Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 19.10.2020, RV/7100638/2017

Arbeitskräftegestellung oder Werkvertrag?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Anna Mechtler-Höger in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Anton Heisinger, Mühlallee 1, 7301 Deutschkreutz, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart vom betreffend Haftung gemäß § 99 EStG 1988 für den Zeitraum 2014 zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Im Zuge einer die Jahre 2011 bis 2014 umfassenden abgabenbehördlichen Prüfung traf die Prüferin folgende streitgegenständliche Feststellung:

Von der ungarischen Firma A seien auf den Baustellen in Wöllersdorf, Wien und Wiener Neustadt im Jahr 2014 durch A selbst und seine Dienstnehmer Eisenbiegerarbeiten für die Bf durchgeführt worden. Arbeits- bzw. Stundenaufzeichnungen seien nicht geführt worden, die pauschale Entlohnung sei anhand von Plänen und der zu verarbeitenden Menge an Eisen ermittelt worden. Die Rechnungen über insgesamt 50.700,01 Euro seien bar bezahlt worden. Es liege eine Arbeitskräfteüberlassung vor und die Bf sei zum wirtschaftlichen Arbeitgeber geworden.

Da von der Fa. A keine freiwillige Lohnsteuerzahlung in Österreich erfolgt und daher auch kein Befreiungsschein ausgefertigt worden sei, sei vom gesamten Entgelt Abzugssteuer gemäß § 99 Abs. 1 Z 5 EStG in Höhe von 20% abzuführen.

Das Finanzamt folgte dieser Feststellung und erließ für 2014 einen Haftungsbescheid gemäß § 99 EStG 1988 und schrieb der Bf Abzugssteuer in Höhe von 10.140,00 Euro vor.

In der fristgerecht dagegen erhobenen Beschwerde führte die steuerliche Vertreterin aus, es seien von der ungarischen Firma A1-Bescheinigungen für die Dienstnehmer vorgelegt worden, die auch bei der Bf gearbeitet hätten. Die ungarische Firma habe bestätigt, dass auch die ZKO 3 - Meldungen rechtmäßig erfolgt seien. Dass diese auf einen anderen inländischen Auftraggeber ausgestellt gewesen seien, sei der Bf nicht bekannt gewesen. Weiters sei der Bf nicht bekannt gewesen, dass die ungarische Firma keine freiwillige Lohnsteuerzahlung in Österreich durchgeführt habe.

Auf Grund der Tatsache, dass die Bf von einer Entsendung der Arbeitskräfte ausgegangen sei und die ungarische Firma falsche Meldungen bei der ZKO 3 abgegeben habe, werde die Berichtigung des Haftungsbescheides beantragt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde gemäß § 260 BAO zurückgewiesen und in der Begründung ausgeführt, ein Unternehmer müsse die Entsendung aller Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer aus allen EU-/EWR-Staaten oder der Schweiz nach Österreich an die Zentrale Koordinationsstelle des Bundesministeriums für Finanzen melden. Die Fa. A habe Meldungen einer Entsendung nach Österreich (ZKO 3) erstattet, jedoch als inländischen Auftraggeber nicht die Bf angegeben. Die im Zuge der Außenprüfung vorgelegten A1-Bescheinigungen würden hinsichtlich des Meldezeitraumes nicht mit dem tatsächlichen Zeitraum der Entsendung der Arbeitskräfte übereinstimmen.

Dagegen brachte die Bf fristgerecht einen Vorlageantrag ein und führte in einem ergänzenden Schriftsatz vom aus:

Zu den beanstandeten Baustellen in Wöllersdorf, Wien und Wiener Neustadt gebe es jeweils einen als "Auftragsschreiben" bezeichneten Werkvertrag. Demnach habe der Auftragnehmer - also die ungarische Firma - die Arbeiten selbständig auszuführen und auch die Garantie für die ordnungsgemäße Ausführung zu übernehmen. Darüber hinaus hafte die ungarische Firma als Arbeitgeber für die Einhaltung der in Österreich geltenden lohn- und arbeitsrechtlichen Mindestbedingungen. Damit habe sich weder der Betriebsprüfungsbericht noch die Beschwerdevorentscheidung auseinandergesetzt.

Den bisherigen Erledigungen würden schlüssige Beweise, greifbare Fakten und konkrete Sachverhaltsfeststellungen fehlen. Diese Defizite seien beim Schlüsselkriterium "Gestellung von Arbeitskräften zur inländischen Arbeitsausübung" augenscheinlich, zumal bei einer Arbeitskräfteüberlassung der Gesteller - hier also die ungarische Firma - Arbeitgeber der überlassenen Arbeitskräfte bleibe. Abgesehen davon seien bei der Frage, wer als Arbeitgeber anzusehen sei, folgende Kriterien mitzuberücksichtigen:

  • die Gehaltszahlungen seien durch den Gesteller A erfolgt;

  • die wirtschaftlichen Kosten der Arbeitnehmer trage ebenfalls der Gesteller;

  • die Reise- und Nächtigungskosten würden ebenfalls vom Gesteller getragen;

  • der Gesteller entsende Arbeitskräfte an mehrere unabhängige Gestellungsnehmer;

  • ein- und dieselbe Arbeitskraft werde zu unterschiedlichen Gestellungsnehmern entsendet;

  • der Gestellungsnehmer habe kein Weisungsrecht;

  • eine Eingliederung in den Betrieb des Gestellungsnehmers bestehe schon deshalb nicht, weil sie ausnahmslos vor Ort an drei verschiedenen Baustellen tätig geworden seien;

  • der Gesteller entscheide über die Einstellung von Arbeitnehmern sowie über deren Kündigung und Entlassung;

  • der Gesteller entscheide über die Höhe der Entlohnung des Arbeitnehmers;

  • der Gesteller entscheide über das Einsatzland des Arbeitnehmers und dessen Entsendezeit;

  • das Urlaubsausmaß richte sich nach ungarischem Recht;

  • die Sozialversicherungsbeiträge würden in Ungarn entrichtet.

Unberücksichtigt sei auch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geblieben. Im Erkenntnis vom , 2009/15/0174, habe der Gerichtshof folgende Kernaussage getroffen:

"Wie der VwGH bereits in seinem Erkenntnis vom , 96/14/0126, ausgesprochen hat, liegt eine Gestellung von Arbeitskräften vor, wenn ein Unternehmer (Gesteller) seine Dienstnehmer einem anderen Unternehmer (Gestellungsnehmer) zur Verfügung stellt, ohne dass zwischen dem Gestellungsnehmer und den Arbeitnehmern des Gestellers ein Dienstverhältnis begründet wird. Die Rechte und Pflichten aus dem Dienstvertrag, die Lohnzahlung und -verrechnung sowie die Verantwortung für die Sozialversicherungsbelange des Arbeitnehmers liegen dabei typischer Weise weiter beim Gesteller (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2340/71, Slg. 4473).

Beim Gestellungsvertrag handelt es sich um einen Vertrag eigener Art. Der Gesteller haftet nicht für die tatsächlichen Leistungen der von ihm gestellten Arbeitnehmer, sondern nur für ihre grundsätzliche Qualifizierung.

Wie der Verwaltungsgerichtshof ebenfalls bereits in seinem Erkenntnis vom , 96/14/0126, ausgesprochen hat, ist bei der Prüfung des Vertragscharakters zu beachten, dass gemäß § 21 BAO im Steuerrecht nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes, sondern der wahre wirtschaftliche Gehalt ausschlaggebend ist. Dabei sind alle Umstände maßgeblich, die die Vertragsbeziehung zwischen den beteiligten Unternehmern charakterisieren.

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde festgestellt, dass die übernommenen einfachen Hilfsarbeiten stets unter der intensiven "Dienst- und Fachaufsicht" der Vorarbeiter der Beschwerdeführerin nach deren Weisung und Anleitung verrichtet worden seien. Es seien keine Bauabschnitte zur selbstständigen Bearbeitung übertragen worden und insgesamt keine unterscheidbaren Arbeitseinsätze der österreichischen und ausländischen Arbeitskräfte erfolgt, sodass keine von den sonstigen im Betrieb der Bf abgrenzbaren Bauleistungen und Arbeitserfolge und mangels eigenständigen Werkes auch kein "gewährleistungstauglicher" Erfolg der Tätigkeit vorgelegen seien.

Wenn die belangte Behörde vor diesem Hintergrund in rechtlicher Hinsicht davon ausgegangen ist, dass die im Beschwerdefall vorliegende vertragliche Gewährleistungsklausel das wirtschaftliche Bild einer Arbeitskräftegestellung iS des § 99 Abs 1 Z 5 EStG 1988 nicht entkräften konnte, kann ihr nicht entgegengetreten werden, zumal die Beschwerdeführerin ausführt, dass auf Grund der Besonderheiten der zu verrichtenden Tätigkeit Gewährleistungsfälle kaum auftreten könnten.

Allerdings hat die belangte Behörde nur die innerstaatliche Rechtslage geprüft und eine ebenfalls gebotene abkommensrechtliche Prüfung unterlassen.

Bestand aber nach dem DBA Österreich - Portugal, BGBl. 85/1972 - etwa mangels inländischer Betriebsstätte im Sinne des Art. 7 leg. cit. - gar kein österreichisches Besteuerungsrecht, so wäre der Bf die unterlassene Abzugssteuer nicht vorzuwerfen.

Da die belangte Behörde dazu keine Feststellungen getroffen hat, erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig und war gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben."

Das treffe auch im vorliegenden Fall zu mit der Maßgabe, dass nicht das DBA Portugal, sondern das insoweit inhaltsgleiche DBA Ungarn mitzuberücksichtigen gewesen wäre.

Über Ersuchen des Bundesfinanzgerichts gab der steuerliche Vertreter des Bf bekannt,

die Arbeiter der ungarischen Firma seien getrennt von den Arbeitern der Bf eingesetzt worden, die ungarische Firma habe die Aufträge von der Bf bekommen und diese mit eigenem Personal durchgeführt. Die Arbeiten seien vom Vorarbeiter der Bf, X, kontrolliert und auch abgenommen worden. Der Fertigstellungszeitpunkt sei vom Auftraggeber der Bf vorgegeben worden, die Bf habe dieses Datum dann an die Subunternehmen weitergegeben. In den aufgetretenen Gewährleistungsfällen seien die Mängel durch die ungarische Firma verbessert worden.

Die für Eisenbieger- und -verlegearbeiten notwendigen Werkzeuge und Utensilien (Helm, Handschuhe, Bindedraht, Bolzenschneider, Zangen) seien von der ungarischen Firma selbst mitgebracht worden. Den ungarischen Arbeitern sei keine Unterkunft zur Verfügung gestellt worden.

Nach Ergehen der Ladung für die beantragte mündliche Verhandlung zog der steuerliche Vertreter der Bf diesen Antrag zurück und brachte ergänzend vor, bei der Bf hätten zu keiner Zeit Mitarbeiter der Bf und Personal von Fremdleistern zusammengearbeitet. Jede Subfirma habe ein konkretes Bauvorhaben auf eigene Verantwortung mit eigenem Personal erledigt. Auf die Dienste von Fremdleistern habe die Bf erst dann zurückgegriffen, wenn ein bestimmtes Bauvorhaben aus welchen Gründen auch immer mit eigenem Personal nicht habe erledigt werden können. Eine Arbeitskräfteüberlassung sei daher ausgeschlossen. Dass die ungarische Firma mit ihrer Tätigkeit in Österreich der beschränkten Steuerpflicht unterliege, sei nach dem DBA Ungarn ausgeschlossen, weil eine solche das Vorliegen einer inländischen Betriebsstätte voraussetze. Es fehle daher an einer haftungsauslösenden Primärschuld.

Darüber hinaus liege auch der behauptete Haftungstatbestand nicht vor: Nach § 100 Abs. 2 EStG 1988 sei der ausländische Primärschuldner zugleich Haftender. Im siebenten Teil des EStG 1988 gehe es um die Einkünfte eines Steuerausländers, mit denen er in Österreich der Einkommen- oder Körperschaftsteuer unterliege. Es gehe also um seine Erträgnisse, für die primär der Steuerausländer heranzuziehen sei und ein Dritter (Steuerinländer) nur bei einem speziellen Haftungstatbestand herangezogen werden könne. Nach § 100 Abs. 2 EStG 1988 seien "Schuldner der Abzugssteuer", "Empfänger der Einkünfte" und der Abfuhrpflichtige ein- und dieselbe Person, im vorliegenden Fall die ungarische Firma.

Gleichzeitig wurden sechs gleichlautende schriftliche Zeugenaussagen von Zeuge1, Zeuge2, Zeuge3, Zeuge4, Zeuge5 und Zeuge6 vorgelegt. Sie bestätigen, dass sie aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit für die Bf ausschließen könnten, dass es mit der ungarischen Firma "gemischte Baustellen" in dem Sinn gegeben habe, dass das Personal der Bf mit einem Fremdleister zusammengearbeitet und eine "gemeinsame Partie" gebildet habe. Vielmehr habe jeder seine eigenen Aufträge erledigt, es habe keine Vermischungen gegeben. Die Zeugen bestätigen, dass sie weder eine Zusammenarbeit mit der ungarischen Firma in einer gemeinsamen Arbeitspartie noch in anderen Fällen solche Vermischungen wahrgenommen hätten.

Die belangte Behörde legte das Ergebnis eines Informationsaustausches vor, nach welchem die ungarische Firma A während ihrer Tätigkeit keine gültige UID-Nummer gehabt habe. A habe bei seiner Einvernahme bestätigt, dass er für die Bf Eisenbeton-Montagen mit vier Angestellten durchgeführt habe. An den in Rechnung gestellten Betrag könne er sich nicht erinnern. Er habe in Ungarn "Erklärungen mit 0-Werten" eingereicht.

Den beiden Verfahrensparteien wurden die jeweiligen Unterlagen bzw. ergänzenden Ausführungen der Gegenseite zur Kenntnis übermittelt. Von der eingeräumten Möglichkeit, dazu Stellung zu nehmen, machte keine der Verfahrensparteien Gebrauch.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Bf ist eine im Baugewerbe tätige Kommanditgesellschaft. Im Jahr 2014 führte die Bf mit eigenen Arbeitern und mit Arbeitern einer in Ungarn ansässigen Firma Eisenverlegearbeiten durch. Die Arbeiten der ungarischen Arbeiter wurden pauschal abgerechnet. Pro Tonne an verarbeiteten Eisen wurde die Bezahlung von 200,00 Euro vereinbart. Im Wege von "Auftragsschreiben" wurde zwischen der ungarischen Firma und der Bf vereinbart, dass die Arbeiter der ungarischen Firma auf konkret angeführten Baustellen in Österreich eingesetzt werden. Arbeits- und Stundenaufzeichnungen wurden nicht geführt. Die Bezahlung erfolgte bar. Die Arbeiten wurden vom Vorarbeiter der Bf, X, kontrolliert und abgenommen. Der Fertigstellungszeitpunkt wurde vom Auftraggeber der Bf vorgegeben. In den aufgetretenen Gewährleistungsfällen wurden die Mängel durch die ungarische Firma verbessert.

Die für Eisenbieger- und -verlegearbeiten notwendigen Werkzeuge und Utensilien (Helm, Handschuhe, Bindedraht, Bolzenschneider, Zangen) wurden von der ungarischen Firma selbst mitgebracht, das zu verarbeitenden Eisen wurde von der Bf bzw. deren Auftraggebern beigestellt. Den ungarischen Arbeitern wurde keine Unterkunft zur Verfügung gestellt.

Von der ungarischen Firma wurden am mehrere Meldungen an die Zentrale Koordinationsstelle übermittelt. Als inländischer Auftraggeber ist jedoch nicht die Bf angeführt. Vom Geschäftsführer der Bf wurden A1-Bescheinigungen zwei Arbeiter betreffend vorgelegt, die jedoch laut einer Entsendungsmeldung im fraglichen Zeitraum für einen anderen inländischen Auftraggeber tätig waren.

Die ungarische Firma unterhält keine Betriebsstätte in Österreich. Sie stellte der Bf im Jahr 2014 ausländische Arbeitskräfte im Rahmen einer Arbeitskräfteüberlassung zur Verfügung.

Beweiswürdigung

Diese Feststellungen gründen sich im Wesentlichen auf die Feststellungen der Betriebsprüfung, auf die Angaben des steuerlichen Vertreters der Bf im Ermittlungsverfahren vor dem Bundesfinanzgericht und hinsichtlich der Tatsache, dass die ungarischen Arbeiter der Bf im Wege einer Arbeitskräftegestellung zur Verfügung standen und organisatorisch in den Betrieb der Bf eingegliedert waren, auf die folgende Beweiswürdigung:

Bei der Beurteilung der im Akt aufliegenden Verträge ist festzustellen, dass das für einen Werkvertrag typische Element, nämlich die genaue Beschreibung des bedungenen Erfolges, damit der genaue Leistungsumfang, das Werk, fehlt. Die in den Rechnungen und den Auftragsschreiben vorgefundene Leistungsbeschreibung umfasst lediglich die Angabe der Baustelle und das Wort "Eisenbieger" bzw. wird der Auftragsgegenstand mit "Bauleistungen" umschrieben. Diese Arbeiten unterscheiden sich nicht von den Arbeiten, die die bei der Bf angestellten Arbeiter verrichteten. Diese Feststellungen entkräften die vom steuerlichen Vertreter ausgestellte Behauptung, die ausländischen Arbeitskräfte hätten ihre Arbeitsleistung in Erfüllung von Werkverträgen erbracht.

Den dem Bundesfinanzgericht vorliegenden Vereinbarungen fehlt das für einen Werkvertrag typische Spezifikationsmerkmal, weil die geschuldete Leistung nur gattungsmäßig umschrieben ist. Der gegenständliche Vertragsinhalt reicht nicht aus, um davon ein von der ungarischen Firma herbeizuführendes, klar abgrenzbares Werk ableiten zu können. Aus den gegenständlichen Vereinbarungen ist nicht erkennbar, dass an der jeweils angegebenen Adresse die gesamten anfallenden Eisenbiegerarbeiten von den ungarischen Arbeitern zu verrichten sind. Bei den Eisenbiegerarbeiten handelt es sich um einfache Hilfsarbeiten, die mit dem gewöhnlichen Baufortschritt Hand in Hand gehen. Der Verwaltungsgerichtshof hat diesbezüglich in seinem Erkenntnis vom , 95/09/0155, klargestellt, dass derartige einfache Hilfstätigkeiten, die im unmittelbaren zeitlichen Arbeitsablauf erbracht werden müssen, kein selbständiges Werk darstellen können, vor allem dann nicht, wenn durch die Art der Tätigkeit eine Abgrenzung der von den Stammarbeitern der Bf und den ausländischen Arbeitskräften der zu erstellenden Arbeitsergebnisse nicht möglich ist.

Die organisatorische Eingliederung in den Betrieb der Bf zeigt sich vor allem darin, dass die ausländischen Arbeitskräfte der Kontrolle des Vorarbeiters der Bf unterlagen, wie dies vom steuerlichen Vertreter der Bf im Telefax vom bestätigt worden ist. Auch bringt das Tätigwerden der ausländischen Arbeitskräfte nach den jeweiligen zeitlichen Gegebenheiten eine Eingliederung in den Unternehmensorganismus zum Ausdruck, das dem Vorliegen eines Werkverhältnisses zuwiderläuft ().

Die Aussage des Geschäftsführers der Bf, für jede Tonne verarbeitetes Material seien 200,00 Euro bezahlt worden, lässt den Schluss zu, dass das zu verarbeitende Material (das zu verlegende Eisen) von der Bf bzw. von deren kann Auftraggebern beigebracht wurde und nur die durchgeführten Arbeiten (pauschal) abgerechnet wurden. Das Vorbringen, die ungarische Firma habe die Arbeitsmittel (Handschuhe, Bindedraht, Zangen, Helm, Bolzenschneider) selbst beigestellt, hat für die Prüfung der organisatorischen Eingliederung der ungarischen Firma in Anbetracht der Beistellung des zu verlegenden Materials durch die Bf bzw. durch deren Auftraggeber wenig Aussagekraft.

Zu den nach Ergehen der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigebrachten schriftlichen Zeugenaussagen ist folgendes anzumerken: Vier der sechs mit Schriftsatz vom vorgelegten schriftlichen Zeugenausaussagen stammen von Arbeitern der Bf, die im Zeitraum 2014 nicht für die Bf tätig waren, wie eine Abfrage in der Datenbank betreffend die gemeldeten Lohnzettel bestätigte. Die Aussagen der anderen beiden Arbeiter bestätigen die vom BFG nicht bestrittene Tatsache, dass keine gemeinsamen Arbeiterpartien gebildet worden sind. Dass eine Kontrolle der Arbeiten durch den Vorarbeiter der Bf stattfand, schließen die Zeugenaussagen jedoch nicht aus.

Entsprechend den obigen Ausführungen war berechtigterweise davon auszugehen, dass die Bf im Rahmen einer Arbeitskräftegestellung seitens des in Ungarn ansässigen Unternehmens Arbeitskräfte zur Verrichtung im Inland zur Verfügung gestellt wurden.

Dass vertraglich eine Gewährleistungsverpflichtung vereinbart worden ist, kann diese Würdigung angesichts der Kontrolle der Arbeiten durch den Vorarbeiter der Bf nicht entkräften.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)

§ 98 EStG 1988 regelt die Steuerpflicht von beschränkt Steuerpflichtigen. Beschränkte Steuerpflicht liegt vor, wenn ein Tatbestand des § 98 Abs. 1 EStG 1988 erfüllt ist.

Gemäß § 98 Abs. 1 Z 3 unterliegen der beschränkten Steuerpflicht (§ 1 Abs. 3)

Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 23),

- für den im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird oder

- für den im Inland ein ständiger Vertreter bestellt ist oder

- bei dem im Inland unbewegliches Vermögen vorliegt.

Einkünfte

- aus kaufmännischer oder technischer Beratung im Inland,

- aus der Gestellung von Arbeitskräften zur inländischen Arbeitsausübung und

- aus der gewerblichen Tätigkeit als Sportler, Artist oder als Mitwirkender an Unterhaltungsdarbietungen im Inland

sind jedoch auch dann steuerpflichtig, wenn keine inländische Betriebsstätte unterhalten wird und kein ständiger Vertreter im Inland bestellt ist.

Gemäß § 99 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 wird die Einkommensteuer beschränkt Steuerpflichtiger bei Einkünften aus der Gestellung von Arbeitskräften zur inländischen Arbeitsausübung durch Steuerabzug erhoben (Abzugsteuer). Gemäß § 99 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 unterliegt der volle Betrag der Einnahmen (Betriebseinnahmen) oder Gewinnanteile der Abzugsteuer. Vom Schuldner übernommene Abzugsteuer unterliegt als weiterer Vorteil dem Steuerabzug.

Gemäß § 100 Abs. 1 EStG 1988 beträgt die Abzugssteuer gemäß § 99 grundsätzlich 20%. Gemäß § 100 Abs. 2 EStG 1988 ist der Empfänger der Einkünfte gemäß § 99 Abs. 1 der Schuldner der Abzugssteuer. Der Schuldner dieser Einkünfte haftet für die Einbehaltung und Abfuhr der Steuerabzugsbeträge iSd § 99 EStG 1988.

Im Unterschied zu dem vom steuerlichen Vertreter in seinem ergänzenden Schriftsatz vom zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2009/15/0174, ist auf den vorliegenden Beschwerdefall allerdings bereits die DBA-Entlastungsverordnung, BGBl. III Nr. 92/2005, als innerstaatliche Regelung zur Durchführung von Doppelbesteuerungsabkommen anwendbar. Ist nach originär- innerstaatlichem Recht eine Abfuhrpflicht gegeben, kann eine Abfuhr der Abzugssteuer nach § 99 EStG 1988 nur mehr dann unterbleiben, wenn alle Voraussetzungen der DBA-Entlastungsverordnung für eine Entlastung an der Quelle in unmittelbarer Anwendung eines Doppelbesteuerungsabkommens erfüllt sind ().

Die DBA- Entlastungsverordnung hat (auszugsweise) folgenden Inhalt:

"§ 1. Sind Einkünfte von im Ausland ansässigen Personen auf Grund von Doppelbesteuerungsabkommen ganz oder teilweise von einer inländischen Abzugsbesteuerung zu entlasten, kann diese Entlastung in unmittelbarer Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen vorbehaltlich der nachfolgenden Bestimmungen vom Vergütungsschuldner (vom Abfuhrpflichtigen) herbeigeführt werden (Entlastung an der Quelle). Der Vergütungsschuldner ist in diesem Fall verpflichtet, die Richtigkeit der Unterlassung oder Einschränkung des Steuerabzuges zu beweisen oder nach Maßgabe des § 238 BAO glaubhaft zu machen

.……….

§ 5 (1) Eine Entlastung an der Quelle ist in folgenden Fällen unzulässig:

…….

4. wenn Vergütungen für die Gestellung von Arbeitskräften zur inländischen Arbeitsausübung gezahlt werden (ausgenommen konzerninterne Personenüberlassung von Angestellten).

……..

(3) Das Finanzamt Bruck Eisenstadt Oberwart kann über Antrag eines abkommensberechtigten Arbeitskräfteüberlassungsunternehmens bei Vergütungen für die Gestellung von Arbeitskräften zur inländischen Arbeitsausübung zeitlich befristet durch Bescheid eine Entlastung an der Quelle zulassen, wenn sichergestellt ist, dass keine Umgehungsgestaltung vorliegt und das ausländische Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen oder der inländische Gestellungsnehmer (Beschäftiger) für die überlassenen Arbeitskräfte die Pflichten des Arbeitgebers im Sinne der §§ 76, 78, 79, 80, 82, 84 und 87 EStG 1988 wahrnimmt. Gestellungsnehmer können die Arbeitskräftegestellungsvergütungen von der Besteuerung für jene Zeiträume entlasten, für die ihnen eine Kopie des Bescheides vorliegt.

§ 6 (1) Die Verordnung tritt am in Kraft und ist auf alle Einkünfte anzuwenden, die ab diesem Zeitpunkt zufließen."

Eine Gestellung von Arbeitskräften liegt vor, wenn ein Unternehmer (Gesteller) seine Dienstnehmer einem anderen Unternehmer (Gestellungsnehmer) zur Verfügung stellt, ohne dass zwischen dem Gestellungsnehmer und den Arbeitnehmern des Gestellers ein Dienstverhältnis begründet wird. Beim Gestellungsvertrag handelt es sich um einen Vertrag eigener Art.

Entscheidend für die Arbeitskräftegestellung ist, dass der Gesteller Arbeitgeber bleibt. Er trägt den Lohnaufwand und die Arbeitnehmer stehen zu ihm in einem Arbeitsverhältnis. Es bleibt das Dienstverhältnis zu demjenigen aufrecht, der die Dienste verschafft. Im Unterschied zum Werkvertrag schuldet er jedoch kein Werk, sondern lediglich die Bereitstellung von Arbeitnehmern. Bei einem Werkvertrag hingegen verpflichtet sich der Unternehmer zur Herbeiführung eines bestimmten Erfolges.

Im Gegensatz zum Werkvertrag liegt das Gefahrenrisiko beim Gestellungsvertrag ausschließlich beim Gestellungsnehmer. Der Gesteller haftet sohin nicht für die tatsächlichen Leistungen der von ihm gestellten Arbeitnehmer, sondern nur für ihre grundsätzliche Qualifizierung (Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, § 98 Rz 8.7).

Damit ist aber das Schicksal der gegenständlichen Beschwerde entschieden. Wurden - so wie im vorliegenden Fall - seitens eines in Ungarn ansässigen Unternehmens im Rahmen einer Arbeitskräftegestellung Arbeitskräfte einem inländischen Unternehmen, nämlich der Bf, zur Dienstverrichtung im Inland überlassen, unterliegt der Gesteller mit seinen für diese Zurverfügungstellung von Arbeitskräften erhaltenen Vergütungen der Abzugssteuerpflicht im Inland, zumal § 5 Abs 1 Z 4 DBA-Entlastungs-VO für Gestellungsvergütungen eine Entlastung an der Quelle für unzulässig erklärt. Gleichzeitig haftet die Bf als Gestellungsnehmerin für die Einbehaltung und Abfuhr dieser Abgaben. Die Voraussetzungen des § 5 Abs 3 DBA-Entlastungs-VO, wonach die Bf als Gestellungsnehmerin (zumindest ab dem Zeitraum des Inkrafttretens des betreffenden § 5 Abs 3 DBA-Entlastungs-VO) die strittigen Arbeitskräftegestellungsvergütungen von der Besteuerung in Folge des Vorliegens einer Kopie des Bescheides des Finanzamtes Eisenstadt Oberwart entlasten hätte können, lagen nach Feststellung der Betriebsprüfung nicht vor und wurde Derartiges auch nicht behauptet.

Das Gestellungsentgelt unterliegt gemäß § 99 EStG 1988 in Österreich der Abzugsteuer. Die Bf haftet für die Einbehaltung und Abfuhr dieser Abgaben. Der Haftungsbescheid für 2014 erging daher zu Recht.

Dem Einwand des steuerlichen Vertreters, die Behörde unterliege einem fatalen Rechtsirrtum, da Empfänger und Schuldner der Einkünfte ein- und dieselbe Person sei, nämlich das in Ungarn ansässige Einzelunternehmen, weshalb die geltend gemachte Haftung mangels eines Haftungstatbestandes in der Luft hänge, ist Folgendes entgegenzuhalten:

Schuldner der Abzugssteuer ist gemäß § 100 Abs. 2 EStG 1988 der Empfänger der Einkünfte gemäß § 99 Abs. 1 EStG 1988. Der Schuldner der Einkünfte haftet für die Einbehaltung und Abfuhr der Steuerabzugsbeträge (Jakom/Marschner, EStG 2018, § 100 Rz 2).

Empfänger der Einkünfte ist im vorliegenden Fall das in Ungarn ansässige Einzelunternehmen, während der Schuldner der Einkünfte die Bf ist. Sie leistet Zahlungen an die ungarische Firma. Die vom steuerlichen Vertreter gesehene Personenidentität kann nicht nachvollzogen werden, weil Schuldner und Empfänger der Einkünfte tatsächlich zwei unterschiedliche Personen sind. Es ist daher nicht zutreffend, dass die geltend gemachte Haftung gemäß § 99 EStG 1988 ohne Haftungstatbestand erfolgte.

Wie oben ausgeführt, ergibt sich aus der Bestimmung des § 98 Abs. 1 Z 3 EStG 1988, dass Einkünfte aus der Gestellung von Arbeitskräften zur inländischen Arbeitsausübung auch dann steuerpflichtig sind, wenn keine inländische Betriebsstätte unterhalten wird und kein ständiger Vertreter bestellt ist. Nach § 99 Abs. 1 EStG 1988 wird die Einkommensteuer beschränkt Steuerpflichtiger durch Steuerabzug erhoben (Abzugssteuer). § 99 Abs. 1 Z 5 EStG normiert bei Einkünften aus der Gestellung von Arbeitskräften zur inländischen Arbeitsausübung eine Abzugssteuerpflicht, wobei der Schuldner der Einkünfte (somit der Gestellungsnehmer) für die Einbehaltung und Abfuhr der Steuerabzugsbeträge im Sinne des § 99 haftet. Nach dieser innerstaatlichen Rechtslage ist somit bei gegebener Sachlage ohne Zweifel davon auszugehen, dass die in Rede stehenden Einkünfte aus der Gestellung von Arbeitskräften zur inländischen Arbeitsausübung der beschränkten Einkommensteuerpflicht (§ 98 Abs. 1 Z 3 EStG) unterliegen und diese Einkommensteuer gemäß § 99 Abs. 1 Z 5 EStG durch Steuerabzug zu erheben ist (Abzugssteuer). Die mit dem angefochtenen Bescheid erfolgte streitgegenständliche Heranziehung der Bf zur Haftung entsprach damit diesen gesetzlichen Bestimmungen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das VwGH- Erkenntnis vom , 2009/15/0174 lässt implizit erkennen, dass Bestimmungen des DBA die unterlassene Abzugsbesteuerung gemäß § 99 Abs. 1 Z 5 EStG nur für den Fall rechtfertigen könnten, wenn die DBA- Entlastungsverordnung eine unmittelbare Entlastung des beschränkt Steuerpflichtigen an der Quelle zulassen würde. Von dieser Rechtsprechung weicht das Erkenntnis nicht ab.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 100 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 98 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
DBA-Entlastungsverordnung, BGBl. III Nr. 92/2005
§ 99 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
DBA H (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Ungarn (Einkommen, Ertrag, Vermögen), BGBl. Nr. 52/1976
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7100638.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at