Zurückweisung der Beschwerde, weil die angefochtenen Bescheide nicht rechtswirksam ergangen sind
Entscheidungstext
Beschluss
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Anna Radschek in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, betreffend die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom betreffend Abzugssteuer gemäß § 99 EStG 1988 für 04/2011 bis 12/2011, 2012 und 04/2013 sowie Haftung für Kapitalertragsteuer für 2011 bis 2014, Steuernummer ***BF1StNr1***, beschlossen:
Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO als nicht zulässig zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Begründung
Verfahrensgang
Im Anschluss an bei der beschwerdeführenden Gesellschaft durchgeführte Außenprüfungen betreffend Umsatz-, Körperschaft- und Kapitalertragsteuer sowie die lohnabhängigen Abgaben der Jahre 2011 bis 2014 ergingen den Feststellungen der Außenprüfungen Rechnung tragende Bescheide, worunter sich auch die im Spruch angeführten als Bescheide intendierten Erledigungen befinden, die an die beschwerdeführende Gesellschaft zuhanden ihres steuerlichen Vertreters gerichtet waren.
Die vom steuerlichen Vertreter eingebrachte Beschwerde, die sich unter anderem auch gegen die im Spruch genannten Bescheide richtet, wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen und an die beschwerdeführende Gesellschaft adressiert.
Dagegen wurde vom steuerlichen Vertreter fristgerecht ein Vorlageantrag eingebracht.
Das Finanzamt legte die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und hielt in seiner Stellungnahme an den Feststellungen der Außenprüfung fest.
Mit Beschluss vom forderte das Bundesfinanzgericht die beschwerdeführende Gesellschaft auf, innerhalb von drei Wochen ab Erhalt dieses Beschlusses bekannt zu geben, ob einem ihrer damaligen Geschäftsführer die Haftungsbescheide betreffend Abzugssteuer gemäß § 99 EStG 1988 für 04/2011 bis 12/2011, 2012 und 04/2013 sowie Kapitalertragsteuer für 2011 bis 2014, die zuhanden des steuerlichen Vertreters ergangen seien, im Original zugegangen seien.
Begründend wurde dazu angeführt, der steuerliche Vertreter verfüge seit 2010 nicht mehr über eine Zustellvollmacht. Die gegenständlichen Bescheide wären daher an die Gesellschaft zuzustellen gewesen. Eine Heilung dieses Zustellmangels gemäß § 7 Zustellgesetz könnte nur dadurch bewirkt worden sein, dass die Dokumente einem der Geschäftsführer der beschwerdeführenden Gesellschaft tatsächlich (im Original) zugekommen seien. Aus diesem Grund sei die beschwerdeführende Gesellschaft dazu zu befragen.
Dazu gab der nunmehrige Geschäftsführer der beschwerdeführenden Gesellschaft bekannt, dass nach Überprüfung der Firmeneingangspost ab dem Juni 2017 (aber auch der persönlichen Post der Geschäftsführer) festgestellt worden sei, dass die genannten Bescheide nicht im Original vorliegen würden.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt:
Der steuerliche Vertreter der beschwerdeführenden Gesellschaft verfügt seit 2010 nicht mehr über eine Zustellbevollmächtigung.
Die als Bescheid intendierten Erledigungen vom betreffend Abzugsteuer gemäß § 99 EStG für 04/2011 bis 12/2011, 2012 und 04/2013 sowie Haftung für Kapitalertragsteuer für 2011 bis 2014 wurden an die beschwerdeführende Gesellschaft zuhanden ihres steuerlichen Vertreters zugestellt.
Der steuerliche Vertreter brachte zwar fristgerecht Beschwerde unter anderem auch gegen diese Erledigungen ein, verabsäumte es aber, den Geschäftsführern der beschwerdeführenden Gesellschaft die als Bescheide intendierten Erledigungen im Original zukommen zu lassen.
Beweiswürdigung:
Die getroffenen Sachverhaltsfeststellungen beruhen auf den im vorgelegten Verwaltungsakt befindlichen Unterlagen und hinsichtlich des Umstandes, dass den Geschäftsführern der beschwerdeführenden Gesellschaft die als Bescheide intendierten Erledigungen nicht im Original übermittelt wurden, auf der Aussage des nunmehrigen Geschäftsführers. Diese erscheint im Hinblick darauf, dass der steuerliche Vertreter Beschwerde gegen sämtliche im Anschluss an die Außenprüfungen erlassene Bescheide (also auch gegen jene Bescheide, die an die Gesellschaft unmittelbar gerichtet waren) einbrachte, und daher offenbar keine Notwendigkeit gesehen wurde, den Geschäftsführern der beschwerdeführenden Gesellschaft die an den steuerlichen Vertreter gerichteten Erledigungen im Original auszuhändigen, als durchaus glaubwürdig.
Rechtliche Würdigung:
Zu Spruchpunkt I. (Zurückweisung)
Gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262 BAO) oder mit Beschluss (§ 278 BAO) zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist.
Gemäß § 243 BAO sind gegen Bescheide, die Abgabenbehörden erlassen, Beschwerden (Bescheidbeschwerden) an die Verwaltungsgerichte zulässig, soweit in Abgabenvorschriften nicht anderes bestimmt ist.
Gemäß § 97 Abs. 1 erster Satz BAO werden Erledigungen dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt gemäß § 97 Abs. 1 lit. a BAO bei schriftlichen Erledigungen, abgesehen von hier nicht interessierenden Ausnahmen, durch Zustellung.
Gemäß § 98 Abs. 1 BAO sind Zustellungen nach dem Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982 (ZustG), ausgenommen Abschnitt III (Elektronische Zustellung), vorzunehmen, soweit in der BAO - für den Beschwerdefall unerheblich - nicht anderes bestimmt ist.
Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt gemäß § 7 ZustG die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.
Zustellmängel sind Rechtswidrigkeiten beim Zustellvorgang oder auf der Zustellverfügung. Solche Mängel liegen unter anderem bei Verletzungen des ZustG vor (vgl. Ritz, BAO6, § 7 ZustG Tz 3).
§ 7 ZustG ist anwendbar, wenn die Zustellverfügung an eine Person X zu Handen einer anderen Person Y lautet, Y zugestellt wurde und der nicht zustellungsbevollmächtigte Y das Schriftstück an X weiterleitet, weil es nach der Zustellverfügung auch für X bestimmt ist (vgl. Ritz, aaO Tz 4 und die dort wiedergegebene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).
Ein tatsächliches Zukommen im Sinne des § 7 ZustG setzt voraus, dass die Empfängerin tatsächlich in den Besitz des zuzustellenden Schriftstückes kommt. Nicht ausreichend ist die bloße Kenntnisnahme des Inhaltes des Schriftstückes beispielsweise durch Übermittlung einer Ablichtung oder durch Akteneinsicht (vgl. Ritz, aaO Tz 7, und die dort angeführte Literatur und Judikatur).
Die als Bescheide intendierten Erledigungen sind von der belangten Behörde an die beschwerdeführende Gesellschaft zuhanden ihres steuerlichen Vertreters adressiert worden, der jedoch über keine Zustellvollmacht verfügt. Diese Erledigungen waren auch für die beschwerdeführende Gesellschaft und nicht nur für ihren steuerlichen Vertreter bestimmt. Wären sie der beschwerdeführenden Gesellschaft tatsächlich zugekommen und hätten deren Geschäftsführer nicht bloß Kenntnis von ihrem Inhalt erlangt, dann wäre der Zustellmangel gemäß § 7 ZustG damit auch saniert worden (vgl. ; sowie ).
Da der steuerliche Vertreter aber die an ihn - trotz Fehlens einer Zustellvollmacht - gerichteten Bescheide nicht im Original an einen der Geschäftsführer der beschwerdeführenden Gesellschaft übermittelt hat, konnte der Zustellmangel auch nicht gemäß § 7 ZustG geheilt werden.
Die angefochtenen als Bescheide intendierten Erledigungen betreffend Abzugsteuer gemäß § 99 EStG für 04/2011 bis 12/2011, 2012 und 04/2013 sowie Haftung für Kapitalertragsteuer für 2011 bis 2014 wurden daher der beschwerdeführenden Gesellschaft nicht rechtswirksam zugestellt, und konnten daher mangels rechtswirksamer Zustellung keine Rechtswirksamkeit gegenüber der beschwerdeführenden Gesellschaft entfalten.
Mit Beschwerde anfechtbar sind aber nur rechtswirksam ergangene Bescheide. Eine gegen mangels Zustellung rechtlich nicht existent gewordene Bescheide gerichtete Bescheidbeschwerde ist daher als unzulässig zurückzuweisen (vgl. Ritz, BAO6, § 260 Tz 8).
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da sich die Rechtsfolge der Einbringung einer Bescheidbeschwerde gegen einen nicht rechtswirksam ergangenen Bescheid bereits aus dem Gesetz ergibt und die Rechtsunwirksamkeit der Zustellung des angefochtenen Bescheides im Sinne der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes beurteilt wurde, war mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung die Unzulässigkeit der Revision auszusprechen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 278 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 97 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 7 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7103244.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at