Versicherungsbeiträge, die von einem gemeinsamen Konto abgeführt werden, als Werbungskosten.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri***
in der Beschwerdesache der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Winkler & Partner Wirtschaftstreuhand und Steuerberatungs GmbH & Co KG, Alpstraße 23, 6890 Lustenau,
betreffend die Bescheide des ***FA*** vom hinsichtlich Einkommensteuer 2016 und 2017, Steuernummer ***BF1StNr1***,
zu Recht erkannt:
Den Beschwerden wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind den am Ende der Entscheidungsgründe als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen, die einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses bilden.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Die angefochtenen Bescheide enthielten die Begründung, Aufwendungen Steuerpflichtiger seien nur dann als Werbungskosten zu berücksichtigen, wenn sie mit den Einkünften in direktem Zusammenhang stünden. Deshalb könnten Versicherungsbeiträge nur dann Berücksichtigung finden, wenn der Arbeitnehmer selbst zur Zahlung verpflichtet sei. Ersatzleistungen eines Ehegatten an den zahlungsverpflichteten anderen Ehegatten seien nicht abzugsfähig. Die vom Partner der Beschwerdeführerin geleisteten Beiträge an die ***1*** Versicherung könnten insofern nicht anerkannt werden.
Weiters wurde auf ein höchstgerichtliches Erkenntnis, das zu Sonderausgaben ergangen war, hingewiesen.
Die Beschwerdeführerin brachte durch ihre steuerliche Vertretung Beschwerden ein, in denen ausgeführt wurde:
Sie sei Grenzgängerin in die Schweiz. Sie verfüge als Krankenversicherungsschutz über eine private Krankenversicherung bei der ***1*** Versicherung. Versicherungsnehmer dieser Polizze sei der Ehemann der Beschwerdeführerin. Beide Ehegatten erhielten jeweils einen Bezug von der ***2*** AG mit Sitz in der Schweiz. Die Bezüge der Ehegatten würden jeweils auf ein Bankkonto bei der ***3*** zur Auszahlung gebracht. Von diesem Konto aus fänden regelmäßig Übertragungen auf das Konto bei der ***4*** Sparkasse statt, aus welchem der Lebensunterhalt der Familie der Beschwerdeführerin bestritten werde. Ebenso werde von diesem Konto die Prämie zur genannten Versicherung bei der ***1*** zur Verrechnung gebracht (als Nachweis wurde ein Kontoauszug angeschlossen).
Die Eheleute verfügten zudem über gemeinsame Vermietungseinkünfte und der Ehemann habe auch ein Einzelunternehmen in Österreich.
Es sei davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin mit ihrem Bezug von der ***2*** AG zur Abdeckung des Lebensunterhaltes und in weiterer Folge zu Entrichtung der Prämie für die genannte ***1*** Versicherung für die Familie in einem nicht vernachlässigbaren Ausmaß beitrage. Daraus könne gefolgert werden, dass der Ehemann nicht alleine die Prämie für die Krankenversicherung bei der ***1*** Versicherung trage und bei der Beschwerdeführerin eine monetäre Belastung gegeben sei, die zu einem Werbungskostenabzug nach § 16 EStG 1988 berechtige.
Es werde daher beantragt, die Werbungskosten für die Krankenversicherung i.H.v. € 4.786,80 für das Jahr 2017 sowie i.H.v. € 4.493,28 für das Jahr 2016 im Sinne des § 16 EStG 1988 anzuerkennen und die Einkommensteuer wie in den ursprünglichen Bescheiden vom bzw. vom , festzusetzen.
In einer daraufhin ergehenden, abweisenden Beschwerdevorentscheidung wurde von Seiten des Finanzamtes ausgeführt:
Laut Bestätigung der ***1*** Versicherung AG ist der Ehemann der Beschwerdeführerin ***5*** der Versicherungsnehmer der privaten Krankenversicherung. Versichert sind die Beschwerdeführerin, ihr Gatte sowie ihre drei Kinder. Die Prämien werden vom gemeinsamen Konto der Ehegatten abgeführt.
Krankenversicherungsbeiträge von Grenzgängern in die Schweiz, die an ein privates Versicherungsunternehmen in Österreich geleistet würden, könnten zwar grundsätzlich als Werbungskosten gemäß § 16 Abs. 1 Z. 4 lit. e EStG 1988 abgesetzt werden. Im Beschwerdefall sei aber der Ehegatte der Beschwerdeführerin Versicherungsnehmer. Der Versicherungsnehmer schließe dem Versicherungsvertrag ab, sei über die Versicherungsleistung verfügungsberechtigt und aus dem Vertrag verpflichtet. Die Beschwerdeführerin sei mitversichert. Wirtschaftlich würden die Versicherungsprämien vom Ehegatten der Beschwerdeführerin getragen. Sie könnten somit nur bei ihm als Werbungskosten berücksichtigt werden.
Die Beschwerdeführerin brachte durch ihre steuerliche Vertretung einen Antrag auf Vorlage ihrer Beschwerden an das Bundesfinanzgericht ein. Sie verwies auf das bereits in den Beschwerden Vorgebrachte und ergänzte: Es sei unbestritten, dass ihr Ehemann als Versicherungsnehmer bei der ***1*** Versicherung geführt werde. Als Antragstellerin für die Gesundheitsvorsorge mit Versicherungsbeginn zur streitgegenständlichen Polizze scheine die Beschwerdeführerin auf (der entsprechende Antrag aus dem Kalenderjahr 2010 wurde als Beilage angeschlossen).
Aufgrund der Besonderheit, dass sowohl das Konto in Österreich als auch das Konto in der Schweiz (für den Eingang der Bezüge der Ehegatten) jeweils beiden Ehegatten zuzuordnen sei, sei davon auszugehen, dass die aus der genannten Polizze für die Beschwerdeführerin abgeführten Versicherungsprämien auch wirtschaftlich von ihr getragen würden.
Wirtschaftlich und nach dem Werbungskostenbegriff des § 16 EStG 1988 könne es keinen Unterschied machen, ob eine gemeinsame Krankenversicherungspolizze (ein Versicherungsnehmer, mehrere versicherte Personen) oder zwei getrennte Krankenversicherungspolizzen (zwei Versicherungsnehmer) vorlägen, wenn die Prämien in beiden Fällen von einem gemeinsamen Konto entrichtet würden - dies insbesondere dann, wenn das gemeinsame Konto von den Bezügen beider Ehegatten gespeist werde.
In einer Stellungnahme zum Vorlagebericht wurde von Seiten des Finanzamtes nochmals auf die Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung hingewiesen: Da der Ehemann der Beschwerdeführerin als Versicherungsnehmer aufscheine, verminderten die geleisteten Versicherungsbeiträge nicht die Einkünfte der Beschwerdeführerin.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
Sachverhalt:
Die Beschwerdeführerin ist Grenzgängerin in die Schweiz.
Als Krankenversicherungsschutz verfügt sie über eine private Krankenversicherung bei der inländischen ***1***-Versicherung.
Als Versicherungsnehmer scheint ***5***, der Gatte der Beschwerdeführerin, auf.
Der Versicherungsschutz bezieht sich auch auf die drei Kinder des Ehepaares.
Auf jede der fünf Personen entfällt eine individuelle Jahresprämie.
Die Jahresprämie für die Beschwerdeführerin betrug im Jahr 2016 € 4.493,28, im Jahr 2017 € 4.786,80.
Beide Ehegatten haben einen gemeinsamen Arbeitgeber in der Schweiz.
Die Gehälter beider Ehegatten werden auf ein gemeinsames Bankkonto bei der ***3*** in der Schweiz zur Auszahlung gebracht.
Von diesem Konto werden regelmäßig Übertragungen auf das gemeinsame Konto bei der ***4*** Sparkasse durchgeführt, aus welchem der Lebensunterhalt der Familie bestritten wird.
Auch die Krankenversicherungsprämien zur ***1***-Versicherung werden von diesem Konto in ***4*** abgeführt.
Die Feststellungen zum Sachverhalt gründen sich auf unstrittigen Akteninhalt.
Gesetzliche Grundlagen und rechtliche Würdigung:
Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.
Zu den Werbungskosten zählen gemäß § 16 Abs. 1 Z. 4 lit. a EStG 1988 die Beiträge des Versicherten zur Pflichtversicherung in der gesetzlichen Sozialversicherung.
Gemäß § 16 Abs. 1 Z. 4 lit. g leg. cit. zählen dazu auch Beiträge von Grenzgängern zu einer inländischen oder ausländischen gesetzlichen Krankenversicherung. Grenzgänger sind im Inland ansässige Arbeitnehmer, die im Ausland ihren Arbeitsort haben und sich in der Regel an jedem Arbeitstag von ihrem Wohnort dorthin begeben.
Gemäß § 21 Abs. 1 BAO ist für die Beurteilung abgabenrechtlicher Fragen in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend.
Strittig ist: Kann die Beschwerdeführerin den auf sie entfallenden Prämienanteil an der Krankenversicherung als Werbungskosten in Abzug bringen?
Nicht strittig ist die grundsätzliche Abzugsfähigkeit der Beiträge von Grenzgängern in die Schweiz, die an ein privates Versicherungsunternehmen in Österreich als Krankenversicherungsbeiträge entrichtet werden, als Werbungskosten.
Nach Lehre und Rechtsprechung knüpfen steuerliche Tatbestände nicht ausschließlich an formalrechtliche Gestaltungsvarianten an. Das Ertragsteuerrecht ist von der wirtschaftlichen Betrachtungsweise geprägt, d. h., ausschlaggebend ist das tatsächliche Geschehen, nicht allein die zivilrechtliche Gestaltung eines Vertrages. In wirtschaftlicher Betrachtungsweise kann sich eine Abweichung von der rechtlichen Gestaltung ergeben (vgl. etwa BFG RV/1100098/2017).
An gleiche Lebensvorgänge sollen sich gleiche abgabenrechtliche Folgen knüpfen und damit der Grundsatz der Steuergerechtigkeit verwirklicht werden.
Ob abgabenrechtliche Tatbestände, die an wirtschaftliche Vorgänge anknüpfen, verwirklicht worden sind, darf nur nach dem im Zuge der Sachverhaltsermittlung festgestellten (oder angenommenen) tatsächlichen wirtschaftlichen Geschehen und somit in wirtschaftlicher Betrachtungsweise völlig unabhängig und unbeeinflusst von dessen äußerer Erscheinungsform, insbesondere seiner zivilrechtlichen Gestaltung, beurteilt werden (vgl. Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3 § 21, Rz 1,2).
Die in § 21 Abs 1 BAO normierte wirtschaftliche Betrachtungsweise ist nicht als einseitig fiskalisch orientiertes Instrument aufzufassen; die Abgabenbehörde ist dazu verhalten, auf das tatsächliche Geschehen abzustellen, gleichgültig, ob der zwingend gebotene Durchgriff fiskalisch günstig oder ungünstig ist, und gleichgültig, ob durch die gewählte, dem Tatsächlichen nicht entsprechende formale Gestaltung Abgabenersparnisse beabsichtigt waren oder nicht ( vgl. Ellinger aaO, E17 mit Hinweisen auf die höchstgerichtliche Rechtsprechung).
Umgelegt auf den Streitfall ist aus all dem abzuleiten:
Die Gestaltungsvariante, wonach der Gatte der Beschwerdeführerin in zivilrechtlicher Hinsicht als Versicherungsnehmer der die ganze Familie betreffenden Krankenversicherung aufscheint, kann der Beschwerdeführerin nicht zum Nachteil gereichen. Es werden nämlich die Prämien von einem Konto abgeführt, das auch aus dem Gehalt der Beschwerdeführerin gespeist wird. Daraus darf geschlossen werden, dass nach dem tatsächlichen Geschehen die Beschwerdeführerin in wirtschaftlicher Betrachtungsweise zumindest den auf sie entfallenden Prämienanteil (siehe oben Sachverhalt) selbst trägt und ihn auch als Werbungskosten in Abzug bringen kann.
Der Lebensvorgang, wonach eine aus den Gehältern beider Ehegatten finanzierte Krankenversicherung für die gesamte Familie mit dem Ehemann als Versicherungsnehmer abgeschlossen wurde, kann nicht andere abgabenrechtliche Folgen nach sich ziehen, als wenn die Ehegattin als Versicherungsnehmerin einen Einzelkrankenversicherungsvertrag für sich selbst gewählt hätte.
Sofern seitens der Abgabenbehörde in der Beschwerdevorentscheidung ausgeführt wurde, da der Ehemann der Beschwerdeführerin als Versicherungsnehmer aufscheine, habe er "wirtschaftlich" (auch) die Versicherungsprämien für die Beschwerdeführerin getragen, kann dieser Sichtweise nicht gefolgt werden. Nach allen obenstehenden Ausführungen ist dieser Aufwand nämlich gerade in wirtschaftlicher Sichtweise der Beschwerdeführerin zuzurechnen.
Die im Streitfall geltend gemachten Krankenversicherungsbeiträge waren daher entsprechend dem Beschwerdevorbringen als Werbungskosten zu berücksichtigen und es war spruchgemäß zu entscheiden.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt gegenständlich nicht vor, weil die Thematik der wirtschaftlichen Betrachtungsweise bereits vielfach Gegenstand höchstgerichtlicher Erörterung war. Im Übrigen waren Sachverhaltsfragen zu beurteilen, die über den Einzelfall hinaus nicht von Interesse sind.
Feldkirch, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 16 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 16 Abs. 1 Z 4 lit. e EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 21 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.1100149.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at