Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.10.2020, RV/7102315/2013

1. Kein Vorsteuerabzug mangels richtiger Anschrift des leistenden Unternehmers 2. Kein Vorsteuerabzug mangels Zurechnung zum Rechnungsaussteller

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Johannes Böck in der Beschwerde der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 4/5/10 betreffend Festsetzung der Umsatzsteuer für den Zeitraum 2-12/2011 vom sowie Umsatzsteuer 2011 vom , ***St.Nr.***, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Die Beschwerde gegen den Umsatzsteuerfestsetzungsbescheid
für den Zeitraum 02-12/2011 wird zurückgewiesen.

Die Beschwerde gegen den Umsatzsteuerbescheid 2011 wird
als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (im Folgenden mit Bf. bezeichnet) ist als Kapitalgesellschaft im Handel mit Edelmetallen tätig. In Zusammenhang mit Lieferungen von Silberbarren und Silbermünzen von der Fa. ***1*** mit Rechnungen im Zeitraum 1. bis im Gesamtbetrag von EUR 113.221,30 machte die Bf. Vorsteuern iHv EUR 22.644,26 geltend.

1. Festsetzung der Umsatzsteuer für den Zeitraum 2-12/2011:

1.1 Umsatzsteuernachschau für den Zeitraum 2-12/2011:

Im Zuge einer Umsatzsteuernachschau für den Zeitraum 02-12/2011 wurde in Tz 2 des BP-Berichtes festgestellt, dass die Lieferantin von Silberbarren und Silbermünzen, Fa. ***1***, zum Zeitpunkt der an die Bf. gelegten Eingangsrechnungen nicht unternehmerisch tätig gewesen sei. Darüber hinaus sei die Umsatzsteuer aus diesen Lieferungen von der Fa. ***1*** in ***2***, ***3***, weder abgeführt noch gegenüber dem Finanzamt erklärt worden - dies iZm den nachstehend bezeichneten Lieferungen von Silberbarren und Silbermünzen im Gesamtbetrag von EUR 113.221,30:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
RE-Nr:
RE-Datum:
Bezeichnung, Menge, Preis:
netto:
Vorsteuern:
035/2011
Silberbarren, 500g x 60 x 448,00:
26.880,00
5.376,00
Silberbarren, 500g x 20 x 445,00:
8.900,00
1.780,00
034/2011
Silberbarren, 1000g x 40 x 885,00:
35.400,00
7.080,00
036/2011
Philharmoniker Silber 359 x 28,70:
10.303,30
2.060,66
Andorra Silber 39 x 27,00:
1.053,00
210,60
033/2011
Silberbarren, 1000g x 10 x 843,50:
8.435,00
1.687,00
037/2011
Silberbarren, 1000g x 25 x 890,00:
22.250,00
4.450,00
SUMME Vorsteuern:
113.221,30
22.644,26

Die Geschäftsbeziehung der Bf. zur Fa. ***1*** sei im Zuge einer Umsatzsteuer-Nachschau für den Zeitraum 2-12/2011 wie folgt festgestellt worden:

Bei der Fa. ***1*** mit Sitz in ***2***, ***3*** (seit ), handle es sich um ein Unternehmen mit dem Geschäftszweig Personalleasing, Mietwagengewerbe und Gebäudereinigung, welche mit Gesellschaftsvertrag vom gegründet worden sei. Das Stammkapital der ***1*** betrage EUR 35.000,00. Mit Abtretungsvertrag vom erwarb ***4*** sämtliche Geschäftsanteile der ***1***, ***4*** und wurde auch zur einzelvertretungsbefugten Geschäftsführerin dieser Gesellschaft bestellt.

Im Zuge der mit erfolgten Begehung des Betriebssitzes in ***2***, ***3***, durch die BP seien keine Hinweise auf Personen oder Firmen gesehen worden - dies obgleich mit eine Wiederbetriebsmeldung für Bau- und Reinigungsgewerbe von der Fa. ***1*** bei der Wirtschaftskammer Wien erstattet worden sei. Diese Feststellungen haben zu einer zeitlichen Begrenzung der UID-Nummer der Fa. ***1*** geführt.

Beim ersten Geschäft seien Geschäftsführerin ***4*** und ***5*** seitens der Fa. ***1***, beide durch einen Lichtbildausweis ausgewiesen, anwesend gewesen. Außer der ersten Kontaktaufnahme durch ***4*** und der anschließenden Besprechung sei ***4*** daher lediglich beim letzten Verkauf anwesend gewesen, der Kontakt zur Fa. ***1*** sei ausschließlich über ***5*** erfolgt, welcher mit schriftlicher Vollmacht vom von ***4*** autorisiert wurde, "behördliche Schriftstücke entgegen zu nehmen und in Sachen Handel zu liefern und Geld zu nehmen, sowie sie in ihren Bankgeschäften zu vertreten".

In diesem Zusammenhang sei zu beachten, dass nach den Feststellungen der BP aufgrund des mit verfassten Aktenvermerks, bei der mit erfolgten Vorsprache zwecks Überprüfung der Tätigkeit sowie des Ortes der Geschäftsleitung die Geschäftsführerin der Fa. ***1***, ***4***, "kein Wort Deutsch" spreche. Mit ***4*** sei daher Englisch gesprochen worden, verstanden habe sie Deutsch. Aus diesem Grund sei ein ihr persönlich Bekannter, ***6***, anwesend gewesen, der der BP sämtliche Auskünfte erteilt habe. ***4*** habe nach den Feststellungen der BP als Geschäftsführerin der Fa. ***1*** "überhaupt keine Ahnung von der Baubranche bzw. von den Abläufen der Firma".

Mit durchgeführte Erhebungen der BP haben bei der Fa. ***1*** ergeben, dass es nach einer Abfrage des Dienstgeberkontos bei der Fa. ***1*** im Zeitraum 01-04/2011 (Stichtag der Abfrage: ) einen starken Anstieg der Dienstnehmer gegeben habe:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Zeitraum:
01/2011:
02/2011:
03/2011:
04/2011:
Anzahl Dienstnehmer:
10
56
195
257

Mit Abfragestichtag seien bereits 367 Dienstnehmer bei der Fa. ***1*** angemeldet, jedoch keine Lohnabgaben dem Finanzamt gemeldet worden.

Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom tt.mm.2011 wurde über das Vermögen der Fa. ***1*** das Konkursverfahren eröffnet.

Nach dem ersten Bericht der Masseverwalterin der ***1***, RA ***7***, und dem damit verbundenen Antrag auf Schließung des Unternehmens und der Anzeige der Masseunzulänglichkeit der Fa. ***1*** vom sei trotz ihrer intensivsten Bemühungen, die Geschäftsführerin der ***1***, ***4***, nicht greifbar gewesen.

Auch am Firmensitz der ***1*** in ***2***, ***3***, sei laut Auskünften der Nachbarn die ***1*** bzw. deren Geschäftsführerin nicht präsent gewesen. Es handle sich daher nach den Schlussfolgerungen der Masseverwalterin offenbar um eine sog. Scheinanschrift. Einen sonstigen Vertreter der ***1*** habe die Masseverwalterin nicht in Erfahrung bringen können.

Nach den Feststellungen der BP würden sämtliche der vorliegenden Indizien auf ein Betrugsszenario hinweisen.

Mit weiterem Beschluss vom wurde das Konkursverfahren nach Verteilung an die Massegläubiger aufgehoben und die ***1*** ist seit ***11*** im Firmenbuch infolge Vermögenslosigkeit gemäß § 40 FBG gelöscht.

Im Zuge einer Umsatzsteuer-Nachschau für den Zeitraum 2-12/2011 wurde in Tz. 2 des BP-Berichts festgestellt, dass die Unterschriften auf den Eingangsrechnungen sowie auf der vorgelegten Vollmacht nicht der Unterschrift von ***4*** entsprechen. Die Rechnungen seien bereits unterschrieben mitgebracht worden, die Rechnungen würden auch nicht stets dieselbe unbekannte Unterschrift aufweisen. Dem Geschäftsführer der Bf., ***8***, sei dieser Umstand bislang nicht aufgefallen. Wer demnach tatsächlich die Unterschriften auf den Eingangsrechnungen leistete, sei der Bf. nicht bekannt. Darüber hinaus gehe aus der vorgelegten Vollmacht nicht die konkrete Bevollmächtigung für die mit der Bf. getätigten Rechtsgeschäfte (über die Lieferungen von Silberbarren und Silbermünzen) hervor.

Weiter sei die auf sämtlichen Eingangsrechnungen angeführte Steuernummer der Fa. ***1*** nicht mehr aktuell. Das sei nach den Feststellungen der BP ein Umstand, der der Bf. hätte bekannt sein müssen.

Herkunftsnachweise über die von der Fa. ***1*** angekauften Edelmetalle haben von der Bf. nicht vorgelegt werden können. Die Bezahlung sei ausschließlich in bar erfolgt.

Verschiedene weitere Erhebungen der Finanzbehörde haben ergeben, dass die Fa. ***1*** zum Zeitpunkt der an die Bf. fakturierten Leistungen nicht unternehmerisch tätig gewesen sei. Dies insbesondere, als der dem Finanzamt als Nachweis der unternehmerischen Tätigkeit vorgelegte Sub-Unternehmervertrag, welcher zur Aufhebung der Begrenzung der UID-Nummer führte, nicht existierte, und da nicht ***4***, sondern ein Unbekannter für die Fa. ***1*** aufgetreten sei.

Aufgrund des vorstehend bezeichneten Sachverhaltes werden gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 die beantragten Vorsteuern iHv EUR 22.644,26 nicht zum Abzug zugelassen, wenn der Unternehmer wusste oder wissen habe müssen, dass der betreffende Umsatz iZm Umsatzsteuerhinterziehungen oder sonstigen, die Umsatzsteuer betreffenden Finanzvergehen stehe. Damit entfalle das Recht auf Vorsteuerabzug. Dies gelte insbesondere auch, wenn ein solches Finanzvergehen einen vor- oder nachgelagerten Umsatz betreffe.

In Zusammenhang mit der fehlenden Überprüfung mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes und der Nichterfüllung der Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug gemäß § 12 UStG iVm § 11 UStG sei daher der Vorsteuerabzug zu versagen.

Nach den weiteren Feststellungen der BP habe mit ***5*** der Bf. 100 kg Silber zum Kauf angeboten. Daraufhin habe der Geschäftsführer der Bf. ***8***, wegen des Umstands, dass die Fa. ***1*** kein Unternehmen der Edelmetallbranche sei und da die Menge der angebotenen Silberbarren immer größer geworden sei, die persönliche Anwesenheit der Geschäftsführerin ***4*** und nachstehende Bestätigung verlangt, derzufolge von ***4*** festgehalten werde:

"Ich bestätige hiermit, dass die Verkäufe an die Bf. in meinem Wissen getätigt wurden und werden und die dadurch entstandene Umsatzsteuer/n - in bar jeweils ausbezahlt durch die Bf. - durch die ***1*** als Geschäftsführerin vertreten durch mich - an das zuständige Finanzamt abführen werde."

gezeichnet: ***4***

Darüber hinaus habe ***8*** von ***4*** verlangt, dass in Zukunft alle Geschäfte über ein Bankkonto zu laufen haben.

***8*** sei zwar nicht aufgefallen, dass die UID-Nummer der Fa. ***1*** zeitweise begrenzt gewesen sei. Ihm sei bloß wichtig gewesen, dass die UID-Nummer der ***1*** zum Zeitpunkt der in Rede stehenden Geschäfte gültig gewesen sei.

Aufgrund der vorstehend bezeichneten Sachverhalte werden nach den Feststellungen der BP die im Zeitraum 02-12/2011 beantragten Vorsteuern im Gesamtbetrag von EUR 22.644,26 nicht zum Abzug zugelassen. Dies insbesondere auch, weil die Bf. gewusst habe oder wissen hätte müssen, dass die betreffenden Umsätze iZm Umsatzsteuerhinterziehungen oder sonstigen, die Umsatzsteuer betreffenden Finanzvergehen stehen würden.

Mit Bescheid vom betreffend Festsetzung der Umsatzsteuer für den Zeitraum 2-12/2011 wurde nach Berücksichtigung anderer - hier nicht strittiger - Feststellungen die Gutschrift mit EUR 323.672,49 festgesetzt.

1.2 Beschwerde vom :

Gegen den Bescheid betreffend Festsetzung der Umsatzsteuer für den Zeitraum 02-12/2011 erhob die Bf. mit Eingabe vom das Rechtsmittel der Beschwerde und beantragte eine Anerkennung der geltend gemachten Vorsteuern aus den Eingangsrechnungen der Fa. ***1*** iHv EUR 22.644,26, da der Abzug dieser Vorsteuern zu Unrecht versagt worden sei.

Begründend wurde ausgeführt, beim ersten Geschäft seien die Geschäftsführerin der ***4***, die Geschäftsführerin der ***1*** gemeinsam mit Herrn ***5*** erschienen, wobei sich beide mit einem Lichtbildausweis ausgewiesen haben. ***4*** habe auch die Firmenunterlagen wie Firmenbuchauszug, Kopie des Bescheides über die neuerliche Gültigkeit der UID-Nummer, den ursprünglichen Bescheid über die Erteilung der UID-Nummer, die Finanzamts-Mitteilung über die Bekanntgabe der Steuernummer, den Meldezettel sowie die in Rede stehende Vollmacht für ***5*** übergeben und erklärt, dass die folgenden Verkäufe ***5*** für sie ausführen werde. Die nächsten drei Verkäufe habe ***5*** alleine durchgeführt, beim letzten Verkauf sei ***4*** wieder dabei gewesen und habe schriftlich bestätigt, dass die Verkäufe in ihrem Wissen getätigt worden seien.

Die von der Bf. von der BP geforderte Vollmacht, aus welcher die konkrete Bevollmächtigung des ***5*** für die Verkäufe der ***1*** hervorgehe, sei für Inlandsumsätze nicht notwendig, da die mündliche Ankündigung der Geschäftsführerin, ***4***, dass ***5*** die Geschäfte für die ***1*** abwickeln dürfe, vollkommend ausreichend sei. Die Geschäftsführung der Bf. habe somit mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes gehandelt.

Die Rechnungen der Fa. ***1*** würden alle erforderlichen Angaben gemäß § 11 UStG enthalten, sodass alle vorgesehenen formellen Voraussetzungen für die Entstehung und die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug erfüllt sei. Die Unterschrift der Geschäftsführung sei nicht Bestandteil der erforderlichen Angaben und sei daher von der Bf. nicht überprüft worden.

Ebenso sei die Steuernummer der ***1*** nicht Bestandteil der erforderlichen Angaben gemäß § 11 UStG. Sämtliche erforderlichen Rechnungsmerkmale seien von der Bf. mit den ihr vorliegenden Unterlagen (FB-Auszug, UID-Bescheid, UID-Abfrage) überprüft und für in Ordnung befunden worden. Die auf der Rechnung angeführte Steuernummer sei eine alte Steuernummer gewesen, für die auch eine Kopie der Mitteilung über die Vergabe der Steuernummer vorgelegen und für die Bf. somit schlüssig gewesen sei. Eine Überprüfung der Steuernummer sei, da nicht erforderlich, nicht durchgeführt worden. Somit sei der Bf. der Umstand, dass es sich um eine alte Steuernummer der ***1*** gehandelt habe, nicht aufgefallen. Die UID-Nummer sei während des gesamten Zeitraumes der Geschäftsbeziehung gültig gewesen.

In Zeiten der "EURO-Krise" sei es durchaus üblich, dass Unternehmen unabhängig davon, in welcher Branche sie tätig seien, ihr Bankguthaben aus Schutz vor eventuellen Kursverlusten, Inflationen und Banken-Konkurse in Edelmetalle investieren. Vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmen, die bei Ankauf von steuerpflichtigen Edelmetallen die ihnen in Rechnung gestellte Vorsteuern in Abzug gebracht haben, seien verpflichtet, bei Verkauf dieser Edelmetalle, sei es um wieder liquide Mittel zu erlangen, oder sei es, dass man mit sinkenden Silberpreisen rechne, wieder Umsatzsteuer in Rechnung zu stellen. Ein Verkauf von Silberbarren durch eine Firma, die nicht in der Edelmetallbranche tätig sei, sei daher durchaus möglich und üblich.

Ca. 50% der Geschäfte der Bf. würden in bar erfolgen bzw. abgewickelt.

Das Finanzamt habe mit Bescheid über die neuerliche Gültigkeit der UID-Nummer der ***1*** mit ausgestellt. Man könne daher annehmen, dass das Finanzamt sich die (beabsichtigte) unternehmerische Tätigkeit der ***1*** habe nachweisen lassen. Wenn das Finanzamt einen Monat vor den getätigten Silberverkäufen nicht in der Lage gewesen sei, festzustellen, dass keine unternehmerische Tätigkeit vorliege, wie solle das dann der Bf. möglich sein? Die Bf. habe davon ausgehen können, dass die Fa. ***1*** bei einer vorhandenen gültigen UID-Nummer die verkauften Silberbarren mit Umsatzsteuer in Rechnung stellen habe müssen.

Aufgrund der vorstehend bezeichneten Punkte habe die Bf. alle Maßnahmen getroffen, die vernünftigerweise von ihr verlangt werden können, um sicherzustellen, dass ihre Umsätze nicht in einen Betrug einbezogen seien. Die Bf. habe die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes wahrgenommen.

Die BP versage das Recht auf Vorsteuerabzug mit dem Hinweis auf § 12 Abs. 1 Z 1 UStG, dass die Lieferung an ein Unternehmen ausgeführt worden sei, das wissen musste, dass der betreffende Umsatz iZm Umsatzsteuerhinterziehung oder sonstigen, die Umsatzsteuer betreffenden Finanzvergehen stehe. Dass die ***1*** die an die Bf. in Rechnung gestellte Umsatzsteuer nicht abgeführt habe, habe die Bf. vor und nach dem getätigten Umsatz nicht gewusst, nicht wissen können und auch nicht wissen müssen.

Erst aufgrund der Nichtanerkennung der Vorsteuern durch die BP habe die Bf. einen neuen Firmenbuchauszug erstellt und festgestellt, dass über die ***1*** mit tt.mm.2011, d.s. somit 1,5 Monate nach dem getätigten Umsatz, der Konkurs eröffnet worden sei. Daraus schließe die Bf., dass die Umsatzsteuer von der ***1*** nicht abgeführt worden sei.

Wie der EuGH bereits wiederholt betont habe, sei das in den Art. 167ff der MwStSys-Richtlinie 2006/112/EG geregelte Recht auf Vorsteuerabzug integraler Bestandteil des Mechanismus der Mehrwertsteuer und könne grundsätzlich nicht eingeschränkt werden. Ob die Umsatzsteuer, die für die vorausgegangenen oder nachfolgenden Verkäufe der betreffenden Gegenstände geschuldet werde, tatsächlich an den Fiskus entrichtet werde, sei für das Recht des Stpfl. auf Vorsteuerabzug nicht von Bedeutung (vgl. EuGH Kittel und Recolta Recycling, C-439/04 und C-440/04).

Die Steuerverwaltung könne von einem Stpfl., der sein Recht auf Vorsteuerabzug ausüben möchte, nicht generell verlangen zu prüfen, ob der Aussteller der Rechnung über die Gegenstände, für die dieses Recht geltend gemacht werde, Steuerpflichtiger sei und seinen Verpflichtungen hinsichtlich der Erklärung und Abführung der Umsatzsteuer nachgekommen sei. Es sei nämlich grundsätzlich Sache der Steuerbehörde, bei den Steuerpflichtigen die erforderlichen Kontrollen durchzuführen, um Unregelmäßigkeiten und USt-Hinterziehung aufzudecken und gegen den Steuerpflichtigen, der diese Unregelmäßigkeiten oder Steuerhinterziehung begangen habe, Sanktionen zu verhängen. Es werde daher seitens der Bf. beantragt, die Vorsteuern antragsgemäß festzusetzen.

1.3 Stellungnahme der BP vom :

Mit Stellungnahme der BP vom wird im Wesentlichen auf die bisherigen Feststellungen lt. Niederschrift über die Schlussbesprechung verwiesen.

1.4 Berufungsvorentscheidung vom :

Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde die Beschwerde (vormals: Berufung) gegen den Bescheid betreffend Festsetzung der Umsatzsteuer für den Zeitraum 02-12/2011 als unbegründet abgewiesen.

Begründend wurde ausgeführt, die verrechneten Vorsteuern der Fa. ***1*** iHv EUR 22.644,26 seien nicht anerkannt worden, weil sich aufgrund der Erhebungen der BP, aber auch aus den auf den entsprechenden Rechnungen angebrachten Merkmalen nicht zweifelsfrei nachvollziehen lasse, ob der ***1*** im Zeitpunkt der Rechnungsausstellung tatsächlich noch Unternehmereigenschaft zugekommen sei.

Ebenso sei nicht gesichert, ob die strittigen Leistungen durch die ***1*** oder aber durch andere Personen erbracht worden seien. Der gute Glaube der Bf., dass die Veräußerin der Edelmetalle zum Zeitpunkt der Leistungserbringung und Rechnungsausstellung tatsächlich Unternehmereigenschaft zugekommen sei, könne ihr Vorliegen nicht ersetzen. Der gute Glaube stelle keine geeignete Substitution für die fehlende Unternehmereigenschaft als Voraussetzung für die Vorsteuerabzugsberechtigung dar. Die Beschwerde (vormals: Berufung) sei daher als unbegründet abzuweisen.

1.5 Vorlageantrag vom :

Mit Eingabe vom beantragte die Bf. die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

In der Begründung des Vorlageantrages wird auf die seinerzeitige Begründung der Bescheidbeschwerde verwiesen und festgehalten, dass sich die Abgabenbehörde erster Instanz in ihrer Berufungsvorentscheidung lediglich auf die Stellungnahmen der Betriebsprüferin verwiesen, sich aber nicht mit dem Beschwerdevorbringen der Bf. auseinandergesetzt habe. Des Weiteren wurde die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

2. Umsatzsteuer 2011 - abweichende Veranlagung:

Im Zuge der Veranlagung der Bf. zur Umsatzsteuer 2011 mit Umsatzsteuerbescheid 2011 vom wich das Finanzamt von der eingereichten Erklärung insoweit ab, als die beantragten Vorsteuern um die Vorsteuern aus den Eingangsrechnungen der Fa. ***1*** iHv EUR 22.644,26 vermindert und nicht zum Abzug zugelassen wurden.

In der Begründung des Umsatzsteuerbescheides 2011 verwies das Finanzamt auf die Begründung des Umsatzsteuer-Festsetzungsbescheides für den Zeitraum 02-12/2011. Demnach können nach den Feststellungen der Außenprüfung diese Vorsteuern im Gesamtbetrag von EUR 22.644,26 nicht zum Abzug zugelassen werden.

3. weiteres Ermittlungsverfahren des BFG:

3.1 Auskunftsersuchen vom an Masseverwalterin der ***1***:

Mit Auskunftsersuchen vom wurde die Insolvenzverwalterin der ***1***, RA ***7***, um Bekanntgabe ersucht, ob und inwieweit sie seinerzeit als Masseverwalterin der ***1*** Kenntnis von den im Zeitraum 1. bis der Bf. in Rechnung gestellten Lieferungen von Silberbarren und Silbermünzen im Gesamtbetrag von EUR 113.221,60 hatte. Dies insbesondere, als über das Vermögen der ***1*** mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom tt.mm.2011, Zl. ***12***, das Konkursverfahren eröffnet wurde.

Mit Eingabe vom teilte die seinerzeitige Insolvenzverwalterin der ***1*** mit, dass infolge der Konkurseröffnung vom tt.mm.2011 bestellte ehemalige Insolvenzverwalterin dieser Gesellschafter von den Rechnungen über die Lieferungen von Silberbarren und Silbermünzen der ***1*** an die Bf. keine Kenntnis hatte. Auch wisse sie nichts über Lieferungen von Silberbarren und Silberbarren durch die ***1*** an die Bf..

3.2 Vorhaltsbeantwortung vom :

Mit Eingabe vom wird zu den Ausführungen der ab tt.mm.2011 bestellten ehemaligen Masseverwalterin der ***1*** zu den im Zeitraum 1. bis fakturierten Silberbarren und Silbermünzen im Gesamtbetrag von EUR 113.221,30 ausgeführt, dass sich daraus kein neuer Erkenntniswert ergebe. Es ändere sich daher weder etwas am Beschwerdevorbringen noch an dessen Begründung aus nachstehenden Gründen:

Der Sachverhalt sei nicht ungewöhnlich, da in Zeiten der weltweiten Finanzkrise ab 2007 eine Vielzahl von Unternehmen überschüssige Liquidität in Edelmetallen veranlagt habe und diese in späteren Zeiten, wenn Liquiditätsbedarf da gewesen sei, wiederverkauft haben.

Das so ein Liquiditätsbedarf kurz vor der Insolvenz eintrete, sei sogar sehr naheliegend, habe aber damals aber noch nicht beurteilt werden können, weshalb die spätere Insolvenz weder für, noch gegen eine sorgfältige Handlungsweise der Bf. dienen könne.

Dass ein Unternehmen für Umsätze kurz vor der Insolvenz die Umsatzsteuer nicht bezahle, gehöre zum Alltag der Insolvenzrechtsanwendung und könne wohl kein Kriterium für einen Umsatzsteuerbetrug, geschweige denn ein "Wissen müssen" darüber sein.

Auch der aus dem Schreiben der Masseverwalterin herauszulesende Verdacht, dass die Geschäftsführerin kurz bevor das Geld ausgegangen sei, Unternehmensvermögen bar verkauft und diese Rechnungen nicht in die Buchführung aufgenommen habe, gehöre zu den Lebenserfahrungen, die absolut nicht zu goutieren seien, aber auch nicht überraschen dürften.

Es ändere sich somit an der Beschwerde gegen die Versagung des Vorsteuerabzuges gar nichts, da die Rechtsgrundlage für diese Versagung ein "Wissen oder wissen müssen" über die Verstricktheit der Umsätze in einen Umsatzsteuerbetrug gewesen sei. Die Geschäftsführerin sei bei zweien der Geschäfte persönlich anwesend gewesen und ihre Personalien samt Vollmacht seien korrekt dokumentiert und haben keine Zweifel an deren Legitimität aufgrund der Umstände aufkommen lassen. Dass später das Unternehmen insolvent und die Umsatzsteuer nicht entrichtet worden sei, habe die Bf. nicht ahnen, geschweige denn wissen müssen. Nicht aus jedem "Schwarzumsatz", der begangen werde, sei ein Umsatzsteuerbetrug abzuleiten und dem Erwerber ein Wissen darüber zu unterstellen. Weder habe die Abgabenbehörde dieses "Wissen oder wissen müssen" beweisen können, noch liege überhaupt ein schlüssiger Beweis für einen Umsatzsteuerbetrug vor. Es werde daher um eine stattgebende Erledigung ersucht.

3.3 weitere Eingabe vom :

Auf den Vorhalt des BFG, dass weder im Zuge der Erhebungen der Masseverwalterin der ***1*** noch im Zuge der BP ein Hinweis auf eine Geschäftstätigkeit dieser Gesellschaft in ***2***, ***3***, festgestellt werden konnte, da nach den Auskünften der Nachbarn die Fa. ***1*** bzw. deren Geschäftsführerin ***4*** nicht präsent gewesen, die große Anzahl der Anmeldung von Dienstnehmern auf ein Betrugsszenario hinweisen würden, und es sich bei der Rechnungsadresse um eine sog. "Scheinanschrift" handle, hält die Bf. entgegen:

Die Masseverwalterin der ***1*** sei erst zu einem Zeitpunkt eingesetzt worden, der deutlich nach Tätigung der Geschäfte mit der Bf. gelegen gewesen sei. Die Beschaffenheit der Immobilie wie auch die polizeiliche Meldung der Geschäftsführerin im Juni 2011 könne für die Beurteilung der Bf. im April 2011 nicht maßgeblich sein.

Wie bereits ausgeführt, sei die Geschäftsführerin ***4*** persönlich in das Geschäft der Bf. gekommen und sei damals auch noch lt. vorgelegtem Meldezettel in Österreich polizeilich gemeldet gewesen. Die in der Beschwerdebegründung zu Punkt 1. dargelegten Nachweise und persönliche Anwesenheit der Geschäftsführerin ***4*** würden eine sehr sorgfältige Vorgangsweise der Bf. zeigen, sodass ihr eine Sorgfaltsverletzung, die für ein Wissen/Wissen-müssen Voraussetzung sei, nicht zur Last gelegt werden könne.

Die Bf. könne aus der Begehung des Betriebssitzes der ***1*** im Februar 2011 durch das Finanzamt keinen Erkenntnisgewinn erkennen, wenn das Finanzamt am die UID-Nummer wieder für gültig erklärt habe, da diese Vorgeschichte, die zur Begrenzung der UID-Nummer geführt habe, zwingend nur auf Basis von tatsächlich durchgeführten Sachverhaltserhebungen erfolgen dürfe.

Die vom BFG vorgehaltenen Informationen über die große Anzahl von gemeldeten Dienstnehmern bei der Fa. ***1*** lese die Bf. zum ersten Mal. In diesem Zusammenhang könne die Bf. nur festhalten, dass dieses Wissen der Bf. im Zeitpunkt April 2011 sicherlich nicht zuzurechnen sei.

Zum Ergebnis der Begehung der Betriebsadresse der Fa. ***1*** im Februar 2011 durch das Finanzamt werde festgehalten, dass das zuständige Finanzamt trotz diesem Ergebnis im März die Begrenzung der UID-Nummer wieder aufgehoben habe.

Es sei dem österreichischen Steuerzahler nicht zuzumuten, dass er ohne behördliche Hoheitsgewalt tiefere Erkenntnisse in Geschäftsabläufe von - im Nachhinein betrachtet offensichtlich tatsächlichen Betrügern - erlange, als die Behörde, die Tatsachen ursprünglich erkannt und darauf richtig reagiert habe. Nach Auffassung der Bf. sei aufzuklären, welche Erkenntnisse des Erhebungsdienstes dazu geführt haben, die UID-Nummer wieder aufleben zu lassen - einem Umstand, auf den sich die Bf. verlassen hatte und das auch konnte.

Die Begehung der Geschäftsräumlichkeiten der Fa. ***1*** durch deren Masseverwalterin sei deutlich nach den mit der Bf. getätigten Geschäften erfolgt.

Wann die ***1*** ihre Geschäftstätigkeit eingestellt habe und deren Geschäftsführerin ***4*** verschwunden sei, wisse die Bf. leider nicht und könne dazu auch nicht Stellung nehmen.

Tatsache bleibe für die Bf. aber, dass Geschäftsführerin ***4*** persönlich die Geschäftsbeziehung angebahnt, dafür alle geforderten Papiere vorlegte und die UID-Nummer der ***1*** gültig gewesen sei. Die Bf. habe zum damaligen Zeitpunkt keinen Grund für eine Verdachtslage gehabt und habe sorgfältig agiert. Die später hervorgekommenen Tatsachen, die die BP und Masseverwalterin festgestellt haben, sei für die Bf. zum damaligen Zeitpunkt nicht erkennbar gewesen. Dieses Wissen könne daher der Bf. nicht zugerechnet werden.

4. mündliche Verhandlung vom :

In der mit anberaumten mündlichen Verhandlung verweist der steuerliche Vertreter auf den Umstand, dass im vorliegenden Fall die Zeitachse zu beachten sei. Die Fa. ***1*** habe ab März 2011 wiederum eine für gültig erklärte UID Nummer gehabt und kurz darauf später im April 2011 haben die Verkäufe von Silberbarren und Silbermünzen stattgefunden. Man habe dabei den Ausweis der Geschäftsführerin, ***4***, kontrolliert und sich die Vollmacht vorlegen lassen. Diese Vollmacht umfasse alle Handelsgeschäfte zu der auch der Verkauf von Goldbarren und Silbermünzen gehöre. Die Geschäftsführerin ***4*** sei beim ersten und letzten Geschäft anwesend gewesen. Dass die Bezug habenden Belege nicht im Rechnungswesen der Fa. ***1*** verbucht worden seien könne man nicht der Bf. anlasten.

Die Fa. ***1*** habe offenbar Umsatz- und Körperschaftsteuer hinterzogen, nicht jede Steuerhinterziehung sei als Umsatzsteuerbetrug anzusehen. Was hätte die Bf. mehr wissen können, wenn 3 Wochen vor den in Rede stehenden Geschäfte die UID-Nummer wieder durch das Finanzamt wieder für gültig erklärt worden sei. Darauf hatte die Bf. vertraut.

Im vorliegenden Fall werden seitens des Finanzamtes jedoch Zweifel gehegt, ob ***4*** als Unternehmerin aufgetreten sei. 2007 habe man in Österreich auf die inzwischen ergangene Judikatur des EuGHs die Bestimmung eingeführt, dass der Vorsteuerabzug versagt werde, wenn der Unternehmer von Umsatzsteuerbetrug wusste oder wissen hätte müssen. Der Unternehmer dürfe sich daher nicht in Sicherheit wiegen und habe sämtliche Sorgfaltspflichten zu beachten.

Auf die Frage des Richters, über welche Sprachkenntnisse ***4*** verfügt habe, hält der Geschäftsführer der Bf., ***8***, fest, dass stets jemand dabei gewesen sei, der ***4*** alles übersetzt habe. Man habe mit ***4*** die Gespräche teilweise im gebrochenen Englisch und auch im gebrochenem Deutsch geführt.

So der Bf. vorgeworfen werde, dass die Unterschriften auf den in Rede stehenden Eingangsrechnungen nicht jener von ***4*** entsprechen, sei darauf zu verweisen, dass es sich bei der Unterschrift um kein Rechnungsmerkmal iSd § 11 UStG 1994 handle.

Wiederholt werde vorgebracht, der Umstand, dass das Finanzamt leichtfertig eine UID-Nummer wiederaufleben habe lassen, habe die Bf. dazu veranlasst, zu glauben, dass es sich hier um ein aktives Unternehmen handle. Die UID-Nummer sei ein wesentlicher Rechnungsbestandteil, diese UID-Nummer sei zum Zeitpunkt der im Rede stehenden Umsätze gültig gewesen. Dies insbesondere in Zusammenhang damit, wenn möglicherweise davon ausgegangen werde, dass ***4*** aufgrund ihrer schlechten Deutsch- und Englischkenntnisse eine "Strohfraufunkti-on" als Geschäftsführerin der ***1*** zukomme.

Diesen Ausführungen hält der Vertreter des Finanzamtes entgegen, das der Berufung ein Werkvertag mit der Fa. ***1*** beigelegt gewesen sei. Daraufhin sei der Auftraggeber befragt worden, ob eine Geschäftsbeziehung zur Fa. ***1*** bestanden habe. Dieser Auftraggeber habe das Werkvertragsverhältnis zur Fa. ***1*** bestätigt. Diese Bestätigung des Auftraggebers habe seinerzeit zu einem Wiederaufleben der UID-Nummer geführt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Den Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites bildet die Frage, ob Vorsteuern iHv EUR 22.644,26 aus Lieferungen von Silberbarren und Silbermünzen der Fa. ***1*** im Gesamtbetrag von EUR 113.221,30 im Zeitraum 1. bis zum Abzug zugelassen werden. Dies insbesondere, ob die in Rede stehenden Eingangsrechnungen im Gesamtbetrag von EUR 113.221,30 tatsächlich der Fa. ***1*** und deren Unternehmensbereich zugerechnet und an der auf den Eingangsrechnungen der Fa. ***1*** bezeichneten Geschäfts
adresse in ***2***, ***3***, keine tatsächliche Geschäftstätigkeit festgestellt werden konnte. Die Höhe der beantragten Vorsteuern ist im vorliegenden Fall unstrittig.

1. Umsatzsteuerfestsetzungsbescheid 02-12/2011:

Tritt gemäß § 253 BAO idF FVwGG 2012 ein Bescheid an die Stelle eines mit Bescheidbeschwer-de angefochtenen Bescheides, so gilt die Bescheidbeschwerde auch als gegen den späteren Bescheid gerichtet. Dies gilt auch dann, wenn der frühere Bescheid einen kürzeren Zeitraum als der ihn ersetzende Bescheid umfasst.

Die Bestimmung des § 253 BAO idF FVwGG 2012 übernimmt den Inhalt des bisherigen ersten Satzes des § 274 BAO. Der zweite Satz dieser Bestimmung verallgemeinert die für Umsatzsteuerfestsetzungsbescheide (§ 21 Abs. 3 UStG) betreffende Rechtsprechung (vgl. Zl. 2009/13/0186; Ritz/Koran, Finanzverwaltungsgerichtsbarkeit neu in Österreich, § 253, S. 213).

Umsatzsteuerfestsetzungsbescheide sind nach der Rechtsprechung des VwGH zwar in vollem Umfang anfechtbar, haben aber insofern einen zeitlich begrenzten Wirkungsbereich, als sie durch Erlassung eines Jahresbescheides außer Kraft gesetzt werden.

Daraus ist für den konkreten Fall abzuleiten, dass der Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer für den Zeitraum Februar bis Dezember 2011 vom infolge der Erlassung des Umsatzsteuerjahresbescheides 2011 mit gemäß § 21 Abs. 4 UStG nicht mehr dem Rechtsbestand angehört.

Der Umsatzsteuerjahresbescheid 2011 tritt als eigenständiger Bescheid an die Stelle des Umsatzsteuerfestsetzungsbescheides für 02-12/2011 mit der Rechtswirkung, dass der Festsetzungsbescheid außer Kraft gesetzt wird.

Aus diesem Grund gilt die gegen den Umsatzsteuerfestsetzungsbescheid für den Zeitraum Februar bis Dezember 2011 gerichtete Beschwerde vom gemäß § 253 BAO idF FVwGG 2012 auch als Beschwerde gegen den Veranlagungsbescheid betreffend Umsatzsteuer 2011 vom gerichtet (vgl. Fischerlehner, Das neue Abgabenverfahren, BAO, AVOG und Verordnungen, § 253, S. 279).

Dies ungeachtet des Umstandes, dass gegen den Umsatzsteuerbescheid 2011 vom keine gesonderte Beschwerde eingebracht wurde, die als ergänzender Schriftsatz zu werten wäre.

Die Beschwerde gegen den Umsatzsteuerfestsetzungsbescheid 02-12/2011 vom ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

2. Umsatzsteuer(jahres)bescheid 2011 vom :

2.1 unrichtige Adresse des leistenden Unternehmers:

Gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 kann der Unternehmer die von anderen Unternehmern in einer Rechnung (§ 11) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuern abziehen. Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Umsätze entfällt, ist er bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist. Wurde die Lieferung oder die sonstige Leistung an einen Unternehmer ausgeführt, der wusste oder wissen musste, dass der betreffende Umsatz im Zusammenhang mit Umsatzsteuerhinterziehungen oder sonstigen, die Umsatzsteuer betreffenden Finanzvergehen steht, entfällt das Recht auf Vorsteuerabzug. Dies gilt insbesondere auch, wenn ein solches Finanzvergehen einen vor- oder nachgelagerten Umsatz betrifft.

Führt nach § 11 Abs. 1 UStG 1994 der Unternehmer Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 aus, so ist er berechtigt und, soweit er die Umsätze an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen oder an eine juristische Person ausführt, auf Verlangen des anderen verpflichtet, Rechnungen auszustellen.

Diese Rechnungen müssen nach § 11 Abs. 1 Z 1 UStG - soweit in den nachfolgenden Absätzen nichts anderes bestimmt ist - den Namen und die Anschrift des liefernden oder leistenden Unternehmers enthalten. Weiters hat nach § 11 UStG die Rechnung u.a. folgende Angaben zu enthalten:

  • das Ausstellungsdatum,

  • eine fortlaufende Nummer mit einer oder mehreren Zahlenreihen, die zur Identifizierung der Rechnung einmalig vergeben wird;

  • soweit der Unternehmer im Inland Lieferungen oder sonstige Leistungen erbringt, für die das Recht auf Vorsteuerabzug besteht, die dem Unternehmer vom Finanzamt erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer.

Für die unter Abs. 1 Z 1 und 2 geforderten Angaben ist nach § 11 Abs. 3 UStG 1994 jede Bezeichnung ausreichend, die eine eindeutige Feststellung des Namens und der Anschrift des Unternehmens sowie des Abnehmers der Lieferung oder des Empfängers der sonstigen Leistung ermöglicht.

Für die Beurteilung abgabenrechtlicher Fragen ist nach § 21 BAO in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend.

Nach § 167 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Nach Art. 9 Abs. 1 MwStSysRL, 2006/112/EG, gilt als "Steuerpflichtiger", wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbstständig ausübt. Als "wirtschaftliche Tätigkeit" gelten alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe.

Nach Art. 167 MwStSysRL, 2006/112/EG, entsteht das Recht auf Vorsteuerabzug, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht.

Nach Art. 273 MwStSysRL, 2006/112/EG, können die Mitgliedstaaten vorbehaltlich der Gleichbehandlung der von Steuerpflichtigen bewirkten Inlandsumsätze und innergemeinschaftlichen Umsätze weitere Pflichten vorsehen, die sie für erforderlich erachten, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und um Steuerhinterziehung zu vermeiden, sofern diese Pflichten im Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht zu Formalitäten beim Grenzübertritt führen.

Unionsrechtlich sind die materiellen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug in Art. 168, Buchst. a der MwStRL geregelt, wonach die verrechneten Dienstleistungen auf einer vorausgehenden Umsatzstufe von einem Steuerpflichtigen erbracht werden müssen und vom Leistungsempfänger auf einer nachfolgenden Umsatzstufe für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden müssen.

Voraussetzung für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug nach § 12 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit § 11 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 ist daher, dass sich der Name und die Anschrift des tatsächlich liefernden oder leistenden Unternehmers eindeutig aus der Rechnungsurkunde selbst ergeben (vgl. Zl. 98/13/0081 noch zum UStG 1972). Die Behörde muss somit aufgrund der Angaben in der Rechnung ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens den tatsächlichen Namen des Unternehmers samt seiner Anschrift erkennen können (vgl. Zl. 95/15/0179).

Erforderlich ist aber zudem, dass auf dem Rechnungsbeleg sowohl der richtige Name als auch die richtige Adresse angegeben sein muss, um von einer zum Vorsteuerabzug berechtigenden Rechnung im Sinne des § 11 UStG 1994 ausgehen zu können (vgl. Zl. 94/13/0230). Name und Anschrift des tatsächlich liefernden oder leistenden Unternehmers müssen sich eindeutig aus der Rechnungsurkunde selbst ergeben (vgl. Zl. 97/15/0151; , Zl. 98/13/0081; , Zl. 2006/15/0183).

Enthalten demnach Rechnungen Name und Anschrift eines (vorgeblichen) Lieferanten, der unter dem angegebenen Namen oder der genannten Adresse gar nicht existiert, so ist der Vorsteuerabzug nicht zulässig. Dabei führt schon allein die Angabe einer unrichtigen Adresse des liefernden oder leistenden Unternehmers zur Versagung des Vorsteuerabzuges.

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, ist die Angabe einer falschen Adresse grundsätzlich kein "kleiner", den Vorsteuerabzug nicht hinderlicher Formalfehler (vgl. neben den oben zitierten Erkenntnissen weiters Zl. 2004/15/0069, VwSlg 8140/F, mwN).

Die Angabe des liefernden und leistenden Unternehmers dient nicht nur der Kontrolle, ob der Leistungsempfänger eine (zum Vorsteuerabzug berechtigende) Leistung von einem anderen Unternehmer erhalten hat, sondern auch der Sicherstellung der Besteuerung beim leistenden Unternehmer. Es genügt daher nicht, dass aus der Rechnung hervorgeht, dass irgendein Unternehmer die verrechnete Leistung erbracht hat; es muss der Rechnung vielmehr eindeutig jener Unternehmer zu entnehmen sein, der die Leistung tatsächlich erbracht hat (vgl. Zl. 2000/14/0152; , Zl. 2002/15/0174).

Fehlende oder unrichtige Rechnungsmerkmale berechtigen die Behörde nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des EuGH und jüngerer Rechtsprechung des VwGH nicht, den Vorsteuerabzug zu versagen. Es muss aber zumindest eine berichtigbare Rechnung vorliegen (vgl. Senatex).

Davon zu unterscheiden sind jedoch jene Fälle, in denen es bereits an den materiellenVoraussetzungen für den Vorsteuerabzug mangelt:

Zu den materiellen Voraussetzungen für die Entstehung des Vorsteuerabzugsrechts geht aus Art. 17 Abs. 2 lit. a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG (nunmehr Art. 168 lit. a der Richtlinie 2006/112/EG) hervor, dass die zur Begründung dieses Rechts angeführten Gegenstände oder Dienstleistungen vom Steuerpflichtigen auf einer nachfolgenden Umsatzstufe für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden und dass diese Gegenstände oder Dienstleistungen auf einer vorausgehenden Umsatzstufe von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert oder erbracht werden (vgl. , PPUH Stehcemp, Rn. 28).

Bei Vorliegen der materiellenVoraussetzungen (Leistung durch einen Unternehmer an einen Unternehmer zur Verwendung der bezogenen Leistung für einen besteuerten Umsatz) und einer formell vollständigen Rechnung führte der EuGH aus (vgl. und C-142/11 Mahageben und David), dass (Rn 45ff) der Vorteil des Rechts auf Vorsteuerabzug dem Steuerpflichtigen nur auf der Grundlage der sich aus den Rand-Nr. 56 bis 61 des Urteils Kittel und RecoltaRecycling ergebenden Rechtsprechung verweigert werden darf, wonach aufgrund objektiver Umstände feststehen muss, dass der Steuerpflichtige, dem die Gegenstände geliefert bzw. dem gegenüber die Dienstleistungen erbracht wurden, die als Grundlage für die Begründung des Rechts auf Vorsteuerabzug dienen, wusste oder hätte wissen müssen, dass dieser Umsatz in eine vom Liefernden bzw. vom Leistenden oder einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden Umsatzstufe begangene Steuerhinterziehung einbezogen war.

In diesem Zusammenhang ist auch die Grundregel für die Beweiswürdigung durch die Behörde nach § 167 Abs. 2 BAO, die auch in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshof ihren Niederschlag gefunden hat, von Bedeutung:

Nach § 167 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist. Die Abgabenbehörde muss, wenn die Partei eine für sie nachteilige Tatsache bestreitet, den Bestand dieser Tatsache nicht "im naturwissenschaftlich-mathematisch exakten Sinn" nachweisen. Nach ständiger Rechtsprechung genügt es, von mehreren Wahrscheinlichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die alle anderen Möglichkeiten zumindest als weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (vgl. Ritz, BAO, § 167, Rz 8 mit Hinweisen auf die VwGH-Judikatur).

Demnach ist nach der Rechtsprechung des EuGH nach den allgemeinen Beweisregeln zu beurteilen, ob die in Rede stehende Lieferung tatsächlich bewirkt und diese Gegenstände von Bonik auf einer nachfolgenden Umsatzstufe für die Zwecke ihrer besteuerten Umsätze verwendet wurde (vgl. , Bonik EOOD).

Gemäß § 3 Z 4 Firmenbuchgesetz ist bei allen Rechtsträgern die - zwingend neben dem Sitz - einzutragende Geschäftsanschrift für Zustellungen maßgeblich. Die Angaben im Firmenbuch zum Sitz bzw. zur Geschäftsanschrift lassen aber keine Aussage über den Ort der Geschäftstätigkeit des betreffenden Unternehmens zu. Insbesondere existiert im Zusammenhang mit dem Vorsteuerabzug kein Vertrauensschutz in Bezug auf eine im Firmenbuch eingetragene Geschäftsadresse als richtige Rechnungsadresse. Auch im Firmenbuch aufscheinende Adressen sind vielmehr als Rechnungsadresse nur maßgeblich, wenn und solange das liefernde/leistende Unternehmen dort tatsächlich eine Geschäftstätigkeit ausübt (vgl. UFS Wien , GZ. RV/0815-W/07).

Im vorliegenden Fall ergibt sich aufgrund der mit erfolgten Begehung des Betriebssitzes in ***2***, ***3***, durch die BP, dass dort keine Hinweise auf Personen oder Firmen gesehen wurden - dies obgleich mit eine Wiederbetriebsmeldung für Bau- und Reinigungsgewerbe von der Fa. ***1*** bei der Wirtschaftskammer Wien erstattet wurde. Ein betreffendes Firmenschild an dieser Adresse war nicht vorhanden, da dieses "erst in Arbeit" sei. Ein Firmenschild der Fa. ***1*** an dieser Adresse konnte erst bei der mit erfolgten Begehung durch die Finanzpolizei festgestellt werden. Bei der Wohnung in ***2***, ***3***, handelt es sich nach den Feststellungen der BP um den Hauptwohnsitz der Geschäftsführerin der ***1***, ***4***.

Ebenso hält die mit tt.mm.2011 bestellte Masseverwalterin der ***1***, RA ***7***, in dem mit erstellten Antrag auf Schließung des Unternehmens und der Anzeige der Masseunzulänglichkeit der ***1*** fest, dass nach Auskünften von Nachbarn die ***1*** bzw. deren Geschäftsführerin nicht präsent gewesen sei. Nach den Ausführungen der Masseverwalterin der ***1***, RA ***7***, handelt es sich bei deren Anschrift in ***2***, ***3***, um eine Scheinadresse bzw. Scheinanschrift, weswegen beim Insolvenzgericht die sofortige Schließung des Unternehmens der Fa. ***1*** beantragt werde.

Da im berufungsgegenständlichen Zeitraum in freier Beweiswürdigung der vorstehend bezeichneten Umstände die ***1*** an der Anschrift in ***2***, ***3***, keine Geschäftstätigkeit entfaltet hat, war der Vorsteuerabzug schon aus diesem Grunde zu versagen.

Für die Masseverwalterin der Fa. ***1***, RA ***7***, ist es trotz ihrer intensivsten Bemühungen die Geschäftsführerin der Fa. ***1***, ***4***, nicht greifbar gewesen. ***4*** ist mittlerweile in Österreich nicht mehr aufrecht gemeldet und kann in dieser Angelegenheit auch nicht mehr befragt werden. Auch aus der Befragung der Nachbarn durch die Masseverwalterin der ***1*** konnte keine Geschäftstätigkeit der Fa. ***1*** an deren Anschrift in ***2***, ***3***, dokumentiert werden.

2.2 mangelnde Zurechnung der Umsätze an Fa. ***1***:

Weist die Rechnung als leistenden Unternehmer darüber hinaus ein Rechtssubjekt auf, von dem die verrechnete Leistung nicht erbracht wurde, kommt ein Vorsteuerabzug ebenso nicht in Betracht (vgl. Zl. 96/13/0017).

Erbringt der leistende Unternehmer die Leistung nicht im Rahmen seines Unternehmens, sondern aus seiner nichtunternehmerischen Sphäre, so ist der Vorsteuerabzug ebenfalls ausgeschlossen, da der Leistende diesfalls nicht in seiner Eigenschaft als Unternehmer tätig wird (vgl. Zl. 97/14/0142; Ruppe/Achatz, UStG, § 12 Rz. 30; Mayr in Scheiner/Kolacny/ Caganek, UStG 1994, § 12 Anm. 97).

Die in Rede stehenden Eingangsrechnungen vom April 2011 der Fa. ***1*** im Gesamtbetrag von EUR 113.221,30 weisen jeweils eine Unterschrift auf, die in ihrem Schriftbild weder ***4*** noch ***5*** zugerechnet werden können. Darüber hinaus wurden die in Rede stehenden Eingangsrechnungen nach den Feststellungen der BP "bereits unterschrieben mitgebracht". Die damit in Zusammenhang stehenden Barzahlungen im Gesamtbetrag von EUR 113.221,30 wurden daher an eine unbekannte gebliebene dritte Person geleistet.

Darüber hinaus weisen die von der ***1*** ausgestellten Rechnungen Nr. 33-37/2011 im Gesamtbetrag von EUR 113.221,30 überdies die zum Zeitpunkt der Rechnungslegung nicht (mehr) deren aktuelle Steuernummer des Finanzamtes Wien 9/18/19, St.Nr. 07-214/4603, auf.

Die in Zusammenhang mit dem Auftreten des ***5*** für die ***1*** vorgelegte Vollmacht vom , nach deren Wortlaut ***5*** ermächtigt wird, Schriftstücke entgegen zunehmen und "in Sachen Handel zu liefern und Geld entgegen zu nehmen sowie in Bankgeschäften zu vertreten", weist ebenso eine Unterschrift auf, die erheblich von derjenigen der Geschäftsführerin ***4*** abweicht. Darüber hinaus ermächtigt die Vollmacht vom lediglich zur Lieferung von Waren, die den Betriebsgegenstand der ***1*** bilden und zur Entgegennahme von Geld, nicht aber zum Abschluss der in Rede stehenden und an die Bf. getätigten Lieferungen von Silberbarren und Silbermünzen. Diese Vollmacht hat den nachstehend bezeichneten Wortlaut:

"Ich, ***4***, Geschäftsführerin und Inhaberin der Firma ***1*** in ***2***, ***3***, bevollmächtige ***5***, geb. in Novi Sad (Serbien) meine behördlichen Schriftstücke entgegenzunehmen und in Sachen Handel zu liefern und Geld entgegen zu nehmen, sowie meine Bankgeschäfte zu vertreten."

gezeichnet:
***4*** und ***5***

Anlässlich der mit erfolgten niederschriftlichen Einvernahme der Geschäftsführerin der ***1***, ***4***, durch das Finanzamt, wurde festgestellt, dass die Geschäftsführerin der ***1***, ***4***, "kein Deutsch" spricht. Aus diesem Grund war bei dieser niederschriftlichen Einvernahme von ***4*** durch die BP ein ihr persönlich Bekannter, ***6***, anwesend, der der BP anstelle von ***4*** die sämtliche Auskünfte erteilte. Folglich wird von ihrem Bekannten, ***6***, für die ***1*** festgehalten, dass diese derzeit keine unternehmerische Tätigkeit ausübt. Dies ungeachtet des Umstandes, dass von der ***1*** mit eine "Wiederbetriebsanzeige" für das Bau- und Reinigungsgewerbe bei der Wirtschaftskammer Wien angezeigt wurde.

Nach den von ***6*** für ***4*** erteilten Auskünften sei eine "Bautätigkeit" geplant, da deren Onkel in Ungarn über eine Baufirma verfügt. Im Zuge der BP wurde demnach festgestellt, dass ***4*** als Geschäftsführerin der ***1*** "überhaupt keine Ahnung von der Baubranche bzw. von den Abläufen der Firma" hat.

Zum Zeitpunkt der "Wiederbetriebsanzeige" für das Bau- und Reinigungsgewerbe mit bei der Wirtschaftskammer Wien waren nach den Feststellungen der BP keine Arbeitnehmer bei der Fa. ***1*** beschäftigt, ein Firmenschild wurde von letzterer ebenso erst in Auftrag gegeben. Dessen ungeachtet war nach den Erhebungen der BP sowie nach einer Abfrage des Dienstgeberkontos zufolge im Zeitraum 01/2011 bis ein starker Anstieg der Dienstnehmer wie folgt festzustellen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Zeitraum:
01/2011:
02/2011:
03/2011:
04/2011:
Anzahl Dienstnehmer:
10
56
195
257

Die in Rede stehenden Eingangsfakturen im Gesamtbetrag von EUR 113.221,30, die im Zeitraum 7. bis an die Bf. gelegt wurden, können daher aufgrund der abweichenden Unterschriften auf der Vollmacht vom sowie auf den in Rede stehenden Eingangsrechnungen, die insbesondere nicht jener von ***4*** und ***5*** entsprechen, nicht der Fa. ***1*** zugerechnet werden.

Eine demnach unbekannt gebliebene Person, die offenbar Kenntnis von einer früheren Steuernummer der Fa. ***1*** hat, hat sich demnach dieser Gesellschaft bedient, um namens dieser Gesellschaft Rechnungen an die Bf. zu legen.

So die in Rede stehenden Lieferungen aufgrund der gegebenen Sachlage nicht der Fa. ***1*** zugerechnet werden können, scheidet ein Vorsteuerabzug bei Bf. wegen der Bezeichnung eines unrichtigen Lieferanten aus.

Alleine durch den Umstand, dass ***4*** beim ersten und letzten Geschäft anwesend war, kann insbesondere aufgrund des Umstandes der abweichenden Unterschriften auf der Vollmacht vom und den Eingangsrechnungen, die bereits unterfertigt mitgebracht wurden, sowie der Entgegennahme von Geldern durch eine unbekannte dritte Person nicht zwingend darauf geschlossen werden, dass die in Rede stehenden Umsätze der Fa. ***1*** zuzurechnen wären.

Für eine Nichtzurechnung der an die Bf. fakturierten Umsätze über die Lieferungen von Silbermünzen und Silberbarren zur Fa. ***1*** spricht weiters der Umstand, dass die Masseverwalterin der ***1*** keine Kenntnis von den im Zeitraum 7. bis fakturierten Umsätzen im Gesamtbetrag von EUR 113.221,30 hatte, obgleich das Konkursverfahren bereits mit tt.mm.2011 und somit nur 2,5 Monate später über das Vermögen der ***1*** eröffnet wurde.

Darüber hinaus wird durch die Befragung von Nachbarn der Wohnung in ***2***, ***3***, durch die Masseverwalterin der ***1***, RA ***7***, keine aktive Geschäftstätigkeit der ***1*** an ihrer Sitzadresse in ***2***, ***3***, dokumentiert.

Das Anbieten weiterer 100 kg Silber zum Verkauf durch ***5*** seitens der Fa. ***1*** führte aufgrund des Umstandes, dass es sich bei der Fa. ***1*** um kein Unternehmen der Edelmetallbranche handelt, dazu, dass seitens der Bf. die persönliche Anwesenheit der Geschäftsführerin ***4*** verlangt und von dieser die nachstehende handschriftliche Erklärung abgegeben wurde:

"Ich bestätige hiermit, dass die Verkäufe an die Bf. in meinem Wissen getätigt wurden und werden und die dadurch entstandene Umsteuer/n - in bar jeweils ausbezahlt durch die Bf. - durch die "***1***" als Geschäftsführerin vertreten durch mich - an das zuständige Finanzamt abführen werde."

gezeichnet: ***4***

Die mit datierte und von ***4*** unterfertigte, vorstehende handschriftliche Erklärung, weist eine zügige Handschrift in Blockbuchstaben auf, die nach Auffassung des Bundesfinanzgerichts aufgrund des Schriftbildes von einer anderen Person als von ***4*** verfasst und von ***4*** bloß in dieser Textierung unterfertigt wurde.

Berücksichtigt man zudem noch den Umstand, dass nach den Feststellungen der BP - zufolge dem mit datierten Aktenvermerk - ***4*** nur gebrochenes Deutsch oder zumindest sehr schlecht Deutsch spricht und auch der BP bei ihrer Befragung keine Auskünfte geben konnte, da diese Auskünfte von ***6*** erteilt werden mussten, kann die hier schriftlich verfasste (nachträgliche) Erklärung, mit der bestätigt wird, dass die an die Bf. getätigten Verkäufe in ihrem Wissen getätigt worden seien, nur ein verminderter Erklärungswert beigemessen und die Unterschrift von ***4*** nur als Gefälligkeitsunterschrift angesehen werden. Demzufolge ist davon auszugehen, dass sich ***4*** der Tragweite ihrer "Willenserklärung" in der mit abgegebenen Erklärung nicht bewusst war.

Im Zuge der mit erfolgten Kontrolle der***1*** durch Organe der Finanzpolizei im Zuge der bundesweiten Aktion "Kontrolle Bau" wurde am Firmensitz der Fa. ***1*** ein Firmenschild dieser Gesellschaft vorgefunden. Die Tür war versperrt, es fand sich an dieser Firmentafel kein Hinweis auf einen Telefonanschluss und der Briefkasten der Fa. ***1*** war übervoll, da teilweise schon Poststücke durch den Briefeinwurfschlitz zum Vorschein kamen. Dies veranlasste die Finanzpolizei zu der Feststellung, dass das "Büro" der ***1*** schon seit längerer Zeit nicht mehr aufgesucht wurde. Darüber hinaus zählt die Lieferung von Silbermünzen und Silberbarren auch nicht zum Betriebsgegenstand der ***1***.

Mit weiterem Beschluss des Handelsgerichts Wien vom ***10***, Zl. ***9***, wurde das über das Vermögen der ***1*** eingeleitete Konkursverfahren aufgehoben und mit ***11*** diese Gesellschaft gemäß § 40 FBG wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen gelöscht.

Im vorliegenden Fall bleibt daher letztlich auch im Unklaren, wer die in Rede stehenden Eingangsrechnungen unterfertigt und wer diese Gelderletztlichentgegengenommen hat.

Die in die Lieferungen von Silbermünzen und Silberbarren vorgeblich der Fa. ***1*** involvierten Personen, ***4*** und ***5***, verfügen über keinen aufrechten Wohnsitz mehr in Österreich und können zu dieser Angelegenheit auch nicht mehr befragt werden.

So seitens der Bf. mit Eingabe vom ausgeführt wird, die Masseverwalterin der Fa. ***1*** wurde erst zu einem Zeitpunkt eingesetzt, die nach Tätigung der Geschäfte mit der Bf. gelegen war, ist darauf zu verweisen, dass die Geschäfte mit der Bf. im Zeitraum 1. Bis und somit nur vergleichsweise kurz bzw. 1,5 Monate vor der mit tt.mm.2011 erfolgten Konkurseröffnung über das Vermögen der Fa. ***1*** erfolgten. Wenn darüber von der Finanzpolizei befragte Nachbarn festhalten, dass deren Geschäftsführerin ***4*** "nie präsent" war, kann das Argument des Vorliegens einer Scheinadresse somit nicht entkräftet werden.

2.3 Involvierung in einen Mehrwertsteuerbetrug:

Nach der Rechtsprechung des EuGH ist die Bekämpfung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen ein Ziel, das von der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG bzw. MwStSysRL 2006/112/EG anerkannt und gefördert wird (vgl. EuGH-Urteile Halifax u.a.). Daher haben die nationalen Behörden und Gerichte den Vorteil des Rechts auf Vorsteuerabzug zu versagen, wenn aufgrund der objektiven Sachlage feststeht, dass dieses Recht in betrügerischer Weise oder missbräuchlich geltend gemacht wird (vgl. , Kittel u.a.).

Nach dem , Federation of Technologies Industries, ist zu diesem Zweck prüfen, ob der Unternehmer alle Maßnahmen getroffen hat, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass seine Umsätze nicht in einem Betrug einbezogen sind. Aus diesem Grund müssen Wirtschaftsteilnehmer, alle Maßnahmen treffen, die vernünftigerweise von ihnen verlangt werden können, um sicherzustellen, dass ihre Umsätze nicht in einen Betrug - sei es eine Mehrwertsteuerhinterziehung oder ein sonstiger Betrug - einbezogen sind, um auf die Rechtmäßigkeit dieser Umsätze vertrauen zu können. Dies zu dem Zweck, damit sie nicht Gefahr laufen, ihr Recht auf Vorsteuerabzug zu verlieren (vgl. , Federation of Technological Industries, Rn 33).

Stellt die Finanzverwaltung fest, dass das Recht auf Vorsteuerabzug in betrügerischer Weise ausgeübt wurde, so ist sie befugt, rückwirkend die Zahlung der abgezogenen Beträge zu verlangen und das nationale Gericht hat den Vorsteuerabzug zu verweigern, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass dieses Recht in betrügerischer Weise geltend gemacht wird (vgl. , Fini). Ebenso ist ein Stpfl., der wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen ist, für die Zwecke der Sechsten Richtlinie als an dieser Hinterziehung Beteiligter anzusehen, unabhängig davon, ob er aus dem Weiterverkauf der Gegenstände einen Gewinn erzielt. Denn in einer solchen Situation geht der Steuerpflichtige den Urhebern der Hinterziehung zur Hand und macht sich ihrer mitschuldig (vgl. und C-440/04, AT. Kittel).

Ob die Mehrwertsteuer, die für die vorausgegangenen oder nachfolgenden Verkäufe der betreffenden Gegenstände geschuldet war, tatsächlich an den Fiskus entrichtet wurde, ist für das Recht des Steuerpflichtigen auf Vorsteuerabzug nicht von Bedeutung (vgl. , Transport Service).

Das Recht auf Vorsteuerabzug wird auch dadurch nicht berührt, dass in der Lieferkette, zu der diese Umsätze gehören, ein anderer Umsatz, der diesem Umsatz vorausgeht oder nachfolgt, mit einem Mehrwertsteuerbetrug behaftet ist, ohne dass der Steuerpflichtige hievon Kenntnis hat oder haben kann (vgl. , C-355/03 und C-484/03, Optigen).

Demnach ist das Recht auf Vorsteuerabzug durch das nationale Gericht zu verweigern, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligte, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war (vgl. EuGH-Urteil Axel Kittel).

Dieses "Wissenmüssen" bzw. "Wissenkönnen" wird vom Federation of Technological Industries (Rz 35) mit einem "Bestehen hinreichender Verdachtsgründe" gleichgesetzt und die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes beachtet hat, um sicherzustellen, dass sein Umsatz nicht zu einer mit Mehrwertsteuerbetrug behafteten Lieferkette gehört (vgl. Ruppe-Achatz, UStG, § 12 Rz. 95).

Im vorliegen Fall ist aber zu beachten, dass die Frage, ob die Bf. von einer Hinterziehung oder einem anderen Betrug in der Lieferkette wusste oder wissen hätte müssen, sich nur dann stellt, wenn alle objektiven Rechnungskriterien erfüllt sind.

Einen Vertrauensschutz bezüglich des Vorliegens von objektiven Rechnungskriterien gibt es nämlich nicht. Die objektiven Rechnungskriterien können nicht durch die Berufung auf die Erfüllung von Sorgfaltspflichten ersetzt werden können (vgl. Zl. 2007/15/0173; , Zl. 2007/15/0004, mwN; , Zl. 2010/13/0146, mwN).

Dies steht im Einklang mit der Judikatur des EuGH, wonach das Recht auf Vorsteuerabzug nur dann ausgeübt werden kann, wenn der Steuerpflichtige eine Rechnung besitzt, die die in Art. 22 Abs. 3 der Sechsten Richtlinie idF der RL 2001/115/EG bzw. in Art. 226 der MwStRL 2006/112/EG normierten Kriterien enthält (vgl. etwa die , Bockemühl, Rn. 40, vom , C-368/09, Pannon Gep., Rn. 39 ff, und vom , C-271/12, Petroma Transports SA, Rn. 25f).

Das Bundesfinanzgericht ist gegenständlich schon davon ausgegangen, dass die objektivenRechnungskriterien gegenständlich nicht vorliegen.

Im vorliegenden Fall wäre in diesem Zusammenhang darauf zu verweisen, dass die vorgenommen formalen Kontrollen bezüglich Firmenbuches und Gewerbeberechtigungen oder UID-Daten gegenständlich nicht ausreichend waren, weil praktisch jeder, der Umsatzsteuerbetrügereien begehen will, diese formalen Voraussetzungen zur Verhinderung einer frühzeitigen Ertappung erfüllen wird (vgl. Laudacher in SWK 2006, S. 667; Strunz in SWK 2007, S. 673).

Die beantragten Vorsteuern iHv EUR 22.644,26 werden daher für das Jahr 2011 nicht zum Abzug zugelassen.

3. Zu Spruchpunkt III. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Revision ist im vorliegenden Fall nicht zulässig, als diese Entscheidung in der Frage, unter welchen Voraussetzungen Vorsteuern zum Abzug zugelassen werden können, der in diesem Erkenntnis dargestellten Judikatur des VwGH folgt (vgl. Zl. 2004/15/0069; , Zl. 96/13/0017).

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
















UFS, RV/0815-W/07





ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7102315.2013

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at