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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.10.2020, RV/1100234/2017

Zulässigkeit von Aufrechnungen von aus Arbeitnehmerveranlagungen resultierenden Gutschriften mit Insolvenzforderungen nach Rechtskraft der Aufhebung des Insolvenzverfahrens

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Dr. Rudolf Rudari, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, Felderstraße 5, 6706 Bürs, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Abrechnung (§ 216 BAO) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Schriftsatz vom beantragte der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers (im Folgenden abgekürzt Bf.) die Erlassung eines Abrechnungsbescheides. Begründend brachte er vor, er habe für den Bf. die Dienstnehmerveranlagungen 2014 bis 2016 durchgeführt. Aus diesen Veranlagungen habe sich ein Guthaben in Höhe von insgesamt 3.210,00 € ergeben. Dieses Guthaben sei jedoch durch die Wiederaufnahme von Konkursforderungen aufgebraucht worden. Diese Vorgangsweise komme einer als rechtswidrig zu bewertenden Pfändung des Einkommens noch unter das Existenzminimum gleich, da der Bf. in den Veranlagungsjahren ein Einkommen unter dem Existenzminimum gehabt habe. Der Bf. habe Sorgepflichten für seine Gattin und für zwei, ab dem Jahr 2016 für drei Kinder. Es sei außerdem moralisch verwerflich, jemandem mit einem derart geringen Einkommen und den geschilderten Sorgepflichten noch jene Negativsteuer wegzunehmen, die zu einem großen Teil auf den Alleinverdienerabsetzbetrag zurückzuführen sei.

Mit Abrechnungsbescheid vom stellte das Finanzamt die Rechtmäßigkeit der Verbuchung der Gebarung fest. Begründend wurde ausgeführt, nach Rechtskraft des Konkursaufhebungsbeschlusses würde die Exekutionssperre enden und die Gläubiger könnten ihre unberichtigt verbliebenen (Insolvenz)Forderungen uneingeschränkt geltend machen. Die Aufrechnungsbestimmungen der §§ 19 und 20 IO seien ebenfalls außer Kraft gesetzt und es würden wieder die abgabenrechtlichen Verrechnungsbestimmungen gelten. Die Abgabenbehörde sei nicht nur berechtigt, sondern vielmehr gesetzlich verpflichtet, bestehende Abgabenforderungen mit bestehenden Guthabensansprüchen des Bf. zu verrechnen (§ 215 Abs. 1 BAO). Da nach Insolvenzaufhebung die beschränkenden Aufrechnungsbestimmungen der IO nicht mehr Gültigkeit hätten, habe die Abgabenbehörde die Verrechnung ungeachtet der Art der Entstehung des Abgaben(gutschrifts)anspruches unbeschränkt durchzuführen. Die Verrechnung mit den anderweitig gegen den Bf. noch aushaftenden Abgabenforderungen tilge die angeführte Gutschrift aus den Arbeitnehmerveranlagungen zur Gänze und es sei daher kein rückzahlbares Guthaben im Sinne des § 215 Abs. 4 BAO mehr vorhanden.

Das mit Beschluss vom ***1*** eröffnete Konkursverfahren über das Vermögen des Bf. beim Landesgericht ***2***, GZ. ***3***, sei am ***4*** aufgehoben worden. Die Rechtskraft der Konkursaufhebung sei mit Beschluss vom ***5*** bestätigt worden. Die unberichtigt gebliebenen Forderungen der Abgabenbehörde in Höhe von insgesamt 163.661,28 € seien daher am aufgrund der Einkommensteuerveranlagung 2014 und 2015 wieder vorgeschrieben worden. Die Zahlung der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichtes ***6*** in Höhe von 2.997,52 € sei am auf dem Abgabenkonto gutgeschrieben worden und gleichzeitig seien die unberichtigt gebliebenen Forderungen der Abgabenbehörde in gleicher Höhe wieder vorgeschrieben worden. Am sei es zu einer Gutschrift aus der Einkommensteuer 2015 in Höhe von 1.289,00 € gekommen. Deshalb sei wiederum die Vorschreibung der unberichtigt gebliebenen Forderungen in selbiger Höhe durchgeführt worden.


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Buchungstag
Abgabenart
Zeitraum
Betrag
Tagessaldo
Wiederaufnahme Einbringung
+163.661,28 €
163.661,28 €
Gutschrift Einkommensteuer
2014
-738,00 €
162.923,28 €
Gutschrift Einkommensteuer
2015
-1.183,00 €
161.740,28 €
Umsatzsteuer
2014
0,00 €
161.740,28 €
Aussetzung der Einbringung
-161.740,28 €
0,00 €
Einkommensteuer
2015
0,00 €
0,00 €
Zahlung der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichtes ***6***
-2.997,52 €
-2.997,52 €
Wiederaufnahme Einbringung
2.997,52 €
0,00 €
Gutschrift Einkommensteuer
2016
-1.289,00 €
-1.289,00 €
Wiederaufnahme Einbringung
1.289,00 €
0,00 €

Aus den obig angeführten Gründen werde die Rechtmäßigkeit der Buchungen auf dem Abgabenkonto festgestellt.

In der fristgerecht erhobenen Beschwerde wurden die Aufhebung des Abrechnungsbescheides und die Auszahlung der sich aus den Arbeitnehmerveranlagungen 2014 bis 2016 ergebenden Gutschriften beantragt. Begründend wurde nochmals betont, dass der Bf. in den Jahren 2014 bis 2016 kein Einkommen über dem Existenzminimum erzielt habe. Dieses Inkasso komme der Pfändung eines Einkommens unter dem Existenzminimum gleich, was rechtlich nicht gedeckt sei. Zumindest sei es zutiefst unmoralisch, Negativsteuern aufgrund des Familienstandes einzubehalten. Wenn der Steuergläubiger keine Moral zeige, wie könne er diese von seinen Untertanen verlangen. Der Sinn der Negativsteuern (Alleinverdienerabsetzbetrag und Kinder) sei die Unterstützung der Familie mit Kindern und nicht, Konkursforderungen des Finanzamtes abzudecken. Außerdem verstoße die vorgenommene Verrechnung gegen das Gebot der Gläubigergleichbehandlung. Es sei zwar nicht verboten, nach Abschluss des Konkurses zu versuchen, Forderungen einzutreiben; allerdings sei das Finanzamt insofern privilegiert, als es Negativsteuern, von denen die anderen Gläubiger nichts wissen würden und auf die sie keinen Zugriff hätten, einkassieren könne.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde mit der Begründung abgewiesen, ein Abrechnungsbescheid gemäß § 216 BAO habe nach rein objektiven Gesichtspunkten über die korrekte Anwendung der für die strittigen Verrechnungs- und Gebarungsvorgänge maßgeblichen Gesetzesbestimmungen abzusprechen. Auf die vom steuerlichen Vertreter des Bf. subjektiv als unmoralisch empfundenen Aspekte der den Gebarungsvorschriften zugrunde liegenden Gesetzesbestimmungen sei deshalb nicht näher einzugehen gewesen.

Sämtliche für die strittigen Buchungen maßgeblichen und nach objektiven Gesichtspunkten angewandten Verrechnungsbestimmungen seien auf Seite 2 des Abrechnungsbescheides vom eingehend dargelegt und erläutert worden. Schließlich werde auch in der Beschwerde diesbezüglich eingeräumt, es wäre zwar nicht verboten, nach Abschluss des Konkurses zu versuchen, Forderungen einzutreiben, allerdings wäre das Finanzamt diesbezüglich privilegiert. Dem Hinweis auf eine allfällige Bevorzugung des Abgabengläubigers sei zu entgegnen, dass - wie bereits im angefochtenen Bescheid ausführlich darlegt worden sei - mit Rechtskraft des Konkursaufhebungsbeschlusses die Exekutionssperre geendet habe und es sich bei den Verrechnungsvorschriften des § 215 BAO um zwingendes Recht handle, weshalb die Verwendung von Guthaben gemäß § 215 Abs. 1 und 2 BAO nicht dem Ermessen der Behörde überlassen sei ().

Auch irre der steuerliche Vertreter mit seiner Behauptung, die Verrechnung der Gutschriften käme der Pfändung eines Einkommens unter dem Existenzminimum gleich. Denn die Anwendung des § 215 Abs. 1 BAO sei keine Exekutionsmaßnahme, sondern eine aufgrund des Gesetzes zwingend vorzunehmende Einhebungsmaßnahme (vgl. RAE Rz 805).

Bei den Einkommensteuergutschriften 2014 bis 2016 handle es sich weder um Ansprüche, die einer Exekution entzogen wären, noch um unpfändbare Forderungen nach § 290 Abs. 1 Z 9 EO (z.B. Familienbeihilfe). Nachdem zum Zeitpunkt der Verbuchung der Einkommensteuergutschriften 2014 bis 2016 offene Forderungen in Höhe von 163.661,28 € bestanden hätten, wären diese Gutschriften gemäß § 215 Abs. 1 BAO zwingend zur (teilweisen) Tilgung der fälligen Abgabenschuldigkeiten zu verwenden gewesen.

Ein Guthaben entstünde erst dann, wenn auf einem Abgabenkonto die Summe der Gutschriften die Summe aller Lastschriften übersteige, wenn somit auf ein und demselben Abgabenkonto per Saldo ein Überschuss zu Gunsten des Abgabenpflichtigen bestehe. Maßgebend hierbei seien die tatsächlich durchgeführten Buchungen, nicht diejenigen, die nach Ansicht des Abgabepflichtigen hätten durchgeführt werden müssen. Das Recht auf Rückzahlung beziehe sich nur auf jenen Betrag, der nach der in § 215 Abs. 4 BAO zwingend angeordneten Verrechnung (im Sinne des § 215 Abs. 1 und 2 BAO) als Guthaben verbleibe. Diesbezüglich werde auch auf die Rz 803 der RAE hingewiesen: "Ergibt sich hingegen während der Zeit der Aussetzung der Einbringung (§ 231 BAO) für einen Abgabepflichtigen aus der laufenden Verbuchung der Gebarung ein Guthaben, so sei die Einbringung in dem Ausmaß als die ausgesetzte Abgabenschuldigkeit durch das Guthaben getilgt werden könnte, wieder aufzunehmen." Erst nach Verwendung gemäß § 215 Abs. 1 und 2 BAO verbleibende Guthaben seien auf Antrag rückzahlbar (vgl. ). Ohne ein solches Guthaben könne einem Rückzahlungsantrag kein Erfolg beschieden sein.

Mit dem fristgerecht eingebrachten Vorlageantrag wurde die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Ergänzend wurde unter Bezugnahme auf die Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung vorgebracht, das Finanzamt ziehe sich mehr oder weniger auf gewisse formale Bestimmungen der BAO zurück. Was jedoch nicht beachtet werde, sei zunächst die Bestimmung des § 21 Abs. 1 BAO hinsichtlich der wirtschaftlichen Betrachtungsweise. In der Auswirkung sei eine Einhebung gleichzustellen mit einer Pfändung.

Die strittigen Verrechnungsvorgänge lägen klar auf der Hand, hier brauche es keine weiteren Beweise. Das Beschwerdevorbringen werde jedenfalls in vollem Umfang aufrechterhalten. So seien nicht nur moralische, sondern auch rechtliche Aspekte ins Spiel gebracht worden, wie beispielsweise das Existenzminimum. Das bedingungslose Streben nach Mehrung der Steuereinnahmen dürfe nicht das alleinige Ziel des Steuergläubigers sein.

In teleologischer Betrachtungsweise könne es nicht der Inhalt eines Einhebungsverfahrens durch das Finanzamt sein, die Steuergutschrift aufgrund des Familienstandes (Alleinverdienerabsetzbetrag und Kinder) einzubehalten, noch dazu, wenn das Einkommen in der fraglichen Zeit unter dem Existenzminimum gelegen sei. Sinn und Zweck dieser Vorschrift sei die Familienförderung bzw. die Hilfe für Geringverdiener und nicht die Fütterung des Steuergläubigers.

Im Vorlagebericht vom hielt das Finanzamt an seiner Rechtsansicht fest, dass der bekämpfte Abrechnungsbescheid rechtmäßig sei.

In der mündlichen Verhandlung bemängelte der steuerliche Vertreter des Bf., dass ihm nicht einmal eine Abfrage des Steuerkontos sowie des Steueraktes über Finanzonline möglich sei. Bei einem Abfrageversuch käme die Fehlermeldung, dass er für eine Dateneinsichtnahme keine Berechtigung habe, dass das Konto des Bf. für die Anmerkung von Vollmachten durch einen Vertreter gesperrt sei und er sich diesbezüglich an das angegebene Finanzamtsteam wenden solle. Durch diesen Umstand werde dem Bf. ein effizienter Rechtsschutz verwehrt.

In materieller Hinsicht verwies der steuerliche Vertreter auf sein bisheriges Beschwerdevorbringen. Ergänzend nahm der steuerliche Vertreter des Bf. Bezug auf die Ausführungen bei Ritz, BAO6, § 215 Tz 8, wonach zu den unpfändbaren Forderungen die Familienbeihilfe, der Familienzuschlag, die Schulfahrtbeihilfe, der Unterhaltsabsetzbetrag, etc. gehörten. Dass der Alleinverdienerabsetzbetrag nicht dazu gehöre, sei seines Erachtens eine Gesetzeslücke, die durch Analogie zu schließen sei. Denn es könne nicht sein, dass Maßnahmen, die vom Gesetzgeber für Familien gesetzt würden, durch die Aufrechnung gemäß § 215 BAO unterlaufen würden. Auch sei für ihn nicht nachvollziehbar, weshalb der Mehrkindzuschlag im Gegensatz zu der aus dem Alleinverdienerabsetzbetrag resultierenden Negativsteuer ausbezahlt worden sei.

Seitens des Amtsvertreters wurde das Vorliegen einer Gesetzeslücke bezüglich der Zulässigkeit der Verrechnung bzw. der Pfändung von Negativsteuern bestritten. Hinsichtlich der Mehrkindzuschlages wurde darauf verwiesen, dass dies nicht Verfahrensgegenstand sei.

Der steuerliche Vertreter des Bf. betonte nochmals, dass eine Einhebungsmaßnahme wie die Verrechnung in wirtschaftlicher Betrachtungsweise einer Pfändung gleichzusetzen sei. Die vorgenommene Verrechnung sei zudem verfassungswidrig. Denn eine Geltendmachung des Alleinverdienerabsetzbetrages bereits beim Dienstgeber führe zwingend zu einer Berücksichtigung bei der monatlich zu entrichtenden Steuer. Werde der Alleinverdienerabsetzbetrag erst im Veranlagungsweg geltend gemacht, sei eine Aufrechnung mit ausstehenden Forderungen möglich. Es werde also Gleiches ungleich behandelt. Er verweise in diesem Zusammenhang auf den in ÖStZ 17/2020, veröffentlichten Artikel von Beiser, Der Rechtsschutz gegen gesetzes-, verfassungs- oder unionsrechtswidrige Abgaben - Anträge auf Normprüfung zur Aufhebung oder Auslegung nach höherrangigem Recht? Dort werde ausgeführt, es gehe nicht an, den Rechtsschutzsuchenden generell einseitig mit allen Folgen einer potentiell rechtswidrigen behördlichen Entscheidung solange zu belasten, bis sein Rechtsschutzgesuch endgültig erledigt sei. Damit solle ausgesagt werden, dass bei einer Abweisung der Beschwerde eine Verfassungsgerichtshofbeschwerde erhoben bzw. eine ordentliche oder außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht werden müsste. Es sei unbillig, dies einem Rechtsschutzsuchenden zuzumuten, insbesondere einem solchen wie dem Bf. mit einem sehr geringen Einkommen und immensen Schulden.

Im Beschwerdefall sei überdies auch darauf Bedacht zu nehmen, dass die hohen Konkursforderungen aus im Rahmen einer GPLA-Prüfung getätigten unrichtigen behördlichen Feststellungen resultierten - zu nennen sei insbesondere der Umstand, dass einem 50-jährigen Mann 2 Monate hintereinander die Absolvierung von jeweils 400 Arbeitsstunden monatlich zugetraut worden sei. Das Finanzamt und ihm nachfolgend das BFG habe diese unzutreffenden Feststellungen übernommen.

Der Amtsvertreter führte aus, dass im Verfahrensrecht § 21 BAO nach seiner Rechtsauffassung nicht zur Anwendung komme. Der Anwendungsbereich des § 21 BAO sei vielmehr auf Scheingeschäfte etc. beschränkt. Auch seien die Ausführungen bei Ritz, BAO6, § 215 Tz 8, so zu verstehen, dass nach den Richtlinien auch bei Aufrechnungen ebenso wie bei Pfändungen nicht auf Beihilfen gegriffen werden solle. Eine weitere Ausdehnung auf Negativsteuern durch Annahme einer Gesetzeslücke und entgegen der Richtlinien komme aber aus seiner Sicht nicht in Betracht. Überdies sei für eine Verfassungswidrigkeit weder das Finanzamt noch das BFG zuständig, sondern eine solche sei beim VfGH geltend zu machen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt und Beweiswürdigung

Über das Vermögen des Bf. wurde mit Beschluss des Landesgerichtes ***2*** vom ***1***, GZ. ***3***, ein Konkursverfahren eröffnet. Nach Verteilung einer Konkursquote von 4,8% wurde der Konkurs mit Gerichtsbeschluss vom ***4*** aufgehoben. Mit Gerichtsbeschluss vom ***5*** wurde die Rechtskraft der Konkursaufhebung bestätigt.

Aus den mit Bescheiden vom durchgeführten Arbeitnehmerveranlagungen 2014 und 2015 resultierten aufgrund erstattungsfähiger Negativsteuern gemäß § 33 Abs. 8 EStG 1988 (Alleinverdienerabsetzbetrag plus Sozialversicherungsbeiträge) eine Gutschrift in Höhe von -738,00 € für das Jahr 2014 sowie eine Gutschrift in Höhe von -1.183,00 € für das Jahr 2015. Bereits am wurde das Abgabenkonto des Bf. mit aushaftenden Konkursforderungen in Höhe von insgesamt 163.661,28 € belastet (bis zu diesem Zeitpunkt war die Einbringung dieser Forderungen ausgesetzt). Nach Verrechnung der sich aus den Arbeitnehmerveranlagungen 2014 und 2015 ergebenden Gutschriften mit den aushaftenden Konkursforderungen gemäß § 215 Abs. 1 BAO mit Buchungstag wurde am die Einbringung der verbleibenden Abgabenschuldigkeiten in Höhe von 161.740,28 € wiederum ausgesetzt.

Mit Buchungstag wurde dem Abgabenkonto des Bf. eine Zahlung der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichtes ***6*** in Höhe von 2.997,52 € gutgeschrieben. Ebenfalls am wurde das Abgabenkonto des Bf. mit aushaftenden Konkursforderungen in Höhe von 2.997,52 € belastet.

Die mit Bescheid vom durchgeführte Arbeitnehmerveranlagung 2016 ergab aufgrund erstattungsfähiger Negativsteuern gemäß § 33 Abs. 8 EStG 1988 (Alleinverdienerabsetzbetrag plus Sozialversicherungsbeiträge) eine Gutschrift in Höhe von -1.289,00. Am wurde das Abgabenkonto des Bf. mit aushaftenden Konkursforderungen in Höhe dieser Gutschrift belastet.

Mit Beschluss des Landesgerichtes ***2*** vom ***7***, GZ. ***8***, wurde wiederum über das Vermögen des Bf. ein Konkursverfahren eröffnet. Mit Gerichtsbeschluss vom ***9*** wurde der Konkurs mangels Kostendeckung aufgehoben. Mit Gerichtsbeschluss vom ***10*** wurde die Rechtskraft der Konkursaufhebung bestätigt.

Die Eröffnung eines Konkursverfahrens hat zur Folge, dass in Finanzonline eine Subjektsperre für gewillkürte Vertreter aktiviert wird, welche erst nach Rechtskraft der Konkursaufhebung storniert wird. Im Beschwerdefall wurde die Vornahme dieser Stornierung verabsäumt, sodass dem steuerlichen Vertreter des Bf. keine Einsichtnahme in das Steuerkonto bzw. den Steuerakt des Bf. über Finanzonline möglich war. Seit hat der steuerliche Vertreter des Bf. aufgrund der verfügten Stornierung der Subjektsperre wiederum vollen Zugriff auf die Daten des Bf.

Für diese Sachverhaltsfeststellungen stützt sich das BFG auf die seitens des Finanzamtes übermittelten Aktenteile, auf eigene Recherchen im Abgabeninformationssystem sowie auf das Vorbringen in der mündlichen Verhandlung.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Im gegenständlichen Beschwerdefall ist strittig, ob die Aufrechnungen (Buchungsdaten , und ) der sich aus der Durchführung der Arbeitnehmerveranlagungen 2014, 2015 und 2016 (Einkommensteuerbescheide vom und vom ) ergebenden Gutschriften mit aushaftenden Konkursforderungen rechtmäßig waren, oder ob, wie vom Bf. eingewendet, die betreffenden Gutschriften von der Abgabenbehörde zu Unrecht einbehalten wurden.

Gemäß § 213 Abs. 1 BAO ist bei den von derselben Abgabenbehörde wiederkehrend zu erhebenden Abgaben und den zu diesen Abgaben zu erhebenden Nebenansprüchen, soweit im Folgenden nicht anderes bestimmt ist, für jeden Abgabepflichtigen, bei Gesamtschuldverhältnissen für die Gesamtheit der zur Zahlung Verpflichteten, die Gebarung (Lastschriften, Zahlungen und alle sonstigen ohne Rücksicht aus welchem Anlass entstandenen Gutschriften) in laufender Rechnung zusammengefasst zu verbuchen.

Gemäß § 215 Abs. 1 BAO ist ein sich aus der Gebarung (§ 213) unter Außerachtlassung von Abgaben, deren Einhebung ausgesetzt ist, ergebendes Guthaben eines Abgabepflichtigen zur Tilgung fälliger Abgabenschuldigkeiten zu verwenden, die dieser Abgabepflichtige bei derselben Abgabenbehörde hat; dies gilt nicht, soweit die Einhebung der fälligen Schuldigkeiten ausgesetzt ist.

Gemäß § 216 BAO ist mit Bescheid (Abrechnungsbescheid) über die Richtigkeit der Verbuchung der Gebarung (§ 213) sowie darüber, ob und inwieweit eine Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung eines bestimmten Tilgungstatbestandes erloschen ist, auf Antrag des Abgabepflichtigen (§ 77) abzusprechen. Ein solcher Antrag ist nur innerhalb von fünf Jahren nach Ablauf des Jahres, in dem die betreffende Verbuchung erfolgt ist oder erfolgen hätte müssen, zulässig.

Gemäß § 290 Abs. 1 Z 9 EO sind Forderungen auf die gesetzliche Familienbeihilfe einschließlich Mehrkindzuschlag und Schulfahrtbeihilfe sowie die nach den jeweils geltenden einkommensteuerrechtlichen Bestimmungen zur Abgeltung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern auszuzahlenden Absetzbeträge unpfändbar.

Gemäß § 293 Abs. 3 EO ist die Aufrechnung gegen den der Exekution entzogenen Teil der Forderung, abgesehen von den Fällen, wo nach bereits bestehenden Vorschriften Abzüge ohne Beschränkung auf den der Exekution unterliegenden Teil gestattet sind, nur zulässig zur Einbringung eines Vorschusses, einer im rechtlichen Zusammenhange stehenden Gegenforderung oder einer Schadenersatzforderung, wenn der Schade vorsätzlich zugefügt wurde.

Wie das Finanzamt im angefochtenen Bescheid sowie in der Beschwerdevorentscheidung zutreffend ausführt, sind nach Rechtskraft des Konkursaufhebungsbeschlusses zwingend die abgabenrechtlichen Verrechnungsbestimmungen anzuwenden. Danach ist gemäß § 215 Abs. 1 BAO ein sich aus der Gebarung gemäß § 213 BAO ergebendes Guthaben eines Abgabepflichtigen grundsätzlich unabhängig vom Entstehungsgrund des Abgaben(gutschrifts)anspruches zur Tilgung fälliger Abgabenschuldigkeiten zu verwenden, die der Abgabenpflichtige bei derselben Abgabenbehörde hat.

Bedacht zu nehmen ist allerdings auf die Sonderbestimmung des § 293 Abs. 3 EO, die auch dem Beschwerdevorbringen, wonach die Verrechnung wirtschaftlich einer Pfändung gleichkommt, Rechnung trägt. Auf diese Norm, laut der unter anderem die abgabenrechtlichen Verrechnungsbestimmungen für gemäß § 290 Abs. 1 EO unpfändbare Forderungen nur in Ausnahmefällen anzuwenden sind (siehe dazu auch Rz 811 der Richtlinien für die Abgabeneinhebung [RAE], wo jedoch nur für Mietzinsbeihilfenansprüche nach § 107 EStG 1988 die Aufrechnungsfähigkeit verneint wird) wird auch bei Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3 § 215 Anm 12, sowie bei Ritz, BAO6, § 215 Tz 8, verwiesen. Dazu gehören gemäß § 290 Abs. 1 Z 9 EO Ansprüche auf Familienbeihilfe (§ 27 Abs 2 FamLAG), der Familien-(Mehrkind-)Zuschlag (§ 9c FamLAG), die Schulfahrtbeihilfe (§ 30i Abs 1 FamLAG) sowie die nach den jeweils geltenden einkommensteuerrechtlichen Bestimmungen zur Abgeltung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern auszuzahlenden Absetzbeträge. Unter letzteren sind der Kinderabsetzbetrag (§ 33 Abs. 3 EStG 1988) und der Unterhaltsabsetzbetrag (§ 33 Abs. 4 Z 3 EStG 1988) zu verstehen, weil durch diese beiden Absetzbeträge die gesetzlichen Unterhaltspflichten gegenüber haushaltszugehörigen bzw. nicht haushaltszugehörigen Kindern abgegolten werden sollen (siehe dazu z.B. Jakom/Kanduth-Kristen EStG, 2019, § 33 Rz 20 und Rz 75). Nicht unter die gemäß § 290 Abs. 1 Z 9 EO unpfändbaren Forderungen fallen der Familienbonus plus, der nach den ErlRV "weder einen Beitrag des Staates zum Unterhalt der Kinder dar[stellen], noch […] die Kinderlasten ab[decken] soll" (vgl. Jakom/Kanduth-Kristen EStG, 2019, § 33 Rz 30), der Alleinverdienerabsetzbetrag (§ 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988), weil dieser die gesetzliche Unterhaltspflicht des verdienenden Ehepartners gegenüber dem nicht oder gering verdienenden Ehepartner bzw. dem eingetragenen Partner nach dem EPG abgelten soll (siehe dazu z.B. Jakom/Kanduth-Kristen EStG, 2019, § 33 Rz 50) und der Alleinerzieherabsetzbetrag (§ 33 Abs. 4 Z 2 EStG 1988), der der Einschränkung des Alleinerziehers im Erwerbsleben Rechnung tragen soll (vgl. Jakom/Kanduth-Kristen EStG, 2019, § 33 Rz 65).

Der Verwaltungsgerichthof vertritt die Rechtsauffassung, dass der äußerst mögliche Wortsinn die Grenze jeglicher Auslegung absteckt (siehe z.B. ; ; ). Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass auch jene Absetzbeträge des § 33 EStG 1988, die nicht die Abgeltung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern bezwecken, zu den unpfändbaren Forderungen gemäß § 290 Abs. 1 Z 9 EO zählen, wäre diese Norm nach Auffassung des BFG wie folgt formuliert worden: "….sowie die nach den jeweils geltenden einkommensteuerrechtlichen Bestimmungen zur Abgeltung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen auszuzahlenden Absetzbeträge…." Der Passus "gegenüber Kindern" in § 290 Abs. 1 Z 9 EO wäre also entfallen. Für das Finanzgericht ist der Umstand, dass nicht sämtliche der Abdeckung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen dienenden Absetzbeträge zu den unpfändbaren Forderungen gemäß § 290 Abs. 1 Z 9 EO zählen, deshalb auch nicht als planwidrige Unvollständigkeit innerhalb des positiven Rechts zu werten, welche durch Analogie zu schließen wäre. Dem diesbezüglichen Einwand des steuerlichen Vertreters ist daher nicht zu folgen.

Der Beschwerde zum Erfolg verhelfen kann auch nicht der Einwand der Gläubigerbenachteiligung, weil einzig die Abgabenbehörde Kenntnis von den Negativsteuern gehabt hat und deshalb Abgabenschuldigkeiten mit diesen aufrechnen konnte. Denn abgesehen davon, dass es sich bei der Aufrechnung um keine Exekutionsmaßnahme handelt (siehe dazu z.B. ; ), kommt der Grundsatz des Verbotes der Gläubigerbenachteiligung auch einzig im Insolvenzverfahren zum Tragen. Zum Zeitpunkt der Aufrechnung war jedoch kein Insolvenzverfahren anhängig.

Im Abrechnungsbescheidverfahren ist auch nicht auf allfällige Unrechtmäßigkeiten von Abgabenfestsetzungen Bedacht zu nehmen (siehe dazu z.B. ; ; ; ). Dem Einwand, wonach die hohen Konkursforderungen, mit denen die beschwerdegegenständlichen Gutschriften verrechnet wurden, Ergebnis unzutreffender Abgabenfestsetzungen waren, kommt daher ebenfalls keine Relevanz zu.

Bezüglich des Einwandes der Verfassungswidrigkeit der vorgenommenen Verrechnung wird auf die zutreffenden Ausführungen im Erkenntnis des , verwiesen, wonach bei Gestaltungsmöglichkeiten des Anspruchsberechtigten gerade kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz vorliegt (siehe dazu auch z.B. ). Da der Bf. unstrittig ein Wahlrecht hatte, ob er den Alleinverdienerabsetzbetrag bereits gegenüber dem Arbeitgeber gemäß § 129 Abs. 1 EStG 1988 geltend macht oder erst im Veranlagungsweg, hätte er somit die für ihn günstigere Variante in Anspruch hätte nehmen können. Eine allfällige Verfassungswidrigkeit ist daher für das Finanzgericht nicht erkennbar.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Beschwerdefall ist die Rechtslage aufgrund des eindeutigen Wortlautes der zitierten Gesetzesbestimmungen klar und eindeutig. In einem solchen Fall liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG vor. Eine (ordentliche) Revision ist daher nicht zulässig.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 215 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 213 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 216 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 290 Abs. 1 Z 9 EO, Exekutionsordnung, RGBl. Nr. 79/1896
§ 293 Abs. 3 EO, Exekutionsordnung, RGBl. Nr. 79/1896
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.1100234.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at