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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 05.11.2020, RV/6100658/2019

Haftung des Obmanns eines Vereins

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2020/13/0112. Zurückweisung mit Beschluss vom .

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid des Finanzamtes St. Johann Tamsweg Zell am See vom Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Das Finanzamt St. Johann Tamsweg Zell am See hat eine Betriebsprüfung beim ***Verein1*** (***ZVR***) betreffend Umsatzsteuer und Körperschaftssteuer im Zeitraum 2012 bis 2015 durchgeführt. Laut Bericht gemäß § 150 BAO über das Ergebnis der Außenprüfung vom wurde die Gemeinnützigkeit des Vereins, bei dem es sich um einen Swingerclub handelt, nicht anerkannt. Dies hatte ua zur Folge, dass für die Einnahmen des Vereins Umsatzsteuer festzusetzen und für die Ausgaben der Vorsteuerabzug zu gewähren war; die Einkünfte des Vereins waren als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu erfassen. Die bisherige Brutto Einnahmen-Ausgaben-Rechnung wurde in eine Netto Einnahmen-Ausgaben-Rechnung umgewandelt.

Mit Haftungsbescheid vom hat das Finanzamt den ehemaligen Obmann des Vereins, ***Bf1***, als Haftungspflichtigen für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten des Vereins im Ausmaß von € 23.361,63 (Umsatzsteuer 2012 bis 2016) in Anspruch genommen. Als das für die Vertretung nach außen berufenes Organ sei er im betreffenden Zeitraum für die Entrichtung der Abgaben des Vereins aus dessen Mitteln verantwortlich gewesen. Als Vertreter hafte er mit seinem persönlichen Einkommen und Vermögen für nicht entrichtete Abgaben des Vertretenen, wenn ihn an der Nichtentrichtung dieser Abgaben ein Verschulden trifft, wobei leichte Fahrlässigkeit bereits als Verschulden gelte. Voraussetzung für die Haftung sei die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden. Dies treffe zu, weil der Verein am freiwillig aufgelöst wurde. ***Bf1*** habe nicht bewiesen, dass er ohne sein Verschulden daran gehindert war, für die Entrichtung der Abgaben zu sorgen. Auch ein Nachweis über die Verwendung der zur Verfügung stehenden Zahlungsmittel und die Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger sei nicht erbracht worden.
Die Geltendmachung der Haftung sei zur Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles geboten. Man könne im Hinblick auf das Alter des Haftungspflichtigen und künftige Erwerbsmöglichkeiten nicht von vornherein davon ausgehen, dass die Haftungsschulden auch beim Haftungspflichtigen uneinbringlich sind.

Mit Schreiben vom hat ***Bf1*** (nachstehend mit "Bf" bezeichnet) Beschwerde gegen den Haftungsbescheid eingebracht.
In der Begründung wird im Wesentlichen vorgebracht, man habe die ***X*** mit der gesamten Buchhaltung für den ***Verein1*** beauftragt. Der Verein habe von der Steuerberatungskanzlei nie eine Vorschreibung zur Abgabe von Umsatzsteuer oder sonstigen Abgaben erhalten. Frau ***Y*** führe selbst seit Jahren einen Swingerclub in Oberösterreich und man habe deren Konzept 1:1 übernommen und sich in allen Belangen auf den Steuerberater verlassen.
Der Vorstand des Vereins habe die Tätigkeiten im Verein ehrenamtlich und unentgeltlich ausgeübt, wobei für die ordnungsgemäße Geldgebarung des Vereins nicht der Obmann, sondern der Kassier verantwortlich sei.
Nachweise über die zur Verfügung stehenden Zahlungsmittel und die Gleichbehandlung der Gläubiger habe man im Konkursverfahren erbracht. Es habe auch gar keine anderen Gläubiger gegeben. Erlöse seien für den laufenden Betrieb verwendet worden.
Nach Ansicht des Bf sei er nicht haftbar, weil er nicht Geschäftsführer gewesen sei. Einen Fragebogen habe er nie erhalten. Zu seinen persönlichen wirtschaftlichen Verhältnissen gibt der Bf an, er habe kein Vermögen, beziehe Notstandshilfe vom AMS und sei arbeitsunfähig.

Die Beschwerde ist vom Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen worden.

Mit Schreiben vom hat der Bf die Entscheidung über seine Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht beantragt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Zunächst ist festzuhalten, dass es im gegenständlichen Verfahren weder um die Beurteilung der Gemeinnützigkeit des ***Vereins1*** noch um die Umsatzsteuerbescheide geht, sondern ausschließlich um die Heranziehung des Bf als Haftender.

Bei einem Verein iSd Vereinsgesetzes 2002 (VerG) ist das Leitungsorgan zur Vertretung befugt.

Unstrittig ist, dass der Bf im fraglichen Zeitraum Obmann des Vereins gewesen ist. Laut Vereinsstatuten war der Obmann der höchste Vereinsfunktionär. Ihm oblag gemeinsam mit dem Kassier die Vertretung des Vereins nach außen, so gegenüber Behörden und dritten Personen. Für die ordnungsgemäße Geldgebarung des Vereins war der Kassier verantwortlich.
Kassier des Vereins war im fraglichen Zeitraum bis zum ***Kassier1***, der ***2017*** verstorben ist, anschließend ***Kassier2***, die laut Aktenlage schwer erkrankt ist.

Laut § 23 VerG haftet der Verein für Verbindlichkeiten des Vereins mit seinem Vermögen. Organwalter und Vereinsmitglieder haften persönlich nur dann, wenn sich dies aus anderen gesetzlichen Vorschriften oder auf Grund persönlicher rechtsgeschäftlicher Verpflichtung ergibt.

§ 80 Abs 1 BAO lautet:

"Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden."

Die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter haften gemäß § 9 Abs 1 neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Die Haftung sowie der Umfang dieser Haftung ergibt sich also aus § 23 VerG iVm §§ 7, 9 und 80 BAO.
§ 24 VerG und die dort normierte Einschränkung der Haftung auf Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit betrifft nur die Haftung des Vereinsorganes gegenüber dem Verein, nicht jedoch eine Haftung gegenüber Abgabenbehörden.

Entgegen der Ansicht des Bf trifft die Haftung des § 9 BAO auch Personen, die nach den Statuten zur Vertretung eines Vereines berufen sind (; , 98/14/0172; , 2001716/0548).

Die Haftung nach § 9 ist eine Ausfallshaftung. Voraussetzung ist demnach die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (zB ; , 2007/13/0003; , 2009/16/0092). Uneinbringlichkeit beim ***Verein1*** liegt schon deshalb vor, weil dieser laut Beschluss des ***LG***, ein bereits aufgelöster Verein ist, der über kein unverteiltes Vermögen mehr verfügt (§ 68 IO), weshalb der Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Vereins zurückgewiesen worden ist.

Gemäß § 1298 ABGB obliegt dem, der vorgibt, dass er an der Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen ohne sein Verschulden verhindert war, der Beweis.
Daraus ist abzuleiten, dass der wirksam bestellte Vertreter einer juristischen Person, der die Abgaben der juristischen Person nicht entrichtet hat, für diese Abgaben haftet, wenn sie bei der juristischen Person nicht eingebracht werden können und er nicht beweist, dass die Abgaben ohne sein Verschulden nicht entrichtet werden konnten.

Für die Haftung nach § 9 ist nur die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten von Bedeutung (zB , 91/13/0038; , 96/14/0076).
Zu den abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters gehört insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben entrichtet werden, sowie die Führung gesetzmäßiger Aufzeichnungen und die zeitgerechte Einreichung von Abgabenerklärungen.
Laut seinen eigenen Angaben hatte der Bf im vorliegenden Fall das Konzept und die Statuten eines bereits bestehenden Vereins (***Verein2***) übernommen, ohne sich bei der Finanzverwaltung oder einem Experten für Steuerrecht zu erkundigen, ob bzw unter welchen Voraussetzungen es zulässig ist, einen Swingerclub als gemeinnützigen Verein zu führen.
Frau ***Y***, die kurzfristig auch die Buchhaltung des ***Vereins1*** geführt hat, bestreitet, vom Bf anlässlich der Vereinsgründung kontaktiert worden zu sein, und betreibt entgegen den Ausführungen des Bf auch keine Steuerberatungskanzle, sondern ein Buchhaltungs- und Personalverrechnungsbüro.
Im Übrigen vermag selbst die Betrauung eines Wirtschaftstreuhänders oder Steuerberaters mit der Wahrnehmung der Abgabenangelegenheiten einen Vertreter nicht zu exkulpieren, wenn er seinen zumutbaren Informations- und Überwachungspflichten nicht nachkommt. Der Vertreter hat beauftragte Personen nämlich zumindest in solchen Abständen zu überwachen, die es ausschließen, dass ihm Steuerrückstände verborgen bleiben.

Nur schuldhafte Verletzungen abgabenrechtlicher Pflichten berechtigen zur Haftungsinanspruchnahme. Eine bestimmte Schuldform ist jedoch nicht gefordert, weshalb auch leichte Fahrlässigkeit genügt (z. B. , , 95/15/0137). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Verletzung im Sinn des § 9 Abs 1 BAO annehmen darf. Unterbleibt der Nachweis, kann die Behörde die uneinbringlichen Abgaben dem Vertreter zur Gänze vorschreiben (). Dem Vertreter obliegt dabei kein negativer Beweis, sondern die konkrete (schlüssige) Darstellung der Gründe, die zB der gebotenen rechtzeitigen Abgabenentrichtung entgegenstanden (). Dem Vertreter obliegt es, entsprechende Beweisvorsorgen - etwa durch Erstellung und Aufbewahrung von Ausdrucken - zu treffen.

Zum Einwand des Bf, er sei nicht haftbar, weil er ehrenamtlich für den Verein gearbeitet habe, ohne Lohn oder Gehalt zu beziehen, ist darauf hinzuweisen, dass der Haftungstatbestand nach § 9 BAO nicht darauf abstellt, ob der Vertreter seine Tätigkeit entgeltlich oder unentgeltlich entfaltet hat (). Das diesbezügliche Vorbringen geht daher ins Leere.

Auch die Ausführungen des Bf zu seinem Gesundheitszustand stellen keinen Schuldausschließungsgrund dar. Sofern bereits in den Jahren 2012 bis 2016 eine wesentliche Erkrankung vorlag, hätte der Bf darzulegen gehabt, aus welchen entschuldbaren Gründen er unter diesen Umständen die Obmannfunktion nicht zurückgelegt hat.

Der Bf wurde daher für die Umsatzsteuer 2012 bis 2016 zu Recht zur Haftung herangezogen.

Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung betreffend die haftungsgegenständlichen Abgaben konnte die Abgabenbehörde nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes () auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgabe war.

Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalls. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftung folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist ().
Der verstorbene Kassier konnte nicht mehr zur Haftung herangezogen werden, die (anteilige) Heranziehung von ***Kassier2*** ist wegen ihrer schweren Erkrankung nicht zweckmäßig.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da das gegenständliche Erkenntnis von der ständigen und einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die in der Begründung zitiert wird, nicht abweicht, ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 23 VerG, Vereinsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 66/2002
Verweise
Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.6100658.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at