Nachweis der Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes von Kroatien nach Österreich
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Umgebung vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2017 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang und Sachverhalt
Der Bf beantragte wie in den vergangenen Jahren die ihm entstandenen Kosten für Familienheimfahrten nach Kroatien und die Aufwendungen der doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten zu berücksichtigen. Laut handschriftlichem Aktenvermerk des Finanzamtes gab der Bf in Beantwortung des Ergänzungsersuchens des Finanzamtes vom bekannt, dass er in seinem Heimatland zur Miete bei seinen Eltern wohnen würde, am Beschäftigungsort in ***1*** habe er eine Mietwohnung. Der Firmenstandort sei in ***2***, er fahre 45 Wochen hin und retour, ***3***-***1***, 2x174 km, ergebe 348 km/Woche. Für die Familienheimfahrten bestehe keine Fahrgemeinschaft, von seinem Dienstgeber erhalte er keine Ersätze für die Familienheimfahrten. Seine Ehegattin könne wegen der Pflege des Schwiegervaters nicht nach Österreich ziehen und sei seit zwei Jahren wegen Krankheit zu Hause.
Das Finanzamt verweigerte im angefochtenen Einkommensteuerbescheid die Berücksichtigung der beantragten Aufwendungen für Familienheimfahrten und doppelte Haushaltsführung mit der Begründung, dass die Ehegattin kein Dienstverhältnis habe, bei den Schwiegereltern wohnen würde und keine Kinder vorhanden seien.
Mit der dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerde legte der Bf den amtlichen Vordruck E 9 (Bescheinigung der ausländischen Steuerbehörde zur Einkommensteuererklärung für Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraumes) vor. Darin wird angeführt, dass die Ehegattin des Bf im Jahr 2017 Einkünfte in Höhe von umgerechnet ca. 85 € gehabt habe, die im Ansässigkeitsstaat der Besteuerung unterliegen würden. Die Republika Hrvatska bestätigte, dass die genannte steuerpflichtige Person im Jahr 2017 ihren Wohnsitz in diesem Staat gehabt habe und weiters, dass nichts bekannt sei, was zu den vorstehenden Angaben über die persönlichen Verhältnisse und über die Einkommensverhältnisse in Widerspruch stehen würde. Ergänzend wurden weitere Unterlagen, alle in kroatischer Sprache, in Kopie vorgelegt (Heiratsurkunde, Bestätigung über das Einkommen der Ehegattin, Zulassungsschein für das auf den Bf zugelassene Kfz).
In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung verwies das Finanzamt begründend darauf, dass keine Gründe nachgewiesen worden wären, die eine Verlegung des Familienwohnsitzes unzumutbar machen würden und die steuerlich relevanten Einkünfte der Ehegattin 85 € im Kalenderjahr 2017 betragen hätten. Der Bf habe zumindest seit dem Kalenderjahr 2014 die Kosten der doppelten Haushaltsführung und Familienheimfahrten bezogen und sei nunmehr für das Kalenderjahr 2017 festgestellt worden, dass dem Bf die Übersiedlung des Familienwohnsitzes zumutbar sei. Die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort sei beispielsweise in folgenden Fällen unzumutbar:
-bei ständig wechselnder Arbeitsstätte
-wenn von vorneherein mit Gewissheit anzunehmen sei, dass die auswärtige Tätigkeit mit vier bis fünf Jahren befristet sei
-bei Unzumutbarkeit der (Mit)Übersiedlung von pflegebedürftigen Angehörigen, die am Familienwohnsitz wohnen
-solange aufgrund fremdenrechtlicher Bestimmungen ein Familiennachzug nicht möglich sei
-wenn im gemeinsamen Haushalt am Familienwohnsitz unterhaltsberechtigte und betreuungsbedürftige Kinder wohnen würden und eine (Mit)Übersiedlung der gesamten Familie aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar sei.
In dem dagegen fristgerecht erhobenen Vorlageantrag teilte der Bf mit, dass das Einkommen seiner Gattin wegen Krankheit unter den steuerlich relevanten Einkünften gewesen sei. Sie sei nach wie vor krank und er übermittle anbei die ärztliche Bestätigung mit Übersetzung. Weiters leide sein im gleichen Haus wohnender Vater an einer Herzerkrankung und auch hierzu übermittle er die ärztliche Bestätigung mit Übersetzung. Sowohl seine Frau wie auch sein Vater würden auf Grund ihres Gesundheitszustandes Unterstützung bedürfen und müssten zusätzlich zur hausärztlichen Betreuung auch in regelmäßigen Abständen zu Untersuchungen und Kontrollen ins Spital nach Zagreb gebracht werde. Aus den angeführten Gründen sei eine Verlegung des Familienwohnsitzes nicht möglich.
Das Finanzamt legte die Beschwerde an das Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Der Bf ist laut Zentralem Melderegister seit dem Jahr 2000, zuerst mit Nebenwohnsitz, ca. ab Mitte 2013 mit Hauptwohnsitz, in Österreich gemeldet. Seit dem Jahr 2000 ist der Bf beim gleichen Arbeitgeber in ***1*** beschäftigt und hat bis zum strittigen Jahr 2017 jährlich die Kosten für Familienheimfahrten und für doppelte Haushaltsführung im Zuge der Arbeitnehmerveranlagung beantragt. Aus dem Vorbringen des Bf im Vorlageantrag, dass seine Gattin im Jahr 2017 wegen Krankheit unter den steuerlich relevanten Einkünften gewesen sei, ist ersichtlich, dass die beantragten Werbungskosten dem Bf wegen einer weiteren Erwerbstätigkeit der Ehegattin am Familienwohnsitz in Kroatien und der daraus resultierenden Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes nach Österreich gewährt wurden.
Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Werbungskosten sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind.
§ 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 bestimmt, dass die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden dürfen. Ebenfalls nicht abzugsfähig sind gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen. Kosten der Haushaltsführung stellen demnach grundsätzlich keine Werbungskosten dar.
Liegt der Familienwohnsitz des Steuerpflichtigen jedoch außerhalb der üblichen Entfernung vom Beschäftigungsort (mehr als 120 km), dann können die (Mehr)Aufwendungen für "Familienheimfahrten" bzw. "doppelte Haushaltsführung", wie z. B. für die Wohnung am Beschäftigungsort und die Kosten für Familienheimfahrten, nur dann steuerlich berücksichtigt werden, wenn die doppelte Haushaltsführung beruflich bedingt ist. Die doppelte Haushaltsführung ist dann als beruflich veranlasst anzusehen, wenn die Gründung des zweiten Hausstandes einen objektiven Zusammenhang mit der Berufstätigkeit aufweist (vgl. das hg. Erkenntnis ). Die Beibehaltung eines Familienwohnsitzes ist aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblich weiter Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, nicht durch die Erwerbstätigkeit, sondern durch Umstände veranlasst, die außerhalb der Erwerbstätigkeit liegen. Der Grund, warum Aufwendungen für Familienheimfahrten dennoch als Betriebsausgaben oder Werbungskosten bei den aus der Erwerbstätigkeit erzielten Einkünften Berücksichtigung finden, liegt darin, dass derartige Aufwendungen solange als durch die Einkunftserzielung veranlasst gelten, als dem Steuerpflichtigen eine Wohnsitzverlegung in übliche Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann. Die Unzumutbarkeit kann ihre Ursache insbesondere in der privaten Lebensführung des Steuerpflichtigen oder in einer weiteren Erwerbstätigkeit des Ehegatten haben (vgl in diesem Sinne die hg. Erkenntnisse und ).
Familienwohnsitz ist nach der Rechtsprechung jener Ort, an dem ein verheirateter Steuerpflichtiger mit seinem Ehegatten oder ein unverheirateter Steuerpflichtiger mit seinem in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Partner einen Hausstand unterhält, der den Mittelpunkt der Lebensinteressen dieser Person bildet (). Bei einem alleinstehenden Steuerpflichtigen ist es der Hauptwohnsitz.
Nach § 167 Abs. 2 BAO iVm § 269 Abs. 1 BAO hat das Bundesfinanzgericht unter sorgfältiger Berücksichtigung des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
Der Bf legte zum Nachweis dafür, dass ihm die Verlegung des Familienwohnsitzes von Kroatien nach Österreich nicht zugemutet werden kann, ärztliche Atteste betreffend seinen Vater und seine Ehegattin vor. Beide Atteste sind vom und wurden am in die deutsche Sprache übersetzt. Demzufolge leidet die Ehegattin des Bf an erhöhter Tromboseneigung und Gefäßverschlüssen, der im Jahr 1940 geborene Vater des Bf an Herzversagen und Vorhofflimmern.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Unzumutbarkeit aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres zu beurteilen (vgl. im Ergebnis die hg. Erkenntnisse des und ).
Aus den im Jahr 2018 angefertigen und per Fax nach Österreich an den Arbeitgeber des Bf übermittelten ärztlichen Attesten ist nicht erkennbar, dass im Jahr 2017 eine bestehende Pflegebedürftigkeit bei der Ehegattin oder beim Vater des Bf vorliegen würde, welche im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Familienheimfahrten rechtfertigen würde. Mit den festgestellten Krankheiten wird eine derartige Pflegebedürftigkeit weder bei der Ehegattin des Bf noch bei seinem Vater bestätigt, wonach eine Verlegung des Familienwohnsitzes von Kroatien nach Österreich unzumutbar wäre.
Selbst der Bf geht im Vorlageantrag davon aus, dass sowohl seine Frau als auch sein Vater auf Grund ihres Gesundheitszustandes keiner Pflege, sondern lediglich einer Unterstützung bedürfen würden und zusätzlich zur hausärztlichen Betreuung in regemäßigen Abständen zu Untersuchungen und Kontrollen ins Spital gebracht werden müssten. Von einer Betreuung und Pflege, die das An- und Auskleiden, Körperpflege, Zubereitung und Einnahme von Mahlzeiten, Verrichtung der Notdurft, der Einnahme von Medikamenten und die Mobilitätshilfe umfasst, ist weder in den vorgelegten Attesten noch vom Bf selbst die Rede. Auch bestehen Zweifel darüber, ob die Ehegattin des Bf im Hinblick auf ihre Erkrankung in der Lage wäre, bei Vorliegen einer tatsächlichen Pflegebedürftigkeit des Schwiegervaters, die erforderlichen Pflegemaßnahmen zu ergreifen.
Bemerkt wird im Zusammenhang mit der für die Ehegattin vorgebrachten Erkrankung, dass deren Behandlung in Österreich im Vergleich zu Kroatien als gleichwertig zu beurteilen ist und daher diesbezüglich kein Grund für eine Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes zu erblicken ist. Eine Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes wegen für das Familieneinkommen relevanter Einkünfte der Ehegattin des Bf in Kroatien liegt zumindest im Jahr 2017 nicht vor.
Die Beschwerde war daher, wie aus dem Spruch ersichtlich, abzuweisen.
Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Gemäß § 25a VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Nachdem die Beschwerde insoweit keine für die Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen aufwirft, denen im Sinne der zitierten Bestimmungen grundsätzliche Bedeutung zukäme, war unter Hinweis auf die zitierte eindeutige und einheitliche Rechtsprechung die Unzulässigkeit einer ordentlichen Revision auszusprechen.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 167 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 269 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.2100970.2018 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at