Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.07.2020, RV/7103106/2020

EU-VAHG: der einheitliche Vollstreckungstitel ist kein Bescheid

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, Slowakei, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Michal Slany, Museumstraße 5/14, 1070 Wien, aufgrund des Vorlageantrages vom zur Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes Wien 1/23 vom zur (vermeintlichen) Beschwerde vom gegen einheitlichen Vollstreckungstitel der Republik Österreich, Finanzamt Wien 1/23, vom , ***1***, zu Recht erkannt:

Die Beschwerdevorentscheidung vom wird gemäß § 279 BAO ersatzlos aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Bescheid vom wurde der nunmehrige Beschwerdeführer (Bf.) gemäß §§ 9 und 80 BAO für Abgabenschuldigkeiten der Firma ***B*** GmbH in Liqu. in Höhe von insgesamt € 17.111,89 zur Haftung herangezogen.

Dieser an den Bf. mit Anschrift ***Bf1-Adr***Slowakei, adressierte Bescheid wurde mit internationalem Rückschein versendet und vom Bf. am übernommen.

Dagegen erhob der Bf. Beschwerde, die der belangten Behörde am persönlich überreicht wurde.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.

Diese Beschwerdevorentscheidung wurde ebenfalls mit internationalem Rückschein an die genannte Adresse versendet und vom Bf. am übernommen.

Ein diesbezüglicher Vorlageantrag ist nicht aktenkundig.

In der Folge versendete das Finanzamt am eine Mahnung sowie am eine Zahlungsaufforderung jeweils mit internationalem Rückschein, vom Bf. am und übernommen.

Mit dem hierfür nach Art. 21 der Richtlinie 2010/24/EU des Rates vom über die Amtshilfe bei der Betreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen (Betreibungsrichtlinie - BeitrRL) vorgesehenen Standardformblatt ersuchte die Republik Österreich, Finanzamt Wien 1/23, am unter Beifügung des einheitlichen Vollstreckungstitels, Aktenzeichen ***1***, die slowakische Republik um Betreibung der Haftungsschulden des Bf. in Höhe von insgesamt € 17.001,45.

Mit Eingabe vom brachte der Bf. beim Bundesfinanzgericht eine "Beschwerde über die Vorgangsweise des Finanzamtes Wien wegen des Erlasses eines Vollstreckungsbescheides ***1***vom über den Betrag in Höhe von € 17.001,45 im Zusammenhang der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft ***B*** GmbH ein."

Diese wurde durch das Bundesfinanzgericht am an die belangte Behörde weitergeleitet.

Mit einer weiteren Eingabe vom brachte der Bf. bei der belangten Behörde "einen Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid ***1***vom ein." Es handle sich um die Zwangsvollstreckung in Höhe von € 17.001,45, die infolge der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft ***B*** GmbH eingeleitet worden sei.

Diese Eingaben sind im Wesentlichen inhaltsgleich:

Der Bf. sei 2015 mit der Absicht nach Österreich gekommen, dort eine Geschäftstätigkeit ehrlich und verantwortungsbewusst auszuüben; Gemeinsam mit seinen Partnern wollte er ein Großhandelsterminal mit Rapsöl aufbauen. Der Bf. habe in dieses Projekt so ein großes Vertrauen gehabt, dass er darin alle seine Ersparnisse wie auch die Ersparnisse seiner Familie investiert habe. Über 9 Monate zahlte der Bf. und seine Geschäftspartner Gehälter an die Mitarbeiter, alle Kosten, die mit dem Betrieb des gemieteten Geländes verbunden gewesen seien, die Kosten für den Teilumbau und die Instandsetzung, die Wartungskosten usw. Der Großteil der in dieses Unternehmen investierten finanzielle Mittel sei vom Bf. und nicht von seinen Partnern gekommen. Die Partner hätten für die Lieferungen des Rapsöls zu sorgen gehabt, die eigentlich nie durchgeführt worden seien. Es seien nur ungefähr 4 Rapsöltanks geliefert worden, die dazu noch zu einem hohen Preis gekauft worden seien und einen noch größeren Verlust verursachten hätten. Nachdem seine gesamten finanziellen Mittel aufgebraucht waren, sahen sich der Bf. und seine Partner gezwungen, die Mitarbeiter zu entlassen, die durch das Buchhaltungsbüro ***S*** GmbH, ***Adr2*** ordnungsgemäß vom Arbeitsverhältnis abgemeldet worden seien. Zu diesem Zeitpunkt sei das Projekt des Unternehmens ***B*** praktisch beendet gewesen. Der Bf. sei ohne Rapsöl und mit Schulden geblieben, für die er alleine habe aufkommen müssen, ohne Unterstützung seiner ehemaligen Partner. Nach einiger Zeit habe sich einer der Geschäftspartner gemeldet und vorgeschlagen, das Unternehmen abzukaufen und darin zu investieren. Mit diesem Vorschlag sei der Bf. mit seinen Partnern einverstanden gewesen und am hätten sie an Herrn ***C*** verkauft.

Der Notar habe mitgeteilt, dass der Bf. mit seinen Partnern ab diesem Moment mit der Gesellschaft ***B*** nichts mehr zu tun habe und er im Namen der Gesellschaft nicht mehr handeln könne.

Unter Anderem habe der Bf. den Käufer, Herrn ***C***, darauf hingewiesen, dass er und seine Partner keine Steuererklärungen abgegeben hätten, wie auch auf die sich daraus ergebenden Verbindlichkeiten und auf die Kommunikation mit dem Finanzamt Wien, nämlich mit Frau ***2***. Der Käufer habe versichert, alles in Ordnung zu bringen. In Anwesenheit des Bf. und seiner Partner habe Herr ***C*** sofort Frau ***2*** vom Finanzamt Wien 1/23 angerufen, um ihr mitzuteilen, dass er die Gesellschaft gekauft habe, dass der Bf. mit seinen Partnern mit der Gesellschaft nichts mehr zu tun habe und dass im Namen dieser Gesellschaft nur mehr er handeln werde. Ab diesem Moment habe der Bf. die Angelegenheit mit der Gesellschaft für abgeschlossen gehalten (siehe Beilagen: Notariatsakt und Protokoll der Generalversammlung).

Bis zum Anfang des Jahres 2018, als beim Bf. eine Zwangsvollstreckung in Höhe von € 1.760,21 durchgeführt und sein Privatkonto verpfändet worden sei, habe er von den Schulden der Gesellschaft keine Kenntnis gehabt. Der Grund für die Zwangsvollstreckung seien die Steuerrückstände der Gesellschaft gewesen. Der Bf. habe sofort begonnen, in dieser Sache zu handeln. Er sei nach Wien gefahren, habe den Notar Herrn ***N*** aufgesucht, bei dem er eine Bestätigung über den Verkauf der Gesellschaft ***B*** an Herrn ***C*** abgeholt habe. Diese Bestätigung habe er anschließend persönlich zum Finanzamt Wien gebracht und gleichzeitig einen Einspruch gegen die Zwangsvollstreckung eingelegt. Seitdem sei der Bf. regelmäßig mit dem Finanzamt Wien im Kontakt, aber die Situation sei trotzdem nur schlimmer geworden.

Zu dem Zeitpunkt habe der Bf. auch erfahren, dass die Handelsgesellschaft durch Liquidation aufgelöst worden sei. Im Oktober 2019 habe der Bf. die Buchhaltungsgesellschaft ***S***GmbH,***Adr2***, vertreten durch Herrn ***3***, gebeten, die Steuererklärung für das Jahr 2015 abzugeben. Aus dieser Steuererklärung gehe eindeutig hervor, dass die Gesellschaft ***B*** im Jahr 2015 einen großen Verlust verzeichnet und keinen einzigen Euro verdient habe. Bis zum heutigen Tag habe der Bf. keine Stellungnahme zu dieser Steuererklärung erhalten, obwohl er sehr bemüht gewesen sei, eine Antwort zu bekommen. Mehrmals habe er das Finanzamt Wien persönlich besucht und versucht, auch telefonisch mit diesem zu kommunizieren. Trotz seiner Bemühungen und der abgegebenen Steuererklärung sei gegen seine Person eine weitere Zwangsvollstreckung eingeleitet worden.

Durch das slowakische Finanzamt sei sein Privateigentum beschlagnahmt worden, das er gemeinsam mit seiner Gattin besitze. Das Buchhaltungsbüro habe den Bf. auch darüber informiert, dass es sich dabei auch um die Eintreibung von Schulden aus dem Jahr 2014 handle, als der Bf. mit dieser Handelsgesellschaft nichts zu tun gehabt habe. Er verstehe also überhaupt nicht, weshalb die erwähnten Schulden bei ihm als Privatperson eingetrieben würden, wenn diese Schulden bei der Handelsgesellschaft ***B*** entstanden seien. Der Bf. verstehe auch nicht, warum diese Angelegenheiten nicht mit Herrn ***C***, als letztem Eigentümer der Gesellschaft geklärt werden.

Gegen die Vorgangsweise und Entscheidungen der Steuerverwaltung habe der Bf. Einsprüche und Einwände eingelegt. Die Vorgangsweise der Steuerverwaltung, gegen den Bf. als natürliche Person die gegenüber der GmbH bestehenden Ansprüche geltend zu machen, halte er für gesetzwidrig und beantrage, alle gesetzwidrigen in seiner Sache gefassten Beschlüsse für nichtig zu erklären.

Bestehe trotz aller erwähnten Tatsachen ein rechtlicher Grund dafür, dass er den Betrag bezahlen müsse, sei er selbstverständliche bereit, dies zu tun. Unter Berücksichtigung seiner aktuellen finanziellen Lage möchte der Bf. jedoch bitten, ihm zu ermöglichen, diesen Betrag in Form von Raten zu bezahlen. Der Bf. habe nie die Absicht gehabt, irgendwelche Schulden oder Probleme in Österreich zu verursachen. Der Bf. würde sich wünschen, dass alles wieder in Ordnung sei.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde "gegen den einheitlichen Vollstreckungstitel vom " gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO zurück und führte aus:

Bisheriger Verfahrensgang

Mit Bescheid vom sei der Bf. als Vertreter (Geschäftsführer) der Firma ***B*** GmbH (Abg.Kto.Nr.: ***StNr1***) für aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der GmbH im Ausmaß von 17.111,89 Euro gemäß den Bestimmungen der §§ 9, 80 BAO zur Haftung herangezogen worden. Gegen diesen Haftungsbescheid habe der zur Haftung Herangezogene das Rechtmittel der Beschwerde eingebracht. Diese Beschwerde sei vom Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom abgewiesen worden. Die BVE sei in Rechtskraft erwachsen. Die Haftungsschuld sei mit Schreiben vom eingemahnt worden (§ 227 Abs. l BAO). Die Mahnfrist sei fruchtlos abgelaufen. Auch die Zahlungsaufforderung vom sei erfolglos geblieben. Infolge Nichtentrichtung der Haftungsschuld habe das Finanzamt, gestützt auf Artikel 10 der Richtlinie 2010/24/EU, am an die Slowakei ein Beitreibungsersuchen gerichtet. Dazu sei dem ersuchten Staat ein "einheitlicher Vollstreckungstitel" (vgl. Kap. IV Art. 10 Abs. 1 der RL 2010/24/EU) übermittelt worden. In der Folge habe der Haftende sowohl beim Bundesfinanzgericht (mit Schreiben vom ) als auch beim Finanzamt (mit Schreiben vom ) eine "Beschwerde"bzw. einen "Einspruch" eingebracht. Beide Anbringen richteten sich "gegen den Vollstreckungsbescheid". Einen Vollstreckungsbescheid (vgl. § 237 Abs. 7 BAO) habe das Finanzamt Wien 1/23 gegen den Bf. nicht erlassen.

Zur Deutung der Anbringen vom und vom :

Für die Beurteilung von Anbringen komme es nicht auf die Bezeichnung von Schriftsätzen und die zufälligen verbalen Formen an, sondern auf den Inhalt, das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteienschrittes (vgl. Ritz, BAO6, § 85 Tz 1, mit zahlreichen Judikaturnachweisen).

Das zu erschließende Ziel des Parteienschrittes sei erkennbar die Bekämpfung des vom Finanzamt ausgestellten einheitlichen Vollstreckungstitels. Hintergrund für die Beschwerden sei offenkundig der Umstand, dass aufgrund des erwähnten Beitreibungsersuchens von der zuständigen Abgabenbehörde in der Slowakei gegen den Bf. Exekutionsmaßnahmen durchgeführt worden seien (die auch durchzuführen gewesen seien).

Die beim Bundesfinanzgericht (BFG) am eingelangte, mit datierte Beschwerde sei daher als Beschwerde gegen den vom Finanzamt Wien 1/23 am ausgestellten, auf den Bf. lautenden einheitlichen Vollstreckungstitel vom zu werten. Der beim Finanzamt Wien 1/23 am eingebrachte "Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid" habe im Wesentlichen den gleichen Inhalt und sei daher als ergänzender Schriftsatz zu der beim BFG eingebrachten Beschwerde zu werten.

Zur Zurückweisung der Beschwerde:

Gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO sei die Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig sei.

Zur Unzulässigkeit der Beschwerde:

Am sei die offene Haftungsschuld in Höhe von € 17.111,89 schriftlich eingemahnt worden.

Infolge der Nichtentrichtung der Abgaben seien daher die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Rückstandsausweises gemäß § 229 BAO vorgelegen. Dieser sei am erstellt worden.

Gemäß Kap. IV Art. 10 Abs.l der RL 2010/24/EU nehme die ersuchte Behörde die Beitreibung von Forderungen vor, für die im ersuchenden Mitgliedsstaat ein Vollstreckungstitel (hier der Rückstandsausweis vom ) bestehe. Als vollstreckbarer Verwaltungsakt gelte hiefür der an die slowakischen Behörden übersandte "einheitliche Vollstreckungstitel". Diesem einheitlichen Vollstreckungstitel liege - wie oben dargestellt - der rechtskräftige Haftungsbescheid vom zu Grunde.

Der Rückstandsausweis (der "einheitliche Vollstreckungstitel") bestätige den Bestand und die Vollstreckbarkeit einer Abgabenschuld und sei weder ein dem Abgabenschuldner noch ein dem Verpflichteten im Exekutionsverfahren zuzustellender Bescheid. Die Ergreifung eines Rechtsmittels gegen die Ausstellung des Rückstandsausweises komme daher nicht in Frage (vgl. dazu auch ().

Da es sich beim "einheitlichen Vollstreckungstitel vom " um keinen (rechtsmittelfähigen) Bescheid handle, sei die dagegen erhobene Beschwerde zurückzuweisen. Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass die Ausstellung des Rückstandausweises am (und sohin auch die Ausstellung des bekämpften "einheitlichen Vollstreckungstitels") durch das Finanzamt zu Recht erfolgt sei, da die Haftungsschuld bei Fälligkeit nicht entrichtet worden sei, für den Bf. eine Einbringungshemmung iS des § 230 BAO bzw. eine Aussetzung der Einbringung iS des § 231 BAO nicht aufrecht gewesen sei und auch keine anderen gesetzlichen Vorschriften der Vollstreckung entgegengestanden seien. Demzufolge sei das Finanzamt nach § 5 der Abgabenexekutionsordnung (AbgEO) auch verpflichtet gewesen, gegen den Bf. die Vollstreckung von Amts wegen einzuleiten und durchzuführen. Einwendungen, die sich gegen den Abgabenanspruch oder gegen die Höhe der Abgabe richten, seien im Vollstreckungsverfahren nicht mehr zu prüfen.

Hinweis:

Über das im Anbringen vom gestellte Zahlungserleichterungsansuchen ergehe eine gesonderte Erledigung.

Dagegen brachte der Bf., nunmehr rechtsfreundlich vertreten, mit Schriftsatz vom einen Vorlageantrag ein:

Die Beschwerdevorentscheidung sei inhaltlich unrichtig.

Der vom Einschreiter angefochtene Haftungstitel sei entgegen der Ansicht der Behörde mittels eines gesonderten Rechtsmittels bekämpfbar. Der erlassene Vollstreckungstitel stelle einen Bescheid im Sinne der BAO dar, gegen den die Erhebung eines Rechtmittels zulässig sei.

Die Beschwerdevorentscheidung hätte nicht erlassen werden dürfen.

Bestritten werde weiters, dass ein rechtskräftiger Haftungstitel vorliege. Der ursprüngliche Haftungsbescheid sowie der in weiterer Folge aufbauend auf diesen Bescheid erlassene Haftungstitel seien dem Bf. nicht wirksam zugstellt worden.

Der Einschreiter sei der deutschen Sprache nicht mächtig. Er habe sämtliche Zustellungen nicht (ausreichend) verstanden und sämtliche seine Eingaben mittels Google-Translator übersetzt. Es sei für die Behörde erkennbar gewesen, dass der Einschreiter der deutschen Sprache nicht mächtig sei.

Gemäß § 11 ZustellG seien Zustellungen im Ausland nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen oder allenfalls auf dem Weg, den die Gesetze oder sonstigen Rechtsvorschriften des Staates, in dem zugestellt werden solle, oder die internationale Übung zuließen, erforderlichenfalls unter Mitwirkung der österreichischen Vertretungsbehörden, vorzunehmen. Aus § 11 ZustellG ergebe sich eine abgestufte Reihenfolge, die bei der Prüfung, ob eine entsprechende Zustellung in einem anderen Staat möglich und zulässig sei, anzuwenden sei. Entscheidend seien in erster Linie bestehende internationale Vereinbarungen.

Gemäß Art. XIII Abs. 4 zweiter und dritter Satz des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Slowakischen Republik über die Ergänzung des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen und in Erleichterung seiner Anwendung, BGBl. Nr. 28/1996, gelte die Zustellung in beiden Vertragsstrafen als nicht bewirkt, wenn das zuzustellende Schriftstück nicht mit einer Übersetzung in die Sprache des ersuchten Staates versehen sei.

Gemäß Art. 5. Abs. 3. des Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, BGBl. III. Nr. 65/2005, sei, wenn Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass der Zustellungsempfänger der Sprache, in der die Urkunde abgefasst sei, unkundig sei, die Urkunde - oder zumindest deren wesentlicher Inhalt - in die Sprache oder in eine der Sprachen des Mitgliedstaates, in dessen Hoheitsgebiet der Empfänger sich aufhalte, zu übersetzten. Sei der Behörde, die die Verfahrensurkunde ausgestellt habe, bekannt, dass der Empfänger nur einer anderen Sprache kundig sei, so sei die Urkunde - oder zumindest deren wesentlicher Inhalt - in diese andere Sprache zu übersetzen.

Die Behörde habe aufgrund der Hinweise seitens des Einschreiters, dass er seine Eingaben mit Google-Translator übersetzt in Verbindung mit der Tatsache, dass die Eingaben des Einschreiters grammatikalisch unrichtig bzw. - zumindest zum Teil - unverständlich bzw. sprachlich unschlüssig seien, ausreichend Anhaltspunkte dafür, dass er der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig sei.

Vor diesem Hintergrund sei die Zustellung des Haftungsbescheides sowie der in weiterer Folge auf diesen Haftungsbescheid erlassenen Beschwerdevorentscheidung sowie in weiterer Folge erlassenen Vollstreckungstitel bzw. -bescheide sowie die hiermit bekämpfte Beschwerdevorentscheidung nicht gesetzmäßig, weil die genannten Schriftstücke nicht in die slowakische Sprache übersetzt gewesen seien.

Aus den oben genannten Gründen stelle der Einschreiter den Antrag, das Bundesfinanzgericht möge in der Sache selbst entscheiden, der Beschwerde Folge geben, den angefochtenen Bescheid ersatzlos beheben und das Verfahren einstellen, in eventu den angefochtenen Bescheid aufheben und die Sache Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die Behörde zurückverweisen.

Rechtslage und Erwägungen:

Rechtsgrundlagen:

§ 1 EU-VAHG lautet:

(1) Dieses Bundesgesetz regelt die Durchführung der Amtshilfe zwischen Österreich und den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Mitgliedstaaten) bei der Vollstreckung der in den Mitgliedstaaten entstandenen Abgabenansprüche auf Grund der Richtlinie 2010/24/EU über die Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen, ABl. Nr. L 84 vom S. 1 (im Folgenden: Beitreibungsrichtlinie).

(2) Abgabenansprüche im Sinne dieses Bundesgesetzes sind Steuern und Abgaben aller Art, die von einem Mitgliedstaat oder dessen gebiets- oder verwaltungsmäßigen Gliederungseinheiten, einschließlich der lokalen Behörden, oder für diesen oder diese oder für die Europäische Union erhoben werden, ausgenommen Einfuhr- und Ausfuhrabgaben sowie die Einfuhrumsatzsteuer, soweit diese vom Zollamt Österreich erhoben wird.

(3) Der Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes umfasst auch:

1. Geldstrafen, Geldbußen, Gebühren und Zuschläge in Bezug auf Abgabenansprüche, für deren Vollstreckung gemäß Abs. 1 um Amtshilfe ersucht werden kann und die von den für die Erhebung der betreffenden Steuern oder Abgaben oder die Durchführung der dafür erforderlichen behördlichen Ermittlungen zuständigen Behörden verhängt oder von Verwaltungsorganen oder Gerichten auf Antrag dieser Behörden bestätigt wurden;

2. Gebühren für Bescheinigungen und ähnliche Dokumente, die in Zusammenhang mit Verwaltungsverfahren in Bezug auf Steuern oder Abgaben ausgestellt werden

3. Zinsen und Kosten im Zusammenhang mit Abgabenansprüchen, für deren Vollstreckung gemäß Abs. 1 oder gemäß den Z 1 und 2 um Amtshilfe ersucht werden kann.

(4) Dieses Bundesgesetz ist nicht anzuwenden auf:

1. Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung, die an den Mitgliedstaat oder die Gliederungseinheit eines Mitgliedstaates bzw. an öffentlich-rechtliche Sozialversicherungseinrichtungen zu leisten sind;

2. andere als die in Abs. 3 genannten Gebühren;

3. vertragliche Gebühren, wie Zahlungen an öffentliche Versorgungsbetriebe;

4. strafrechtliche Sanktionen, die auf der Grundlage einer Anklageerhebung im Strafverfahren verhängt werden, oder andere strafrechtliche Sanktionen, die nicht von Abs. 3 Z 1 erfasst sind.

(5) Abgabenansprüche nach Abs. 2 samt den in Abs. 3 genannten sonstigen Ansprüchen werden nach den Bestimmungen der Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949 in der jeweils geltenden Fassung, vollstreckt, soweit dieses Bundesgesetz nicht etwas anderes bestimmt.

§ 11 EU-VAHG

(1) Das zentrale Verbindungsbüro darf Vollstreckungsersuchen an einen anderen Mitgliedstaat weiterleiten, wenn

1. die Voraussetzungen für die Vollstreckung gegeben sind und

2. der Abgabenanspruch nicht angefochten ist oder nicht mehr angefochten werden kann

(2) Ungeachtet des Abs. 1 Z 2 kann ein Vollstreckungsersuchen auch die Vollstreckung eines angefochtenen Abgabenanspruchs oder eines angefochtenen Teilbetrags eines Abgabenanspruchs beinhalten. Ein solches Ersuchen ist zu begründen. Wird dem Rechtsmittel später stattgegeben, haftet Österreich als ersuchender Mitgliedstaat für die Erstattung bereits vollstreckter Beträge samt allenfalls geschuldeten Entschädigungsleistungen.

(3) Um Amtshilfe darf nur ersucht werden, wenn zuvor alle nach der Abgabenexekutionsordnung vorgesehenen Vollstreckungsmöglichkeiten ausgeschöpft wurden, es sei denn,

1. es ist offensichtlich, dass keine Vermögensgegenstände für die Vollstreckung in Österreich vorhanden sind oder dass Vollstreckungsverfahren in Österreich nicht zur vollständigen Begleichung des Abgabenanspruchs führen, und der Vollstreckungsbehörde oder es liegen dem zentralen Verbindungsbüro konkrete Informationen vor, wonach die betreffende Person über Vermögensgegenstände im ersuchten Mitgliedstaat verfügt;

2. die Durchführung solcher Vollstreckungsmaßnahmen wäre in Österreich mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden.

(4) Jedem Vollstreckungsersuchen ist der für alle Mitgliedstaaten einheitliche Vollstreckungstitel im Sinne des Art. 12 Abs. 1 der Beitreibungsrichtlinie, dessen Inhalt im Wesentlichen dem des ursprünglichen Exekutionstitels entspricht, beizufügen. Dem Vollstreckungsersuchen dürfen weitere Dokumente, die in Zusammenhang mit dem Abgabenanspruch stehen, beigefügt werden.

(5) Erlangt die ersuchende Behörde in Zusammenhang mit der Angelegenheit, die dem Vollstreckungsersuchen zu Grunde liegt, zweckdienliche Informationen, so leitet sie diese unverzüglich an die ersuchte Behörde weiter.

§ 14 EU-VAHG

(1) Einwendungen in Bezug auf den Abgabenanspruch, auf den ursprünglichen Exekutionstitel für die Vollstreckung im ersuchenden Mitgliedstaat oder auf den einheitlichen Vollstreckungstitel für die Vollstreckung im ersuchten Mitgliedstaat sowie Einwendungen in Bezug auf die Gültigkeit einer Zustellung durch eine zuständige Behörde des ersuchenden Mitgliedstaates fallen in die Zuständigkeit der Rechtsmittelbehörden bzw. Instanzen des ersuchenden Mitgliedstaates. Wird im Verlauf des Vollstreckungsverfahrens der Abgabenanspruch, der ursprüngliche Exekutionstitel oder der einheitliche Vollstreckungstitel von einer betroffenen Partei angefochten, so unterrichtet die ersuchte Behörde diese Partei darüber, dass sie das Rechtsmittel bei der zuständigen Instanz des ersuchenden Mitgliedstaates nach dessen Recht einzulegen hat.

(2) Einwendungen in Bezug auf die im ersuchten Mitgliedstaat ergriffenen Vollstreckungsmaßnahmen oder in Bezug auf die Gültigkeit einer Zustellung durch eine zuständige Behörde des ersuchten Mitgliedstaates fallen in die Zuständigkeit der Rechtsmittelbehörden bzw. Instanzen dieses Mitgliedstaates.

(3) Wurde ein Rechtsmittel gemäß Abs. 1 bei der zuständigen Rechtsmittelbehörde bzw. Instanz des ersuchenden Mitgliedstaates eingelegt, so teilt die ersuchende Behörde dies der ersuchten Behörde mit und gibt an, in welchem Umfang der Abgabenanspruch nicht angefochten wird.

(4) Sobald die ersuchte Behörde die Mitteilung nach Abs. 3 entweder durch die ersuchende Behörde oder durch die betroffene Partei erhalten hat, setzt sie in Erwartung einer Entscheidung der zuständigen Rechtsmittelbehörde bzw. Instanz das Vollstreckungsverfahren für den angefochtenen Teilbetrag des Abgabenanspruchs aus, es sei denn, die ersuchende Behörde wünscht in Einklang mit § 10 Abs. 6 oder § 11 Abs. 2 ein anderes Vorgehen.

(5) Auf Ersuchen der ersuchenden Behörde oder sofern von der ersuchten Behörde anderweitig für notwendig erachtet und unbeschadet des § 13 kann die ersuchte Behörde Sicherungsmaßnahmen treffen, um die Vollstreckung sicherzustellen, soweit die Rechts- und Verwaltungsvorschriften des ersuchten Mitgliedstaates dies zulassen.

(6) Haben die zuständigen Behörden des ersuchenden oder des ersuchten Mitgliedstaates ein Verständigungsverfahren eingeleitet und könnte das Ergebnis des Verfahrens Auswirkungen auf den Abgabenanspruch haben, der Gegenstand des Amtshilfeersuchens ist, so werden die Vollstreckungsmaßnahmen bis zum Abschluss dieses Verfahrens aufgeschoben, es sei denn, dass aufgrund von Betrug oder Insolvenz unmittelbare Dringlichkeit gegeben ist. Werden die Vollstreckungsmaßnahmen aufgeschoben, findet Abs. 5 Anwendung.

Art. 12 der Betreibungsrichtlinie (Richtlinie 2010/24/EU des Rates vom über die Amtshilfe bei der Betreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen) lautet:

Vollstreckungstitel für die Vollstreckung im ersuchten Mitgliedstaat und andere begleitende Dokumente

(1) Jedem Beitreibungsersuchen ist ein einheitlicher Vollstreckungstitel beizufügen, der zur Vollstreckung im ersuchten Mitgliedstaat ermächtigt.

Dieser einheitliche Vollstreckungstitel, dessen Inhalt im Wesentlichen dem des ursprünglichen Vollstreckungstitels entspricht, ist die alleinige Grundlage für die im ersuchten Mitgliedstaat zu ergreifenden Beitreibungs- und Sicherungsmaßnahmen. Er muss im ersuchten Mitgliedstaat weder durch einen besonderen Akt anerkannt, noch ergänzt oder ersetzt werden.

Der einheitliche Vollstreckungstitel enthält mindestens die nachstehenden Angaben:

a) Angaben zur Feststellung des ursprünglichen Vollstreckungstitels, eine Beschreibung der Forderung, einschließlich Angaben zur Art der Forderung, des von der Forderung abgedeckten Zeitraums, sämtliche für die Beitreibung wichtigen Termine, den Betrag der Forderung und ihrer Bestandteile, wie Hauptsumme, aufgelaufene Zinsen usw.;

b) Name und andere einschlägige Angaben zur Feststellung des Schuldners;

c) Name, Anschrift und sonstige Verbindungsdaten bezüglich:

i) der für die Festsetzung der Forderung zuständigen Stelle sowie, falls hiervon abweichend,

ii) der Stelle, bei der weitere Auskünfte zu der Forderung oder zu den Möglichkeiten, die Zahlungsverpflichtung anzufechten, eingeholt werden können.

(2) …

Artikel 14 der Betreibungsrichtlinie lautet:

Streitigkeiten

(1) Streitigkeiten in Bezug auf die Forderung, auf den ursprünglichen Vollstreckungstitel für die Vollstreckung im ersuchenden Mitgliedstaat oder auf den einheitlichen Vollstreckungstitel für die Vollstreckung im ersuchten Mitgliedstaat sowie Streitigkeiten in Bezug auf die Gültigkeit einer Zustellung durch eine zuständige Behördedes ersuchenden Mitgliedstaats fallen in die Zuständigkeit der einschlägigen Instanzen des ersuchenden Mitgliedstaats. Werden im Verlauf des Beitreibungsverfahrens die Forderung, der ursprüngliche Vollstreckungstitel oder der einheitliche Vollstreckungstitel von einer betroffenen Partei angefochten, so unterrichtet die ersuchte Behörde diese Partei darüber, dass sie den Rechtsbehelf bei der zuständigen Instanz des ersuchenden Mitgliedstaats nach dessen Recht einzulegen hat.

§ 4 AbgEO:Der Exekutionstitel für die Vollstreckung von Abgabenansprüchen kommen die über Abgaben ausgestellte Rückstandsausweise in Betracht.

Gemäß § 15 Abs. 1 AbgEO sind im Exekutionstitel (§ 4) unterlaufene offenbare Unrichtigkeiten von Amts wegen oder auf Antrag des Abgabenschuldners zu berichtigen.

Gemäß § 15 Abs. 2 AbgEO ist eine gesetzwidrig oder irrtümlich erteilte Bestätigung der Vollstreckbarkeit ist vom Finanzamt, das den Exekutionstitel ausgestellt hat, von Amts wegen oder auf Antrag des Abgabenschuldners aufzuheben. Mit diesem Antrag kann der Antrag auf Einstellung oder Aufschiebung der Vollstreckung verbunden werden.

§ 229 BAO: Als Grundlage für die Einbringung ist über die vollstreckbar gewordenen Abgabenschuldigkeiten ein Rückstandsausweis elektronisch oder in Papierform auszustellen. Dieser hat Namen und Anschrift des Abgabepflichtigen, den Betrag der Abgabenschuld, zergliedert nach Abgabenschuldigkeiten, und den Vermerk zu enthalten, daß die Abgabenschuld vollstreckbar geworden ist (Vollstreckbarkeitsklausel). Der Rückstandsausweis ist Exekutionstitel für das finanzbehördliche und gerichtliche Vollstreckungsverfahren.

Erwägungen:

Zunächst ist zu klären, ob gegen einen einheitlichen Vollstreckungstitel eine Beschwerde zulässig ist:

§ 14 EU-VAHG spricht von "Einwendungen" und nicht von Beschwerden.

§ 1 Abs. 5 EU-VAHG verweist für die Erledigung von Amtshilfeersuchen auf die Abgabenexekutionsordnung.

Im Falle eines abgabenbehördlichen Vollstreckungsverfahrens sind die Rechte, die dem Abgabenschuldner zur Geltendmachung behaupteter Unrichtigkeiten des Rückstandsausweises oder des Fehlens der Vollstreckbarkeit der Abgabenschuld zustehen, in den §§ 13 und 15 AbgEO umschrieben (vgl. Zl. 2002/17/0063).

Da das EU-VAHG bezüglich des Wesens des einheitlichen Vollstreckungstitels keine eigenen Vorschriften enthält, und dieser Vollstreckungstitel dem Rückstandsausweis (§229 BAO) entspricht, ist § 4 AbgEO und die diesbezügliche Rechtsprechung auch auf den einheitlichen Vollstreckungstitel anzuwenden.

In den Materialien zur AbgEO (jeweils RV 788 BlgNR V. GP) heißt es zu § 12 AbgEO:

"Der Rückstandsausweis ist eine amtliche Aufstellung über die Höhe einer vollstreckbar gewordenen Abgabenschuld, nicht aber ein für den Abgabenschuldner bestimmter Bescheid. Die Ergreifung eines Rechtsmittels gegen die Ausstellung des Rückstandsausweises kommt daher nicht in Frage. Die Rechte, die dem Abgabenschuldner zur Geltendmachung behaupteter Unrichtigkeiten des Rückstandsausweises oder des Fehlens der Vollstreckbarkeit der Abgabenschuld zustehen, sind in § 15 der Abgabenexekutionsordnung umschrieben."

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung bestätigt, dass Rückstandsausweise öffentliche Urkunden über Bestand und Vollstreckbarkeit von Abgabenschulden, nicht aber rechtsmittelfähige Bescheide sind (vgl. für viele ).

Dem Finanzamt ist daher zuzustimmen, dass eine Beschwerde gegen einen Rückstandsausweis, bzw. gegen einen einheitlichen Vollstreckungstitel unzulässig ist.

Dennoch erweist sich die Beschwerdevorentscheidung vom aus folgendem Grund als rechtswidrig:

In Ablehnung einer überspitzten formalistischen Anwendung der Verfahrensgesetze kommt es nicht auf die Bezeichnung, sondern auf den Inhalt einer Eingabe an, um zu beurteilen, welches Begehren einem Anbringen wirklich zu Grunde liegt. Dies gilt insbesondere bei nicht vertretenen Parteien. ().

Im Zweifel ist dem Anbringen einer Partei, das sie zur Wahrung ihrer Rechte stellt, nicht ein solcher Inhalt beizumessen, der ihr die Rechtsverteidigungsmöglichkeit nimmt (Hinweis Ritz, BAO-Kommentar6, Rz 1 zu § 85 BAO).

Der damals unvertretene Bf. hat mit seiner Eingabe vom "eine Beschwerde über die Vorgangsweise das Finanzamtes wegen Erlassung eines Vollstreckungsbescheides ***1***vom über den Betrag in Höhe von € 17.001,45 im Zusammenhang der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft ***B*** GmbH" eingebracht und beantragt, "die in seiner Sache gefassten Beschlüsse für nichtig zu erklären", mit Eingabe vom legte der Bf. mit einem weiteren inhaltsgleichen Schriftsatz Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid ***1***vom ein, der allerdings - abgesehen vom Antrag auf Bewilligung einer Zahlungserleichterung - kein konkretes Begehren enthält.

Dem Finanzamt ist zwar zuzustimmen, dass sich die Eingaben gegen den einheitlichen Vollstreckungstitel vom richten, jedoch enthält der Schriftsatz vom nicht die Bezeichnung Beschwerde gegen den Vollstreckungsbescheid sondern "Beschwerde gegen die Vorgangsweise des Finanzamtes…" und wäre schon aus diesem Grunde im Hinblick auf den Antrag "sämtliche Beschlüsse für nichtig zu erklären" sowie aufgrund des, dass mit der Formulierung "Vollstreckungsbescheid ***1***vom "der einheitliche Vollstreckungstitel gemeint war, als Antrag gemäß § 15 AbgEO zu werten gewesen.

Auch der Inhalt des Vorlageantrages bestätigt diese Ansicht, zumal vorgebracht wird, dass der Vollstreckungstitel nicht gesetzmäßig sei, da der Haftungsbescheid nicht in die slowakische Sprache übersetzt gewesen sei und macht damit einen Zustellmangel des zugrundeliegenden Haftungsbescheides geltend.

Wird eine nicht rechtswirksame Zustellung der Abgabenbescheide, bzw. im gegenständlichen Fall des Haftungsbescheides behauptet, so bedeutet dies nichts anderes, als dass die Berechtigung der Abgabenbehörde zur Ausstellung eines Rückstandsausweises gemäß § 229 BAO bestritten wird. Darüber ist in einem Verfahren gemäß § 15 Abs. 2 AbgEO abzusprechen.

Die Eingabe vom war zwar als Einspruch gegen den "Vollstreckungsbescheid vom tituliert, ist aber, da, wie bereits ausgeführt, eine Beschwerde gegen einen Rückstandsausweis unzulässig ist, der Rechtsschutz durch § 15 AbgEO gewahrt bleibt, als ein solcher Antrag, somit als Ergänzung zur Eingabe vom anzusehen.

Gem. § 262 Abs. 1 BAO ist über Bescheidbeschwerden nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen.

Gegen eine Beschwerdevorentscheidung kann nach § 264 Abs. 1 BAO innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag). Der Vorlageantrag hat die Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung zu enthalten.

Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht nach § 279 Abs. 1 BAO immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

Eine ersatzlose (meritorische) Aufhebung hat zu erfolgen, wenn der angefochtene Bescheid von einer hiefür nicht zuständigen Behörde erlassen wurde. Eine ersatzlose (meritorische) Aufhebung im Sinne des § 279 Abs. 1 BAO darf dann erfolgen, wenn in dieser Sache keine weitere Entscheidung in Betracht kommt. (, ).

Die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung, obwohl keine Beschwerde vorlag, bewirkt eine Rechtswidrigkeit dieses Bescheides infolge Unzuständigkeit des Finanzamtes. ().

Ein Vorlageantrag setzt zwingend eine im Rechtsbestand befindliche Beschwerdevorentscheidung voraus. ().

Im gegenständlichen Fall hat das Finanzamt eine Beschwerdevorentscheidung erlassen, obwohl keine Beschwerde vorgelegen ist. Die Beschwerdevorentscheidung vom ist daher mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit belastet.

Der Vorlageantrag vom ist zulässig, da eine zwar rechtswidrige, aber im Rechtsbestand befindliche Beschwerdevorentscheidung vorliegt.

Die Beschwerdevorentscheidung vom ist daher durch das Bundesfinanzgericht zur Herbeiführung eines rechtsrichtigen Verfahrenszustandes gemäß § 279 Abs. 1 BAO ersatzlos aufzuheben.

Das Finanzamt hat daher über den Antrag (die Anträge) nach § 15 AbgEO mit Erstbescheid abzusprechen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall wird die Revision nicht zugelassen, da die ersatzlose Aufhebung nach § 279 Abs. 1 BAO bei Unzuständigkeit der bescheiderlassenden Behörde und in jenen Fällen, in denen keine weitere Entscheidung in Betracht kommt durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gedeckt ist und die Tatfrage, ob eine Beschwerde erhoben wurde, der Revision nicht zugänglich ist ().

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 11 EU-VAHG, EU-Vollstreckungsamtshilfegesetz, BGBl. I Nr. 112/2011
§ 14 EU-VAHG, EU-Vollstreckungsamtshilfegesetz, BGBl. I Nr. 112/2011
§ 4 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949
§ 15 Abs. 1 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949
§ 15 Abs. 2 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949
§ 264 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 1 EU-VAHG, EU-Vollstreckungsamtshilfegesetz, BGBl. I Nr. 112/2011
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7103106.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at