am eine Zahlungsaufforderung mit dem Postvermerk "Empfänger verzogen" wieder beim FA einlangte, so ist es doch bei ohne Zustellnachweis übersandten Poststücken nicht ungewöhnlich, dass diese vom Zusteller ohne zu überprüfen, ob der Adressat tatsächlich noch an der angegebenen Adresse wohnt, in den Postkasten eingeworfen werden und dass keine Retournierung der Poststücke erfolgt. Im Zweifel hat die Abgabebehörde bei ohne Zustellnachweis übersandten Dokumenten die Tatsache der Zustellung von Amtswegen festzustellen (vgl. § 26 Abs. 2, 2. Satz, ZustG). Derartige Zweifel liegen hier vor und ist daher auf Grund der Angaben des Bf. bei der rechtlichen Beurteilung davon auszugehen, dass den Bf. weder die Buchungsmitteilung, noch die Mahnung und auch die beiden Zahlungsaufforderungen tatsächlich nicht erreicht haben.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Die Vorschrift des § 198 Abs. 2 BAO sieht vor, dass Abgabenbescheide im Spruch die Art und Höhe der Abgaben, den Zeitpunkt ihrer Fälligkeit und die Grundlagen der Abgabenfestsetzung (Bemessungsgrundlagen) zu enthalten haben.

Nach § 210 Abs. 1 BAO werden Abgaben unbeschadet der in Abgabenvorschriften getroffenen besonderen Regelungen mit Ablauf eines Monates nach Bekanntgabe (§ 97 BAO) des Abgabenbescheides fällig.

Nach § 97 Abs. 1 BAO werden Erledigungen dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind.

Wurde die Zustellung ohne Zustellnachweis angeordnet, wird das Dokument gemäß § 26 Abs. 1 ZustG zugestellt, in dem es in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeinrichtung (§17 Abs. 2) eingelegt oder an der Abgabestelle zurückgelassen wird.

Gemäß § 26 Abs. 2 ZustG gilt die Zustellung als am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan bewirkt. Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung von Amts wegen festzustellen.

Fehlen im Spruch eines Bescheides nur die Angaben über die Fälligkeit der Abgabe, bedeutet dies noch nicht, dass kein rechtswirksamer Bescheid vorläge. Denn die Fälligkeit einer Abgabenschuld ergibt sich, wenn in den Abgabenvorschriften keine besonderen Regelungen getroffen sind, schon aus dem Gesetz (dem oben zitierten § 210 BAO) selbst (vgl. ; , 13/2900/80; , 97/17/0401).

Der Gebührenbescheid und der Bescheid über eine Gebührenerhöhung vom wurden dem Bf. an seine aktuelle Wohnadresse zugestellt und hat der Bf. dagegen bereits am Beschwerde eingehoben, weshalb kein Zweifel besteht, dass ihm diese auch tatsächlich zugekommen sind. Nach der gesetzlichen Vermutung des § 26 Abs. 2 ZustG wäre davon auszugehen, dass die Bescheide vom Di, dem Bf. am Fr, 12.42019 zugekommen sind und wäre demnach die Fälligkeit 1 Monat später am eingetreten, weshalb der Bf. durch die vom FA angenommene Fälligkeit am nicht beschwert wird.

Gemäß § 226 erster Halbsatz BAO sind Abgabenschuldigkeiten, die nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet werden, in dem von der Abgabenbehörde festgesetzten Ausmaß vollstreckbar.

Vollstreckbar gewordene Abgabenschuldigkeiten sind gemäß § 227 Abs. 1 BAO einzumahnen.

Gemäß § 227 Abs.4 lit a BAO ist eine Mahnung nicht erforderlich, wenn dem Abgabepflichtigen spätestens eine Woche vor dem Eintritt der Fälligkeit, oder wenn eine Mahnung bis dahin nicht erfolgt sein sollte, spätestens eine Woche vor dem Ablauf der gesetzlich zustehenden oder durch Bescheid zuerkannten Zahlungsfrist eine Verständigung (Buchungsmitteilung, Lastschriftanzeige) zugesendet wurde, die ihn über Art, Höhe und Zeitpunkt der Zahlungsverpflichtung unterrichtet oder der Abgabepflichtige auf elektronischem Wege (§ 98 Abs. 2) davon in Kenntnis gesetzt wurde, dass auf dem Abgabenkonto Buchungen erfolgt sind.

Als Grundlage für die Einbringung ist gemäß § 229 BAO über die vollstreckbar gewordenen Abgabenschuldigkeiten ein Rückstandsausweis elektronisch oder in Papierform auszustellen. Dieser hat den Namen und Anschrift des Abgabepflichtigen, den Betrag der Abgabenschuld zergliedert nach Abgabenschuldigkeiten und den Vermerk zu enthalten, dass die Abgabenschuld vollstreckbar geworden ist (Vollstreckbarkeitsklausel).

Wenn eine vollstreckbar gewordene Abgabenschuldigkeit gemäß § 227 BAO eingemahnt werden muss, dürfen gemäß § 230 Abs. 1 BAO Einbringungsmaßnahmen erst nach ungenütztem Ablauf der Mahnfrist, bei Einziehung durch Postauftrag erst zwei Wochen nach Absendung des Postauftrages oder bei früherem Rücklangen des nicht eingelösten Postauftrages eingeleitet werden. Ferner dürfen, wenn die Abgabenbehörde eine Abgabenschuldigkeit einmahnt, ohne dass dies erforderlich gewesen wäre, innerhalb der Mahnfrist Einbringungsmaßnahmen weder eingeleitet noch fortgesetzt werden.

Gemäß § 241 Abs. 1 BAO ist - wenn eine Abgabe zu Unrecht zwangsweise eingebracht wurde - der zu Unrecht entrichtete Betrag über Antrag zurückzuzahlen.

Gemäß § 241 Abs. 3 BAO können Anträge nach Abs. 1 bis zum Ablauf des dritten Kalenderjahres gestellt werden, das auf das Jahr folgt, in dem der Betrag zu Unrecht entrichtet wurde.

Gemäß § 4 Abgabenexekutionsordnung (AbgEO) ist ein über Abgaben ausgestellter Rückstandsausweis Exekutionstitel für die Vollstreckung von Abgabenansprüchen.

§ 7 Abs. 1 AbgEO bestimmt Folgendes:
"(1) Soweit erforderlich, können im abgabenbehördlichen Vollstreckungsverfahren mehrere der in § 3 Abs. 2 genannten Vollstreckungsarten gleichzeitig angewendet werden.

(2) Die Vollstreckung darf nicht in weiterem Umfange vollzogen werden, als es zur Verwirklichung des Anspruches notwendig ist.

(3) Auf die bis zur Befriedigung vorausichtlich noch erwachsenden Kosten ist Bedacht zu nehmen.

(4) Die Verfügungen des Vollstreckungsverfahrens können, sofern dieses Bundesgesetz nichts anderes bestimmt, schon vor Ablauf der Rechtsmittelfrist in Vollzug gesetzt werden."

Gemäß § 53 AbgEO sind im abgabenbehördlichen Vollstreckungsverfahren die Bestimmungen der §§ 290 bis einschließlich 291a, der §§ 291d, 291e, 292, 292d, 292e, 292f, 292g, 292h Abs. 1, 292j und 299a der EO sinngemäß anzuwenden.

Gemäß § 290a Abs. 1 Z 4 EO dürfen Ruhe-, Versorgungs- und andere Bezüge für frühere Arbeitsleistungen, wie zB die Pensionen aus der gesetzlichen Sozialversicherung einschließlich der Ausgleichszulagen und die gesetzlichen Leistungen an Kleinrentner nur nach Maßgabe des § 291a oder des § 291b gepfändet werden.

Gemäß § 291a Abs. 1 EO haben dem Verpflichteten beschränkt pfändbare Forderungen, bei denen der sich nach § 291 ergebende Betrag (Berechnungsgrundlage) bei monatlicher Leistung den Ausgleichszulagenrichtsatz für alleinstehende Personen (§ 293 Abs. 1 lit. a ASVG) nicht übersteigt, zur Gänze zu verbleiben (allgemeiner Grundbetrag).

Gemäß § 291a Abs. 2 Z 1 EO erhöht sich der Betrag nach Abs. 1 um ein Sechstel, wenn der Verpflichtete keine Leistungen nach § 290b erhält (erhöhter allgemeiner Grundbetrag).

Übersteigt die Berechnungsgrundlage den sich aus Abs. 1 und 2 ergebenden Betrag, so verbleiben dem Verpflichteten gemäß § 291a Abs. 3 Z 1 EO neben diesem Betrag 30% des Mehrbetrags (allgemeiner Steigerungsbetrag).

Hat der Verpflichtete gegen einen Drittschuldner mehrere beschränkt pfändbare Geldforderungen oder beschränkt pfändbare Geldforderungen und Ansprüche auf Sachleistungen, so hat sie der Drittschuldner gemäß § 292 Abs. 1 EO zusammenzurechnen.

Hat der Verpflichtete gegen verschiedene Drittschuldner beschränkt pfändbare Geldforderungen oder beschränkt pfändbare Geldforderungen und Ansprüche auf Sachleistungen, so hat das Gericht gemäß § 292 Abs. 2 EO auf Antrag die Zusammenrechnung anzuordnen.

Bei der Zusammenrechnung mehrerer beschränkt pfändbarer Geldforderungen gegen verschiedene Drittschuldner sind gemäß § 292 Abs. 3 EO die unpfändbaren Grundbeträge in erster Linie für die Forderung zu gewähren, die die wesentliche Grundlage der Lebenshaltung des Verpflichteten bildet. Das Gericht hat den Drittschuldner zu bezeichnen, der die unpfändbaren Grundbeträge zu gewähren hat.

Der Regelungszweck dieser Bestimmung liegt darin, dass der Gesetzgeber dem Verpflichteten nicht von jedem Arbeitseinkommen erneut den vollen Freibetrag unpfändbar belassen wollte, sondern nur jenen Betrag, der auch frei zu lassen wäre, wenn der Verpflichtete nicht mehrere Bezüge, sondern ein einheitliches Arbeitseinkommen hätte. Jeder Verpflichtete soll gleich behandelt werden, unabhängig davon, ob er eine Leistung oder mehrere pfändbare Leistungen in jeweils gleicher Gesamthöhe erhält. In diesem Fall sollen die unpfändbaren Grundbeträge nur einmal zustehen ( 8 Ob A 2250/96g).

Es ist daher grundsätzlich rechtens, dass bei Bezug von mehreren Pensionen gleichzeitig bei beiden pensionsauszahlenden Stellen unter Anordnung der Zusammenrechnung nach § 292 EO iVm § 53 AbgEO Pfändungen vorgenommen werden.

Gemäß § 13 Abs. 1 AbgEO hat der Abgabenschuldner, wenn er bestreitet, dass die Vollstreckbarkeit eingetreten ist oder wenn er behauptet, dass das Finanzamt auf die Einleitung der Vollstreckung überhaupt oder für eine einstweilen noch nicht abgelaufene Frist verzichtet hat, seine bezüglichen Einwendungen beim Finanzamt (§ 12 Abs. 2) geltend zu machen.

Gemäß § 15 Abs. 1 AbgEO sind im Exekutionstitel (§ 4) unterlaufene offenbare Unrichtigkeiten von Amts wegen oder auf Antrag des Abgabenschuldners zu berichtigen.

Gemäß § 15 Abs. 2 AbgEO ist eine gesetzwidrig oder irrtümlich erteilte Bestätigung der Vollstreckbarkeit vom Finanzamt, das den Exekutionstitel ausgestellt hat, von Amts wegen oder auf Antrag des Abgabenschuldners aufzuheben. Mit diesem Antrag kann der Antrag auf Einstellung oder Aufschiebung der Vollstreckung verbunden werden.

Zu Unrecht zwangsweise eingebracht ist eine Abgabe dann, wenn ihre Tilgung in einem Zwangsvollstreckungsverfahren zu Unrecht erzwungen wurde (Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3, § 241 Anm.3).

Die in § 230 Abs 1 bis 6 BAO genannten Hemmungsgründe sind von Amts wegen wahrzunehmen und bedürfen daher keiner speziellen "Parteieneinrede" (vgl Stoll, BAO-Kommentar 2383).

Die Hemmung der Einbringung läuft im Ergebnis für die Dauer der Wirksamkeit der Hemmungsgründe auf eine "Vollstreckungssperre" hinaus (vgl Stoll, BAO-Kommentar 2383).

Werden während einer aufrechten Vollstreckungssperre Einbringungsmaßnahmen eingeleitet oder weitergeführt, so können dagegen Einwendungen gemäß § 12 oder § 13 AbgEO erhoben werden, über die mit (rechtsmittelfähigen) Bescheid zu entscheiden ist. Bis dahin trotz aufrechter Vollstreckungssperre zwangsweise eingebrachte Abgaben gelten als "zu Unrecht zwangsweise eingebracht" und sind daher gemäß § 241 Abs 1 zurückzuzahlen (vgl Stoll, BAO-Kommentar 2383; Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 230 Anm 1 bis 3; Ritz, BAO6 § 230 Tz 1).

Über das Erreichen des Rechtszustandes der Vollstreckbarkeit ergeht kein Bescheid. Ab dem Zeitpunkt, in dem dieser Zustand kraft Gesetz eingetreten ist, ist die Ausstellung eines Rückstandsausweises (§ 229) zulässig, und es kann Exekution geführt werden. Die Frage des Eintrittes der Vollstreckbarkeit kann daher nicht unmittelbar im Wege eines eigenen (vorgelagerten) Rechtsmittelverfahrens geprüft werden. Der Vollstreckungsschuldner hat jedoch die Möglichkeit, Einwendungen nach § 13 AbgEO zu erheben und darin auch zu bestreiten, dass die Vollstreckbarkeit des Anspruches nach § 226 eingetreten und die darauf abstellenden Folgen (Ausstellung eines Exekutionstitels etc) gesetzmäßig waren. Über diese Einwendungen im Vollstreckungsverfahren ist bescheidmäßig abzusprechen, wodurch wiederum eine Überprüfung im verwaltungsgerichtlichen Rechtsmittelverfahren ermöglicht wird (vgl Stoll, BAO-Kommentar 2366; Ritz, BAO6 § 226 Tz 3; Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 226 Anm 15; Unger in Althuber/Tanzer/Unger (Hrsg), BAO Handbuch (2015) zu § 226 BAO, Seite 660)

Werden ohne zwingend vorgesehene Mahnung oder in der Mahnfrist Vollstreckungsmaßnahmen gesetzt, so kann der Abgabenschuldner diese Rechtswidrigkeit jedoch durch Einwendungen gemäß § 13 AbgEO geltend machen (vgl Stoll, BAO-Kommentar 2372).

Bei Zustellung des Mahnschreibens durch die Post besteht nach § 227 Abs 2 zweiter Satz die Vermutung, die Zustellung sei am dritten Tag nach der Postaufgabe erfolgt. Diese Vermutung ist widerlegbar (Ritz, BAO6 § 227 Tz 2 mwN).

Mangels Möglichkeit einer unmittelbaren Bekämpfung mittels Bescheidbeschwerde vor den Verwaltungsgerichten muss die Rechtswidrigkeit von Rückstandsausweisen in Einwendungen nach § 13 AbgEO bzw mit einem Antrag nach § 15 Abs 2 AbgEO geltend gemacht werden (vgl ​; ). Entspricht die Abgabenbehörde einem solchen Vorbringen nicht oder nicht voll, so muss hierüber mit Bescheid abgesprochen werden, wodurch wiederum die Möglichkeit eines verwaltungsgerichtlichen Rechtsmittelverfahrens eröffnet wird (vgl. Unger in Althuber/Tanzer/Unger (Hrsg), BAO Handbuch (2015) zu § 229 BAO, Seite 669).

Der Bf. hat sich in seiner Beschwerde durch den Hinweis auf die Verwendung der alten Adresse implizit auch Einwendungen gegen die Vollsteckbarkeit erhoben. Durch die ergänzenden Ermittlungen steht nunmehr fest, dass den Bf. weder die Buchungsmitteilung, noch die Mahnung noch die beiden Zahlungsaufforderungen zugekommen sind, und fehlen somit die Voraussetzungen für die Vollstreckbarkeit der Abgabenschuldigkeiten iHv € 360,00.

Die Pfändungsbescheide wurden daher zu Unrecht erlassen und sind die Pfändungsbescheide, mit denen auch Gebühren und Barauslagen iHv € 18,65 festgesetzt wurden, aufzuheben.

Über den in der Beschwerde enthaltenen Antrag auf Rückzahlung der zu Unrecht gepfändeten Beträge (Antrag iSd § 241 Abs. 1 BAO) wurde bislang noch nicht vom FA bescheidmäßig abgesprochen und ist dieser Antrag daher nicht Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens. Im gegenständlichen Verfahren war nur die Rechtmäßigkeit der Erlassung der Pfändungsbescheide zu überprüfen. Zur Klarstellung wird lediglich angemerkt, dass die gegenständliche Entscheidung nichts daran ändert, dass infolge der Rechtskraft des Gebührenbescheides und des Bescheides über die Gebührenerhöhung vom Bf. ein Abgabenbetrag iHv € 360,00 durch den Bf. zu entrichten ist, hingegen ist durch die nunmehrige Entscheidung die Verpflichtung zur Entrichtung von Nebengebühren iHv € 18,65 wegefallen und werden diese -bereits zwangsweise eingebrachten Beträge - dem Bf. von der Abgabenbehörde zu erstatten sein.

Zum Antrag auf Entschädigung für die entstandenen Unannehmlichkeiten, Zeit und Kosten wird auf die Bestimmung des § 313 BAO verwiesen. § 313 BAO normiert, dass die Parteien die ihnen im Abgabenverfahren und im Beschwerdeverfahren erwachsenden Kosten selbst zu bestreiten haben. Die Geltendmachung allfälliger zivilrechtlicher Ansprüche fällt nicht in den Aufgabenbereich des Bundesfinanzgerichtes (und auch nicht in den Aufgabenbereich der Abgabenbehörde).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision ist nicht zulässig, weil sich die Entscheidung auf die oben zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stützen konnte und sich die Rechtsfolgen direkt aus dem Gesetz ergeben.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 227 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 230 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 241 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 13 Abs. 1 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949
§ 15 Abs. 1 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7102220.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at