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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 22.10.2020, RV/7102873/2020

Vater faktischer Geschäftsführer, Sohn alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Vorsitzende V, die Richterin R sowie die fachkundigen Laienrichter L1 und L2 über die Beschwerde des X, vertreten durch Rechtsanwalt RA, ***1***, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Neunkirchen Wr. Neustadt vom , Abgabenkontonummer 33, betreffend die Heranziehung zur Haftung gemäß § 9 BAO nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit des Vertreters des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt RA, des Vertreters des Finanzamtes, V, sowie der Schriftführerin S zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

X wird für folgende Abgaben im Gesamtausmaß von 176.536,92 Euro zur Haftung herangezogen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Kammerumlage 01-12/2014
127,71
Kammerumlage 04-06/2017
62,58
Umsatzsteuer 2015
42.666,99
Kammerumlage 01-12/2015
95,13
Umsatzsteuer 11/2016
1.165,93
Umsatzsteuer 12/2016
3.000,56
Körperschaftsteuer 01-03/2017
125,00
Kammerumlage 01-12/2016
130,62
SZA 2017
54,83
SZA 2017
189,95
SZA 2016
130,63
Umsatzsteuer 01/2017
5.291,65
Umsatzsteuer 02/2017
5.821,07
Umsatzsteuer 03/2017
9.497,29
Körperschaftsteuer 04-06/2017
125,00
Kammerumlage 01-03/2017
71,91
SZB 2016
65,31
SZA 2017
845,36
Umsatzsteuer 05/2017
5.644,76
SZA 2017
112,90
Umsatzsteuer 06/2017
8.301,79
Körperschaftsteuer 07-09/2017
125,00
SZA 2017
166,04
Körperschaftsteuer 2014
9.538,00
Körperschaftsteuer 2015
29.730,00
Anspruchszinsen 2014
257,53
Anspruchszinsen 2015
319,72
SZA 2016
853,34
SZA 2017
190,76
SZA 2017
594,60
Umsatzsteuer 07/2017
977,62
Dienstgeberbeitrag 08/2017
10,52
Zuschlag zum DB 08/2017
1,03
Stundungszinsen 2017
137,99
SZA 2014
79,44
SZA 2015
864,51
SZA 2016
831,49
Exekutionsgebühren 2017
1.042,77
Barauslagen 2017
0,68
Exekutionsgebühren 2017
1.042,77
Barauslagen 2017
0,68
Dienstgeberbeitrag 09/2017
111,84
Zuschlag zum DB 09/2017
10,91
Lohnsteuer 10/2017
299,09
Dienstgeberbeitrag 10/2017
185,93
Zuschlag zum DB 10/2017
18,14
Körperschaftsteuer 10-12/2017
13.625,00
SZA 2017
149,55
SZA 2017
651,50
Exekutionsgebühren 2018
1.000,00
Barauslagen 2018
4,46
SZB 2017
752,50
Körperschaftsteuer 01-03/2018
874,00
Umsatzsteuer 2017
27.310,73
SZA 2017
74,78
SZA 2017
325,75
SZA 2017
329,82
SZA 2016
96,57
SZA 2018
54,83
176.285,66

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer (Bf.) vertrat die im Jahr 2013 errichtete F.GmbH seit Datum3 als alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer (Firmenbuchauszug FN).

Mit dem Beschluss des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom Datum1, 10 S 57/18p, wurde über das Vermögen der Gesellschaft das Konkursverfahren eröffnet und die Gesellschaft aufgelöst. Mit dem Beschluss vom Datum2 wurde der Konkurs mangels Kostendeckung aufgehoben (Firmenbuchauszug FN).

Im Vorhalt vom brachte das Finanzamt dem Bf. zur Kenntnis, dass die F.GmbH einen Abgabenrückstand von 176.862,67 Euro aufweise, für den der Bf. als Haftungspflichtiger in Frage komme, weil er als Geschäftsführer verpflichtet gewesen sei, dafür Sorge zu tragen, dass die Abgaben aus den der Gesellschaft zur Verfügung stehenden Mittel entrichtet werden.
Der Bf. wurde aufgefordert, darzulegen, welche Mittel ihm zu den Fälligkeiten der Abgaben zur Verfügung standen und wie diese Mittel verwendet wurden sowie die zum Nachweis der Richtigkeit erforderlichen Unterlagen vorzulegen.
Der Vorhalt blieb unbeantwortet.

Mit dem Bescheid des Finanzamtes Neunkirchen Wr. Neustadt vom , Abgabenkontonummer 33, wurde der Bf. als Haftungspflichtiger gemäß § 9 in Verbindung mit §§ 80 ff. BAO für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der F.GmbH im Ausmaß von 176.536,92 Euro in Anspruch genommen und aufgefordert, diesen Betrag innerhalb eines Monats ab Zustellung des Bescheides zu entrichten.
Die der Haftung zu Grunde liegenden Abgabenbescheide sowie der an die Primärschuldnerin zu Handen deren Vertreterin V.KG ergangene Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung gem. § 150 BAO vom , ABNr. 99, auf deren Feststellungen im Haftungsbescheid verwiesen wurde, waren dem Haftungsbescheid angeschlossen.

In der nach bescheidmäßig zuerkannter Verlängerung der Rechtsmittelfrist eingebrachten Beschwerde vom wurde durch den Vertreter des Bf. wie folgt ausgeführt:

IV. Gründe für die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides

Zur Inanspruchnahme für Verbindlichkeiten bis zum

Der Beschwerdeführer wird vom Beginn seiner Stellung als Geschäftsführer der F.GmbH bis zum für folgende Abgabenschuldigkeiten in Anspruch genommen: […]

Zu den Grundsätzen wann ein organschaftlicher Vertreter eine Gesellschaft für die Abgabenverbindlichkeiten der Gesellschaft zur Zahlung herangezogen werden kann, kann auf die im angefochtenen Bescheid angeführten rechtlichen Bestimmungen verwiesen werden. Im Wesentlichen ist von Bedeutung, ob den Geschäftsführer ein Verschulden daran trifft, dass er die entsprechenden Beträge, als die Abgabe nach den abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wäre (z.B. VwGh Ra 2015/16/0139), nicht abgeführt hat. Die Verpflichtung geht mit dem Zeitraum der Geschäftsführertätigkeit einher.

Den Beschwerdeführer trifft jedoch weder an der Entstehung noch an der Nichtabführung der in diesem Punkt angeführten Abgaben ein Verschulden:

Dem Beschwerdeführer persönlich fehlt es an jeglicher subjektiven Kenntnis zu den oben angegebenen Abgaben. Von den Abgabenverbindlichkeiten vor 2017 erfuhr der Beschwerdeführer im Wesentlichen erst durch den Haftungsbescheid. Der Beschwerdeführer hat bis Oktober 2016 keinerlei operative Handlungen für die F.GmbH vorgenommen und im Vertrauen auf die alleinige (faktische) Geschäftsführung seines Vaters gehandelt. Erst ab Oktober 2016 hat der Beschwerdeführer faktisch die Geschäftsführung der F.GmbH übernommen und sich (langsam) ein Bild machen können. Erst Anfang 2017 gelang es ihm einen gewissen Überblick zur Gesellschaft zu erlangen.

Der Beschwerdeführer hielt es keinesfalls für möglich, dass es Abgabenverpflichtungen der F.GmbH gab, geschweige dessen hat er in Betracht gezogen, dass es unbeglichen Verbindlichkeiten gäbe. Den Beschwerdeführer trifft daher auch keinerlei Verschulden. Eine Haftung des Beschwerdeführers scheidet daher aus.

In der Folge werden die Umstände zu den Abgabenverbindlichkeiten und der Rolle des Beschwerdeführers dargelegt:

IV.1. Zur Geschäftstätigkeit der F.GmbH:

Der Vater des Beschwerdeführers, Herr H, wollte eine Liegenschaft erwerben, von dort aus Geschäfte (Fleischhandel) betreiben und hierzu eine neue Gesellschaft gründen. Er teilte seinem Sohn (Beschwerdeführer) mit, dass er die Liegenschaft erwerben solle und es aus steuerlichen Gründen vorteilhafter wäre, wenn "die Gesellschaft auf ihn laufe". Der zum damaligen Zeitpunkt 19-jährige Beschwerdeführer hinterfragte dies nicht weiter und ausschließlich und nur auf diese väterliche Weisung hin unterfertigte der Beschwerdeführer ihm vorgelegte Dokumente. Der Vater des Beschwerdeführers war bei Unterfertigungen stets anwesend und zumeist auch selbst an den Geschäften beteiligt. Der Beschwerdeführer erfuhr stets erst am Weg zu oder bei den Unterfertigungsterminen, was unterschrieben werden würde:

  • Am unterfertigte der Beschwerdeführer den Kaufvertrag zu der Liegenschaft mit der Adresse A1. Zugunsten seines Vaters wurde ein Belastungs- und Veräußerungsverbot vereinbart.

  • Am unterfertigte der Beschwerdeführer einen Abtretungsvertrag zu GmbH Anteilen, womit er alleiniger Gesellschafter der F.GmbH wurde. Ebenso bestellte er sich zum alleinvertretungsbefugten Geschäftsführer und änderte den Errichtungsvertrag (Sitzverlegung und Firmenänderungen).

  • Am unterfertigte er einen Mietvertrag mit der F.GmbH zur Vermietung an diese.

  • (Erst) Am unterschrieb der Beschwerdeführer (für sich als Privatperson) einen Kreditvertrag zur Finanzierung des Kaufpreises der Liegenschaft. Sein Vater trat dem Vertrag als Sicherheitengeber bei. Ebenso wurde ein Girokonto laufend auf den Beschwerdeführer (KontoNr. 100) eröffnet.

  • Schließlich orderte der Vater den Beschwerdeführer an, im September 2019 Verträge im Hinblick auf Bauarbeiten durch die B.KG zu unterfertigen.

Sämtliches Organisatorisches erledigte der Vater des Beschwerdeführers und dieser gab seinem Sohn bekannt, er brauche und solle sich um nichts kümmern und sorgen. Ausschließlich wenn der Vater die Unterschriften des Sohnes benötigte, fand sich der Beschwerdeführer in der Folge, ohne je Informationen zu haben, an Orten ein und unterfertigte Dokumente. Damit waren die Angelegenheiten für den Beschwerdeführer, nach Leistung seiner Unterschriften, stets erledigt.

Der Beschwerdeführer entfaltete - im Wesentlichen bis Anfang 2017 - zu keinem Zeitpunkt eine operative Geschäftstätigkeit und war in keinerlei geschäftliche Vorgänge der F.GmbH involviert. Hierzu hatte er auch keine Zeit. Der Beschwerdeführer war nämlich von bis , über Kontaktvermittlung seines Vaters, bei seinem Vertreter, Herrn RA, als Lehrling für den Lehrberuf Rechtskanzleiassistent angestellt. Wochentags war der Beschwerdeführer in der Kanzlei RA, ***1*** oder in der Berufsschule.

Herr H wickelte sämtliche Geschäfte ab, hatte ausschließlich und alleine Kontakt zur steuerlichen Vertretung der F.GmbH und war auf sämtlichen Konten der F.GmbH zeichnungsberechtigt. Insbesondere hinsichtlich des Kontos bei der Bank1 der F.GmbH hatte der Beschwerdeführer selbst keine Zeichnungsberechtigung.

Er hatte insbesondere keinerlei Kenntnis (vgl. insbesondere den dem angefochtenen Bescheid beigeschlossenen Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung vom ),

  • dass und ob es zu innergemeinschaftlichen Lieferungen in den Jahren 2015 bis 2017 kam,

  • dass es zwischen der F.GmbH Werkverträge vom gibt, was der Gehalt der Verträge war und dass aufgrund von diesen in den Jahren 2015
    u 1-2/2016 Ausgangsrechnungen von EUR 168.000,00 an die
    M gelegt wurden,

  • dass und ob es nicht erfasste Erlöse / Barausgänge im Jahr 2014 gibt,

  • dass vom Bank1konto der F.GmbH (KontoNr.: 101) bis Zahlungen von der genannten GmbH auf das Konto des Beschwerdeführers (KontoNr. 100 bei der Bank2) zur Kredittilgung geleistet worden sind und

  • woher Bareinlagen von EUR 25.300,00 im Jahr 2015 stammen.

Zu den Zahlungen an den Beschwerdeführer zur Kredittilgung ist auszuführen, dass das Girokonto (KontoNr. 100 bei der Bank2) ausschließlich zum Zwecke der Abwicklung der Kreditrückzahlungen existierte. Der Vater des Beschwerdeführers teilte seinem Sohn mit, dass Girokonto werde für die Tilgung des Kredites benötigt. Für den Beschwerdeführer war diese Angelegenheit nach Unterschriftenleistung daher erledigt. Ex Post konnte der Beschwerdeführer feststellen, dass es mit Ausnahme der Zahlungen des Vaters vom Bank1konto der F.GmbH auf das genannte Girokonto des Beschwerdeführers bis keine Bewegungen auf dem Girokonto des Beklagten gibt.

Der Beschwerdeführer hatte vollstes Vertrauen zu seinem Vater. Von dem Ausmaß der Geschäftsgebarung der MA Fleischgroßhandel GmbH wusste er nichts. Soweit die belangte Behörde im Rahmen der Außenprüfungen auf anderen als bereits genannten Dokumenten die (vermeintliche) Unterschrift des Beschwerdeführers findet (insbesondere auf Rechnungen oder zur Bestätigung zum Erhalt von Geldbeträgen), so stammen diese Unterschriften bis zum Oktober 2016 nicht vom Beschwerdeführer. Der Vater des Beschwerdeführers hat "für" den Beschwerdeführer unterschrieben.

Die dem Beschwerdeführer angelasteten Beträge sind allein dem Vater des Beschwerdeführers anzulasten.

Dass der Beschwerdeführer bis 2017 nicht als Geschäftsführer tätig war und der Vater die Geschäftsführung ausübte, ergibt sich auch zwangsläufig durch die Vorgeschichte zur F.GmbH. Eine FX.GmbH ist durch den Vater des Beschwerdeführers gegründet worden. Im Jahr 2012 fand bei dieser eine Außenprüfung des Finanzamtes Baden Mödling statt, mit einem Ergebnis von über EUR 70.000,00. 2014 wird durch den Sohn - lediglich mit einer anderen Kurzbezeichnung- eine GmbH unter derselben Firma gegründet. Offensichtlicher Zweck war es, die Geschäfte des Vaters über die MA Fleischgroßhandel GmbH weiter zu betreiben.

Der Beschwerdeführer zog es nie in Erwägung, dass es unter der faktischen Geschäftsführung seines Vaters zu nicht beglichenen Abgabenverbindlichkeiten kommen würde. Hierzu hatte er auch keinerlei Veranlassung.

Erst nachdem der Lehrvertrag des Beschwerdeführers zu Mag. Payer Ende 2016 endete, verschaffte sich der Beschwerdeführer - insbesondere da sein Vater erkrankt war - einen Einblick in die Gesellschaft, wobei er lange brauchte einen Ein- und Überblick in die Geschäfte zu erlangen. Preise mit den Kunden erfuhr der Beschwerdeführer bspw. von diesen selbst. Auch war er erst ab diesem Zeitpunkt zeichnungsberechtigt am Bank1 Konto der F.GmbH.

IV.2. Strafverfahren zu AZ AZ, LG Wiener Neustadt

Im Hinblick auf die unter IV.1. eingangs angeführten Beträge ist gegen den Beschwerdeführer auch ein Strafverfahren zu AZ AZ, LG Wiener Neustadt wegen §§ 33 (1+2) lit a, 38 (1) FinStrG § 13 FinStrG anhängig.

Dem Beschwerdeführer ist insbesondere gestützt auf den dem angefochtenen Bescheid beigeschlossenen Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung vom , der maßgebliche Grundlage für die Abgabenverbindlichkeiten der F.GmbH ist, die Hinterziehung von Abgaben vorgeworfen worden (betreffend die F.GmbH ein strafbestimmender Wertbetrag von rund EUR 218.200,00). Am und fand die mündliche Verhandlung in Strafsachen vor dem Landesgericht Wiener Neustadt als Schöffengericht statt. Am sprach das Gericht den Beschwerdeführer frei (§ 241 FinStrG), da es zur Überzeugung gelangte, dass der Beschwerdeführer zumindest bis Ende 2016 in Vertrauen auf seien Vater handelte und er bis zu diesem Zeitraum sohin nicht für Abgabenhinterziehungen verantwortlich sein konnte. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Das Verwaltungsgericht wird sich auch in gegenständlichem Verfahren ein Bild vom Beschwerdeführer zu machen haben und anhand dieses Vorbringens und den nachfolgenden Beweismitteln zu beurteilen haben, ob den Beschwerdeführer ein Verschulden im Sinne des Haftungsbescheides trifft, dass seine Inanspruchnahme rechtfertigt.

IV.3. Beweisanträge

Der Beschwerdeführer legt die nachfolgenden Urkunden zum Beweis dafür vor, dass ihn kein Verschulden an der Nichtabführung der Abgabenverbindlichkeiten trifft, welches seine Inanspruchnahme rechtfertigen würde:

  • Kaufvertrag vom ,

  • Abstattungskreditvertrag vom ,

  • Pfandurkunde vom ,

  • Umsatzliste zu KontoNr. 100 bei der Bank2,

  • Historischer Firmenbuchauszug zu FN 400746h,

  • An- und Abmeldung, Lehrvertrag und Dienstzeugnis zum Lehrverhältnis des Beschwerdeführers,

  • Verhandlungsprotokoll vom zu AZ AZ, LG Wiener Neustadt,

  • Beischaffung und Einsicht in den Akt des Landesgerichtes Wiener Neustadt zu AZ AZ.

Zudem beantragt er zu selbigem Thema seine eigene Einvernahme:

  • X, A2,

und die Einvernahme nachstehender Zeugen:

  • H (Vater des Beschwerdeführers),

  • A (vormalige Angestellte der F.GmbH).

V. Anträge

Nachdem den Beschwerdeführer im Sinne der gegenständlichen Beschwerde kein Verschulden trifft, kann er auch nicht für die Abgabenverbindlichkeiten der F.GmbH in Anspruch genommen werden. Der angefochtene Abgabenbescheid ist sohin mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet und zu beheben.

Beantragt wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die Entscheidung durch den gesamten Senat sowie die ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Haftungsbescheides.

Mit der Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt Neunkirchen Wr. Neustadt die Beschwerde als unbegründet ab.
Werde ein Vertreter in der Erfüllung seiner abgabenrechtlichen Verpflichtungen beschränkt oder behindert, habe er sofort im Rechtsweg die unbeschränkte Ausübung seiner Funktion zu erzwingen oder seine Funktion zurückzulegen. Mit dem Hinweis, keinerlei Einfluss auf die Tätigkeit des Vertretenen ausgeübt zu haben, könne sich ein Vertreter von seiner Verantwortung hinsichtlich der Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten nicht befreien.
Gerade die in Kauf genommene Untätigkeit trotz gegebener Vertreterfunktion sei als schuldhafte Pflichtverletzung anzusehen; daran ändere auch die Tatsache nichts, dass der Bf. im Zuge des beim LG Wr. Neustadt geführten Finanzstrafverfahrens frei gesprochen worden sei. Im Haftungsverfahren sei das Vorliegen leichter Fahrlässigkeit ausreichend.

Im Vorlageantrag gemäß § 264 BAO vom führte der Vertreter des Bf. wie folgt aus:

Der Beschwerdeführer hat bereits in seiner Beschwerde umfassend dargelegt, warum ihn kein Verschulden trifft und er daher nicht für die Abgabenverbindlichkeiten der F.GmbH in Anspruch genommen werden kann. Der Beschwerdeführer hat hierzu auch zahlreiche Beweismittel geführt, auf welche in der Beschwerdevorentscheidung nicht eingegangen wird. Verschulden ist eine subjektive Komponente. Diese kann ohne Abführung eines Beweisverfahrens - insbesondere die beantragten Einvernahmen (Parteieneinvernahme!) - nicht beurteilt werden.

Im Übrigen steht mittlerweile fest, dass die Staatsanwaltschaft zu dem Akt der Hauptverhandlung betreffend den Beschwerdeführer (AZ AZ, LG Wr. Neustadt) kein Rechtsmittel erheben wird. Im Akt befindet sich bereits eine (verkürzte) Urteilsausfertigung, die wohl demnächst zugestellt wird.

Insbesondere in diesem Zusammenhang wiederholt der Beschwerdeführer seinen Antrag auf Beischaffung und Einsicht in den Akt des Landesgerichtes Wiener Neustadt zu AZ AZ.

Der Beschwerdeführer erachtet die Beschwerdevorentscheidung - im Hinblick auf sein Beschwerdevorbringen - nach wie vor für (rechtlich) unrichtig. Der Beschwerdeführer bleibt in seinen subjektiven Rechten verletzt. Er wiederholt sohin sämtliches Vorbringen und sämtliche Anträge in seiner Beschwerde vom und begehrt die Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes und die Vorlage an dieses.

An der am abgehaltenen mündlichen Verhandlung vor dem Senat nahm der Bf. nicht teil. Der Vertreter des Bf. legt eine Arbeitsunfähigkeitsmeldung vom vor, wonach der Bf. vom an wegen Krankheit arbeitsunfähig ist. Der Vertreter des Bf. erklärte sich einverstanden, die mündliche Verhandlung ohne den Bf. abzuhalten.

Der Vertreter des Bf. legte das Hauptverhandlungsprotokoll vom sowie die verkürzte Urteilsausfertigung vom vor. Er führte aus, in der Großfamilie X sei das Familienbild "ein anderes" als das einer durchschnittlichen österreichischen Familie. Der Bf. habe alleine auf Wunsch und Anordnung seines Vaters gehandelt und unterschrieben, wann und was der Vater wollte. Die Abgabenverbindlichkeiten wurden ihm erstmals mit der Erlassung des Haftungsbescheides bekannt. Der Bf. habe seinem Vater vertraut. Die Aussage des Bf. auf Seite 11 sowie die Aussage der ehemaligen Angestellten A auf Seite 34 des Protokolls vom seien auch im gegenständlichen Haftungsverfahren als Vorbringen zu werten.

Der Vertreter des Finanzamtes führte aus, die Haftung gründe sich darauf, dass der Bf. seine Funktion als Geschäftsführer nicht niedergelegt habe und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

Der Vertreter des Bf. beantragte ohne Stellung weiterer Beweisanträge die Stattgabe der Beschwerde.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Rechtslage:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Voraussetzungen für die Geltendmachung einer Haftung gemäß § 9 BAO sind eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die objektive Uneinbringlichkeit der entsprechenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (), die Stellung des Haftungspflichtigen als Vertreter, dessen schuldhafte Pflichtverletzung sowie die Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Uneinbringlichkeit ().

Uneinbringlichkeit der Abgaben

Die Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO ist eine Ausfallshaftung (). Voraussetzung ist die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (). Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären ().

Im gegenständlichen Fall steht die Uneinbringlichkeit der im Haftungsbescheid angeführten Abgaben fest, da über das Vermögen der F.GmbH mit dem Beschluss des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom Datum2 der am Datum1 eröffnete Konkurs mangels Kostendeckung aufgehoben wurde. Die Gesellschaft wurde infolge der Eröffnung des Konkursverfahrens aufgelöst.

Da somit eine Einbringlichmachung der am Abgabenkonto der F.GmbH unberichtigt aushaftenden Abgabenverbindlichkeiten nicht möglich ist, steht die Uneinbringlichkeit der verfahrensgegenständlichen Abgabenbeträge zweifelsfrei fest.

Stellung als gesetzlicher Vertreter der GmbH

Gemäß § 18 Abs. 1 GmbHG wird die Gesellschaft durch die Geschäftsführer gerichtlich und außergerichtlich vertreten.
Die Geschäftsführer sind der Gesellschaft gegenüber verpflichtet, bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden (§ 25 Abs. 1 GmbHG).

Für Abgabenschulden einer GmbH sind zur Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO die in § 80 BAO angesprochenen Vertreter einer GmbH heranzuziehen ().


Der Bf. war von Datum3 bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens am Datum1 alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin.
Zu seinen Pflichten als Geschäftsführer gehörte es, in dieser Zeit die abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Gesellschaft wahrzunehmen und für die Entrichtung der Abgaben aus den verwalteten Mitteln zu sorgen (siehe ).

Verschulden

Der Bf. bringt vor, bei der F.GmbH keine operative Tätigkeit ausgeführt und in keinerlei geschäftliche Vorgänge eingebunden gewesen zu sein. Die Geschäftstätigkeit sei vom Vater des Bf. als faktischer Geschäftsführer ausgeübt worden.

Nicht zum Geschäftsführer bestellte oder dazu bevollmächtigte "faktische Geschäftsführer" werden durch das bloße Ausüben von Geschäftsführungstätigkeiten allein noch nicht zu Vertretern im Sinne des § 80 BAO und entheben den bestellten Geschäftsführer nicht von seinen Pflichten ().

Dem Vorbringen, "die dem Bf. angelasteten Beträge seinen allein dem Vater des Bf. anzulasten", kann daher nicht gefolgt werden. Die Haftung des Vaters als faktischer Geschäftsführer ist nach § 9a BAO zu beurteilen. Diese ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat ein Geschäftsführer auch dann ein für die Haftung nach § 9 BAO relevantes Verschulden zu vertreten, wenn er sich vor der Übernahme seiner Funktion mit einer Beschränkung seiner Befugnisse einverstanden erklärt bzw. eine solche Beschränkung in Kauf nimmt, die die künftige Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung, insbesondere den Abgabenbehörden gegenüber, unmöglich macht. Das Einverständnis, nur formell als Geschäftsführer zu fungieren, somit auf die tatsächliche Geschäftsführung keinen Einfluss zu nehmen, stellt eine derartige Beschränkung der Befugnisse eines Geschäftsführers dar ().

Der Bf. hat die relevanten Verträge für die Geschäftstätigkeit der F.GmbH seinem Vater zu Liebe unterfertigt (Kaufvertrag Liegenschaft, Mietvertrag, Gesellschaftsvertrag, Kreditvertrag) und war danach bis Ende 2016 - wiederum auf Geheiß seines Vaters - mit keinerlei Geschäftsführungsaufgaben betraut.

Einen Geschäftsführer, der sich eine solche Hinderung an der Erfüllung seiner Obliegenheiten gefallen lässt, treffen die Folgen seiner Willfährigkeit (). Aus welchen Gründen der Bf. seinen Verpflichtungen als Geschäftsführer nicht nachkam, ist im gegenständlichen Haftungsverfahren ohne rechtliche Bedeutung. Das Finanzamt weist im Verfahren zu Recht darauf hin, dass der Bf. als bestellter Geschäftsführer die abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft erfüllen oder seine Funktion unverzüglich niederlegen hätte müssen. Da der Bf. diesen Pflichten nicht nachkam, muss er die Konsequenzen tragen ().

Dass es der Bf., der in einer Rechtsanwaltskanzlei als Rechtsanwaltsassistent tätig war, keinesfalls für möglich gehalten hat, dass es Abgabenverpflichtungen der GmbH gab, kann nicht nachvollzogen werden, weil allgemein bekannt ist und dem Bf. aufgrund der vorherigen Tätigkeit seines Vaters als Geschäftsführer einer GmbH bekannt war, dass die Aufnahme jeglicher wirtschaftlicher Tätigkeit in Österreich zu vielfältigen sozialversicherungs- und abgabenrechtlichen Verpflichtungen führt. Angesichts der Unterfertigung zahlreicher Verträge im Zuge der Errichtung der Gesellschaft muss dem Bf. bewusst gewesen sein, dass mit seiner Unterschrift diverse Verpflichtungen rechtlicher Art verbunden sind.
Dass der Bf. es auch nicht für möglich gehalten hat, dass die GmbH Abgabenrückstände aufweise, ist ebenso wenig glaubwürdig, da die Gründung der F.GmbH nur deshalb erfolgte ("Vorgeschichte"), weil die AKP Fleischgroßhandel GmbH, deren Gesellschafter und Geschäftsführer der Vater des Bf. war, nach einer Außenprüfung mit Abgabenrückständen von über 70.000 Euro belastet war. Dass der Vater des Bf. es in dieser Situation als bessere Alternative ansah, mit einer neu gegründeten Gesellschaft, "die auf den Sohn lief", weiter seinen Geschäften nachzugehen, als Abgabenrückstände von 70.000 Euro abzustatten, ist nachvollziehbar. Dass der Sohn aber von den Beweggründen seines Vaters, eine neue Gesellschaft zu gründen, keine Ahnung hatte, ist ebenso denkunmöglich wie die (angebliche) Gewissheit des Bf. in diesem Zusammenhang, bei der (neuen) Gesellschaft könnten keine Abgabenrückstände bestehen. Dass sich der Bf. kein einziges Mal vergewissert hat, dass die Abgaben bei der Gesellschaft ordnungsgemäß entrichtet werden, begründet bereits das für seine Heranziehung zur Haftung erforderliche Verschulden.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Bf. nach seinen Angaben die Geschäftsführung nach der Erkrankung des Vaters im Oktober 2016 übernommen hat. Nach der Aktenlage wurden ab diesem Zeitpunkt die laufenden Abgaben bekannt gegeben, aber nicht entrichtet.
Im Zuge einer Begehung des Vollstreckers gab der Bf. am bekannt, aufgrund eines offenen Beschwerdeantrages habe er keine Zahlungen für die Gesellschaft geleistet. Angesprochen auf die laufende Umsatzsteuer erklärte der Bf., er werde nunmehr seinen laufenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen nachkommen.
Es ist daher erwiesen, dass der Bf. auch selbst während seiner Geschäftstätigkeit großteils keine Abgaben entrichtet hat.

Die Haftung nach § 9 BAO setzt ein Verschulden des Geschäftsführers an der Pflichtverletzung und damit am Abgabenausfall voraus.

Als schuldhaft im Sinne dieser Bestimmung gilt jede Form des Verschuldens, somit auch leichte Fahrlässigkeit (VwGH vS , 91/13/0037).

Aus der - außer Streit stehenden - faktischen Geschäftsführungstätigkeit des Vaters des Bf. kann nicht, wie in der Beschwerde ausgeführt, der Schluss gezogen werden, den Bf. treffe an der Nichtabfuhr der Abgaben kein Verschulden. Das Einverständnis, nur formell als Geschäftsführer zu agieren, befreit nicht von der Verantwortung hinsichtlich der Erfüllung der mit der Übernahme der handelrechtlichen Geschäftsführung verbundenen gesetzlichen Verpflichtungen ().

Ein Vertreter handelt schon deshalb schuldhaft, weil ihm bewusst sein muss, dass er der gesetzlichen Sorgfaltspflicht des § 25 Abs. 1 GmbHG nicht entsprechen kann, wenn er dessen ungeachtet die Funktion eines Geschäftsführers übernimmt. Dabei kommt es auf den Grund der Übernahme der Geschäftsführerfunktion sowie auf allfällige Einflüsse Dritter auf die Geschäftsführung nicht an ().

Der vertretungsbefugte Geschäftsführer ist von seiner Verantwortung zur Entrichtung der Abgaben nicht deshalb befreit, weil die Geschäftsführung - sei es auf Grund eines eigenen Willensentschlusses des Geschäftsführers, sei es über Weisung von Gesellschaftern, sei es auf Grund einer sonstigen Einflussnahme wirtschaftlich die Gesellschaft beherrschender Personen - faktisch anderen Personen zusteht und der Geschäftsführer dadurch der Möglichkeit einer ausreichenden und effektiven Kontrolle in der Richtung, ob die jeweils fällig werdenden Abgaben zumindest anteilig entrichtet werden, beraubt ist, sich aber gegen die unzulässige Beschränkung seiner Geschäftsführung oder zumindest seiner Aufsichts- und Kontrollaufgaben in Bezug auf die Entrichtung der Abgaben nicht durch entsprechende gerichtliche Schritte zur Wehr setzt oder von seiner Geschäftsführerfunktion zurücktritt ().
Das Vorbringen, der Bf. habe auf "väterliche Weisung" gehandelt, ändert daher nichts am Vorliegen eines Verschuldens beim Bf.

Die zahlreichen Beweisanbote, die der Bf. in der Beschwerde vom unterbreitet, belegen die Bestellung des Bf. zum handelsrechtlichen Geschäftsführer sowie die faktische Geschäftsführungstätigkeit seines Vaters. Da diese Umstände ohnehin außer Streit stehen, kann von den beantragten Beweisaufnahmen (Einvernahme des Vaters des Bf., Einvernahme des Bf. sowie Einvernahme der Zeugin A) abgesehen werden.

Im Übrigen ist der Bf. zur mündlichen Verhandlung wegen Krankheit nicht erschienen; sein Vertreter war mit der Abhaltung der mündlichen Verhandlung in Abwesenheit des Bf. einverstanden.

Was die in der mündlichen Verhandlung relevierten Aussagen des Bf. und der Zeugin A vor dem Landesgericht Wiener Neustadt (Hauptverhandlungsprotokoll vom ) betrifft, ist auszuführen:

Der Bf. gab zu Protokoll, er habe bis Ende 2016 mit der F.GmbH nichts zu tun gehabt. Dem Bf. wurde auch eine Umsatzsteuerverkürzung für das Jahr 2017 zur Last gelegt, die betragsmäßig aber unter der Gerichtszuständigkeit lag. Dem Bf. sei bewusst gewesen, dass er als handelsrechtlicher Geschäftsführer der GmbH eine gewisse Verantwortung zu tragen habe, jedoch habe sein Vater für ihn gehandelt. Sein Vater habe ihm gesagt, "er brauche sich um nichts kümmern und nichts sorgen, er regle das". Die Urkunden habe er unterfertigt, weil sein Vater es so gewollt habe. Die Unterlagen habe die Zeugin A, die Assistentin seines Vaters, vom Unternehmen zum Steuerberater, seinem Onkel, gebracht.

Die Zeugin A führte aus, sie habe für die F.GmbH als geringfügig Beschäftigte die Vorbuchhaltung von Ende 2015 bis zur Insolvenz der Gesellschaft gemacht. Den Bf. habe sie im Zuge der Eröffnung kennen gelernt und ihn erst Ende 2016 wiedergesehen, als sein Vater erkrankt war. Bei Unklarheiten habe sie immer den Vater des Bf. kontaktiert, dieser sei bis Ende 2016 ihre Ansprechperson gewesen, ab diesem Zeitpunkt der Bf.

Beide Aussagen bestätigen das - unstrittige - Vorbringen des Bf., wonach bis zur Erkrankung des Vaters des Bf. Ende 2016 dieser die faktische Geschäftsführung des Unternehmens inne gehabt hat.

Wie bereits ausgeführt, änderte die Bestellung des Bf. auf Ersuchen seines Vaters, ohne selbst irgendeine organschaftliche Tätigkeit auszuführen, nichts an den ihn nach § 80 BAO treffenden Pflichten.

Aus dem Vorbringen des Bf. selbst geht auch hervor, dass er "lange" brauchte, einen Ein- und Überblick in die Geschäfte zu erlangen. Die Geschäftsführung übernahm der Bf. im Oktober 2016; erst Anfang 2017 sei es ihm - trotz steuerlicher Vertretung der Gesellschaft - gelungen, einen "gewissen" Überblick zu erlangen. Nach der Aktenlage (Kontoabfrage StNr. 33, Aktenvermerk Vollstreckungsakt vom ) hat der Bf. selbst zumindest ein Jahr lang keine Abgaben entrichtet und die Selbstbemessungsabgaben zwar gemeldet, aber nicht entrichtet.
Die Aufforderung nachzuweisen, dass die Abgaben nicht schlechter behandelt wurden als andere Verbindlichkeiten der Gesellschaft, blieb unbeantwortet.
Der Bf. hat daher die Pflicht, dafür zu sorgen, dass die Abgaben im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit entrichtet werden, nachweislich verletzt.

Auch der (rechtskräftige) Freispruch des Bf. im Finanzstrafverfahren bewirkt keine Bindung der Abgabenbehörde bei der Beurteilung der Haftungsvoraussetzungen nach § 9 Abs. 1 BAO (vgl. das Erkenntnis des ) weil das Vorliegen eines strafrechtlich relevanten Verhaltens oder einer strafgerichtlichen Verurteilung nicht Voraussetzung für eine Haftungsinanspruchnahme ist (vgl. , m.w.N.; ).

Gegenstand des Strafverfahrens vor dem Landesgericht Wiener Neustadt war der Vorwurf vorsätzlich begangener Abgabenverkürzungen, während im Haftungsverfahren als schuldhaft im Sinne des § 9 BAO jede Form des Verschuldens, somit auch leichte Fahrlässigkeit gilt.
Der Beweisantrag, die Akten des gerichtlichen Strafverfahrens anzufordern, war daher wegen Unerheblichkeit abzuweisen.

Umkehr der Beweislast

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Verletzung im Sinn des § 9 Abs. 1 BAO annehmen darf. Unterbleibt der Nachweis, kann die Behörde die uneinbringlichen Abgaben dem Vertreter zur Gänze vorschreiben ().

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter den Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, zu erbringen.
Vermag er nachzuweisen, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, so haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und der tatsächlich erfolgten Zahlung ().
Wird dieser Nachweis nicht angetreten, kann dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden.

Der anwaltlich vertretene Bf. wurde im Vorhalt vom über grundlegende Normen und deren Auslegung durch die Rechtsprechung im Haftungsverfahren belehrt und aufgefordert nachzuweisen, dass er ohne sein Verschulden daran gehindert war, für die Entrichtung der Abgaben zu sorgen. Diesbezügliche Nachweise (Liquiditätsnachweise der Gesellschaft zu den jeweiligen Fäligkeitszeitpunkten der Abgaben) wurden im gesamten Verfahren nicht vorgelegt.
Das Finanzamt konnte daher in Anlehnung an die Rechtsprechung des VwGH (z. B. , , 95/15/0137) den Bf. zur Haftung der gesamten aushaftenden Abgabenverbindlichkeiten der Gesellschaft heranziehen (siehe das oben dazu zitierte VwGH-Erkenntnis).

Kausalität

Im Fall des Vorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung spricht nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgaben durch die Pflichtverletzung und den Rechtswidrigkeitszusammenhang. Die Pflichtverletzung ist demnach kausal für die Uneinbringlichkeit (siehe dazu , ).

Fest steht, dass die pflichtwidrige Nichtentrichtung der im Haftungsbescheid angeführten Abgaben kausal für deren Uneinbringlichkeit ist und dieses pflichtwidrige Verhalten dem Bf. als verantwortlichen Geschäftsführer der Gesellschaft zuzurechnen ist. Von einem Rechtswidrigkeitszusammenhang ist demnach auszugehen.

Höhe der Haftungsbeträge

Für folgende Abgaben ist eine Haftungsinanspruchnahme des Bf. nicht möglich:

Die Lohnabgaben 07/2017 wurden am verbucht und entrichtet (Buchungsabfrage StNr. 33). Der Dienstgeberbeitrag 07/2017 wurde daher zur Gänze entrichtet, weshalb für diese Abgabe keine Haftung geltend gemacht werden kann (Betrag 13,13 Euro).

Nach der Konkurseröffnung ist der Masseverwalter betreffend die Konkursmasse gesetzlicher Vertreter des Gemeinschuldners im Sinn des § 80 BAO (). Dieser tritt an die Stelle des Gemeinschuldners, weshalb dem Bf. ein Verschulden an der Nichtentrichtung von Abgaben nach der Konkurseröffnung nicht angelastet werden kann. Der mit dem Bescheid vom festgesetzte Säumniszuschlag 2018 in der Höhe von 164,74 Euro ist daher aus dem Haftungsbescheid auszuscheiden.

Die Säumniszuschläge wurden nach Fälligkeitstagen gegliedert. Von den Säumniszuschlägen 2017 ist ein Säumniszuschlag in der Höhe von 73,39 Euro aus der Haftung auszuscheiden, weil dem Bf. der zu Grunde liegende Bescheid über die Festsetzung eines ersten Säumniszuschlages nicht übermittelt wurde.

Die Haftungssumme verringert sich damit auf 176.285,66 Euro.

Ermessen

Die Geltendmachung der Haftung im Sinne des § 9 BAO liegt im Ermessen der Abgabenbehörde, das sich innerhalb der vom Gesetz aufgezeigten Grenzen (§ 20 BAO) zu halten hat. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben mit allen gesetzlich vorgesehenen Mitteln und Möglichkeiten" beizumessen.

Die Geltendmachung der Haftung stellt die letzte Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabenanspruches dar, wobei die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles ein wesentliches Ermessenskriterium ist. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist.

Laut Handelsregister war der Bf. der einzige Geschäftsführer der Primärschuldnerin, bei der die Abgaben nicht mehr eingebracht werden können.

Es war daher zweckmäßig, den Bf. zur Haftung für jene Abgaben, die aufgrund seines grob pflichtwidrigen Verhaltens (Nichtabfuhr) bei der Gesellschaft uneinbringlich geworden sind, heranzuziehen.

Für eine gänzliche oder teilweise Entlastung des Bf. sprechende Billigkeitsgründe wurden weder vorgebracht noch sind solche der Aktenlage zu entnehmen.

Zur Unzulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf die zitierte Judikatur wird verwiesen.

Das Erkenntnis gründet sich auf die oben wieder gegebene ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, weshalb eine Revision nicht zulässig ist.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7102873.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at