Abweisung eines Antrages auf Nachsicht gemäß § 236 BAO
Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2020/13/0103. Zurückweisung mit Beschluss vom .
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag. Mirha Karahodzic MA in der Beschwerdesache 1. der ***Bf1***, ***BfAdr***, und 2. des ***Bf2***, ***BfAdr***, beide vertreten durch Deszedentenbetrieb Mag. Wolfgang Dietrich, Wagramerstraße 4/Bürohaus Top 5, 1220 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Neunkirchen Wr. Neustadt vom , zu Steuernummer 33-***BF1StNr1***, betreffend Abweisung eines Antrages auf Nachsicht gemäß § 236 BAO,
I. zu 1. zu Recht:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 Abs. 1 BAO als unbegründet abgewiesen.
und fasst zu 2. den Beschluss:
Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO zurückgewiesen.
II. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Bisheriger Verfahrensgang:
1. Antrag auf Nachsicht
Mit undatiertem Antrag, bei der belangten Behörde am eingelangt, beantragten 1. die ***Bf1*** und 2. ***Bf2*** persönlich gemäß § 236 BAO iVm VO BGBl. II 435/2005 idF BGBl. II 449/2013, "die Nachsicht betreffend Rückforderung von Umsatzsteuer für die Jahre 1994 und 1995 und die daraus abgeleiteten Nachforderungen (einschließlich der in deren Nachhang ergangenen Bescheide über Zinsen, Säumnisfolgen und Verfahrenskosten sowie Rückstandsausweise), im Gesamtausmaß von rund 350.000 Euro", wegen Unbilligkeit der Einhebung.
Das Nachsichtsansuchen wurde damit begründet, dass sich sowohl die Verhältnisse als auch die Rechtslage seit den vorangegangenen Entscheidungen in der vorliegenden Abgabensache geändert hätten. Es bestehe für die Abgabenbehörden eine grundsätzliche Bindungswirkung an gerichtliche Entscheidungen. Demnach sei in einem Gerichtsverfahren des LG Wiener Neustadt rechtskräftig verneint worden, dass eine Abgabenschuld in einem 50.000 Euro übersteigenden Ausmaß überhaupt vorliege. Mittlerweile sei für die GmbH die gesamte restliche Abgabenschuld bezahlt; sie schulde ***Bf2*** daher den Betrag von 734.091,33 Euro. Die Einkünfte und das Vermögen der Gesellschaft reichten nicht aus, um diese Schulden zurückzahlen zu können. Zum Vorliegen der Unbilligkeit wurde wörtlich zusammengefasst Folgendes ausgeführt:
"Wäre vorhersehbar gewesen, dass korrekte und unübliche Geschäftsabwicklungen mit unhaltbaren und unrichtigen Vermutungen einfach zu bloßen 'Scheingeschäften' gemacht würden, hätte ich anstatt […] Nachweise wie Lieferscheine, Rechnungen, Zollpapiere etc., auch noch notarielle Beglaubigungen vornehmen können."
Dass die Abgabenbehörde - entgegen dem Rechtsstaatlichkeitsprinzip - die erwähnte Entscheidung des LG Wiener Neustadt nicht zum Anlass genommen habe, ihre Bescheide mit dieser Gerichtsentscheidung in Einklang zu bringen, stelle einen weiteren Grund iSd § 3 Z 1 der genannten Verordnung dar: Da die "gegenständlichen Umsatzgeschäfte vollkommen im Vertrauen auf die Einhaltung der Gesetze und der dazu bestehenden Rechtsauslegungen der Höchstgerichte" erfolgt seien, werde um Nachsicht von der Einbringung gemäß § 236 Abs. 2 BAO iVm § 3 Z 1 der Verordnung ersucht.
Zur persönlichen Unbilligkeit wurde allgemein vorgebracht, durch die Nichtgewährung der Nachsicht würde die Existenz der Antragsteller gefährdet. Als allein geschäftsführender Gesellschafter der GmbH und aufgrund der "unrichtigen Bescheide" persönlich Haftender träfen die wirtschaftlichen Folgen der Abgabenforderung ausschließlich ***Bf2*** (den Zweitantragsteller). Die wirtschaftliche Lage stelle sich wie folgt dar (Zitat im Original):
"Für die Tilgung der Abgabenschuld musste ein Kredit in Höhe von 353.000,00 € aufgenommen werden; dessen Rückzahlung in Verbindung mit den übrigen Belastungen 500.000,00 € führt sukzessive zu einem Verlust des Vermögens 853.000,00 €.
Demnach gefährdet die (ungerechtfertigte) Abgabenschuld die wirtschaftliche Existenz der Antragstellung damit auch jene der bei ihr beschäftigten 10 Arbeitsplätze.
Mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz und der Unternehmen wird auch ein erhebliches Minus an weiteren Abgaben und damit an Einnahmen des Fiskus (Einfuhrumsatzsteuer, Einkommensteuer uvm) einhergehen.
Da, selbst wenn durch Vermögensveräußerung die Tilgung der (ungerechtfertigten) Abgabenschuld abgedeckt werden könnte, was einer Verschleuderung gleichkäme, würde dies eine erhebliche Härte darstellen, weshalb um Nachsicht aus dem Grund des § 2 Z 2 zit. VO des BMF höflich ersucht wird."
2. Angefochtener Bescheid
Mit ausschließlich an die GmbH gerichtetem Bescheid vom wurde der Antrag auf Bewilligung einer Nachsicht i.H.v. 350.000 Euro abgewiesen. Nach Darstellung der Rechtslage wurde begründend ausgeführt, dass sämtliche Abgabenbescheide und Wiederaufnahmeanträge nach Durchlaufen des Instanzenzuges in Rechtskraft erwachsen seien. Diesbezügliche Einwendungen, wie Sie im Anhang 1 zum Antrag ins Treffen geführt worden seien, könnten im Nachsichtsverfahren nicht nachgeholt werden und zielten auf Unrichtigkeiten der Abgabenbescheide und Verletzung des Vertrauensschutzes ab. Der Unbilligkeitstatbestand des § 236 BAO stelle nicht auf die Vorschreibung, sondern auf die Einhebung ab. Die Behauptung der inhaltlichen Unrichtigkeit eines Abgabenbescheides könne daher im Nachsichtansuchen nicht zum Erfolg führen. Zweck des § 236 BAO sei nicht, einen Abgabenbescheid in einem weiteren Verfahren auf seine Rechtmäßigkeit zu prüfen.
Zur persönlichen Unbilligkeit sei festzuhalten, dass die Bezahlung des von der Nachsicht beantragten Betrages von 350.000 Euro durch monatliche Ratenzahlungen erfolgt sei, welche von der Firma ***Bf1*** geleistet worden seien. Lediglich nach Abschluss der Zahlungsvereinbarung vom sei am eine Anzahlung von 74.400 Euro geleistet worden. Der im Nachsichtsansuchen ins Treffen geführte aufgenommene Kredit von 353.000 Euro sei nachweislich nicht für die Abdeckung der aushaftenden Abgabenschuld verwendet worden. Im Ansuchen werde auch nicht dargelegt, wann der für die Tilgung der Abgabenschuld aufgenommene Kredit an das Finanzamt geflossen sei. Sowohl bei ***Bf2*** als auch bei der ***Bf1*** hafteten seit 2006 bzw. seit 2017 nach der Bezahlung der vereinbarten Abschlagsbeträge keine fälligen Abgabenschulden mehr aus. Warum zum jetzigen Zeitpunkt eine Vermögensveräußerung durch die GmbH für die Tilgung der Abgabenschuld erfolgen müsse, weshalb um Nachsicht ersucht werde, könne nicht nachvollzogen werden. Das Vorbringen im Nachsichtsansuchen sei daher nicht geeignet, eine Unbilligkeit in der Einhebung der Abgabenschuldigkeiten i.H.v. 350.000 Euro zu erkennen.
3. Beschwerde
In der dagegen eingebrachten Beschwerde - der (erst)beschwerdeführenden GmbH und des Zweitbeschwerdeführers (Zweitantragsteller) - wird zum einen vorgebracht, dass der belangten Behörde dahingehend beizupflichten sei, dass im Nachsichtsverfahren Abgabenbescheide nicht auf ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen wären. Allerdings sei materiellrechtlich zur Feststellung der Unbilligkeit auf die Maßnahmen, die zu dem die Abgabepflicht auslösenden Sachverhalt geführt hätten, abzustellen. Bei Stellung des Nachsichtsantrages habe davon ausgegangen werden dürfen, dass die Abgabenbehörde aus den von ihr einzusehenden Steuerakten detaillierte Kenntnis von der wirtschaftlichen Lage und den Einkommensverhältnissen der Antragsteller gehabt habe und habe, weshalb Vorbringen und Beweisanbot dazu gar nicht erforderlich gewesen seien. Zur Verdeutlichung werden diese dennoch kurz zusammengefasst:
"Die ***Bf1*** bilanzierte 2017 mit rd. 168.000,- € Verlust (s. ESt-Erkl. Vom ).
Die ***Bf2*** GesmbH mit rd. 806.000,- € Verlust (ESt-Erkl. vom ).
Der 2.ASt bezieht ein Geschäftsführer-Gehalt von netto rd. 1.300,- € monatl. (s. beil. Lohnzettel).
Es haftet eine Gesamt-Kreditsumme von rd. 200.000,- € aus. (s. Auszug der BKS-Bank)"
Allein daraus sei bereits ersichtlich, dass die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Antragsteller durch die Abtragung einer Abgabenschuld außerordentlich groß seien.
Aus dem Umstand, dass die Abstattung der Abgabenschuld in Raten und mit einer Anzahlung von rund 74.000 Euro erfolgt sei, zu schließen, dass der Kredit nicht zur Tilgung der Abgabenschuld verwendet worden wäre, sei nicht schlüssig.
Da die ratenweise bzw. mittels Anzahlung vorgenommene Abstattung wirtschaftlich vom Zweitantragsteller getragen worden sei, sei er schließlich selbst soweit in außerordentliche wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, dass er den genannten Kredit aufnehmen habe müssen. Es sei nicht vorgebracht worden und auch nicht erforderlich, dass der Kredit unmittelbar zur Abstattung verwendet bzw. direkt an das Finanzamt geflossen wäre: Es sei ausreichend, dass der Zweitantragsteller die Abstattung zunächst vorfinanzierte und dann sein dadurch entstandenes Minus durch den Kredit abdecken musste. Durch den Kredit sei er nun selbst in außergewöhnliche wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, da dessen Rückzahlung - gemeinsam mit den übrigen laufenden Belastungen - aus den Einnahmen nicht finanzierbar sei. Dabei mache es keinen Unterschied, ob zuerst durch die Abstattung die wirtschaftliche Ausfüllung entstanden und danach zu deren Ausgleich ein Kredit aufgenommen worden sei, oder ob die Abstattung unmittelbar aus dem Kredit erfolgt bzw. direkt an das Finanzamt geflossen wäre. Wirtschaftlich betrachtet sei das Ergebnis dasselbe. Da die Abstattung unstrittig erfolgt sei, sei erwiesen, dass dadurch auch der entsprechende wirtschaftliche Vermögensnachteil beim Zweitantragsteller eingetreten sei. Es sei Teil der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Kredite in aller Regel zurückbezahlt werden müssten. Diese Rückzahlung mittels Kreditraten stelle iVm den übrigen Belastungen (wie im Nachsichtsantrag vorgebracht) laufende Abgänge dar, denen keine entsprechenden Eingänge gegenüberstünden, was sukzessive zu einem Verlust des Vermögens führe. Somit könne die aus der Tilgung der Abgabenschuld und Kreditbelastung resultierende Gefahr des wirtschaftlichen Untergangs nur durch Vermögensveräußerung abgewendet werden. Dies käme einer Verschleuderung gleich und würde eine erhebliche Härte darstellen. Durch die Gewährung der Nachsicht und der damit verbundenen wirtschaftlichen Rückführung der für die Tilgung mittels Kredit aufgebrachten Mittel könne die wirtschaftliche Existenz der Antragsteller und damit auch jene der bei ihnen geschaffenen Arbeitsplätze erhalten werden.
Der Beschwerde beigefügt waren ein Auszug der Körperschaftsteuererklärung der GmbH für 2017, der voraussichtliche Körperschaftsteuerbescheid für das Jahr 2017, die Umsatzsteuererklärung der GmbH für 2017, sowie Kontoauszüge des Zweitantragstellers bei der BKS Bank und der Lohnzettel des Zweitantragstellers für das Jahr 2018.
4. Beschwerdevorentscheidung
Mit ausschließlich an die GmbH gerichteter Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Das Vorliegen jener Umstände, auf die einerseits eine Nachsicht gestützt werden könne und die andererseits eine Änderung der bisherigen Rechtsmeinung herbeiführen würden, sei dadurch nicht dargetan worden.
5. Vorlageantrag und Vorlagebericht
Im rechtzeitigen Vorlageantrag wurde die Bilanz für 2018 zum Nachweis der eingetretenen Vermögensnachteile vorgelegt. Die in der Beschwerde gestellten Anträge wurden aufrecht gehalten und wiederholt.
Die belangte Behörde führte im Vorlagebericht zunächst an, bei der im Nachsichtsansuchen, in der Beschwerde und im Vorlageantrag angeführten Steuernummer 33-***1*** handele es sich um eine frühere Steuernummer der GmbH; seit laute die aktuelle Steuernummer 33-***BF1StNr1***. Der Rechtsmeinung des Beschwerdeführers schließe sich das Finanzamt nicht an: Zum Einwand der nachgewiesenen Verletzung der Rechtsstaatlichkeit sei festzustellen, dass sämtliche Abgabenbescheide und Wiederaufnahmeanträge nach Durchlaufen des Instanzenzuges in Rechtskraft erwachsen seien und Einwendungen dagegen nicht im Nachsichtsverfahren nachgeholt werden könnten. Betreffend persönliche Unbilligkeit sei ins Treffen geführt worden, dass für die Tilgung der Abgabenschuld der GmbH ein Kredit in Höhe von 353.000 Euro aufgenommen worden sei. Dazu sei festzustellen, dass die Entrichtung des von der Nachsicht beantragten Betrages von 350.000 Euro durch monatliche Raten über viele Jahre hin erfolgt sei. Der aufgenommene Kredit in Höhe von 353.000 Euro sei nachweislich nicht für die Abdeckung der Abgabenschuld verwendet worden. Das Finanzamt sei auch nicht von der Kreditaufnahme in Kenntnis gesetzt worden, wobei davon ausgegangen werden könne, dass bei Kenntnis über die Kreditaufnahme die langjährige monatliche Ratenabstattung nicht bewilligt worden wäre.
Aufgrund der damaligen dem Finanzamt bekannt gegebenen wirtschaftlichen Verhältnisse seien am folgende Abschlagszahlungen bewilligt worden:
• Steuernummer 33-***BF1StNr1*** ***Bf1*** (Erstantragstellerin) Löschung von € 165.282,59 (Bescheid vom ) nach Bezahlung von € 180.000,--.
• Steuernummer 33-***BF2StNr*** ***Bf2*** (Zweitantragsteller) Löschung von € 12.039,39 (amtswegige interne Löschung vom ) nach Bezahlung von € 22.000,--.
Durch die erfolgten Abschreibungen habe die Abgabenbehörde allein zum weiteren Fortbetrieb der Unternehmen beigetragen. Es werde nämlich keinesfalls dargelegt, dass auch andere Gläubiger Nachlässe gewährt hätten. Die anderen Gläubiger seien demnach (auch durch die Kreditaufnahme) vollständig befriedigt worden, wodurch keine Gläubigergleichbehandlung eingetreten sei.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Der abgabenauslösende Sachverhalt betreffend Umsatzsteuer 1994 und 1995 ist dem Bundesfinanzgericht aus zahlreichen Verfahren der beschwerdeführenden Gesellschaft bekannt (siehe zitierte Entscheidungen) und stellt sich zusammengefasst wie folgt dar:
1.1. Die beschwerdeführende Gesellschaft betrieb in den Streitjahren das Gewerbe des Kraftfahrzeughandels und der Kraftfahrzeugreparatur. Von März 1996 bis Mai 1997 fand bei ihr eine Prüfung der Aufzeichnungen gemäß § 151 Abs. 1 BAO (UVA-Prüfung) für die Zeiträume Juni bis Dezember 1994, Jänner bis Dezember 1995 und Jänner bis Februar 1996 statt, und führte zur Festsetzung der Umsatzsteuer 1994 und 1995.
Diese Festsetzung der Umsatzsteuer 1994 und 1995, deren Nachsicht u.a. beantragt wird, wurde von der beschwerdeführenden Gesellschaft im Jahr 2000 bekämpft. Im Erkenntnis vom , 2000/15/0020 hat der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde der beschwerdeführenden Gesellschaft betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 1994 und 1995 abgewiesen und den Bescheid der damaligen Finanzlandesdirektion vom bestätigt, die nach umfangreichen Ermittlungen zu nachstehenden Feststellungen gekommen war:
"Die Bw. stand im gegenständlichen Zeitraum mit der Fa. BB. GesmbH. (B.) in Geschäftsverbindung. Von dieser erwarb die Bw. LKWs, Kühlaufbauten und Dieselmotoren, welche an nicht feststellbare Empfänger weiterveräußert wurden. Der von der Bw. angegebene Empfänger wurde als '***2a*** Center' in der Ukraine bezeichnet. Das gleiche gilt für sechs PKWs, welche jedoch von anderen Geschäftspartnern angekauft wurden.
Die mit dem Erwerb dieser Wirtschaftsgüter in Zusammenhang stehende Vorsteuer wurde anerkannt. Da es sich jedoch nach den vom Senat getroffenen Feststellungen bei der Fa. ***2a*** Center in der Ukraine um eine Scheinfirma gehandelt hat und somit der für die Steuerfreiheit von Ausfuhrlieferungen gemäß § 7 UStG 1972 erforderliche buchmäßige Nachweis fehlte, wurden diese Lieferungen der Umsatzsteuer unterzogen.
Darüber hinaus wurden der Bw. von der Fa. B. weitere Rechnungen gelegt, denen keine Lieferung bzw. Leistung zugrunde lag. Es handelt sich dabei um Rechnungen für Kühlwechselaufbauten, Motoren, Container sowie um Transportrechnungen.
Zu diesen Wirtschaftsgütern wurde festgestellt, dass diese bei der Fa. B. nicht existiert haben und daher auch eine tatsächliche Verbringung ins Ausland nicht stattgefunden hat. Die aus den Eingangsrechnungen resultierenden Vorsteuern wurden nicht anerkannt. Nach Angabe der Bw. wurden diese Wirtschaftsgüter großteils ebenfalls an die Fa. ***2a*** Center in der Ukraine exportiert, aber auch an die Fa. L. in Albanien und andere."
1.2. In weiterer Folge versuchte die beschwerdeführende Gesellschaft die Wiederaufnahme der Umsatzsteuerverfahren 1994 und 1995 zu beantragen. Anlass dafür sah sie vor allem in einem ihren Geschäftsführer (den Zweitantragsteller) freisprechenden Urteil des LG Wiener Neustadt vom , AZ 37 S Hv 24/03, mit dem dieser vom Vorwurf der Abgabenhinterziehung wegen Unzuständigkeit des Gerichtes gemäß § 214 FinStrG freigesprochen wurde. Dem Urteil wurde auszugsweise folgender Sachverhalt zugrunde gelegt:
"(…) Das Urteilsgericht in Klagenfurt stellte in Ansehnung der Firma ***Bf1*** unter anderem ausdrücklich fest, dass vom Finanzamt für Körperschaften in Wien offensichtlich zutreffend ebenfalls Scheingeschäfte zugeordnet wurden, was aber das LG Klagenfurt nicht mit eindeutiger Sicherheit feststellen konnte. Zusammenfassend kann daher in Ansehung des Warenflusses von der Firma ***2c*** in Wien zur Firma ***Bf1*** in ***Ort*** die Feststellung getroffen werden, dass Rechnungen sehr wohl Waren beinhaltet haben, ob sämtliche Rechnungen auch tatsächlich einen Warenfluss beinhalteten, kann aber nicht gesagt werden. In die Buchhaltung der Firma ***Bf1*** haben sämtliche Rechnungen aber Eingang gefunden. Die oben angeführten Warengüter wurden in der Folge von der Firma ***Bf1*** unter Zuhilfenahme von Speditionsfirmen (…) in das Zollausland (…) in der Weise verbracht, dass die Ausfuhrvorabfertigung die genannten Speditionsfirmen übernahmen, in der Folge diese oder auch der Angeklagte selbst Waren zur Zollaußengrente mit Ungarn verbrachte, wo diese Güter in der Folge von der Firma ***2a*** (auch ***2b***) (…), mit den Sitz in (…) Ukraine weiterveräußerte, und diese Güter an der Zollaußengrenze an einen Transporteuer oder Spedition der kaufenden Firma übergab und diese die Waren übernahm."
Die Fa. ***2a*** (***2b***) Center habe laut Auszug aus der Archivdatenbank des Staatskomitees für Statistik der Ukraine vom tatsächlich wirtschaftlich existiert, ebenso die Fa. ***3*** GesmbH in Albanien auf Grund einer Mitteilung der Generaldirektion für Steuern vom . Ein Buchnachweis habe vom Geschäftsführer (der beschwerdeführenden Gesellschaft) nicht erbracht werden können. Da nicht auszuschließen sei, dass von der Fa. ***2c*** eine nicht feststellbare Anzahl von Rechnungen ohne Warenlieferung ausgestellt worden sei, könne auch der strafbestimmende Wertbetrag in genauer Höhe nicht festgestellt werden, sodass nach einem Freispruch wegen Unzuständigkeit des Gerichtes, das Verfahren im Zuständigkeitsbereich der Finanzstrafbehörde I. Instanz verbleibe. In dem Zusammenhang wird auch auf die verspäteten Aufbuchungen im Sinne des § 49 Abs. 1 lit a FinStrG durch den Geschäftsführer der beschwerdeführenden Gesellschaft verwiesen, wodurch nicht ausgeschlossen sei, dass mit diesem Verhalten verspätete Steuerleistungen verbunden gewesen seien (vgl. S 10 und 11 des zitierten Urteils).
3. Im zweiten Verfahrensgang vor dem Verwaltungsgerichtshof wurde die gegen den abweisenden Bescheid des damaligen Unabhängigen Finanzsenates erhobene Beschwerde betreffend Versagung einer Wiederaufnahme der Umsatzsteuerverfahren 1994 und 1995 mit Erkenntnis vom , 2007/15/0071, als unbegründet abgewiesen.
4. In weiterer Folge stellte die beschwerdeführende Gesellschaft einen Antrag auf "Nichtigerklärung der Umsatzsteuerbescheide 1994 und 1995 gemäß § 68 Abs. 4 Z 2 und 4 AVG". Dieser wurde vom Bundesfinanzgericht im Rahmen eines Säumnisbeschwerdeverfahrens mit Beschluss vom , RS/7100131/2014, als unbegründet abgewiesen. Die dagegen erhobene Revision wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom , Ra 2015/13/0007, zurückgewiesen.
5. Nach Bezahlung von 180.000 Euro durch die beschwerdeführende Gesellschaft, führte das Finanzamt eine Löschung von 165.282,59 Euro am Abgabenkonto der beschwerdeführenden Gesellschaft durch (Bescheid vom ).
Nach Bezahlung von 22.000 Euro durch den Zweitantragsteller führte das Finanzamt eine Löschung von 12.039,39 Euro auf dessen Abgabenkonto durch (amtswegige Löschung vom ).
6. Auf dem Abgabenkonto der beschwerdeführenden Gesellschaft haften keine vom Nachsichtsantrag umfassten Abgaben aus.
2. Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt beruht auf den Verwaltungsakten, insbesondere auf den Eingaben der Beschwerdeführer im Verfahren, der Einsicht in das Abgabenkonto der GmbH, sowie auf den zitierten (höchst)gerichtlichen Entscheidungen.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I.2. (Zurückweisung)
Obwohl sowohl die ***Bf1*** als auch ***Bf2*** - gemeinsam in einem Schriftsatz - einen Antrag auf Nachsicht gestellt haben, ist der angefochtene Bescheid lediglich gegenüber der ***Bf1*** erlassen worden; diese war einzige Bescheidadressatin. Da nur derjenige zur Beschwerdeerhebung befugt ist, an den der den Gegenstand der Anfechtung bildende Bescheid ergangen ist, ist die Beschwerde des ***Bf2*** gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO iVm § 246 Abs. 1 BAO mangels Aktivlegitimation mit Beschluss zurückzuweisen Das Bundesfinanzgericht geht davon aus, dass der Nachsichtsantrag des ***Bf2*** bei der belangten Behörde noch unerledigt ist und über diesen noch bescheidmäßig abzusprechen sein wird.
3.2. Zu Spruchpunkt I.1. (Abweisung)
3.2.1. Die Rechtslage stellt sich wie folgt dar:
Gemäß § 236 Abs. 1 BAO, BGBl. 194/1961 idF BGBl. I 161/2005, können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.
Die Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend Unbilligkeit der Einhebung im Sinn des § 236 BAO, BGBl. II 435/2005 idF BGBl. II 236/2019, sieht dazu Folgendes vor:
"§ 1. Die Unbilligkeit im Sinn des § 236 BAO kann persönlicher oder sachlicher Natur sein.
§ 2. Eine persönliche Unbilligkeit liegt insbesondere vor, wenn die Einhebung
1. die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Angehörigen gefährden würde;
2. mit außergewöhnlichen wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, etwa wenn die Entrichtung der Abgabenschuldigkeit trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Vermögensveräußerung möglich wäre und dies einer Verschleuderung gleichkäme.
§ 3. Eine sachliche Unbilligkeit liegt bei der Einhebung von Abgaben insbesondere vor, soweit die Geltendmachung des Abgabenanspruches
1. von Rechtsauslegungen des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn im Vertrauen auf die betreffende Rechtsprechung für die Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden;
2. in Widerspruch zu nicht offensichtlich unrichtigen Rechtsauslegungen steht, die
a) dem Abgabepflichtigen gegenüber von der für ihn zuständigen Abgabenbehörde geäußert oder
b) vom Bundesministerium für Finanzen im Amtsblatt der österreichischen Finanzverwaltung oder im Internet als Amtliche Veröffentlichung in der Findok veröffentlicht wurden, wenn im Vertrauen auf die betreffende Äußerung bzw. Veröffentlichung für die Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden."
3.2.2. Allgemeines
Die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles ist tatbestandsmäßige Voraussetzung für die in § 236 BAO vorgesehene Ermessensentscheidung. Ist die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung zu verneinen, so ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum ().
Die in § 236 BAO geforderte Unbilligkeit kann entweder persönlich oder sachlich bedingt sein. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt Unbilligkeit der Abgabeneinhebung im Allgemeinen voraus, dass die Einhebung in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu jenen Nachteilen steht, die sich aus der Einziehung für den Steuerpflichtigen oder den Steuergegenstand ergeben ().
Dabei ist es Sache des Nachsichtswerbers, einwandfrei und unter Ausschluss jeglicher Zweifel das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die die Nachsicht gestützt werden kann (). Legt der Abgabepflichtige jene Umstände nicht dar, aus denen sich die Unbilligkeit der Einhebung ergibt, so ist es allein schon aus diesem Grund ausgeschlossen, eine Abgabennachsicht zu gewähren ().
§ 236 Abs. 2 BAO lässt ausdrücklich auch die Nachsicht bereits entrichteter Abgabenschulden zu. Dass bei einer solchen Nachsicht an den Begriff der Unbilligkeit ein anderer, nämlich strengerer Maßstab anzulegen ist als bei der Nachsicht noch nicht entrichteter Abgabenschulden, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen ().
3.2.3. Zur sachlichen Unbilligkeit
Sachlich bedingte Unbilligkeit liegt nur dann vor, wenn sie in den Besonderheiten des Einzelfalles begründet ist. Eine derartige Unbilligkeit des Einzelfalles ist aber nicht gegeben, wenn lediglich eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage vorliegt, also die vermeintliche Unbilligkeit für die davon Betroffenen aus dem Gesetz selbst folgt. Nur wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, ist die Einziehung "nach der Lage des Falles unbillig" ().
Sachliche Unbilligkeit einer Abgabeneinhebung ist grundsätzlich dann anzunehmen, wenn das außergewöhnliche Entstehen einer Abgabenschuld zu einem unproportionalen Vermögenseingriff beim Steuerpflichtigen führt. Der in der anormalen Belastungswirkung und verglichen mit ähnlichen Fällen im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen muss seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der auf eine vom Steuerpflichtigen nicht beeinflussbare Weise eine nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist (vgl. etwa ).
Die beschwerdeführende Gesellschaft brachte zum Vorliegen einer sachlichen Unbilligkeit in ihrem Nachsichtsantrag zusammengefasst vor, im Abgabenverfahren seien rechtsstaatliche Grundsätze nicht eingehalten worden, was sich u.a. aus dem Urteil des LG Wiener Neustadt ergebe, zumal "gegenständliche" (wohl gemeint: die dem abgabenauslösenden Sachverhalt zugrundeliegenden) Umsatzgeschäfte vollkommen im Vertrauen auf die Einhaltung der Gesetze und den dazu bestehenden Rechtsauslegungen der Höchstgerichte erfolgt seien. Dazu ist zunächst auszuführen, dass sich der Nachsichtsantrag explizit auf die Umsatzsteuer 1994 und 1995 und die damit in Zusammenhang stehenden, jedoch nicht näher bezeichneten Nebenabgaben bezieht.
In Bezug auf diese Umsatzsteuerverfahren aus den Jahren 1994 und 1995 wurden seitens der beschwerdeführenden Gesellschaft und ihres Geschäftsführers zahlreiche Rechtsmittel ergriffen. Die Abgabenfestsetzungen wurden höchstgerichtlich bestätigt und die danach angestrengten Wiederaufnahmeverfahren rechtskräftig abgewiesen. Dass die Geltendmachung des Abgabenanspruches iSd § 3 Z 1 der zitierten Verordnung von der Rechtsauslegung des Verwaltungsgerichtshofes abweichen würde, kann somit nicht erkannt werden. Sofern die beschwerdeführende Gesellschaft mit ihrem Hinweis auf das Verfahren vor dem LG Wiener Neustadt, in dem ihr Geschäftsführer vom Vorwurf der vorsätzlichen Abgabenhinterziehung wegen Unzuständigkeit des Gerichtes freigesprochen wurde, vermeint, die Abgabenschuld sei außergewöhnlich entstanden und habe nach dem gewöhnlichen Lauf eine nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst, obwohl die beschwerdeführende Gesellschaft im Vertrauen auf die höchstgerichtliche Judikatur gehandelt habe und sich nunmehr sowohl die Sach- als auch die Rechtslage seit den vorangegangenen Entscheidungen geändert hätten, ist ihr Folgendes zu entgegnen:
Zu dem im Anhang 1 und 2 zum Nachsichtsansuchen geäußerten Vorbringen, das im gerichtlichen Finanzstrafverfahren ergangene Urteil des LG Wiener Neustadt, AZ 37 S Hv 24/03s, hätte von der belangten Behörde berücksichtigt werden müssen und die Abgabenbehörde sei von der Rechtsauslegung des Verwaltungsgerichtshofes abgegangen, ist nochmals daran zu erinnern, dass die Nachsicht nach § 236 BAO nicht dazu dient, im vorangegangenen Festsetzungsverfahren allenfalls unterlassene Einwendungen nachzuholen (; , Ra 2015/16/0109; , Ra 2017/15/0102; , Ra 2019/15/0117 mwH).
Im Übrigen war die Abgabenbehörde im Zeitpunkt ihrer Abgabenfestsetzung nach § 116 Abs. 1 berechtigt eine Vorfrage nach eigener Anschauung selbst zu beurteilen, wenn es sich - wie im vorliegenden Fall - um eine Vorfrage gehandelt hat, über die vom zuständigen Gericht noch nicht entschieden war (Bescheid der damaligen Finanzlandesdirektion vom ; Urteil des LG Wiener Neustadt vom , also knapp vier Jahre nach der Abgabenfestsetzung). In dem Umstand, dass die Abgabenbehörde im Rahmen der ihr gesetzlich zukommenden Möglichkeiten vor dem LG Wiener Neustadt entschieden hat, kann daher keine Unbilligkeit erkannt werden. Die Abgabenbehörde ist lediglich dann, wenn die Entscheidung über die präjudizielle Rechtsfrage bereits vorliegt, an die im Spruch des die Partei betreffenden rechtskräftigen Strafurteils festgestellten Tatsachen bzw. die tatsächlichen Feststellungen, auf denen dieser Spruch beruht, gebunden (vgl. zB ), während bei Freisprüchen keine solche Bindung besteht (vgl. zB ) und die Bindung nur den festgestellten Sachverhalt betrifft und nicht jedoch dessen steuerliche Beurteilung (vgl. Ritz, BAO6, § 116 Rz 11 ff; ).
Die entstandene Umsatzsteuerpflicht der Jahre 1994 und 1995 ist vielmehr eine, die jeden Steuerpflichtigen, der wie die beschwerdeführende Gesellschaft disponierte, treffen konnte und damit eine Auswirkung genereller Normen (vgl. ). Das Bundesfinanzgericht kann daher bei der gegenständlichen Abgabenvorschreibung weder eine abnormale Belastungswirkung noch einen im atypischen Vermögenseingriff gelegenen Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen erkennen. Materiellrechtlich legislatorisch bedingte Unzulänglichkeiten ("Ungerechtigkeiten") sind keine Unbilligkeiten im Sinne des § 236 BAO (Stoll, BAO-Kommentar, 2421), zumal der Unbilligkeitstatbestand des § 236 BAO wie erwähnt nicht auf die Festsetzung, sondern auf die Einhebung einer Abgabe abstellt ().
Eine sachliche Unbilligkeit kann auch nicht darin erblickt werden, dass die "ratenweise bzw. mittels Anzahlung vorgenommene Abstattung wirtschaftlich vom Zweitantragsteller" getragen worden sei. Das Vorbringen, dass der Zweitantragsteller "durch den Kredit" in wirtschaftliche Schwierigkeiten gekommen sei und dies auf die beschwerdeführende Gesellschaft Auswirkungen habe, zeigt, dass hier die Einhebung selbst nicht Grund dafür war. Die damit in Zusammenhang vorgebrachten Gründe können dahingestellt bleiben, da sie allenfalls im Verfahren des Zweitantragstellers zu berücksichtigen wären.
3.2.4. Zur persönlichen Unbilligkeit
Hinsichtlich einer - wie im vorliegenden Fall - bereits entrichteten Abgabe kann eine Unbilligkeit der Abgabeneinhebung aus wirtschaftlichen Gründen bestehen. Eine Nachsicht bereits entrichteter Abgabenschuldigkeiten kommt insbesondere dann in Betracht, wenn diese Schuldigkeiten infolge der Verrechnungsanordnung des § 214 Abs. 1 BAO durch Zahlungen des Steuerpflichtigen getilgt wurden, die für die Unbilligkeit einer Abgabeneinhebung sprechenden Gründe aber noch nicht beseitigt sind. Dies trifft etwa dann zu, wenn die Abgabennachforderungen ernsthafte wirtschaftliche Schwierigkeiten des Steuerpflichtigen auslösten und sich an diesen trotz Tilgung durch Verrechnung gemäß § 214 Abs. 1 BAO nicht änderte. Eine solche Verfahrenskonstellation ist im vorliegenden Fall aber nicht erkennbar und wurde auch seitens der beschwerdeführenden Gesellschaft nicht behauptet. Auch der Einwand, die Abgabenschuld gefährde die wirtschaftliche Existenz der beschwerdeführenden Gesellschaft und jene der bei ihr beschäftigten 10 Arbeitsplätze geht ins Leere, da nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wirtschaftspolitische Überlegungen und Interessen an der Arbeitsplatzsicherung noch keine Unbilligkeit der Abgabeneinhebung begründen () und aus der Gebarung der beschwerdeführenden Gesellschaft ernsthafte, für die Unbilligkeit der Einhebung sprechende Gründe nicht erkennbar sind. Die Existenzgefährdung müsste gerade durch die Einhebung der Abgabe verursacht oder entscheidend ("auch") mitverursacht sein; eine Verminderung der Liquidität reicht für die Annahme einer Existenzgefährdung nicht aus ().
Soweit die beschwerdeführende Gesellschaft ins Treffen führt, sie habe einen Kredit iHv ca. 350.000 Euro zur Tilgung der aushaftenden Abgabenschulden aufnehmen müssen, ist auszuführen, dass die Bezahlung der von der Nachsicht beantragten Beträge nach Leistung eines Einmalbetrages von 74.400 Euro im Rahmen von monatlichen Ratenzahlungen durch die beschwerdeführende Gesellschaft erfolgt ist. Da es keiner Abgabennachsicht bedarf, wenn Zahlungserleichterungen wirtschaftlich begründeten Härten aus der Abgabeneinhebung abhelfen können und wie im vorliegenden Fall konnten (), ist auch dieses Vorbringen nicht geeignet, eine Unbilligkeit iSd § 236 BAO darzutun.
Seit 2017 haften weder bei der beschwerdeführenden Gesellschaft noch bei ihrem Geschäftsführer nach Angaben der belangten Behörde aus den Umsatzsteuerverfahren 1994 und 1995 stammende Abgabenschulden aus. Warum daher nunmehr eine Veräußerung, die einer Verschleuderung gleichkäme, notwendig sein sollte, erhellt sich nicht aus dem Umständen des Beschwerdeverfahrens. Eine persönliche Unbilligkeit bei der beschwerdeführenden Gesellschaft kann daher ebensowenig erkannt werden. Allfällige, den gleichnamigen Geschäftsführer der GmbH (Zweitantragsteller) betreffende persönliche Unbilligkeitsgründe sind in dem noch offenen Nachsichtsverfahren zu klären (siehe oben). Dass der beschwerdeführenden Gesellschaft zweifelsfrei unrechtmäßig Abgaben vorgeschrieben worden wären (wie dies in dem dem Erkenntnis zugrundeliegenden Verfahren der Fall war), kann nicht erkannt werden.
Gegen die Nachsichtsgewährung spräche im Übrigen auch, wenn die Nachsicht sich nur zu Gunsten anderer Gläubiger - wie beispielsweise der kreditgewährenden Bank - auswirken würde, zumal die beschwerdeführende Gesellschaft auch nicht behauptet hat, dass andere Gläubiger auf ihre Forderungen verzichtet hätten oder diese Forderungen befriedigt worden seien (vgl. ).
Soweit im Nachsichtsantrag dargelegt wird, die wirtschaftlichen Folgen der Abgabennachforderung träfen ausschließlich den alleingeschäftsführenden Gesellschafter, sohin den Zweitantragsteller, ist abschließend nochmals darauf hinzuweisen, dass dessen Nachsichtsantrag bei der belangten Behörde nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes noch unerledigt ist, da dieser nicht Bescheidadressat des hier angefochtenen Bescheides war und dieser Einwand allenfalls im dortigen Verfahren zu berücksichtigen wäre.
3.2.5. Ergebnis
Die belangte Behörde hat daher im vorliegenden Fall zu Recht das Vorliegen einer Unbilligkeit der Abgabeneinhebung verneint, sodass es sich erübrigt, eine Ermessensübung vorzunehmen. Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.3. Zu Spruchpunkt II. (Unzulässigkeit der Revision)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfragen iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen waren, denen grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Fragen, welche Voraussetzungen für die Gewährung der Nachsicht erfüllt sein müssen und wann Unbilligkeit iSd § 236 BAO vorliegt, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits beantwortet (vgl. dazu die unter II.3.2. zitierten Entscheidungen), während sich die Rechtsfolge der Zurückweisung einer Beschwerde mangels Legitimation bereits aus den zitierten Bestimmungen ergibt (vgl. II.3.1).
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 246 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 236 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7105799.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at