Rechtsgeschäftsgebühren, Vergleich, Bemessungsgrundlage
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Judith Daniela Herdin-Winter in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom betreffend Gebühren, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Die Gebühr für das Rechtsgeschäft *** wird mit 7.000,- Euro festgesetzt.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Mit Bescheid vom wurde von der belangten Behörde die Gebühr gem. § 33 TP 20 Abs. 1 lit. b GebG 1957 für das Rechtsgeschäft *** mit 2% vom Gesamtwert festgesetzt, wobei als Bemessungsgrundlage einerseits eine Leistung von S lt. Pkt. 5 der Vereinbarung iHv 867.081,21 Euro und von der beschwerdeführenden Gesellschaft lt. Pkt. 6 der Vereinbarung iHv 350.000,- Euro, in Summe daher 1.217.081,21 Euro herangezogen wurde.
Mit Schreiben vom brachte die rechtliche Vertretung der beschwerdeführenden Gesellschaft dagegen Beschwerde ein. Als Begründung führte sie aus, dass der in Pkt. 5 der Vereinbarung erwähnte Betrag iHv 867.081,21 Euro nicht in die Bemessungsgrundlage aufzunehmen sei. Es handele sich dabei um die Summe aus diversen Rechnungen, die seitens S zur Absicherung vorläufig nicht bezahlt worden seien. Dieser offene Betrag iHv 867.081,21 Euro sei jedoch nicht Gegenstand des verfahrensgegenständlichen Vergleichs, da es in diesem Zusammenhang kein beiderseitiges Nachgeben gegeben habe.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde von der belangten Behörde als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, dass gem. § 33 TP 20 Abs. 1 GebG die Gebühr vom Gesamtwert der von jeder Partei übernommenen Leistung festzusetzen sei.
Die S verpflichte sich lt. Pkt. 5 des *** den Betrag von 867.081,21 Euro freizugeben und an die beschwerdeführende Gesellschaft zu überweisen. Diese Leistung sei Teil des Gesamtwertes der von den Parteien übernommenen Leistungen. Ein Vergleich könne nicht in einen unstrittigen und einen verglichenen Teil aufgeteilt werden (vgl. ). Sämtliche beurkundeten positiven Leistungen seien Teil der Bemessungsgrundlage.
Mit Schreiben vom beantragte der rechtliche Vertreter der beschwerdeführenden Gesellschaft die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.
Gegenstand des Vergleichs sei lediglich der in Pkt. 6 erläuterte "***" iHv 350.000,- Euro gewesen. Bei der Berechnung der Bemessungsgrundlage sei auch der Betrag diverser Rechnungen iHv 867.081,21 Euro einbezogen worden, diese beiden Beträge jedoch nicht zusammenhängen würden.
Die erwähnte Summe der Rechnungen von 867.081,21 Euro sei nicht strittig gewesen, diese sei nur von S vorläufig nicht bezahlt worden, um eine Cash-Kompensation für die von der beschwerdeführenden Gesellschaft gelieferte Maschine zu erzielen. Die Unstrittigkeit dieses Betrages werde von S auch von deren rechtlichen Vertretern in einem dem Vorlageantrag beigelegten Schreiben bestätigt. Da diese Forderung unstrittig gewesen sei, könne in diesem Punkt kein beiderseitiges Nachgeben stattgefunden haben.
Im weiteren Verfahrensverlauf legte die beschwerdeführende Gesellschaft eine beglaubigte Übersetzung des verfahrensgegenständlichen "***" vor.
In dem am durchgeführten Erörterungstermin legten die Vertreter der beschwerdeführenden Gesellschaft weitere erläuternde Unterlagen vor und führten aus, dass die beschwerdeführende Gesellschaft spezielle Kessel produziere. Zwei Drittel des Umsatzes würden dabei regelmäßig durch Verkaufsvorgänge an S generiert. Im März 2015 sei eine entsprechende Bestellung getätigt worden. Im Februar 2016 seien diese Kessel reklamiert worden, wegen schadhafter Teile eines Sublieferanten. Es sei in Folge strittig gewesen, wem der Schaden zuzurechnen sei.
Aufgrund des offenen Rechtsstreits habe S begonnen Zahlungen aus weiteren Bestellungen zurückzuhalten. Diesbezüglich werde auf Pkt. 7 der vorgelegten Unterlagen verwiesen. Daraus lasse sich ablesen, dass ab dem Zeitpunkt der Reklamation größere Zahlungsrückstände für danach erfolgte Bestellungen, die unabhängig von der ursprünglichen Bestellung im Jahr 2015 erfolgten, ausgehaftet seien. Eine Begleichung der aushaftenden Beträge erfolgte demnach erst kurz nach Abschluss des verfahrensgegenständlichen Vergleichs vom .
Der Vertreter der beschwerdeführenden Gesellschaft führte zum verfahrensgegenständlichen Vergleich aus, dass dieser Reklamationen aufgrund der Kesselbestellungen im Jahr 2015 betroffen habe. Die beschwerdeführende Gesellschaft habe sich diesbezüglich mit S auf eine Zahlung an die S iHv 350.000,- Euro geeinigt. Diesem Vergleich würden zwei andere Vergleiche zu Grunde liegen. Einer mit dem Sublieferanten, in dem dieser sich zu einer Zahlung von 150.000,- Euro an die beschwerdeführende Gesellschaft verpflichtet habe, und einer mit der Versicherung der beschwerdeführenden Gesellschaft, ebenfalls iHv 150.000,- Euro.
Das in der Bescherdevorentscheidung zitierte VwGH-Erkenntnis sei nicht einschlägig, da es bei dem diesem zu Grunde liegenden Sachverhalt um die Bereinigung von umfangreichen Streitigkeiten gegangen sei. Es sei aufgrund des Wunsches der S der Betrag von rund 867.000,- Euro, der aus offenen Rechnungen für andere Rechtsgeschäfte resultierte, in den Vergleich aufgenommen worden. Die Berechnung der rund 867.000,- Euro sei damals seitens der beschwerdeführenden Gesellschaft auch nicht genau nachvollziehbar gewesen. Es habe sich um eine einseitige Feststellung von S gehandelt, dass eine diesbezügliche Zahlung erfolgen werde. Dabei habe es sich um völlig unstrittige Rechtsgeschäfte gehandelt.
Der Vertreter der belangten Behörde führte aus, das Basis für die Gebührenbemessung die entsprechende Urkunde sei. Die Parteien hätten die vorgelegte Vergleichsvereinbarung abgeschlossen und bewusst beide Zahlungen hineingenommen. Gemäß der Judikatur des VwGH sei klar, dass sich die Gebührenberechnung aus der Summe aller Leistungsvereinbarungen zusammensetze. Im verfahrensgegenständlichen Vergleich seien klar sowohl der Vergleichsbetrag iHv 350.000,- Euro festgehalten worden (als Leistung der beschwerdeführenden Gesellschaft) sowie andererseits als Leistung der S die Zahlung der zurückbehaltenen Beträge iHv rund 867.000,- Euro. Man könne gemäß der Judikatur des VwGH einen Vergleich nicht in einen unstrittigen und einen strittigen Teil aufteilen.
Abschließend führten die Vertreter der beschwerdeführenden Gesellschaft noch aus, dass im verfahrensgegenständlichen Vergleich eindeutig festgehalten sei, dass nur die 350.000,- Euro als "***" anzusehen seien und daher nur dieser Betrag als Bemessungsgrundlage für die Vergebührung des Vergleichs entscheidend sei.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Die beschwerdeführende Gesellschaft schloss mit der S mit "***" vom einen Vergleich betreffend Schadenersatz für im März 2015 gelieferte schadhafte Kessel. Darin verpflichtete sich die beschwerdeführende Gesellschaft zu einer Schadenersatzleistung iHv 350.000,- Euro an die S.
Beweiswürdigung
Die Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus den von der beschwerdeführenden Partei im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen.
Aus den vorgelegten Unterlagen ist auch ersichtlich, dass nach Schadensmeldung der S von dieser laufend Zahlungen hinsichtlich anderer Geschäftsvorgänge zurückgehalten wurden. Dabei wurde von der S offensichtlich so vorgegangen, dass im Rahmen der laufenden Geschäftsbeziehungen Rechnungen immer nur soweit beglichen wurden, dass der Zahlungsrückstand nie kleiner als rund 800.000,- Euro betrug. Aus den vorgelegten Unterlagen ergab sich weiters, dass nach Abschluss des Vergleichs betreffend Schadenersatz hinsichtlich des schadhaften Kessels eine Bereinigung der Zahlungsrückstände der S bei der beschwerdeführenden Gesellschaft erfolgte.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
Gem. § 33 TP 20 Abs. 1 lit. b GebG 1957 ist für Vergleiche eine Gebühr iHv 2% vom Gesamtwert der von jeder Partei übernommenen Leistung zu entrichten.
Da das GebG keine eigenständige Definition des Begriffs "Vergleich" enthält, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Auslegung dieses Begriffs § 1380 ABGB heranzuziehen. Danach ist ein Vergleich ein Neuerungsvertrag, durch welchen streitige oder zweifelhafte Rechte dergestalt bestimmt werden, dass jede Partei sich wechselseitig etwas zu geben, zu tun oder zu unterlassen verbindet. Ein Vergleich ist somit die unter beiderseitigem Nachgeben einverständliche neue Festlegung streitiger oder zweifelhafter Rechte. Strittig oder zweifelhaft ist ein Recht, wenn die Parteien uneins sind, ob oder in welchem Umfang ein Recht entstanden ist oder noch besteht, wobei die Differenzen gegenwärtige wie zukünftige Rechts- oder Tatfragen betreffen können ( mwN).
Mit "***" vom schloss die beschwerdeführende Gesellschaft einen Vergleich mit der S betreffend Schadenersatz für die Lieferung von fehlerhaften Kesseln im März 2015 und verpflichtete sich zu einer Leistung iHv 350.000,- Euro an die S.
Grundsätzlich ist als Bemessungsgrundlage die von jeder Partei übernommenen Leistung heranzuziehen. Die belangte Behörde ging daher im beschwerdegegenständlichen Bescheid zunächst davon aus, dass auch der in Punkt 5 des Vergleichs erwähnte Betrag iHv 867.081,21 Euro in die Bemessungsgrundlage des Vergleichs aufzunehmen sei.
Aus den im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen ergibt sich jedoch, dass dieser Betrag lediglich den aufsummierten Zahlungsrückstand der S darstellt und mit dem eigentlichen Vergleichsvorgang hinsichtlich der schadhaften Kessellieferungen nicht verbunden ist.
Es kann allein aus der Tatsache, dass ein Vergleichspartner die Begleichung offener Zahlungsrückstände hinsichtlich anderer Geschäftsvorgänge bis zu jenem Zeitpunkt hinauszögert, in dem die Bereinigung einer Reklamation eines davon unabhängigen Geschäftsvorgangs abgeschlossen wird, nicht abgeleitet werden, dass die Begleichung der offenen Zahlungsrückstände als Teil des Vergleichs anzusehen ist und daher in die gebührenrechtliche Bemessungsgrundlage einzubeziehen ist.
Auch in dem von der belangten Behörde angeführten Erkenntnis des hält dieser ausdrücklich fest, dass ein Vergleich ein strittiges oder zweifelhaftes Rechtsverhältnis bereinigt. Dies ist aber hinsichtlich der Begleichung eines (faktischen) Zahlungsrückstandes hinsichtlich diverser Geschäftsvorgänge nicht gegeben, wenn die grundsätzliche Zahlungsverpflichtung hinsichtlich dieser laufenden Geschäftsvorgänge jeweils gänzlich unstrittig geblieben ist. Die Begleichung des Zahlungsrückstandes ist daher nicht Teil des strittigen Rechtsverhältnisses zwischen den Vergleichsparteien über die der Vergleich vom abgeschlossen wurde.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Es ist ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass ein Vergleich eine unter beiderseitigem Nachgeben einverständliche neue Festlegung streitiger oder zweifelhafter Rechte ist. Darüber hinaus lagen keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung vor.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 33 TP 20 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7104612.2018 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at