Bei Bezug einer Doppelwaisenpension und einer erhöhten Familienbeihilfe aufgrund eigener Behinderung in einer Person, steht der Pauschalbetrag gemäß § 5 Abs. 1 BGBl. Nr. 303/1996 idF BGBl II Nr. 430/2010 (V) nicht zu. Die Voraussetzung der unterhaltsberechtigten Person ist nicht gegeben.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Schmidt & Schmidt KG, Bahnzeile 10, 2130 Mistelbach, vertreten durch ***10***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***3*** vom betreffend Einkommensteuer 2018 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Frau ***Bf1***, Beschwerdeführerin, reichte ihre Einkommensteuererklärung für 2018 elektronisch durch ihre steuerliche Vertretung beim Finanzamt ein.
In dieser erklärte sie Einkünfte aus einer Beteiligung an einer Land- und Forstwirtschaft, Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (eine Doppelwaisenpension, ausbezahlt von der Sozialversicherungsanstalt) und machte einen pauschalen Freibetrag für Behinderung mit 100% als außergewöhnliche Belastung geltend. Sie gab an erhöhte Familienbeihilfe von Jänner bis Dezember 2018 bezogen zu haben. Die Beschwerdeführerin beantragte daher den pauschalen Freibetrag für Behinderung im Betrag von monatlich 262,00 Euro für unterhalsberechtigte Personen für die gemäß § 8 Abs. 4 FLAG erhöhte Familienbeihilfe gemäß § 5 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen idF BGBl 430/2010 gewährt wird.
Das Finanzamt erließ einen Einkommensteuerbescheid, indem es nicht 262,00 Euro monatlich gemäß § 5 Abs. 1 der oa Verordnung anerkannte, sondern berücksichtigte den Freibetrag wegen eigener Behinderung gemäß § 35 Abs. 3 EStG im Betrag von 726,00 Euro für ein Kalenderjahr. Begründet wurde dies mit Verweis auf den Vorjahresbescheid bzw. die Beschwerdevorentscheidung für 2017.
Die steuerliche Vertretung erhob am mit folgender Begründung Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2018 vom .
"Hiermit erhebe ich im Namen und Auftrag meiner oben angeführten Mandantin das Rechtsmittel der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2018 vom und begründe dies wie folgt:
Das Finanzamt hat in seiner Begründung zur Nichtanerkennung der außergewöhnlichen Belastungen im Zusammenhang mit den Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für unterhaltsberechtigte Personen, für die gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichgesetzes (FLAG) erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird (§ 5 Abs. 1 der Verordnung zu § 34 und § 35 BGBl. II 2010/430), auf die Begründung des Vorjahresbescheides / der Beschwerdevorentscheidung für das Jahr 2017 verwiesen.
Bei näherer Betrachtung der Beschwerdevorentscheidung zum Einkommensteuerbescheid 2017 ist der Begründung zu entnehmen, dass der beantragte Freibetrag wegen Bezug der erhöhten Familienbeihilfe nicht gewährt werden könne, da meine Mandantin keine erhöhte Familienbeihilfe bezogen hätte.
Zum Zeitpunkt der Erlassung des Einkommensteuerbescheides am war dies auch tatsächlich der Fall, da aufgrund der Antragstellung auf Familienbeihilfe ab dem Jahr 2013 diese erst nach Bescheiderlassungsdatum gewährt wurde und letztendlich auch zunächst bis inklusive 12/2018 an meine Mandantin ausbezahlt wurde.
Dabei handelt es sich um eine Familienbeihilfe gemäß § 3 Abs. 4 iVm Abs. 5 FLAG, die für Kinder zusteht, die erheblich behindert sind und eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich aufweisen.
Aufgrund der Tatsache, dass ***6*** von Frau ***4*** als verbleibender Elternteil im ***9*** 2018 verstorben ist, kommt es im vorliegenden Fall zu einem sogenannten Eigenanspruch auf Familienbeihilfe gemäß § 6 Abs. 1 lit. d FLAG, weshalb die Familienbeihilfe auch an meine Mandantin selbst ausbezahlt wurde.
Der Verweis auf die ablehnende Bescheidbegründung aus dem Jahr 2017 geht daher insofern ins Leere, als für den vollen Anspruchszeitraum 01-12/2018 nachweislich erhöhte Familienbeihilfe an meine Mandantin gewährt und ausbezahlt wurde.
Gemäß der einschlägigen Bestimmung des § 5 Abs. 1 der Verordnung zu den §§ 34 und 35 EStG (BGBl. II 2010/430) sind Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für unterhaltberechtigte Personen, für die gem. § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichgesetzes erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten mit monatlich € 262,00 zu berücksichtigen.
Aufgrund des weiter oben geschilderten Sachverhaltes ist meine Mandantin im vorliegenden Fall jedoch Steuerpflichtige und unterhaltsberechtigte Person in Personalunion, weshalb beide in der Verordnung angeführten Voraussetzungen kumulativ erfüllt werden.
Dem Verordnungstext ist nicht zu entnehmen, dass die steuerpflichtige Person, die die außergewöhnlichen Belastungen im Zusammenhang mit einer Behinderung der unterhaltsberechtigten Person geltend macht, nicht auch zugleich die unterhaltsberechtigte Person gemäß § 5 Abs. 1 der Verordnung sein darf.
Da ansonsten sämtliche Voraussetzungen für die Gewährung der außergewöhnlichen Belastungen in Zusammenhang mit den Mehraufwendungen zustehen, ist es It. Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2012/13/0039 außerdem nicht maßgebend, ob der Steuerpflichtige selbst oder das Kind die erhöhte Familienbeihilfe bezieht. Auf den betreffgegenständlichen Fall angewendet kann das nur bedeuten, dass mangels einer bezugsberechtigten Person für die Familienbeihilfe für Frau ***4*** auch diese selbst im Rahmen des sogenannten Eigenanspruches auf Familienbeihilfe die Voraussetzungen gemäß § 5 Abs. 1 der Verordnung erfüllt.
Es wird daher beantragt, den vorliegenden Einkommensteuerbescheid 2018 aufzuheben und unter Zugrundelegung der Angaben in der Einkommensteuererklärung 2018 neu zu veranlagen."
Das Finanzamt erließ eine abweisende Beschwerdevorentscheidung und begründete dies wie folgt:
"An Sie wurde ein durch das Bundesrechenzentrum ausgefertigter Bescheid betreffend Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2018 am abgefertigt.
Die angeführten Ausführungen sind Bestandteil des oben bezeichneten Bescheides. Ein nach Maßgabe der Rechtsmittelbelehrung zulässiges Rechtsmittel kann nur gegen den Spruch des oben bezeichneten Bescheides, nicht aber gegen die Begründung erhoben werden. Im Übrigen wird auf die entsprechende Rechtsmittelbelehrung bzw. Rechtsbelehrung verwiesen.
Die Abgabepflichtige, Vollwaise, hat einen Eigenanspruch auf Familienbeihilfe; sie bezieht neben Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft eine Waisenpension.
Strittig ist, ob der pauschale Freibetrag gemäß. § 5 Abs. 1 VO über aoB BGBI. II 2010/340 igF der Abgabepflichtigen in der Person des Steuerpflichtigen als auch der unterhaltsberechtigten Person zusteht.
§ 34 Abs. 6 EStG 1988 lautet auszugsweise:
6.) Folgende Aufwendungen können ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden (auszugsweise):
-Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für Personen, für die gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, soweit sie die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.
-Aufwendungen im Sinne des § 35, die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs. 5).
Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind.
§ 35 lautet auszugsweise:
(1) Hat der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen
- durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung,
- durch eine Behinderung eines Kindes (§ 106 Abs 1 und 2), für das keine erhöhte Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 gewährt wird und erhält weder der Steuerpflichtige noch sein (Ehe-)Partner noch sein Kind eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage), so steht ihm jeweilsein Freibetrag (Abs 3) zu.
Bei einer Erwerbsminderung ab 95% wird jährlich ein Freibetrag von € 726,00 gewährt (Abs.3)
(5) Anstelle des Freibetrages können auch die tatsächlichen Kosten aus dem Titel der Behinderung geltend gemacht werden (§ 34 Abs. 6).
Auf Grund der §§ 34 und 35 EStG 1988 erließ der Bundesminister für Finanzen die VO BGBl. 1996/303, die idF BGBl II 430/2010 auszugsweise wie folgt lautet:
§ 5. (1) Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für unterhaltsberechtigte Personen, für die gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, sind ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten mit monatlich 262 Euro vermindert um die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) zu berücksichtigen.
Der Freibetrag nach § 35 Abs.3 EStG gilt behinderungsbedingte Mehraufwendungen ab.
Der pauschale Freibetrag gemäß § 5 Abs. 1 der VO über aoB (€262 mtl.) steht Stpfl, für unterhaltsberechtige Personen zu, für die gemäß § 8 Abs. 4 FLAG erhöhte FB gewährt wird.
Zu dem ist auf folgende Rechtssätze zu verweisen: - Der Begriff "Mehraufwendungen" im § 34 Abs. 6 EStG 1988 stellt klar, dass Aufwendungen, die aus der Behinderung des Kindes erwachsen, der begünstigten Behandlung als außergewöhnliche Belastung (ohne Abzug des Selbstbehaltes nach § 34 Abs. 4 EStG 1988) unterliegen (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 785/02, VfSIg 16839). Nur solche Aufwendungen und nicht Aufwendungen schlechthin (Unterhaltskosten) werden auch durch die im § 5 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996, vorgesehenen Pauschbeträge abgedeckt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 96/15/0261, VwSlg 7678 F/2002, zur (Vorgänger-)VO BGBl. Nr. 675/1988). Nicht maßgebend für den Abzug der Pauschbeträge ist, ob der Steuerpflichtige selbst oder etwa das Kind die erhöhte Familienbeihilfe bezieht (vgl. z.B. Wanke in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG 16. EL, § 35 Anm. 13).
-...Für eine Aberkennung des Pauschbetrages nach § 5 Abs. 1 der Verordnung, wenn das unterhaltsberechtigte Kind (außerhalb der Unterbringung in einem Vollinternat) nicht im Haushalt des Steuerpflichtigen lebt, bietet sich aber kein Raum...
Gegenständlich bezieht die Abgabepflichtige, zugleich Vollwaise, die erhöhte FB.
Bei Eigenbezug der Abgabepflichtigen und Vollwaisen fehlt es bei dieser an der "Unterhaltsberechtigten Person", weshalb der FB gemäß § 5 Abs. 1 VO nicht zusteht."
Mit Fax vom stellte die Beschwerdeführerin durch ihren steuerlichen Vertreter mit folgender Begründung den Antrag gemäß § 264 BAO die Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2018 dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen.
"Mit Beschwerdevorentscheidung vom , zugestellt am , wurde die Beschwerde meiner oben angeführten Mandantin gegen den Einkommensteuerbescheid als unbegründet abgewiesen. Innerhalb offener Frist gemäß § 264 BAO wird nun die Vorlage an das Bundesfinanzgericht beantragt. Betreffend die Beschwerdegründe wird auf die Ausführungen in der Beschwerde verwiesen.
Weiters möchte ich unter Bezugnahme auf die Bescheidbegründung vom , wonach es bei Eigenbezug der (erhöhten) Familienbeihilfe an der Voraussetzung der "unterhaltsberechtigten Person" im Sinne des § 5 (1) VO BGBl. 1996/303 idF BGBl II 430/2010 mangelt, feststellen, dass die Interpretation und Auslegung der zitierten Gesetzesstelle durch die Finanzverwaltung fehlgeleitet ist.
§ 5 (1) der zitierten VO gesteht dem Steuerpflichtigen Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung für unterhaltsberechtigte Personen zu, wobei diese OHNE Nachweis der tatsächlichen Kosten mit monatlich € 262,00 zu berücksichtigen sind.
Im hier vorliegenden Fall kommt es durch die Tatsache, dass der ***5*** von Frau ***4*** im ***9*** 2018 verstorben ist und meine Mandantin zur Vollwaise wurde, zur Verschmelzung der Begriffe " Abgabepflichtiger" und "unterhaltsberechtigte Person" in der Person von Frau ***Bf1***.
Es kann schon alleine aus dem Begriff " Mehraufwendungen" generell steuerlich zu entlasten und zwar bei jener abgabepflichtigen Person, die diese Mehraufwendungen auch zu tragen hat. Nach dem aber ***6*** meiner Mandantin im Jahr 2018 verstorben ist, und die erhöhte Familienbeihilfe gemäß § 8 (4) FLAG 1967 auch erstmals (rückwirkend) im Jahr 2018 für meine Mandantin gewährt wurde, liegen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Pauschalbetrages gemäß § 5 ( 1) VO im Jahr 2018 bei meiner Mandantin vor, da diese auch die Mehraufwendungen, die in weiterer Folge OHNE Nachweis der tatsächlichen Kosten mit dem monatlichen Pauschalbetrag iHv € 262,00 berücksichtigt werden, aufgrund der Tatsache, dass sie ab 2018 Vollwaise war, letztendlich auch aus eigenem getragen hat.
Die weiters in der Bescheidbegründung angeführten Rechtssätze zum VwGH-Erkenntnis vom (2012/13/0039) sind im anhängigen Verfahren nicht anwendbar, da es sich hier nicht um eine Frage der Abgrenzung zwischen behinderungsbedingten Mehraufwendungen einerseits und Unterhaltsverpflichtungen andererseits handelt.
Außerdem wird durch die Zitierung des ebenfalls angeführten Rechtssatzes, wonach sich für eine Aberkennung des Pauschbetrages nach § 5 (1) der Verordnung kein Raum bietet, wenn Frau ***4*** im eigenen Haushalt lebt, der Anspruch meiner Mandantin ebenfalls erhärtet.
Zusammenfassend darf ich um eine stattgebende Erledigung ersuchen."
Das Finanzamt legte die Beschwerde mit folgender Stellungnahme dem Bundesfinanzgericht vor:
"Sachverhalt:
Die Beschwerdeführerin, durch den Tod ihres Vaters im ***9*** 2018 zur Vollwaise geworden, bezog im Kalenderjahr 2018 Einkünfte aus n.s.A-Waisenpensionsbezüge aus der ***7*** und Einkünfte aus ***8***; insgesamt ergab sich ein steuerpflichtiges Einkommen gem. § 33 Abs.1 EStG 1988 von € 16.271,51.
Die Beschwerdeführerin bezieht für sich selbst erhöhte Familienbeihilfe gem. § 6 Abs. 2 lit.d iVm § 8 Abs.4 FLAG 1967 igF.
Strittig ist, ob der Freibetrag gem. § 5 Abs.1 der VO des BMF über außergewöhnliche Belastungen BGBl. Nr. 303/1996 igF der Beschwerdeführerin, die als Vollwaise einen Anspruch auf Familienbeihilfe gem. § 6 Abs.2 lit.d iVm § 8 Abs. 4 FLAG 1967 hat, zusteht.
Beweismittel:
vorgelegte Aktenteile
Stellungnahme:
Nach § 34 Abs. 7 EStG 1988 igF gilt für Unterhaltsleistungen Folgendes:
1. Unterhaltsleistungen für ein haushaltszugehöriges Kind sind durch die Familienbeihilfe sowie den Kinderabsetzbetrag gemäß § 33 Abs. 4 Z. 3 lit. a abgegolten, und zwar auch dann, wenn nicht der Steuerpflichtige selbst, sondern sein mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebender (Ehe)Partner (§ 106 Abs. 3) Anspruch auf diese Beträge hat.
2.….
3…..
4. Darüber hinaus sind Unterhaltsleistungen nur insoweit abzugsfähig, als sie zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden. …
In den ErläutRV zum § 34 EStG 1988 in der Stammfassung (621 BlgNR 17. GP) wird zur im § 34Abs. 7 EStG 1988 enthaltenen Einschränkung, wonach Unterhaltsleistungen nur mehr insoweit absetzbar sind, als sie zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen, ausgeführt, dass Aufwendungen, die z.B. durch Krankheit oder Behinderung von Kindern erwachsen, weiterhin abzugsfähig bleiben, weil in diesen Fällen beim Unterhaltsberechtigten selbst - würde er die Kosten tragen - die Voraussetzungen für eine außergewöhnliche Belastung vorlägen.
Gemäß § 34 Abs. 6 EStG 1988 können u. a. Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für Personen, für die gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes nach Abs. 4 leg. cit. als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden; d.h als abzugsfähige Unterhaltsleistung in Form von Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für unterhaltsberechtigte Personen, für die erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird.
Der Begriff "Mehraufwendungen" im § 34 Abs. 6 EStG 1988 stellt in diesem Sinn lediglich klar, dass nur Aufwendungen, die aus der Behinderung des Kindes erwachsen, der begünstigten Behandlung als außergewöhnliche Belastung (kein Abzug des Selbstbehaltes) unterliegen. Nur solche Aufwendungen und nicht Aufwendungen schlechthin (Unterhaltskosten) werden auch durch die im § 5 der Verordnung BGBl Nr. 675/1988 vorgesehenen Pauschbeträge abgedeckt.
Die zu den §§ 34 und 35 EStG 1988 ergangene Verordnung normiert in ihrem § 5, dass Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für unterhaltsberechtigte Personen, für die gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten mit monatlich 262 € gemäß § 34 Abs. 6 EStG 1988 zu berücksichtigen sind.
Gem. § 106 Abs.1 EStG 1988 gelten als Kinder im Sinne des EStG 1988, für die dem Steuerpflichtigen oder seinem (Ehe)Partner mehr als sechs Monate im Kalenderjahr ein Kinderabsetzbetrag nach § 33 Abs.3 EStG zusteht. Dieser steht einem Steuerpflichtigen zu, dem auf Grund des FLAG 1967 Familienbeihilfe gewährt wird.
Gem. § 6 Abs. 2 FLAG 1967 haben volljährige Vollwaisen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs. 1 (minderjährige Vollwaisen)
lit.a
lit.b und
lit.c "für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist -
zutreffen und wenn sie…..
Vermeint die Beschwerdeführerin auch diese Mehraufwendungen ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten in Form des Pauschbetrages gem. § 5 der VO von € 262,- absetzen zu können wird übersehen, dass die Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs.1 EStG ,,..."
-durch eine eigene geistige oder körperliche Behinderung…- soweit diese die Summe der pflegebedingten Geldleistungen übersteigen", vorliegen, als a. o. Belastung ohne Berücksichtigung eines Selbstbehaltes gem. § 34 Abs.6 EStG abgezogen werden können.
Nach der Wortinterpretation des Gesetzestextes des § 5 der VO steht der Freibetrag für Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für unterhaltsberechtigte Personen, für die gemäß § 8 Abs.4 des FLAG 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird zu.
Für eine Berücksichtigung in der Form des Pauschbetrages gem. § 5 der VO über ao Belastungen fehlt die Kindeseigenschaft im Sinne des § 106 Abs. 1 EStG 1988.
In der VO ist festgelegt, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag gem. § 35 Abs.3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind.
Der Freibetrag gem. § 35 Abs.3 EStG wurde im Veranlagungsverfahren berücksichtigt. Tatsächliche Kosten aus dem Titel der Behinderung (§ 34 Abs.6 ) wurden nicht geltend gemacht.
Das Finanzamt beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen."
Gemäß Bescheid der ***11*** vom gebührt der Beschwerdeführerin eine Pension als Doppelwaisenpension, da die Beschwerdeführerin seit ***12***2018 eine Doppelwaise ist.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin erhielt im Jahr 2018 Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft und bezog eine Doppelwaisenpension, da sie seit dem Tod ***6*** im ***9*** 2018 Vollwaise ist. Im diesem Jahr bezog sie persönlich die erhöhte Familienbeihilfe gemäß § 6 Abs. 2 lit d iVm § 8 Abs. 4 FLAG 1967 igF. aufgrund einer eigenen Behinderung.
Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ist aufgrund des Verfahrensganges unstrittig.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Die Beschwerdeführerin macht den Pauschalbetrag gemäß § 5 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen für außergewöhnliche Belastungen BGBl. Nr. 303/1996 idF BGBl II Nr.430/2010 (V) geltend. Die Bestimmung lautet:
§ 5. (1) Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für unterhaltsberechtigte Personen, für die gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, sind ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten mit monatlich 262 Euro vermindert um die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) zu berücksichtigen.
(2) Bei Unterbringung in einem Vollinternat vermindert sich der nach Abs. 1 zustehende Pauschbetrag pro Tag des Internatsaufenthaltes um je ein Dreißigstel.
(3) Zusätzlich zum (gegebenenfalls verminderten) Pauschbetrag nach Abs. 1 sind auch Aufwendungen gemäß § 4 sowie das Entgelt für die Unterrichtserteilung in einer Sonder- oder Pflegeschule oder für die Tätigkeit in einer Behindertenwerkstätte im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen.
Literatur zur außergewöhnlichen Belastung:
Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, Einkommensteuergesetz - EStG 1988
§ 35 Rz 13
B. Behinderte Kinder mit erhöhter Familienbeihilfe
13 für behinderte Kinder mit erhöhter Familienbeihilfe gilt:
Mehraufwendungen des StPfl für unterhaltsberechtigte Personen, für die gemäß § 8 Abs. 4 FLAG eröhte Familienbeihilfe gewährt wird, sind durch Gewährung eines (gegenüber dem Freibetrag nach Abs 3 wesentlich höheren) Freibetrages gem § 5 V iHv 262 € monatlich, vermindert um die Summe der pflegebedingten Geldleistungen, zu berücksichtigen (vgl ). Nicht maßgeblich ist, ob der StPfl selbst oder das Kind die erhöhte Familienbeihilfe bezieht (UFS Wien , RV/1355-W/04).
Jakom, EStG 2020, 13. Aufl. 2020
§ 35 Rz 28
f) Behinderte Kinder bei Bezug erhöhter FamB (§ 5 VO). Für Unterhaltsberechtigte, für die - ggf auch einer anderen Person als dem StPfl (; s auch ) - erhöhte FamB (nicht aber zB dt Kindergeld, ) gewährt wird, kann kein Freibetrag gem § 35 Abs 3 in Anspruch genommen werden. "Mehraufwendungen" (zum Begriff und zur Abgrenzung iSd § 34 Abs 7 Z 4 s sowie und Rz 21) sind ohne Nachweis der tatsächl Kosten mit einem Pauschbetrag von 262 €/mtl - neben den Aufwendungen gem § 34 Abs 9 (für Kinderbetreuungskosten, s § 34 Rz 85 ff) - zu berücksichtigen (§ 5 Abs 1 VO). Nicht maßgebend ist, ob der StPfl selbst oder das Kind die erhöhte FamB bezieht (; ). Dienen Unterhaltszahlungen nachweisl und unmittelbar der Bestreitung von Mehraufwendungen aufgrund der Behinderung des Kindes, können diese Aufwendungen bei der unterhaltsverpflichteten Person anstelle des Unterhaltsabsetzbetrages als agB ohne Selbstbehalt abgezogen werden (; LStR 856). -Wird erhöhte FamB rückwirkend gewährt, handelt es sich um ein Ereignis mit abgabenrechtl Wirkung für die Vergangenheit. Bereits erlassene EStBescheide können auf Antrag oder von Amts wegen gemäß § 295a BAO geändert werden.
Rechtliche Beurteilung des Beschwerdebegehrens aufgrund der genannten gesetzlichen Bestimmungen und Literatur:
Die Voraussetzungen für die Anwendung des § 5 Abs. 1 der V sind, das für eine unterhaltsberechtigte Person erhöhte Familienbeihilfe aufgrund einer Behinderung bezogen wird.
Die Beschwerdeführerin in eigener Person erfüllt unbestritten die eine Voraussetzung des Bezuges der erhöhten Familienbeihilfe.
Die zweite Voraussetzung ist, dass die Person, für die die erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, zusätzlich unterhaltsberechtigt ist. Ist dies der Fall, dann steht dem Unterhaltsverpflichteten und nicht einem Unterhaltsberechtigten die pauschale Anerkennung gemäß § 5 Abs. 1 V zu.
Für diese Voraussetzung müsste die Beschwerdeführerin unterhaltsverpflichtet gegenüber einer dritten Person, für die wiederum erhöhte Familienbeihilfe gewährt würde, sein. Dies ist nicht der Fall.
Der Verordnungswortlaut ist eindeutig. Berechtigt diesen Pauschalbetrag geltend zu machen ist nur der Unterhaltsverpflichtete, niemals ein Unterhaltsberechtigter.
Die Bestimmung trennt die Begriffe für die unterhaltsberechtigte Person und für die Person, für die erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird, womit als Voraussetzung beide Begriffe inhaltlich vorliegen müssen.
Da die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 V kumulativ - Bezug erhöhter Familienbeihilfe und unterhaltsberechtigte Person gegenüber einer weiteren Person, die unterhaltsverpflichtet ist und den Pauschalbetrag gemäß § 5 Abs. 1 V somit geltend machen kann- gegeben sein müssen, fehlt es der Beschwerdeführerin schon nach dem Wortlaut des Verordnungstextes an den gesetzlichen Voraussetzungen für eine Gewährung des Pauschalbetrages gemäß § 5 Abs. 1 V, da es keine unterhaltsberechtigte Person gibt und sie nicht gegenüber einer dritten Person, die erhöhte Familienbeihilfe bezieht unterhaltsverpflichtet ist.
Auch ist der Zweck der Bestimmung dahingehend zu verstehen, dass ein unterhaltsverpflichteter Abgabepflichtiger bestimmte Mehraufwendungen für eine unterhaltsberechtigte behinderte Person ohne Selbstbehalt und Nachweis geltend machen kann, da ein erhöhter Unterhaltsbedarf besteht.
Dazu ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin aufgrund der persönlichen Einkünfte, Beteiligung an einer Land- und Forstwirtschaft und Bezug einer Doppelwaisenpension, keine festgestellten Unterhaltsansprüche, die nach § 5 Abs. 1 V nur dem Unterhaltsverpflichteten den Pauschalbetrag vermitteln würden, zustehen.
Zu Spruchpunkt II (Revision):
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Revision wird zugelassen, da - soweit erkennbar - die Frage der Personalunion des Empfängers der erhöhten Familienbeihilfe und des Antragstellers gemäß § 5 Abs. 1 V höchstgerichtlich noch nicht entschieden worden ist. Die Frage, ob über den Wortlaut des § 5 Abs. 1 der Verordnung hinaus aufgrund der Zweckbestimmung die Aufwendungen für behinderte Personen, die erhöhte Familienbeihilfe beziehen, steuerlich zu entlasten, dies auch der abgabepflichtigen Person selbst zusteht, ist noch nicht entschieden worden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 5 Abs. 1 Außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996 § 35 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte | eigene Behinderung unterhaltsberechtigte Person erhöhte Familienbeihilfe Doppelwaisenpension |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7102558.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at