Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 08.10.2020, RV/6100248/2019

Berücksichtigung der Gewinnanteile eines Arbeitsgesellschafters bei Verlusten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den SenatsvorsitzendenRi***1, die Richterin Ri***2 sowie die fachkundigen Laienrichter Ri***3 und Ri***4 in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch IBEX SALZBURG Steuerberatung GmbH, Haydnstraße 5, 5020 Salzburg, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Salzburg-Stadt vom betreffend Einkommensteuer 2011, Einkommensteuer 2012, Einkommensteuer 2013 und Einkommensteuer 2014 zu Steuernummer ***BF1StNr1*** nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin X zu Recht erkannt:

I. Den Beschwerden wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Die angefochtenen Bescheide betreffend Einkommensteuer 2011, 2012, 2013 und 2014 werden abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Vorbemerkung:

Das gegenständliche Beschwerdeverfahren umfasste Beschwerden gegen die Umsatzsteuer 2015 und die Einkommenssteuer der Jahre 2011-2015. Mit Beschluss vom wurde das Verfahren gegen die Umsatz- und die Einkommenssteuer2015 abgesondert. Diese Verfahren werden unter der Gz. RV/6100253/2019 fortgeführt. In der gegenständlichen Entscheidung erfolgen daher lediglich Ausführungen zu den Beschwerden gegen die Einkommensteuer 2011-2014.

Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt. Er ist Gesellschafter einer Rechtsanwalts OG und im Vorstand mehrerer Stiftungen tätig. Im Jahr 2017 wurde er eine Betriebsprüfung betreffend die Umsatzsteuer und die Einkommenssteuer der Jahre 2011-2015 unterzogen.

Im Zuge dieser Betriebsprüfung traf die Prüferin - soweit die Jahre 2011 bis 2014 betroffen sind - unter anderem Feststellungen zur Höhe der anteilig berücksichtigenden Auslandsverluste einer Betriebsstätte der Rechtsanwalts OG in Y, die der BF in seinen Einkommen-steuererklärungen geltend gemacht hatte. Die Prüferin verweigerte dabei unter anderem der im Zuge der Prüfung beantragten aufwandswirksamen Berücksichtigung des Gewinnvorabs an einen in Y tätigen Arbeitsgesellschafter in den Jahren 2011-2014 die Anerkennung. Weiters teilte die Prüferin die von der OG abgeschlossene Berufshaftpflichtversicherung für die anwaltschaftliche Tätigkeit in Y, die der BF und der zweite substanzbeteiligte Gesellschafter der OG zuvor im Verhältnis 60 % zu 40 % in ihren Einkommensteuererklärungen berücksichtigt hatten, auch auf die Arbeitsgesellschafter der Rechtsanwalts OG auf.

In weiterer Folge erließ das FA neue Bescheide betreffend die Einkommensteuer für die Jahre 2011-2014 und berücksichtigte auch die oben angeführten Feststellungen.

Gegen diese Einkommensteuerbescheide erhob der BF durch seinen ausgewiesenen Vertreter binnen offener Frist Beschwerde bekämpfte darin die vom FA angesetzten Auslandsverluste für die Betriebsstätte in Y hinsichtlich des Gewinnvorabs des Y Arbeitsgesellschafters.

Mit Beschwerdevorentscheidungen vom wies das FA die Beschwerden betreffend die Einkommensteuer 2011-2014 als unbegründet ab.

Darauf beantragte der BF durch seinen ausgewiesenen Vertreter fristgerecht die Vorlage der Beschwerden betreffend die Einkommensteuer 2011-2014 zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht, beantragte die Berücksichtigung der Zahlungen an den Y Anwalt als Tätigkeitsvergütungen.

Der am durchgeführten mündlichen Verhandlung führten die Parteien des Verfahrens ergänzend aus:

Der BF beschrieb die Gründung der Zweigniederlassung der Rechtsanwalts OG in Y, die Bedeutung eines Y Anwaltes als Partner der OG für den laufenden Betrieb bzw. für die Aufrechterhaltung der Zweigstelle, die Aufgabenverteilung zwischen ihm und dem Y Anwalt im Zusammenhang mit der Betreuung von Kunden in Y sowie die konkreten Tätigkeiten dieses lokalen Partners in den Jahren 2011-2014. Weiters erläuterte er die Gründe der Notwendigkeit einer eigenen Berufshaftpflichtversicherung für Y.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt und Beweiswürdigung:

Das BFG legt der Entscheidung den im Folgenden dargestellten, als erwiesen angenommenen Sachverhalt zugrunde, der sich aus dem Firmenbuch, den Veranlagungs- und Betriebsprüfungsakten der Finanzverwaltung und dem Vorbringen der Parteien Beschwerdeverfahren ergibt. Dieser Sachverhalt ist von den Parteien des Verfahrens nicht bestritten.

Zur ***1*** Rechtsanwälte OG:

Der BF ist Rechtsanwalt und übt diesen Beruf seit 2003 mit Partnern in der Rechtsform einer OG (vormals OEG) aus. Die OG ermittelte den Gewinn in den Jahren 2011-2014 nach § 4 Abs. 3 EStG.

An dieser OG waren im Beschwerdezeitraum der BF und E sowohl am Erfolg als auch am Vermögen der Gesellschaft beteiligt. In den Jahren 2005 bis 2012 war weiters B als Arbeitsgesellschafter am Gewinn der OG beteiligt. Ab dem Jahr 2008 war A als Arbeitsgesellschafter am Gewinn der OG beteiligt. Ab dem Jahr 2013 war C als Arbeitsgesellschafterin mit einem Fixbetrag am Gewinn der OG beteiligt, ab 2015 darüber hinaus D mit einem Anspruch auf 50% der Honorare der von ihm betreuten Fälle.

Dies ergibt sich aus dem Firmenbuch zur FNr. der OG, den in den Akten der Betriebsprüfung erliegenden Zusammenschlussverträgen mit den Arbeitsgesellschaftern bzw. den von der OG gelegten Steuererklärungen dieser Jahre.

§ 8 des zum neugefassten Gesellschaftsvertrages der OG legt fest, dass Arbeitsgesellschaftern keine Beteiligung am Betriebsvermögen inkl. der stillen Reserven zukommt.

§ 9 dieses Gesellschaftsvertrages führt aus, dass Arbeitsgesellschafter in dem bei ihrem Beitritt gesondert zu vereinbarenden Ausmaß am Geschäftserfolg beteiligt sind.

In diesem Fall wird vom zu verteilenden Geschäftserfolg der jeweilige Anteil jedes Arbeitsgesellschafters einschließlich allfälliger Mindestgewinne ermittelt und der nach Abzug dieser Anteile verbleibende Resterfolg auf die vermögensbeteiligten Gesellschafter im Verhältnis ihrer Einlage verteilt. Sonderregelungen wie ein Gewinnvorab sind vorrangig zu beachten.

Dies ergibt sich aus dem Gesellschaftsvertrag der ***1*** OG vom .

Feststellungen nach § 188 Abs. 1 lit. c BAO liegen für alle Beschwerdejahre vor. Darin sind keine Ergebnisanteile der Filiale der Rechtsanwalts OG in Y erfasst und verteilt worden. Diese wurden vielmehr in den Einkommensteuererklärungen der beiden substanzbeteiligten Gesellschaftern der OG direkt berücksichtigt. Dies ergibt sich aus den für die Rechtsanwalts OG erlassenen Feststellungsbescheiden und den Einkommensteuererklärungen des BF.

Zur Betriebsstätte der ***1*** Rechtsanwälte OG in Y:

A ist eingetragener Rechtsanwalt im Y. Nach seinem Beitritt zur OG als Arbeitsgesellschafter Anfang Juli 2008 eröffnete die OG die Zweigniederlassung in Y. A leitete diese in der Folge als Arbeitsgesellschafter.

Dies ergibt sich aus Punkt. I. und Punkt II des Zusammenschlussvertrages zwischen der OG und A vom .

Seine Aufgaben waren in den Jahren 2011-2014 organisatorischer Natur. Diese waren- ebenso wie seine Beteiligung als Gesellschafter der OG - notwendig um die Zweigstelle aufrecht zu erhalten. Er leistete in diesen Jahren keinerlei anwaltliche Tätigkeit für die OG, diese wurde durch den BF ausgeübt.

Dies ergibt sich aus den Ausführungen des BF in der mündlichen Verhandlung vom .

A ist am Geschäftserfolg der OG ab 2008 wie folgt beteiligt: Er ist am Gewinn der Zweigniederlassung Y zu 10%, mindestens jedoch mit CHF 12.000,00, maximal mit CHF 24.000,00 pro Jahr beteiligt. Der Mindestbetrag war monatlich mit CHF 1.000,00 auszubezahlen.

Dies ergibt sich aus Punkt. IV des Zusammenschlussvertrages zwischen der Rechtsanwalts OG und A vom .

Ab dem Jahr 2010 war für den BF ersichtlich, dass die Zweigstelle Y in den kommenden Jahren mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht ertragreich sein würde und der BF überlegte deren Schließung, wenn die Kosten nicht vermindert werden könnten. Nach Verhandlungen mit A über einen Entfall des Gewinnvorabs kam es schließlich zu einer mündlich abgeschlossenen Änderung des Zusammenschlussvertrages dahingehend, dass mit ihm eine pauschale Vergütung für die tatsächlich ausgeübten organisatorischen Tätigkeiten (zB für Kontakte mit der Y Rechtsanwaltskammer und der Haftpflichtversicherung, iZm mit der Aufrechterhaltung von Miete und Kommunikationsmitteln) in Höhe von CHF 500,00 p. M. vereinbart wurde.

Dies ergibt sich aus den Ausführungen des BF in der mündlichen Verhandlung vom .

Diese Vereinbarung wurde in der Folge so durchgeführt, die monatlichen Zahlungen wurden über das Verrechnungskonto von A in der OG gebucht.

Dies ergibt sich aus den Ausführungen des BF in der mündlichen Verhandlung vom und aus den Veranlagungs- und Betriebsprüfungsakten des Finanzamtes.

Für die Filiale in Y schloss die Rechtsanwalts OG eine Berufshaftpflichtversicherung für "Rechtsanwälte, Treuhänder, Wirtschaftsprüfer, Berater und ähnliche Berufe" ab. Versicherungsnehmer war die Rechtsanwalts OG, versichert waren alle Rechtsanwälte, die im Zeitpunkt des Abschlusses des Gesellschaftsvertrages Gesellschafter der Rechtsanwalts OG waren. Änderungen der Versicherungspolizze erfolgten immer dann, wenn sich eine Änderung der Gesellschafter der OG ergaben.

Dies ergibt sich aus dem im Betriebsprüfungsakt erliegenden Kopie der Polizze der Versicherung und aus den Ausführungen des BF in der mündlichen Verhandlung vom .

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

Die Behandlung der Zahlungen an A als Arbeitsgesellschafter der OG wurde von den Parteien des Verfahrens im Wesentlichen an der Frage festgemacht, ob es sich bei den Zahlungen an diesen Gesellschafter der OG um einen Gewinnanteil oder eine Tätigkeitsvergütung handelt. Im Betriebsprüfungsverfahren beantragte der BF die Berücksichtigung der Zahlungen an A als Tätigkeitsvergütungen während das FA von einem Vorweggewinn ausging, der aufgrund des angefallenen Verlustes der Filiale nicht zustünde.

Im Beschwerdeverfahren beantragte der Vertreter des BF die Berücksichtigung der Zahlungen an A als Vorweggewinn, was von Seiten des FA unter Verweis auf § 121 UGB nicht aufwandswirksam berücksichtigt wurde. Im Vorlageantrag führte der Vertreter des BF dann aus, dass es sich aufgrund der geringen anwaltschaftlichen Tätigkeit in Y um organisatorische Tätigkeiten und damit um eine Tätigkeitsvergütung für A handle. In die gleiche Richtung gehen die Darstellungen des BF und seines steuerlichen Vertreters in der mündlichen Verhandlung.

Dazu ist aus Sicht des erkennenden Senates auszuführen, dass für die Beurteilung dieses Streitpunktes weniger die Frage ob ein Gewinnvorab oder eine Tätigkeitsvergütung vorliegt, als vielmehr die Frage einer notwendigen steuerlichen Berücksichtigung von Ergebnisanteilen und deren Auswirkung auf die Gewinnverteilung wesentlich erscheint. Bis dato wurden die Zahlungen an einen Arbeitsgesellschafter von diesem einkommensteuerlich erfasst, eine korrespondierende Berücksichtigung dieser Zahlungen bei den anderen Gesellschaftern sei es als Betriebsausgabe, sei es im Wege der Anpassung der Gewinnverteilung, erfolgte jedoch bis dato nicht. Damit wurden aber die beim Arbeitsgesellschafter versteuerten Vergütungen bei den beiden substanzbeteiligten Gesellschaftern nochmals der Besteuerung unterzogen.

Zu klären ist damit im Ergebnis nicht nur, welche Art von Vergütung vorliegt, sondern vor allem ob die Zahlungen an A als Arbeitsgesellschafter der OG zu Recht keinen Einfluss auf die Höhe der Gewinnanteile der beiden substanzbeteiligten Gesellschafter haben.

Nach § 121 Abs. 4 UGB steht die Gesellschafterstellung der Vereinbarung eines Entgelts für der Gesellschaft geleistete Dienste nicht entgegen.

Die Regelung, einem Gesellschafter ein festes Entgelt für die Erbringung bestimmter Leistungen (z.B. der Geschäftsführung) zu versprechen, wurde durch das GesbR-RG 2014 eingefügt. Sie hat lediglich klarstellende Funktion, da ein solcher Vergütungsanspruch bereits aufgrund des Wortlautes der Bestimmung einer expliziten Vereinbarung bedarf, welche freilich bereits vor der Gesetzesreform und damit auch in den Jahren 2011-2014 möglich war.

Wird einem Arbeitsgesellschafter ein Entgelt im Sinne des § 121 Abs. 4 UGB zugesagt, ist weiters zu klären, ob dadurch eine Beteiligung am Gewinn gemäß § 121 Abs. 3 UGB ausgeschlossen wurde bzw. das Entgelt auf den Gewinnsanspruch zumindest anzurechnen ist. Nach den Materialien zur identen Bestimmung des § 1195 Abs. 5 ABGB kann die Vereinbarung eine Anrechnung auf den Gewinnsanspruch vorsehen. Diese Fragen können lediglich einzelfallabhängig durch Auslegung der Vereinbarung und des Gesellschaftsvertrages zu beantworten sein. (Schauer in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 § 121, Rz 12)

Steuerlich betrachtet gehören Vergütungen für eine Tätigkeit von Gesellschaftern "im Dienste" der Gesellschaft zu den Gewinnanteilen der Gesellschafter und führen bei der Gewinnermittlung der Personengesellschaft nicht zu Betriebsausgaben (). Darunter fallen (auch) Vergütungen für Leistungen iSv Dienstnehmerleistungen (; ; Beiser ÖStZ 15/511, 386), darüber hinaus für alle Leistungen, die im wirtschaftlichen Interesse der Gesellschaft () erbracht werden (inkl Entlohnungen für Werkverträge und Pensionszahlungen, EStR 5865; Q/Sch § 23 Rz 40.1). (Jakom/Peyerl, EStG 2020, § 23, Tz. 197)

Betrachtet man den Gesellschaftsvertrag der OG und den Zusammenschlussvertrag mit A so ist dieser als Anwalt Gesellschafter der OG mit einem eingeschränkten Aufgabenbereich, der Leitung der Filiale in Y. Diese Tätigkeit umfasst nach dem Verständnis des BFG sämtliche damit verbundenen Tätigkeiten, seien sie anwaltschaftlicher oder organisatorischer Natur. Aufgrund der vertraglichen Bestimmungen waren die auszubezahlenden Gewinnanteile (inklusive des Mindest- und des Maximalgewinnanteiles) für die Leitung der Filiale in Y vereinbart.

Damit handelt es sich aufgrund der gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen nach dem Verständnis des BFG zunächst um eine Tätigkeitsvergütung im Sinne des § 121 Abs. 4 UGB. Diese ist vorweg mit den in der Vereinbarung angeführten Mindest- und Maximalgrenzen an A auszuzahlen. Sie stellt gleichzeitig seinen Gewinnanteil an der OG dar. Die von den Parteien des Verfahrens getroffene Unterscheidung zwischen Gewinnvorab und Tätigkeitsvergütung ist im Falle einer Tätigkeitsvergütung für die Geschäftsführung, wozu der Gesellschafter der OG bereits aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen verpflichtet ist, dabei ohne Belang.

Strittig ist in weiterer Folge, ob bei der Verlustsituation der Filiale in Y überhaupt eine Vergütung ergebniswirksam an A ausbezahlt werden kann, die in der Gewinnverteilung zulasten der beiden substanzbeteiligten Gesellschafter verrechnet werden kann. Dies wurde vom FA unter Verweis auf § 121 UGB verneint.

Gemäß § 121 Abs. 3 UGB ist Arbeitsgesellschaftern ohne Kapitalanteil ein den Umständen nach angemessener Betrag des Jahresgewinns zuzuweisen. Der diesen Betrag übersteigende Teil des Jahresgewinns wird sodann den Gesellschaftern im Verhältnis ihrer Beteiligung zugewiesen.

Ob diese Regelung eine derart bevorzugte Stellung des Arbeitsgesellschafters ableitet, die es erlaubt, zunächst jedenfalls ihren (angemessenen) Gewinnanteil zu erhalten, sodass die restlichen Gesellschafter bei einem unzureichenden Gesamtgewinn gänzlich leer ausgehen könnten, ist umstritten. Bei einem Verlust der Gesellschaft hätte der Arbeitsgesellschafter keinen Anspruch auf Ausschüttung eines Gewinnes, mangels Kapitalanteil ist er jedoch auch nicht am Verlust beteiligt. (Schauer in Straube/Ratka/Rauter, Wiener Kommentar zum UGB § 121 Rz 10 mwN)

Gemäß § 108 UGB richten sich die Rechtsverhältnisse der Gesellschafter untereinander nach dem Gesellschaftsvertrag; die Vorschriften der §§ 109 bis 122 finden nur insoweit Anwendung, als nicht durch den Gesellschaftsvertrag anderes bestimmt ist.

Da § 121 UGB das Innenverhältnis betrifft, handelt es sich bei der Norm gemäß § 108 UGB um dispositives Recht, welches durch den Gesellschaftsvertrag oder eine (konkludente) Vereinbarung unter den Gesellschaftern zugunsten einer individuellen Regelung ersetzt werden kann (H. Torggler in Straube, UGB I, § 121 Rz 10, Jabornegg/Artmann in Jabornegg/Artmann, UGB, § 121 Rz 17) … Insbesondere soll auch die ergänzende Vertragsauslegung durch den hypothetischen Parteiwillen der Zweifelsregel des § 121 Abs. 1 S. 2 UGB vorgehen.

Betrachtet man den gegenständlichen Gesellschaftsvertrag der Rechtsanwalts OG, so trifft dieser Vertrag abweichende Regelungen von den gesetzlichen Bestimmungen, die nach dem Verständnis des BFG eine klare Richtung haben.

Zunächst werden Arbeitsgesellschafter von einer Teilnahme am Verlust der Gesellschaft ausgeschlossen. Die substanzbeteiligten Gesellschafter sind am Geschäftserfolg beteiligt, die Arbeitsgesellschafter sind - nach näher zu definierenden Kriterien - am Gewinn der Gesellschaft beteiligt.

§ 9 dieses Gesellschaftsvertrages sieht für Arbeitsgesellschafter auch die Möglichkeit der Vereinbarung von Mindestgewinnen vor und schreibt darüber hinaus vor, dass Sonderregelungen über einen Gewinnvorab vorrangig zu berücksichtigen sind.

Verbindet man diese Regelungen mit der Bestimmung des Punktes IV des Zusammenschlussvertrages der Rechtsanwalts OG mit A, wonach diesem ein Gewinnanteil von 10%, mindestens Fr. 12.000,00 und max. Fr. 24.000,00 zusteht, so ergibt sich aus diesen Bestimmungen für das BFG, dass die Gesellschafter vereinbart haben, dass diese Beträge in der Zusammenschau mit § 9 des Gesellschaftsvertrages der OG jedenfalls (unabhängig vom Ergebnis der Betriebsstätte) auszubezahlen sind.

Damit sind aber die Gewinnanteile der Arbeitsgesellschafter nach dem Gesellschaftsvertrag unabhängig davon, ob die Gesellschaft insgesamt ein positives oder negatives Ergebnis erzielt, auszubezahlen. Sie haben damit im Gewinn-wie im Verlustfall Auswirkungen auf den "Resterfolg", der auf die substanzbeteiligten Gesellschafter zu verteilen ist.

Damit steht dem BF zwar nicht der Abzug der Mindestgewinnanteile des Arbeitsgesellschafters als Betriebsausgabe zu, die Verteilung des Gewinnes ändert sich aber zu Lasten der beiden substanzbeteiligten Gesellschafter durch die vorweg erfolgende Berücksichtigung dieser Gewinnanteile.

Zur Frage des Umfanges der Anerkennung der Betriebshaftpflichtversicherung:

Der BF machte in seiner Steuererklärung einen Anteil von 60 % der Berufshaftpflichtversicherung für die Filiale in Y geltend. Das FA kürzte diese Anteile um die auf den bzw. die Arbeitsgesellschafter entfallenden Teile.

Auch wenn dieser Punkt im Wege der Beschwerde nicht angefochten worden ist, so hat das BFG in den offenen Streitjahren die angefochtenen Bescheide gemäß § 279 Abs. 1 BAO im Rahmen der Sache (des Spruches des Abgabenbescheides) in jeder Hinsicht zu überprüfen.

Im gegenständlichen Verfahren liegen aufgrund der vorliegenden Versicherungspolizze keine Einzelversicherungen der Gesellschafter vor, zivilrechtlicher Versicherungsnehmer war und ist vielmehr die Rechtsanwalts OG, eine am Risiko einzelner Partner angelehnte Prämienberechnung ist diesem Versicherungsvertrag nicht zu entnehmen.

Aus diesem Grund ist nach dem Verständnis des BFG die Versicherung zunächst bei der OG als Betriebsausgabe zu erfassen und wirkt sich in weiterer Folge auf die Ergebnisverteilung der OG aus. Unter Bezugnahme auf die oben dargestellte Gewinnverteilung unter Berücksichtigung vorab zu fixierender, von den Kosten der OG unabhängiger Gewinnanteile der Arbeitsgesellschafter ist für das BFG ersichtlich, dass die Bezahlung dieser Betriebsausgaben weder auf den Gewinnanteil von B, Frau C oder D Auswirkung zeigen. Im Ergebnis verbleibt daher, dass diese Betriebsausgabe dem Betriebserfolg der beiden substanzberechtigten Gesellschafter zuzurechnen ist. Für eine Aufteilung, wie sie das FA vorgenommen hat, verbleibt damit kein Raum. Die vom BF ursprünglich angesetzte Höhe dieser Betriebsausgabenanteile war korrekt.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die gegenständliche Entscheidung beruht hinsichtlich der Frage, ob einem Arbeitsgesellschafter aufgrund gesellschaftsvertraglicher Bestimmungen auch bei einem Verlust ein Gewinnanteil zuzurechnen ist, auf den oben dargestellten Unternehmens-und steuerrechtlichen Bestimmungen und der dazu ergangenen Judikatur. Gleiches gilt für die Frage der Zurechnung der Haftpflichtversicherung ausschließlich zum Betriebserfolg der Substanz beteiligten Gesellschafter. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.6100248.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at