Ausgleichszahlung (Familienbeihilfe) während Zeiten der Karenz und des Mutterschutzes
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den RichterR. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. András Péter Radics, Obere Hauptstraße 18-20/Top 6, 7100 Neusiedl am See, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom betreffend Abweisung des Antrages vom auf Ausgleichszahlung (Familienbeihilfe ) für ***Kinder*** ab Jänner 2017 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Den Beschwerdegegenstand bildet folgender Abweisungsbescheid vom :
Ihr Antrag vom auf Ausgleichszahlung wird abgewiesen für:
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Name des Kindes | VNR/Geb.dat. | Zeitraum von-bis |
***Kind2*** | …. 01 17 | ab Jän. 2017 |
***Kind1*** | …. 12 14 | ab Jän. 2017 |
Begründung
Da Sie in den oben angeführten Monaten in Österreich keine Beschäftigung oder selbständige
Erwerbstätigkeit ausgeübt haben bzw. keine Geldleistung infolge dieser Beschäftigung oder selbständigen Erwerbstätigkeit bezogen haben, bestand für diese Monate kein Anspruch auf Ausgleichszahlung.
Die gesetzliche Karenz für das Kind **Kind1** endete mit Dezember 2016. Da Sie seit keine Bezüge in Österreich haben, war Ihr Antrag auf Gewährung einer Ausgleichs/Differenzzahlung vom (eingebracht am ) ab Jänner 2017 abzuweisen.
Die Beschwerde wurde eingebracht wie folgt:
In Ihrem Bescheid begründen Sie die Abweisung der Ausgleichszahlung ab Jänner 2017, dass Frau (die Beschwerdeführerin; im Folgenden Bf.) seit keine Bezüge in Österreich hätte.
Dem wird folgendes entgegen gehalten:
Gemäß beiliegender, Ihnen mit Antrag auf Familienbeihilfe vom bereits
übermittelter Karenzmeldung, wurde mit dem Dienstgeber, der M… Austria Handels GmbH,
im Zusammenhang mit der Geburt des Sohnes **Kind2** am tt.01.2017 eine Karenz mit der
maximalen gesetzlichen Dauer von 2 Jahren, somit bis zum tt- vereinbart.
Den dem Ablauf der Karenz folgenden Tag am tt.01.2019 wird Frau (die Bf.) wieder
ihren Dienst bei ihrem Dienstgeber antreten.
Bis zum Ende der Karenz wird Frau (die Bf.) in Österreich somit im Sinne der VO 883/2004 in einer mit einer Beschäftigung gleichgestellten Situation (siehe auch Csaszar/ Lenneis/Wanke (Hrsg.): FLAG Familienlastenausgleichsgesetz Kommentar, S. 570) sein, weshalb ihr aufgrund ihrer Karenz bis Jänner 2019 bis zu diesem Zeitpunkt jedenfalls Anspruch auf die österreichische Familienbeihilfe zukommt.
Aus diesen Gründen ersuche ich um Aufhebung Ihres Abweisungsbescheides vom und um Gewährung der Ausgleichszahlung bis zum Ende der Karenz, somit für den Zeitraum Jänner 2017 bis Jänner 2019.
Mit Beschwerdevorentscheidung wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen; dies mit folgender Begründung:
Sie sind ungarische Staatsbürgerin und waren bis in Österreich sozialversichert.
Der gemeinsame Familienwohnsitz ist Ungarn.
Es wurde Ihnen die Familienbeihilfe für obigen Zeitraum nicht zuerkannt, weil Sie im strittigen Zeitraum in Österreich nicht sozialversichert bzw. beschäftigt waren.
Ihre Beschwerde begründen Sie damit, dass Sie bei der Fa. M… Austria bis tt- in Karenz sind.
Rechtliche Grundlagen:
Artikel 11 der EU-Verordnung 883/2004 Allgemeine Regelung:
(1) Personen, für die diese Verordnung gilt, unterliegen den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften dies sind, bestimmt sich nach diesem Titel.
(2) Für die Zwecke dieses Titels wird bei Personen, die aufgrund oder infolge ihrer
Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit eine Geldleistung beziehen, davon ausgegangen, dass sie diese Beschäftigung oder Tätigkeit ausüben. Dies gilt nicht für Invaliditäts-, Alters- oder Hinterbliebenenrenten oder für Renten bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten oder für Geldleistungen bei Krankheit, die eine Behandlung von unbegrenzter Dauer abdecken.
Ändern sich zwischen den Mitgliedstaaten während eines Kalendermonats die Rechtsvorschriften und/oder die Zuständigkeit für die Gewährung von Familienleistungen, hat der Mitgliedstaat, der die Familienleistungen zu Beginn dieses Monats gewährt hat, die Familienleistungen bis zum Ende dieses Monats auszuzahlen (Art. 59 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 zur Festlegung der Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit).
Innerstaatliche Regelungen (wie z.B. überschrittenes Einkommen, kein Anspruch aufgrund des überschrittenen Alters,...) bleiben dabei außer Betracht.
Würdigung:
Über Ihren Fall wird wie folgt entschieden:
Der Anspruch und die Auszahlung des Kinderbetreuungsgeldes ist im Kinderbetreuungsgeldgesetz geregelt.
Der Anspruch auf Familienbeihilfe ist im Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG 1967) bzw. bei EU-Angelegenheiten in der EU-Verordnung (EG) VO 883/2004 geregelt.
Aufgrund dieser EU-Verordnung haben Sie Anspruch auf Ausgleichszahlung nur bei einem aufrechten Dienstverhältnis und für die Zeit der (bundes- oder landes)gesetzlichen Karenzzeit - das ist in Österreich im Regelfall bis zur Vollendung des 24. Lebensmonats des Kind.
Danach ist insbesondere beachtlich, ob eine Beschäftigung wieder aufgenommen wird oder nicht (erster Arbeitstag ist der zweite Geburtstag des Kindes, wobei der Vollständigkeit halber festgehalten wird, dass der Entlassungs- bzw. Kündigungsschutz 4 Wochen nach Ende der Karenz endet). Allfällige weitere Vereinbarungen des Dienstgebers mit dem Dienstnehmer über eine Dienstfreistellung gegen Entfall der Bezüge sind in diesem Zusammenhang unbeachtlich.
Wenn das 2. Kind kurz nach Ende der gesetzlichen Karenzzeit des 1. Kindes geboren wird und es wurde kurz vor der Geburt des 2. Kindes keine Beschäftigung aufgenommen, dann handelt es sich lediglich eine freiwillige Verlängerung der Karenzzeit. Anspruch auf Ausgleichszahlung besteht ausschließlich für Zeiten einer Beschäftigung bzw. für Zeiten einer gleichgestellten Situation wie z.B. Wochengeldbezug.
In Ihrem Fall ist die Zeit vor und nach der Geburt des 2. Kindes keine einer Beschäftigung gleichgestellte Situation (vgl. Art. 1 lit. a der EU-Verordnung 883/2004) und Sie hatten für das zweite Kind auch keinen Wochengeldbezug. Es besteht somit auch kein Anspruch auf eine Ausgleichszahlung.
In Ihrem Fall ist das 1. Kind im Dezember 2014 geboren, die gesetzliche Karenzzeit endet also Dezember 2016.
Das 2. Kind ist im Jänner 2017 geboren. Nach Ende der gesetzlichen Karenzzeit würde nur ein Anspruch auf Ausgleichszahlung für die Zeit des Wochengeldbezuges bestehen. Da Sie für das zweite Kind kein Wochengeld bezogen haben, besteht auch kein Anspruch auf Ausgleichszahlung.
Ihrer Beschwerde konnte daher nicht stattgegeben werden.
Der Vorlageantrag wurde erstattet wie folgt:
In Ihrem Bescheid begründen Sie die Abweisung der Ausgleichszahlung ab Jänner 2017, dass Frau (die Bf.) sich seit nicht in einer im Sinne der VO 883/2004 Beschäftigung gleichgestellten Situation befinde.
Dem wird folgendes entgegen gehalten:
- Frau (die Bf.) befand sich nach der Geburt ihres ersten Kindes **Kind1** am tt.12.2014 bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres von **Kind1** in einer gesetzlichen Karenz. Bis Dezember 2016 wurde von Ihrem Finanzamt entsprechend dieser Karenzzeit die Ausgleichszahlung der Familienbeihilfe für das Kind **Kind1** bis Dezember 2016 gewährt.
- Frau (die Bf.) befand sich mit ihrem ersten Kind **Kind1** in der oben angeführten gesetzlichen Karenzzeit, als sie erneut schwanger wurde.
Da das zweite Kind **Kind2** am tt.01.2017 geboren wurde und die gesetzliche Karenz nach der Geburt des ersten Kindes bis tt- gedauert hatte, befand sich Frau (die Bf.) noch in Karenz, als das Beschäftigungsverbot von 8 Wochen vor der Entbindung gemäß § 3 MSchG bereits maßgeblich wurde.
Aufgrund dieses Beschäftigungsverbots durfte Frau (die Bf.) vor der Geburt ihres zweiten Kindes ihre Beschäftigung nicht aufnehmen, da diesem ein gesetzliches Verbot gemäß MSchG entgegenstand. Somit kam es - entgegen Ihrer Behauptung in Ihrer Beschwerdevorentscheidung - nicht um eine freiwillige [gemeint: zu einer freiwilligen] Verlängerung der Karenzzeit nach der Geburt des ersten Kindes, sondern zu einem gesetzlichen Beschäftigungsverbot mit anschließender gesetzlichen Karenz nach MSchG.
"lm Fall des Eintritts einer neuerlichen Schwangerschaft während einer Karenz nach dem MSchG endet die laufende Karenz mit Beginn des Beschäftigungsverbots (siehe W. Ortner/H. Ortner: Personalverrechnung in der Praxis 2016, S. 792 Rz 624a)."
Frau (die Bf.) hatte allerdings nur deshalb keinen Wochengeldanspruch vor und nach der Geburt des zweiten Kindes, weil sie aufgrund des Bezuges des österreichischen einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld bis zum ersten Lebensjahr des ersten Kindes **Kind1** nur bis zu diesem Zeitpunkt krankenversichert gewesen war.
Da das Beschäftigungsverbot gemäß MSchG vor und nach der Geburt des zweiten Kindes die Karenz mit dem ersten Kind verdrängt hat, bestand gemäß § 15 MSchG ein neuer Anspruch auf Karenz bis zum Ablauf des zweiten Lebensjahres des neugeborenen zweiten Kindes, somit bis Janner 2019.
Gäbe es diese gesetzliche Regelung im MSchG nicht, würden alle Frauen, die sich in Karenz gemäß MSchG befinden, bei einer neuerlichen Schwangerschaft den Anspruch auf Mutterschutz verlieren und müssten spätestens nach Ablauf der noch laufenden Karenzzeit jedenfalls erneut ihre Beschäftigung aufnehmen (sogar dann, wenn sie sich an dem Tag nach dem Ablauf der Karenzzeit sich auf der Entbindungsstation mit dem zweiten Kind befinden).
Da Frau (die Bf.) ihren Karenzanspruch gemäß MSchG mit beiliegender Meldung vom an ihren Dienstgeber bis zum Ablauf des zweiten Lebensjahres ihres zweiten Kindes geltend gemacht hat, befand sie sich im Sinne der VO 883/2004 in einer mit einer Beschäftigung gleichgestellten Situation (siehe auch Csaszar/Lenneis/Wanke (Hrsg.): FLAG Familienlastenausgleichsgesetz Kommentar, S. 570f) [sein], weshalb ihr aufgrund ihrer Karenz bis Jänner 2019 bis zu diesem Zeitpunkt jedenfalls Anspruch auf die österreichische Familienbeihilfe zukommt (siehe auch -F/13).
Aus diesen Gründen ersuche ich um Aufhebung Ihres Abweisungsbescheides vom und um Gewährung der Ausgleichszahlung bis zum Ende der Karenz, somit für den Zeitraum Jänner 2017 bis Jänner 2019.
Zur Entscheidungsfindung über die Beschwerde wird vorsorglich die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
Die Beschwerdevorlage wurde mit nachstehendem Sachverhalt und Anträgen erstattet:
Sachverhalt:
Die Beschwerdeführerin (Bf), ungarische Staatsbürgerin lebt mit ihrer Familie in Ungarn. Der Gatte ist in Ungarn beschäftigt. Anlässlich der Geburt des ersten Kindes am tt.12.2014 bezog sie bis Wochenhilfe. Bis tt- befand sie sich in gesetzlicher Karenz. Im ersten Lebensjahr des Kindes bezog sie das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld. Das zweite Kind wurde am tt.01.2017 geboren. Die Bf nahm wieder eine Karenz nach dem MSchG bis tt- in Anspruch. Anspruch auf Wochengeld bestand nicht.
Der Antrag auf Ausgleichszahlung vom für beide Kinder ab Jänner 2017 wurde mit Bescheid vom abgewiesen. Die dagegen am eingebrachte Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom 18.04.208 abgewiesen. Am wurde ein Vorlageantrag eingebracht.
Beweismittel:
siehe Inhaltsverzeichnis
Stellungnahme:
Art 11 Abs. 2 der VO (EG) 883/2004 fordert für die Qualifikation einer Tätigkeit als "Beschäftigung" den Bezug einer Geldleistung. Eine Sonderregelung umfasst die Karenz nach § 15 MSchG bis zum 2. Geburtstag des Kindes.
Zwischen dem Ablauf der gesetzlichen Karenz am tt- und der Geburt des zweiten Kindes am tt.01.2017 wurde im Beschwerdefall keine Beschäftigung ausgeübt. Es bestand auch kein Anspruch auf Wochengeld. Es wird daher von einer Zuständigkeit Österreichs nur bis zum Ende der gesetzlichen Karenz des ersten Kindes, d.i. bis Dezember 2016 ausgegangen. Ab Jänner 2017 besteht nach Ansicht des Finanzamtes kein Anspruch auf Familienleistungen in Österreich.
Im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesfinanzgericht wurde der Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zurückgenommen.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Dem Finanzamt wurde betreffend die Bf. gemäß § 84 Abs. 1 EStG 1988 für das Jahr 2015 Folgendes gemeldet:
84 (1) 0101-0101 Wiener Gebietskrankenkasse Wochengeld 0,00 €
84 (1) 0201-0902 Wiener Gebietskrankenkasse Wochengeld 0,00 €
Bei der Wiener Gebietskrankenkasse wurde betreffend die Bf. Folgendes erfasst (Datenauszug):
Beitragsgrundlage für Wochengeldbezug: -
Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld: tt.12.2014 - tt-
Anzeige einer Lebendgeburt: tt.12.2014 - tt.12.2014
Am bestätigte die Firma M., 1020 Wien, der Bf. Folgendes:
Bestätigung eines aufrechten Dienstverhältnisses
Es wird bestätigt, dass die Arbeitnehmerin Frau (die Bf.), geb. am ***TT.MM.JJJJ***,
wohnhaft in ***Bf-Adr***, seit dem in unserem Unternehmen am Standort Wien als Back Office Assistant beschäftigt ist. Es liegt ein ungekündigtes, unbefristetes Dienstverhältnis[ses] vor. Die Bruttobezüge von Frau (die Bf.) belaufen sich im Zeitraum - auf insgesamt … €.
Am stellte die Fa. S. GmbH betreffend die Bf. eine Arbeits- und Entgeltsbestätigung wie folgt aus:
Wir bestätigen hiermit, dass Frau (die Bf.) geb. am ***TT.MM.JJJJ***, seit bei der
M… Austria Handels GmbH, ***Adr-Wien*** als Back Office Assistant unbefristet beschäftigt ist.
Auf Wunsch des Arbeitnehmers wurde Karenzurlaub in folgenden Zeiträumen
vereinbart:
- von bis
- geht voraussichtlich ab in Karenz
Ihr aktueller Vollzeitbezug beträgt € … .
Am meldete die Bf. ihrem Arbeitgeber, der Firma M. in 1020 Wien, die Karenz wie folgt:
Meldung zur Karenz
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit diesem Schreiben gebe ich die Inanspruchnahme von Karenz gemäß § 15 Mutterschutzgesetz (MSchG) bekannt.
Ich bin seit in ihrem Unternehmen als Card Back Office Assistant beschäftigt. Die Geburt meines Kindes ***Kind2*** erfolgte am tt.01.2017, die Schutzfrist nach der Geburt endet damit am .
Für den Zeitraum vom bis tt- werde ich Karenz in Anspruch nehmen, weshalb der voraussichtliche erste Arbeitstag der tt.1.2019 sein wird.
Das erstgeborene Kind der Bf., ihre Tochter **Kind1**, wurde Mitte Dezember 2014 geboren.
Bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres von **Kind1**, also Mitte Dezember 2016, befand sich die Bf. in (gesetzlicher) Karenz (und wurde vom Finanzamt bis Dezember 2016, entsprechend dieser Karenzzeit, die Ausgleichszahlung der Familienbeihilfe für das Kind **Kind1** gewährt.
Mitte Dezember 2016 war die Bf. hinsichtlich ihres zweitgeborenen Kindes, ihres Sohnes **Kind2**, beinahe 8 Monate schwanger - ihr zweitgeborenes Kind wurde am tt. Jänner 2017 geboren.
Am meldete die Bf. ihrem Arbeitgeber, der Firma M. in 1020 Wien, die Inanspruchnahme von Karenz gemäß § 15 Mutterschutzgesetz (MSchG).
Beweiswürdigung
Diese Feststellungen ergeben sich aus der Aktenlage und sind unstrittig.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)
Auf Grund dieser Feststellungen ergibt sich folgende Beurteilung:
§ 3 Abs. 1 MSchG bestimmt:
Beschäftigungsverbote
Beschäftigungsverbote für werdende Mütter
Werdende Mütter dürfen in den letzten acht Wochen vor der voraussichtlichen Entbindung (Achtwochenfrist) nicht beschäftigt werden.
Gemäß § 5 Abs. 1 MSchG dürfen Dienstnehmerinnen bis zum Ablauf von acht Wochen nach ihrer Entbindung nicht beschäftigt werden. Bei Frühgeburten, Mehrlingsgeburten oder Kaiserschnittentbindungen beträgt diese Frist mindestens zwölf Wochen. Ist eine Verkürzung der Achtwochenfrist (§ 3 Abs. 1) vor der Entbindung eingetreten, so verlängert sich die Schutzfrist nach der Entbindung im Ausmaß dieser Verkürzung, höchstens jedoch auf 16 Wochen.
§ 15 MSchG bestimmt
Karenz
Anspruch auf Karenz
Abs. 1: Der Dienstnehmerin ist auf ihr Verlangen im Anschluss an die Frist des § 5 Abs. 1 und 2 Karenz gegen Entfall des Arbeitsentgelts bis zum Ablauf des zweiten Lebensjahres des Kindes, soweit im Folgenden nicht anderes bestimmt ist, zu gewähren, wenn sie mit dem Kind im gemeinsamen Haushalt lebt. Das gleiche gilt, wenn anschließend an die Frist nach § 5 Abs. 1 und 2 ein Gebührenurlaub verbraucht wurde oder die Dienstnehmerin durch Krankheit oder Unglücksfall an der Dienstleistung verhindert war.
…
Abs. 3: Die Dienstnehmerin hat Beginn und Dauer der Karenz dem Dienstgeber bis zum Ende der Frist des § 5 Abs. 1 bekannt zu geben. …
Abs. 4: Wird Karenz nach Abs. 1 und 3 in Anspruch genommen, so erstreckt sich der Kündigungs- und Entlassungsschutz nach den §§ 10 und 12 bis zum Ablauf von vier Wochen nach Beendigung der Karenz. Hat der andere Elternteil keinen Anspruch auf Karenz und nimmt die Dienstnehmerin Karenz zu einem späteren Zeitpunkt in Anspruch, so beginnt der Kündigungs- und Entlassungsschutz mit der Bekanntgabe, frühestens jedoch vier Monate vor Antritt der Karenz.
In der Entscheidung vom , RV/0243-F/13, erwog der unabhängige Finanzsenat:
"Die VO (EG) Nr. 883/2004 knüpft nicht an den Arbeitnehmerbegriff der alten Verordnung (EG) 1408/71 an, sondern an die Ausübung einer Beschäftigung. Darunter ist eine rechtmäßige, erlaubte Tätigkeit gegen Arbeitsentgelt zu verstehen. Nach nationalem, österreichischem Recht erfüllen alle beschäftigten ASVG-Versicherten über der Geringfügigkeitsgrenze das Begriffserfordernis. Gemäß Art. 1 der in Geltung stehenden VO (EG) bezeichnet der Ausdruck "Beschäftigung" jede Tätigkeit oder gleichgestellte Situation, die für die Zwecke der Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit des Mitgliedstaats, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird oder die gleichgestellte Situation vorliegt, als solche gilt (vgl. ).
Als eine einer Beschäftigung gleichgestellte Situation gilt der Bezug einer Geldleistung aufgrund oder infolge einer Beschäftigung. Dazu gehören etwa der Bezug von Krankengeld, Wochengeld und anderen Leistungen, die aus einer unselbständigen Tätigkeit gebühren. Nicht darunter fallen freiwillige Versicherungen, Familienbeihilfen- oder Kinderbetreuungsgeldbezug sowie Sozialhilfebezug. Der Bezug von Leistungen bei Arbeitslosigkeit (Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, Weiterbildungsgeld) ist im Bereich des anwendbaren Rechts (Art. 11) einer Beschäftigung gleichgestellt, aber es bestehen dort Sonderregelungen.
Unter Karenz versteht man die arbeitsrechtliche Freistellung von der Arbeitsleistung anlässlich der Geburt eines Kindes gegen Entfall der Bezüge ohne Sozialversicherung. Die österreichische gesetzliche Karenz nach dem Mutterschutz- oder Väterkarenzgesetz ist der Ausübung einer Beschäftigung gleichgestellt. Vereinbarungen zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer über zusätzliche Freistellungen, die über die Dauer der gesetzlichen Karenz nach dem Mutterschutz- oder Väterkarenzgesetz (bis maximal zum 2. Geburtstag) hinausgehen, sind Sonderurlaube, die nicht unter die Gleichstellung mit der Ausübung einer Beschäftigung fallen (vgl. Csaszar/ Lenneis/Wanke, FLAG, Durchführungsrichtlinien zum FLAG 1967, BGBl. Nr. 376/1967 idF BGBl. Nr. 131/2008, 4.1.1.1., 4.1.1.2.). …
Ab dem am endenden Mutterschutz befand (und befindet) sich die Berufungswerberin laut Aktenlage in der gesetzlichen Karenz. Da die österreichische gesetzliche Karenz, wie schon ausgeführt, der Ausübung einer Beschäftigung gleichgestellt ist, gebührt der Berufungswerberin auch ab Februar 2013 bis jedenfalls zum zweiten Geburtstag K2´s die Familienbeihilfe für sie."
Wurde das 1. Kind der Bf. Mitte Dezember 2014 geboren, endete die gesetzliche Karenzzeit Mitte Dezember 2016 und wurde das 2. Kind am tt. Jänner 2017 geboren, trifft das Beschwerdevorbringen zu,
- dass sich die Bf. noch in gesetzlicher Karenz befand, als das Beschäftigungsverbot von 8 Wochen vor der Entbindung gemäß § 3 MSchG bereits maßgeblich wurde,
- dass die Bf. auf Grund des Beschäftigungsverbots gemäß § 3 Abs. 1 MSchG Mitte Dezember ihre Beschäftigung nicht aufnehmen durfte, da dieser das gesetzliche Verbot entgegenstand,
- dass an das gesetzliche Beschäftigungsverbot die gesetzliche Karenz nach MSchG anschloss.
Der Bestätigung des Arbeitgebers M. Austria Handels GmbH vom folgend lag in diesem Zeitpunkt ein ungekündigtes, unbefristetes Dienstverhältnis vor.
Am , somit knapp vor Ablauf der gesetzlichen Karenz, setzte die Bf. ihre (lediglich durch gesetzliche Karenz-/Mutterschutzzeiten unterbrochene) nichtselbständige Tätigkeit bei der M. Austria Handels GmbH fort (Abgabeninformationssystemabfrage).
Demgemäß befand sich die Bf. ab Mitte Dezember 2017/Jänner 2018 in einer der Ausübung einer Beschäftigung gleichgestellten Situation.
Daher war spruchgemäß zu entscheiden.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Mit gegenständlichem Erkenntnis wurde nicht über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung entschieden. Feststellungen auf der Sachverhaltsebene betreffen keine Rechtsfragen und sind grundsätzlich keiner Revision zugängig.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | Art. 11 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1 § 3 Abs. 1 MSchG, Mutterschutzgesetz 1979, BGBl. Nr. 221/1979 § 5 Abs. 1 MSchG, Mutterschutzgesetz 1979, BGBl. Nr. 221/1979 § 15 MSchG, Mutterschutzgesetz 1979, BGBl. Nr. 221/1979 § 53 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7103381.2018 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at