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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.09.2020, RV/5100868/2020

Ergebnis des Pendlerrechners ist für Zeiträume ab 2014 grundsätzlich verpflichtend heranzuziehen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Mag. Günter Narat über die Beschwerde vom der Beschwerdeführerin ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** gegen den Bescheid des Finanzamtes Lilienfeld St. Pölten, 3100 St. Pölten, Daniel Gran-Straße 8, vom betreffend Einkommensteuer 2019 zu Recht:

I)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II)
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist gem. Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (in weiterer Folge kurz BF) reichte am elektronisch die Einkommensteuererklärung für 2019 beim Finanzamt ein. Mit Ergänzungsersuchen des Finanzamtes vom wurde die BF aufgefordert, diverse Fragen hinsichtlich der Geltendmachung des Pendlerpauschales bzw. -euros zu beantworten und je Arbeitgeber einen Ausdruck aus dem Pendlerrechner vorzulegen.

Mit einem am elektronisch beim Finanzamt eingebrachten Schreiben wurden von der BF die im Ergänzungsersuchen angeführten Fragen beantwortet. Ausdrucke aus dem Pendlerrechner wurden nicht vorgelegt.

Am wurde vom Finanzamt der Einkommensteuerbescheid 2019 erlassen, wobei für den Arbeitgeber S das große Pendlerpauschale und für den Arbeitgeber R das kleine Pendlerpauschale zuerkannt wurden.

Mit einer über Finanzonline eingebrachten Anfrage vom wurde von der BF vorgebracht, dass sie den Einkommensteuerbescheid 2019 nicht nachvollziehen könne, da laut dem "BMF Pendlerrechner" für das gesamte Jahr 2019 die große Pendlerpauschale zustehen würde. Im Antwortschreiben vom wurde der BF mitgeteilt, dass innerhalb einer Frist von einem Monat die Möglichkeit bestehe, das Rechtsmittel der Beschwerde einzubringen. Die Pendlerpauschale sei aufgrund der Angaben der BF berechnet worden.

Mit elektronisch eingebrachter Beschwerde vom beantragte die BF auch für den Arbeitgeber R das große Pendlerpauschale zuzuerkennen, da laut Pendlerrechner die große Pendlerpauschale zustehen würde.

Mit Ergänzungsersuchen des Finanzamtes vom wurde die BF nochmals aufgefordert, für alle Dienstgeber einen Ausdruck aus dem Pendlerrechner vorzulegen. Mit am elektronisch beim Finanzamt eingebrachten Schreiben wurden von der BF die Ausdrucke aus dem Pendlerrechner für ihre beiden Arbeitgeber vorgelegt.

Mit Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes vom wurde die Beschwerde vom Finanzamt als unbegründet abgewiesen. Hinsichtlich des Arbeitgebers S sei schon im Erstbescheid das große Pendlerpauschale berücksichtigt worden. Hinsichtlich des Arbeitgebers R stehe laut von der BF vorgelegtem Ausdruck aus dem Pendlerrechner nur das kleine Pendlerpauschale zu, welches im angefochtenen Bescheid berücksichtigt worden sei.

Mit am beim Finanzamt elektronisch eingebrachten Vorlageantrag wurde von der BF nochmals beantragt, auch für den Arbeitgeber R die große Pendlerpauschale zuzuerkennen. Ergänzend wurde von der BF darauf verwiesen, dass sie sich diesbezüglich ausreichend bei der Arbeiterkammer und beim Bundesministerium für Finanzen erkundigt habe.

Die Beschwerde wurde vom Finanzamt am dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen wird folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt:

Die BF hatte im Beschwerdejahr 2019 durchgehend ihren Wohnsitz an der Adresse ***Bf1-Adr***.

Die BF war im Streitjahr 2019 von bis nichtselbständig bei der Fa. S tätig. Ihre Arbeitsstätte befand sich an der Adresse B. Die BF war in zwei Schichten (jeweils 5 Tage die Woche) abwechselnd tätig. Arbeitsbeginn und -ende waren in der ersten Schicht 09:00 Uhr und 18:00 Uhr und in der zweiten Schicht 10:00 Uhr und 20:00 Uhr.

Von bis und von bis war die BF im Streitjahr 2019 bei der Fa. R tätig. Ihre Arbeitsstätte befand sich an der Adresse C.

Beweiswürdigung

Gem. § 167 Abs. 2 BAO haben die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. In Befolgung dieser Grundsätze ist der oben dargestellte Sachverhalt deshalb wie folgt zu würdigen.

Die obigen unstrittigen Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig und können somit gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen angenommen werden.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I.

Außer in den Fällen des § 278 BAO hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen (§ 279 Abs. 1 BAO).

§ 16 Abs 1 Z 6 EStG 1988 lautet auszugsweise:

"6. Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Für die Berücksichtigung dieser Aufwendungen gilt:

a) Diese Ausgaben sind durch den Verkehrsabsetzbetrag (§ 33 Abs. 5 Z 1) abgegolten. Nach Maßgabe der lit. b bis j steht zusätzlich ein Pendlerpauschale sowie nach Maßgabe des § 33 Abs. 5 Z 4 ein Pendlereuro zu. Mit dem Verkehrsabsetzbetrag, dem Pendlerpauschale und dem Pendlereuro sind alle Ausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abgegolten.

c) Beträgt die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mindestens 20 km und ist die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumutbar, beträgt das Pendlerpauschale:

Bei mindestens 20 km bis 40 km

696 Euro jährlich,

bei mehr als 40 km bis 60 km

1 356 Euro jährlich,

bei mehr als 60 km

2 016 Euro jährlich.

d) Ist dem Arbeitnehmer die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Entfernung nicht zumutbar, beträgt das Pendlerpauschale abweichend von lit. c:

Bei mindestens 2 km bis 20 km

372 Euro jährlich,

bei mehr als 20 km bis 40 km

1 476 Euro jährlich,

bei mehr als 40 km bis 60 km

2 568 Euro jährlich,

bei mehr als 60 km

3 672 Euro jährlich.

e) Voraussetzung für die Berücksichtigung eines Pendlerpauschales gemäß lit. c oder d ist, dass der Arbeitnehmer an mindestens elf Tagen im Kalendermonat von der Wohnung zur Arbeitsstätte fährt. Ist dies nicht der Fall gilt Folgendes:

- Fährt der Arbeitnehmer an mindestens acht Tagen, aber an nicht mehr als zehn Tagen im Kalendermonat von der Wohnung zur Arbeitsstätte, steht das jeweilige Pendlerpauschale zu zwei Drittel zu. Werden Fahrtkosten als Familienheimfahrten berücksichtigt, steht kein Pendlerpauschale für die Wegstrecke vom Familienwohnsitz (§ 20 Abs. 1 Z 2 lit. e) zur Arbeitsstätte zu.

- Fährt der Arbeitnehmer an mindestens vier Tagen, aber an nicht mehr als sieben Tagen im Kalendermonat von der Wohnung zur Arbeitsstätte, steht das jeweilige Pendlerpauschale zu einem Drittel zu. Werden Fahrtkosten als Familienheimfahrten berücksichtigt, steht kein Pendlerpauschale für die Wegstrecke vom Familienwohnsitz (§ 20 Abs. 1 Z 2 lit. e) zur Arbeitsstätte zu.

Einem Steuerpflichtigen steht im Kalendermonat höchstens ein Pendlerpauschale in vollem Ausmaß zu.

h) Das Pendlerpauschale ist auch für Feiertage sowie für Lohnzahlungszeiträume zu berücksichtigen, in denen sich der Arbeitnehmer im Krankenstand oder Urlaub befindet.

j) Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, Kriterien zur Festlegung der Entfernung und der Zumutbarkeit der Benützung eines Massenverkehrsmittels mit Verordnung festzulegen."

Gemäß § 3 Abs 1 der Verordnung der Bundesministerin für Finanzen über die Kriterien zur Ermittlung des Pendlerpauschales und des Pendlereuros, zur Einrichtung eines Pendlerrechners und zum Vorliegen eines Familienwohnsitzes (Pendlerverordnung), BGBl II 2013/276 idF BGBl II 2014/154, ist für die Beurteilung, ob die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumutbar oder unzumutbar ist, für Verhältnisse innerhalb Österreichs der vom Bundesministerium für Finanzen im Internet zur Verfügung gestellte Pendlerrechner zu verwenden. Liegen sowohl Wohnung als auch Arbeitsstätte im Inland, ist demnach das Ergebnis des Pendlerrechners grundsätzlich verpflichtend heranzuziehen (vgl Sutter/Pfalz in Hofstätter/Reichel [Hrsg], Die Einkommensteuer [EStG 1988] - Kommentar [58. Lfg 2015] § 16 Abs 1 Z 6 EStG Rz 51).

Von der BF wurden im Rahmen des Beschwerdeverfahrens zwei Ausdrucke aus dem Pendlerrechner (L 34 EDV) für den Arbeitgeber S (für die jeweiligen unterschiedlichen Schichten von 09:00 Uhr bis 18:00 Uhr bzw. 10:00 Uhr bis 20:00 Uhr) und ein Ausdruck aus dem Pendlerrechner (L 34 EDV) für den Arbeitgeber R vorgelegt.

Diese Ausdrucke aus dem Pendlerrechner dokumentieren die Zumutbarkeit der Benützung eines Massenbeförderungsmittels für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte.

Wie bereits oben ausgeführt wurde, ist das Ergebnis des Pendlerrechners grundsätzlich verpflichtend heranzuziehen. Gem § 3 Abs 5 Pendlerverordnung ist das Ergebnis des Pendlerrechners (nur dann) nicht heranzuziehen, wenn nachgewiesen wird, dass

1. bei der Berechnung der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bzw der Entfernung zwischen Arbeitsstätte und Wohnung oder

2. bei der Beurteilung, ob die Benützung eines Massenbeförderungsmittels unzumutbar ist, unrichtige Verhältnisse berücksichtigt werden.

Der Nachweis, dass unrichtige Verhältnisse berücksichtigt wurden, kann vom Steuerpflichtigen nur im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung erbracht werden. Ein derartiger Nachweis kann dem Grunde nach zB erbracht werden, wenn der Pendlerrechner eine Route über eine nicht öffentliche Privatstraße ermittelt hat (vgl Sutter/Pfalz in Hofstätter/Reichel [Hrsg], Die Einkommensteuer [EStG 1988] - Kommentar [58. Lfg 2015] § 16 Abs 1 Z 6 EStG Rz 51). Jene Verhältnisse, die dem Pendlerrechner aufgrund einer abstrakten Betrachtung des Individualverkehrs hinterlegt sind und auf einer typisierenden Betrachtung beruhen (zB Durchschnittsgeschwindigkeiten, Außerachtlassen von Staus), können jedoch nicht berichtigt werden (vgl Sutter/Pfalz in Hofstätter/Reichel [Hrsg], Die Einkommensteuer [EStG 1988] - Kommentar [58. Lfg 2015] § 16 Abs 1 Z 6 EStG Rz 51). Die Beweislast dafür, dass dem Ergebnis des Pendlerrechners im Beschwerdefall unrichtige Verhältnisse zugrunde liegen, trägt der/die Steuerpflichtige.

Im beschwerdegegenständlichen Fall wird von der BF nur auf die Ausdrucke aus dem Pendlerrechner verwiesen, wonach auch für die Fa. R das große Pendlerpauschale zustehen solle, aber in keinster Weise vorgebracht, dass dem Ergebnis des Pendlerrechners unrichtige Verhältnisse zugrunde liegen würden.

Das von der BF vorgelegte Ergebnis des Pendlerrechners ist vor diesem Hintergrund verpflichtend heranzuziehen.

Laut dem von der BF vorgelegten Ausdruck aus dem Pendlerrechner für den Weg vom Wohnort zur Arbeitsstätte C (Arbeitgeber R) im Zeitraum bis ist die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln auf der überwiegenden Strecke möglich und zumutbar, sodass nur das sogenannte kleine Pendlerpauschale (113 monatlich) zusteht.

Es ist somit spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (§ 25a Abs. 1 VwGG).

Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist eine Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).

Dies trifft nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu, wenn die in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig sind (vgl. mit vielen weiteren Nachweisen).

Die Lösung der im Beschwerdefall in Zusammenhang mit der vom Beschwerdeführer beantragten Inanspruchnahme des Pendlerpauschales und des Pendlereuros zu klärenden Rechtsfragen ergibt sich unmittelbar aus dem insoweit klaren und eindeutigen Gesetzeswortlaut. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht vor, wenn die vom erkennenden Verwaltungsgericht anzuwendenden Normen klar und eindeutig sind (vgl mwN), weshalb gemäß § 25a Abs 1 VwGG spruchgemäß zu entscheiden ist.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 3 Abs. 1 Pendlerverordnung, BGBl. II Nr. 276/2013
Pendlerverordnung, BGBl. II Nr. 276/2013
§ 3 Abs. 5 Pendlerverordnung, BGBl. II Nr. 276/2013
§ 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.5100868.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
CAAAC-25784