Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 10.09.2020, RV/7105977/2018

Mehrjähriges Studium des Kindes in den USA

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Elisabeth Wanke über die Beschwerde der ***1*** ***2***-***3***, ***4***, ***5***, vom , gegen den Bescheid des Finanzamts Gänserndorf Mistelbach, 2230 Gänserndorf, Rathausplatz 9, vom , mit welchem Familienbeihilfe (€ 1.336,00) und Kinderabsetzbetrag (€ 467,20) für den im Mai 1998 geborenen ***6*** ***2*** für den Zeitraum September 2017 bis April 2018 gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 und § 33 Abs. 3 EStG 1988 zurückgefordert werden (Gesamtrückforderungsbetrag € 1.803,20), Sozialversicherungsnummer ***7***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Der Spruch des angefochtenen Bescheides bleibt unverändert.

II. Gegen diese Entscheidung ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Bescheid

Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt von der Beschwerdeführerin (Bf) ***1*** ***2***-***3*** Familienbeihilfe (€ 1.336,00) und Kinderabsetzbetrag (€ 467,20) für den im Mai 1998 geborenen ***6*** ***2*** für den Zeitraum September 2017 bis April 2018 gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 und § 33 Abs. 3 EStG 1988 zurück (Gesamtrückforderungsbetrag € 1.803,20). Zur Begründung führte das Finanzamt aus:

Gemäß § 5 Abs. 3 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten.

Laut Bestätigung der UNI ***8*** dauert das Studium im Ausland vorauss. 4 Jahre.

Beschwerde

In ihrer gegen diesen Bescheid am erhobenen Beschwerde führt die Bf aus:

Es liegt mir ein gültiger Bescheid des FA vor, indem mir der Bezug der Familienbeihilfe bis September 2018 gewährt wurde (datiert mit ). Dieser Bescheid unterlag ebenso Prüfungen und es wurde vor Gewährung eine Bestätigung der Universität verlangt. Auf Ihrem Formular "Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe" wird gefragt, wie lange die Ausbildung dauert. Daher hat auch die Universität wahrheitsgemäß 4 Jahre angegeben. Dies ist natürlich die gesamte Dauer bis Bachelor.

Im Detail ist unser Sohn ist für 4 Monate in Amerika an der ***8*** University. Danach 1 Monat in Österreich und dann wieder 4 Monate (= 1 Semester) in Amerika, anschließend wieder 4 Monate in Österreich. Dies lässt sich durch Uni oder Flüge bestätigen. Er hält den Hauptwohnsitz in Österreich.

Es ist mir unbegreiflich, dass ich mit einer derartigen Mitteilung konfrontiert werde, da wir als Österreichische Staatsbürger auch dem Staat vertrauen können. Einen Bescheid kann man nicht "rückgängig" machen und willkürlich verändern oder absetzen. Was wäre das für eine Demokratie?

Sollten sich in der Zwischenzeit Ihre Bestimmungen neu ergeben haben, so hätten Sie mich spätestens im September darüber informieren können und gegebenenfalls die weitere zukünftige Gewährung überprüfen. NICHT JEDOCH EINE BESTEHENDE UND GÜLTIGE GEWÄHRUNG rückfordern.

Sie beschuldigen mich indirekt, das FA betrogen zu haben. Unglaublich.

Es würde bedeuten, dass jede Familie in Österreich, die FBH erhält das Geld nicht verwenden darf, weil es jederzeit rückgefordert werden könnte. Dies kann nicht im Sinne der Bürger sein.

Ich bitte um rasche Bearbeitung meiner Beschwerde!

Beschwerdevorentscheidung

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab und führte zur Begründung an:

Sie haben gegen den Rückforderungsbescheid v. eine Beschwerde am fristkonform eingebracht.

Sie brachten in Ihrer Bescheidbeschwerde vor, dass Ihr volljähriger Sohn ***6*** nach der absolvierten österr. Matura (Sommer 2017) ein 4jähriges Bachelorstudium in den Vereinigten Staaten von Amerika betreibt, respektive spätestens seit Vorlesungen an der ***8*** University besucht.

Darüber hinaus brachten Sie vor, dass Sie im Besitze eines Bescheides v. seien, indem der Bezug der Familienbeihilfe bis September 2018 gewährt wurde.

Im Detail sei Ihr Sohn ***6*** 4 Monate in Amerika an der ***8*** University. Danach 1 Monat in Österreich und dann wieder 4 Monate (1 Semester) in Amerika usw.

***6*** habe einen Hauptwohnsitz in Österreich.

Sie ersuchen um positive Erledigung Ihrer Bescheidbeschwerde.

Dazu wird ausgeführt:

§ 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 (FLAG 1967) in der ab geltenden Fassung lautet:

"Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

[..]

b) für volljährige Kinder, die das "24. Lebensjahr"*) noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl Nr 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. [...]"

§ 5 Abs. 3 FLAG 1967 lautet: "Kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten."

§ 10 FLAG 1967 lautet:

"§ 10. (1) Die Familienbeihilfe wird, abgesehen von den Fällen des § 10a, nur auf Antrag gewährt; [...]

(2) Die Familienbeihilfe wird vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

(3) Die Familienbeihilfe und die erhöhte Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) werden höchstens für fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt. In bezug auf geltend gemachte Ansprüche ist § 209 Abs. 3 der Bundesabgabenordnung, BGBL Nr. 194/1961, anzuwenden.

(4) Für einen Monat gebührt Familienbeihiife nur einmal.

§ 11 FLAG 1967 lautet:

"§ 11. (1) Die Familienbeihiife wird, abgesehen von den Fällen des § 4, monatlich durch das Wohnsitzfinanzamt automationsunterstützt ausgezahlt.

(2) Die Auszahlung erfolgt durch Überweisung auf ein Girokonto bei einer inländischen oder ausländischen Kreditunternehmung. Bei berücksichtigungswürdigen Umständen erfolgt die Auszahlung mit Baranweisung.

(3) Die Gebühren für die Auszahlung der Familienbeihilfe im Inland sind aus allgemeinen Haushaltsmitteln zu tragen."

§ 12 FLAG 1967 lautet:

"§ 12. (1) Das Wohnsitzfinanzamt hat bei Entstehen oder Wegfall eines Anspruches auf Familienbeihilfe eine Mitteilung auszustellen. Eine Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe ist auch über begründetes Ersuchen der die Familienbeihilfe beziehenden Person auszustellen.

(2) Wird die Auszahlung der Familienbeihilfe eingestellt, ist die Person, die bislang die Familienbeihilfe bezogen hat, zu verständigen."

§ 13 FLAG 1967 lautet:

"§ 13. Über Anträge auf Gewährung der Familienbeihilfe hat das nach dem Wohnsitz oder dem gewöhnlichen Aufenthalt der antragstellenden Person zuständige Finanzamt zu entscheiden. Insoweit einem Antrag nicht oder nicht vollinhaltlich stattzugeben ist, ist ein Bescheid zu erlassen."

§ 26 FLAG 1967 lautet:

"§ 26. (1) Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

(2) Zurückzuzahlende Beträge nach Abs. 1 können auf fällige oder fällig werdende Familienbeihilfen angerechnet werden.

(3) Für die Rückzahlung eines zu Unrecht bezogenen Betrages an Familienbeihilfe haftet auch derjenige Elternteil des Kindes, der mit dem Rückzahlungspflichtigen in der Zeit, in der die Familienbeihilfe für das Kind zu Unrecht bezogen worden ist, im gemeinsamen Haushalt gelebt hat.

(4) Die Oberbehörden sind ermächtigt, in Ausübung des Aufsichtsrechtes die nachgeordneten Abgabenbehörden anzuweisen, von der Rückforderung des unrechtmäßigen Bezuges abzusehen, wenn die Rückforderung unbillig wäre."

§ 33 Abs. 3 EStG 1988 lautet:

"Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, steht im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu. Für Kinder, die sich ständig außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Staates des Europäischen Wirtschaftsraumes oder der Schweiz aufhalten, steht kein Kinderabsetzbetrag zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967anzuwenden."

§ 26 BAO lautet:

"§ 26. (1) Einen Wohnsitz im Sinn der Abgabenvorschriften hat jemand dort, wo er eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, daß er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.

(2) Den gewöhnlichen Aufenthalt im Sinn der Abgabenvorschriften hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, daß er an diesem Ort oder in diesem Land nicht nur vorübergehend verweilt. Wenn Abgabenvorschriften die unbeschränkte Abgabepflicht an den gewöhnlichen Aufenthalt knüpfen, tritt diese jedoch stets dann ein, wenn der Aufenthalt im Inland länger als sechs Monate dauert. In diesem Fall erstreckt sich die Abgabepflicht auch auf die ersten sechs Monate. Das Bundesministerium für Finanzen ist ermächtigt, von der Anwendung dieser Bestimmung bei Personen abzusehen, deren Aufenthalt im Inland nicht mehr als ein Jahr beträgt, wenn diese im Inland weder ein Gewerbe betreiben noch einen anderen Beruf ausüben.

[...]

Rechtliche Würdigung:

Auf den Mittelpunkt der Lebensinteressen des Kindes kommt es, sofern dieses nicht für sich selbst Familienbeihilfe gemäß § 6 FLAG 1967 beantragt, grundsätzlich nicht an (vgl. RV/7103136/2015).

Allerdings steht gemäß § 5 Abs. 3 FLAG 1967 ein ständiger Auslandsaufenthalt des Kindes einem Anspruch auf Familienbeihilfe entgegen. Die Bestimmung ist verfassungskonform (vgl. G 112/99; B 2366/00).

Ein vorübergehender Auslandsaufenthalt steht dem Bezug von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag nicht entgegen, ein ständiger schon (§ 5 Abs. 3 FLAG 1967).

Nach den getroffenen Sachverhaltsfeststellungen befand sich ***6*** jedenfalls spätestens seit bis (Ausfertigung des Rückforderungsbescheides) bzw. laufend, also mehr als sieben Monate - mit Ausnahme der Ferienzeit - durchgehend in den Vereinigten Staaten von Amerika (Drittland).

Bei der Frage des ständigen Aufenthaltes i.S.d. § 5 Abs. 3 FLAG 1967 geht es um objektive Kriterien, die nach den Gesichtspunkten des Vorliegens eines gewöhnlichen Aufenthaltes nach § 26 Abs. 2 BAO zu beurteilen sind (vgl. etwa 2008/15/0323; 2007/15/0055; 2002/14/0103). Diese Beurteilung hat nicht auf den subjektiven Gesichtspunkt des Mittelpunktes der Lebensinteressen abzustellen, sondern auf das objektive Kriterium der grundsätzlichen körperlichen Anwesenheit (vgl. Nowotny in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG § 5 Rz 9).

Ein nicht nur vorübergehendes Verweilen liegt vor, wenn sich der Aufenthalt über einen längeren Zeitraum erstreckt (vgl. 2007/15/0155).

Um einen gewöhnlichen Aufenthalt aufrechtzuerhalten, ist keine ununterbrochene Anwesenheit erforderlich. Abwesenheiten, die nach den Umständen des Falles nur als vorübergehend gewollt anzusehen sind, unterbrechen nicht den Zustand des Verweilens und daher auch nicht den gewöhnlichen Aufenthalt (vgl. 2002/14/0103).

Das bloße Verbringen der Ferien in Österreich bzw. fallweise kurze Besuche in Österreich während des Schuljahres sind jeweils als vorübergehende Abwesenheit zu beurteilen, wodurch ein ständiger Aufenthalt des Kindes im Ausland nicht unterbrochen wird (vgl. 2002/14/0050; 98/15/0016; 82/14/0047; 2002/13/0079; 2001/13/0160).

Auch wenn der Auslandsaufenthalt zu Ausbildungszwecken erfolgte, ändert dies nichts daran, dass sich das Kind während der Auslandsausbildung ständig i.S.d. § 5 Abs. 3 FLAG 1967 im Ausland, also einem Drittland, aufhält (vgl. RV/7105408/2015: RV/7101957/2015; RV/7101355/2016: RV/7100224/2016; /2015j.

Der VwGH hat eine Aufenthaltsdauer von fünfeinhalb Monaten im Ausland gerade noch als einen vorübergehenden Aufenthalt angesehen (vgl. 2009/16/0133).

Im gegenständlichen Fall war der Auslandsaufenthalt von Anfang an auf zumindest vier Jahre angelegt. Damit geht der Aufenthalt deutlich über die vom VwGH als "gerade noch" vorübergehend angesehene Auslandsaufenthaltsdauer von fünfeinhalb Monaten hinaus (vgl. RV/7104568/2014 zu siebenmonatigem Auslandsaufenthalt). Hier kann nicht mehr von einem bloß vorübergehenden Auslandsaufenthalt gesprochen werden.

Lassen objektive Gesichtspunkte erkennen, dass ein Auslandsaufenthalt nicht vorübergehend währen wird, dann liegt schon ab dem Vorliegen dieser Umstände, im gegenständlichen Fall ab Beginn des Auslandsaufenthaltes, ein ständiger Aufenthalt vor (vgl. /00081).

Objektive Erstattungspflicht:

Bezüglich des erwähnten Bescheides v. handelt es sich lediglich um eine sog. Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe. Die Mitteilung genießt keinen Bescheidcharakter (siehe oben insb. §§ 12, 13 FLAG 1967):

[...]

Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen. Diese Rückzahlungspflicht normiert eine objektive Erstattungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat. Die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge ist von subjektiven Momenten unabhängig. Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat. Ob und gegebenenfalls, wie der Bezieher die erhaltenen Beträge verwendet hat, ist nach § 26 Abs. 1 FLAG 1967 unerheblich (u.a. 2005/15/0080).

Gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 steht einem Steuerpflichtigen, dem auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag für jedes Kind zu. Fehlt es an einem Anspruch auf Familienbeihilfe für den streitgegenständlichen Zeitraum sind auch die Kinderabsetzbeträge zurückzufordern.

Die Rückforderung gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 ist keine Ermessensentscheidung. Die Rückforderung ist, wie ausgeführt, vorzunehmen, wenn objektiv der Rückforderungstatbestand verwirklicht ist (vgl. Hebenstreit in Czaszar/Lenneis/Wanke, FLAG § 26 Rz 3).

Ihre Beschwerde betreffend den Rückforderungsbescheid v. erweist sich sohin als unbegründet und war daher abzuweisen.

Vorlageantrag

Mit Schreiben vom stellte die Bf Vorlageantrag:

... mit Bedauern musste ich feststellen, dass meiner Beschwerde bezüglich der Rückforderung der Familienbeihilfe für unseren erwachsenen Sohn ***6******2*** abgewiesen wurde.

In der Beschwerdevorentscheidung wurden Paragrafen angeführt die alle samt nie für den Bürger sind sondern für den Gesetzgeber gelten und dieser sich alles so heraus glauben kann, wie er diese gerade anwenden mag.

Dabei geht es hier nicht um ein Gesetz, sondern um einen gravierenden Fehler bei der Bearbeitung und Entscheidung durch den bearbeitenden Mitarbeiter/in des Finanzamtes, dass unser Sohn bis September 2018 die Familienbeihilfe bekommen hätte sollen.

Ich rief nach der erfolgten Matura unseres Sohnes beim zuständigen Finanzamt an und erkundigte mich telefonisch bei einer Referentin, die im Büro in Gänserndorf saß, ob ***6***, wenn er in Amerika studieren wird, Familienbeihilfe beziehen kann oder nicht. Diese sagte mir damals, dass das gar kein Problem sei und ich das Formular "Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe" ausfüllen soll und an das FA schicken soll.

Dieses Formular habe ich wahrheitsgemäß und mit händischen Ergänzungen wie z.B. ... Bankangestellte, Dienstgeber meines Mannes ***9*** und bei "Bezeichnung und Anschrift der Universität" auch ausdrücklich die Universität UND Amerika

Dieses Schreiben habe ich dann per Post über meinen Arbeitgeber ***10*** an das Finanzamt Gänserndorf geschickt.

Daraufhin bekam ich eine Mitteilung am , dass ***6******2*** die Familienbeihilfe bis September 2018 bekommt und die Leistungen auf mein angegebenes Konto überwiesen werden.

Da ist hier ein Fehler bei der Bearbeitung am Finanzamt und/oder durch die Referentin entstanden ist bin nicht bereit, diesen Fehler einfach so hin zu nehmen.

Mehr als mich im Vorhinein zu erkundigen, ob wir überhaupt Anspruch auf Familienbeihilfe haben werden und der Referentin Glauben zu schenken und die Unterlagen mehr als akribisch auszufüllen, kann ich als Bürger nicht tun.

Und genau da liegt das Problem:

Hätte die Referentin mir gesagt, dass es sich bei einem Studium in Amerika um einen Drittstaat handelt und hier keine Familienbeihilfe gewährt wird, dann wäre das so gewesen und wir hätten keine FBH bekommen. Ich hatte damals auch gar nicht damit gerechnet.

Durch den Fehler der Referentin jedoch hat das Finanzamt die FBH ausbezahlt. Dann wurde anscheinend durch Zufall der Akt nochmals bearbeitet und man kam drauf: hoppala, da haben wir einen Fehler gemacht, jetzt fordern wird das Geld zurück.

Dadurch entsteht uns ein enormer Schaden in der Hinsicht, dass wir in die Lage geraten, dass auf einmal Euro 1.803,20 rück zu erstatten wären.

DAS WÄRE NICHT PASSIERT, WENN DAS FINANZAMT DIESEN FEHLER NICHT GEMACHT HÄTTE. Wir hätten dann keine FBH bekommen und damit auch keine so hohe Summe rückzahlen müssen. Wir wären gar nicht in diese Situation gekommen.

Es geht also nicht um ein Gesetz, sondern lediglich darum, dass das Finanzamt einen enormen Fehler gemacht hat und wir nicht einsehen, diesen nun "ausbaden" zu müssen. Wenn die Gesetzeslage so ist wie sie ist, so bekommen wir halt keine Familienbeihilfe.

Der Ärger ist umso grösser, als dass wir eine befreundete Familie kennen, deren Sohn die gleiche Situation hat und diese Familie die volle Familienbeihilfe bekommt und KEINE Rückforderung erhalten hat!

Angesichts des Fehlers bei der Bearbeitung und Entscheidung des Finanzamtes bitten wir um Entscheidung, dass der Betrag nicht zurückgefordert wird und das Finanzamt Gänserndorf für den Fehler selber aufkommen muss.

Bis zur endgültigen Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht bitten wir um Aussetzung der Einhebung des geforderten Betrages.

Abschließend möchte ich Ihnen auch noch sagen, dass unser Sohn nur in Amerika studiert, weil es in Europa keine Möglichkeit gibt, Wissenschaft und Sport so zu vereinen. Er hat bereits im Leistungsportgymnasium enormes geleistet, sodass er ein akademisches und sportliches Stipendium in Amerika bekommen hat und wir uns das sonst gar nicht leisten könnten.

Mit der Bitte um positive Entscheidung ...

Vorlage

Mit Bericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und führte unter anderem aus:

Inhaltsverzeichnis zu den vorgelegten Aktenteilen (Aktenverzeichnis)

Beschwerde

1 Beschwerde (inkl. Kuvert)

Bescheide

2 Familienbeihilfe (Zeitraum: 09.2017-04.2018)

Zusatzdokumente Bescheide

3 Rückschein Rückforderungsbescheid

Beschwerdevorentscheidung

4 Beschwerdevorentscheidung (inkl. Rückschein)

Vorlageantrag

5 Vorlageantrag (inkl. Kuvert)

Vorgelegte Aktenteile

6 E-Mail (inkl. Studienbestätigung)

7 Retouniertes Überprüfungsblatt (inkl. Beilagen)

8 EDV-Auszug

9 EDV-Auszug

10 Bescheid über die Bewilligung einer Aussetzung der Einhebung

Sachverhalt und Anträge

Sachverhalt:

Am wurde Frau ***2***-***3******1*** ein Bescheid über die Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge (Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag) zugestellt. Konkret betroffen war der Zeitraum von September 2017 - April 2018, weshalb eine Gesamtsumme von EUR 1.803,20 zurückgefordert wurde. Begründend führte der Bescheid aus, dass das Studium des anspruchsvermittelnden Kindes (***2******6***) im Ausland voraussichtlich vier Jahre dauern würde, gemäß FLAG ein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten, aber nicht bestehe.

Dagegen erhob Frau ***2***-***3*** am fristgerecht Beschwerde. Darin führte sie im Wesentlichen aus, dass man den Aufforderungen des Finanzamtes nachgekommen sei und eine Bestätigung der ausländischen Universität vorgelegt habe. Ihr würde daher auch ein Bescheid vorliegen, der ihr den Bezug der Familienbeihilfe gewähre, und dass man diesen aus Vertrauensgründen nicht einfach abändern könne. Außerdem befinde sich ***6*** während des Semesters zwar in den USA, die Ferien würde er jedoch in Österreich verbringen. Seinen Hauptwohnsitz unterhalte er dementsprechend in Österreich.

Mit ergangener Beschwerdevorentscheidung wurde obige Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Die Abweisung wurde unter anderem damit begründet, dass sich ***6*** auf Grund seines Studiums ständig im Ausland aufhalte und daher gem. § 5 Abs 3 FLAG Familienbeihilfe nicht zustehe. Darüber hinaus sei nach stRsp des VwGH das bloße Verbringen der Ferien bzw. kurzzeitige Besuche in Österreich während des Semesters als lediglich vorübergehende Abwesenheit zu beurteilen, die einen ständigen Auslandsaufenthalt nicht unterbrechen würde. Beim zuvor erwähnten "Bescheid" handle es sich außerdem lediglich um eine Mitteilung, die keinen Bescheidcharakter habe. Schlussendlich sei auch die Rückzahlungspflicht von subjektiven Momenten unabhängig, entscheidend sei allein, ob Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen wurde oder nicht.

Am brachte Frau ***2***-***3*** fristgerecht einen Vorlageantrag ein. Darin erörterte sie im Wesentlichen, dass die in der Beschwerdevorentscheidung angeführten Paragraphen nicht für den einzelnen Bürger, sondern für den Gesetzgeber gelten würden. Außerdem sei der Fehler allein auf Grund eines Mitarbeiters des Finanzamtes zurückzuführen, weshalb man nicht bereit sei, das Geschehene einfach so hinzunehmen. Es sei nämlich seitens des Finanzamtes telefonisch zugesichert worden, dass Familienbeihilfe in einer derartigen Konstellation gewährt werden würde, sodass man auf diese Auskunft auch vertraut habe.

Beweismittel:

Siehe vorgelegte Aktenstücke des verfahrensgegenständlichen Beschwerdeaktes ***2***-***3*** (SVNr.:***7***). Es wird daraufhin hingewiesen, dass ein physischer Papierakt vorhanden ist, der auf Wunsch vorgelegt werden könnte.

Stellungnahme:

Auslandsaufenthalt ***6***:

Gemäß § 5 Abs 3 FLAG 1967 besteht für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten, kein Anspruch auf Familienbeihilfe. Hierbei geht es um objektive Kriterien, die nach den Gesichtspunkten des Vorliegens eines gewöhnlichen Aufenthaltes nach § 26 Abs 2 BAO zu beurteilen sind (vgl. etwa 2008/15/0323; 2007/15/0055; 2002/14/0103).Dabei ist auf das objektive Kriterium der grundsätzlichen körperlichen Anwesenheit abzustellen (vgl. Nowotny in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG §5 Rz 9).

Eine ununterbrochene Anwesenheit ist hiebei nicht erforderlich: Abwesenheiten, die nach den Umständen des Falles nur als vorübergehend gewollt anzusehen sind, unterbrechen nicht den Zustand des Verweilens und daher auch nicht den gewöhnlichen Aufenthalt (vgl. 2002/14/0103). Die Österreichbesuche von ***6*** in den Ferien sind folglich nur als vorübergehende Abwesenheit zu beurteilen, sein ständiger Aufenthalt in den USA wird damit nicht unterbrochen (u.a. 2002/14/0050).

Nach der Rsp des VwGH wäre eine Aufenthaltsdauer von fünfeinhalb Monaten im Ausland gerade noch als vorübergehender Aufenthalt klassifiziert worden (vgl. 2009/16/0133). Im konkreten Fall war der Aufenthalt in den USA aber auf zumindest vier Jahre angelegt, von einem bloß vorübergehenden Auslandsaufenthalt kann hiebei keine Rede mehr sein.

Mitteilung ist kein Bescheid:

Beim erwähnten "Bescheid" handelt es sich um eine Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe. Eine solche Mitteilung genießt keinen Bescheidcharakter (§§ 12f. FLAG 1967).

Rückzahlungspflicht:

Gem. § 26 FLAG 1967 sind zu Unrecht bezogene Familienbeihilfenbeträge zurückzuzahlen. Dies gilt ebenso für zu Unrecht bezogene Kinderabsetzbeträge (§ 33 Abs 3 EStG 1988). Die Rückzahlungspflicht normiert eine objektive Erstattungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat. Die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge ist von subjektiven Momenten unabhängig. Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat. Ob und gegebenfalls wie der Bezieher die erhaltenen Beträge verwendet hat, ist nach § 26 Abs 1 FLAG 1967 unerheblich (u.a. 2005/15/0080).

Zu Ausführungen im Vorlageantrag - (zit.) "Keine Rückforderung der Familienbeihilfe bzgl. einer befreundeten Familie, deren Sohn sich in einer gleichen Situation befindet" - siehe VfGH-Judikatur zum Gleichheitssatz "Keine Gleichheit im Unrecht":

Nach der stRsp des VfGH kann es keine Gleichheit im Unrecht geben: Die Rechtmäßigkeit des Verhaltens einer Behörde kann nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass die Behörde in gleich gelagerten Fällen anders gehandelt habe, konkret von einer Rückforderung in einem ähnlichen Fall abgesehen habe. Hier lässt sich festhalten, dass dem Beschwerdeführer daraus kein Recht erwächst, dass ebenso von der ihn betreffenden Rückforderung abgesehen werden muss. Schließlich wäre doch das Ergebnis ein Anspruch auf die Nichtanwendung des Gesetzes trotz gegebener Tatbestandsmäßigkeit (vgl. u.a. 2001 VfSlG 16.209).

Es wird der Antrag gestellt das Bundesfinanzgericht möge den Ausführungen im Sinne der Beschwerdevorentscheidung v. - siehe ausführlicher in der Bescheidbegründung ad BVE v. - folgen.

Aus dem elektronisch vorgelegten Akt des Finanzamts lässt sich weiters entnehmen, dass die Bf dem Finanzamt am eine Studienbestätigung vom betreffend ***6*** ***2*** übermittelt hat. Dieser Bestätigung hat das Bachelor of Arts degree in Business Management-Studium am begonnen und werde typischerweise in vier Jahren enden. Ein Studienjahr umfasse 24 - 36 credit hours.

In Beantwortung eines am vom Finanzamt übermittelten Überprüfungsschreibens teilte die Bf dem Finanzamt am unter anderem mit, dass ***6*** voraussichtlich bis 2021 Student sei und die Unterlagen sich bereits beim Finanzamt befänden.

Die Einhebung des Rückforderungsbetrags wurde vorerst mit Bescheid vom ausgesetzt:

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt, Beweiswürdigung, Rechtsgrundlagen, rechtliche Würdigung

Zu Sachverhalt, Beweiswürdigung und rechtlicher Würdigung ist auf die detaillierten und zutreffenden Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung und im Vorlageantrag zu verweisen, die oben wiedergegeben sind. Die Beschwerdevorentscheidung enthält auch alle maßgeblichen Rechtsgrundlagen.

Mehrjähriges Auslandsstudium

Fest steht, dass die Bf den Zeitraum September 2017 bis April 2018 für ihren Sohn ***6*** ***2*** die im Spruch angeführten Beträge an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag vom Finanzamt ausbezahlt erhalten hat, dass ***6*** ***2*** seit August 2017 ein voraussichtlich vier Jahre dauerndes Studium in den USA absolviert, wobei ***6*** ***2*** in der vorlesungs- und prüfungsfreien Zeit jeweils nach Österreich zurückkehrt, und dass das Finanzamt von der Bf über diesen Umstand schon im September 2017 informiert wurde, dessen ungeachtet aber Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag bis April 2018 ausgezahlt hat.

Nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 Satz 1 steht Familienbeihilfe für ein volljähriges Kind zu, wenn dieses für einen Beruf ausgebildet wird und das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet wurde, wozu auch ein Studium zählt (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020 § 2 Rz 28 ff. m.w.N.).

Gemäß § 5 Abs. 3 FLAG 1967 steht Familienbeihilfe nicht zu, wenn sich das Kind ständig im Ausland aufhalten. Unter "Ausland" sind Drittstaaten außerhalb der Europäischen Union, des Europäischen Wirtschaftsraums und der Schweiz zu verstehen. Erstreckt sich ein Aufenthalt über einen "längeren Zeitraum", so liegt nach der Rechtsprechung des VwGH "jedenfalls" ein "nicht nur vorübergehendes Verweilen" i.S.d. Gesetzes vor. Das (teilweise) Verbringen der Ferien in Österreich und andere kurzfristige Aufenthalte in Österreich sind jeweils als vorübergehende Abwesenheiten zu beurteilen, wodurch der ständige Aufenthalt eines Kindes im Ausland nicht unterbrochen wird. Ein mehrjähriger Aufenthalt im Ausland zufolge eines Studiums fällt unter § 5 Abs. 3 FLAG 1967 (vgl. Reinalter in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020 § 5 Rz 9 ff. m.w.N.).

Keine Rechtskraft von Mitteilungen

Das FLAG 1967 kennt keine bescheidmäßige Zuerkennung von Familienbeihilfe. Gleiches gilt für den gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 gemeinsam mit der Familienbeihilfe auszuzahlenden Kinderabsetzbetrag. Mitteilungen über den Bezug von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag sind keine Bescheide und stehen einer Rückforderung nicht entgegen (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020 § 26 Rz 3 m.w.N.).

Rückforderung bei objektiv rechtswidrigem Bezug

Wurden die Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag zu Unrecht bezogen, sind diese für die Dauer des unrechtmäßigen Bezuges zurückzuzahlen. Es kommt nur auf die objektive Rechtswidrigkeit des Bezugs an, also auf das Fehlen der Anspruchs­voraussetzungen für den Leistungsbezug. Gutgläubigkeit des Empfangs der Familienbeihilfe oder die Verwendung der Familienbeihilfe, sind nach ständiger Rechtsprechung des VwGH für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich. Einer Rückforderung steht nach derzeitiger Rechtslage auch nicht entgegen, wenn der unrechtmäßige Bezug ausschließlich durch das Finanzamt verursacht worden ist (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020 § 26 Rz 13 ff. m.w.N.).

Billigkeitsüberlegungen sind im Rückforderungsverfahren nach § 26 Abs. 1 bis 3 FLAG 1967 vom Finanzamt oder vom BFG nicht anzustellen (vgl. und , unter Hinweis auf ).

Die objektive Erstattungspflicht hat zur Folge, dass der Behörde, sobald die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Familienbeihilfe nicht mehr gegeben sind, hinsichtlich der Rückforderung von bereits bezogener FB kein Ermessensspielraum bleibt (vgl. ).

Keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids

Der angefochtene Bescheid ist daher nicht mit Rechtswidrigkeit (Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG) behaftet, die Beschwerde ist gemäß § 279 BAO als unbegründet abzuweisen.

Nachsicht

Vom Abgabenfestsetzungsverfahren ist ein allfälliges Nachsichtsverfahren zu unterscheiden.

Gemäß § 236 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten, und zwar auch dann, wenn sie bereits entrichtet worden sind, auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Eine Nachsicht gemäß § 236 BAO (Abschreibung von Abgabenschuldigkeiten) ist ein von der Rückforderung getrenntes Verfahren. Die Gewährung einer Nachsicht liegt im Ermessen der Finanzämter und kann bei Versagung der beantragten Nachsicht in einem Rechtsmittelverfahren angefochten werden. Die Nachsicht setzt keine Weisung der Oberbehörde nach § 26 Abs. 4 FLAG 1967 voraus (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020 § 26 Rz 78). Die Unbilligkeit der Einhebung einer Abgabe kann entweder eine persönliche oder eine sachliche sein, wobei auf die Unbilligkeit im Einzelfall abzustellen ist (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020 § 26 Rz 81 m.w.N.).

Nach § 3 Z 2 lit. a der zu § 236 BAO ergangenen Verordnung betreffend Unbilligkeit der Einhebung im Sinn des § 236 BAO, BGBl. II Nr. 435/2005 zuletzt geändert durch BGBl. II Nr. 236/2019, liegt eine sachliche Unbilligkeit bei der Einhebung von Abgaben insbesondere vor, soweit die Geltendmachung des Abgabenanspruches in Widerspruch zu nicht offensichtlich unrichtigen Rechtsauslegungen steht, die dem Abgabepflichtigen gegenüber von der für ihn zuständigen Abgabenbehörde geäußert worden sind.

Sollte das Finanzamt der Bf, wie es diese im Vorlageantrag vorgebracht hat, auf Anfrage mitgeteilt haben, dass es in Bezug auf die Familienbeihilfe "gar kein Problem" sei, wenn der Sohn in Amerika studiere, dann kann ein Anwendungsfall von § 3 Z 2 lit. a V BGBl. II 435/2005 vorliegen. Für das Vorbringen der Bf spricht, dass das Finanzamt in weiterer Folge nach Übermittlung des Überprüfungsschreibens und nach Vorlage der Studienbestätigung Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für den Sohn ausbezahlt hat. Wenn die Bf die Voraussetzungen für eine Nachsicht - persönliche oder sachliche Unbilligkeit - betreffend der Rückforderung für gegeben sieht, steht es ihr frei, einen diesbezüglichen Antrag beim Finanzamt einzubringen. Dieser ist in einem gesonderten Verfahren - und nicht im Beschwerdeverfahren betreffend die Rückforderung - zu prüfen (vgl. ).

Keine Zulassung einer Revision

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da der hier zu lösenden Rechtsfrage keine grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Bundesfinanzgericht folgt der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Voraussetzung einer Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag sowie zu einem ständigen Auslandsaufenthalt des Kindes.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7105977.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at