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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 07.09.2020, RV/7103472/2020

Haftung gemäß § 9a BAO; Zurückverweisung gemäß § 278 BAO

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Dr. Ralf Heinrich Höfler, Untere Viaduktgasse 6/6, 1030 Wien, betreffend Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 4/5/10 vom betreffend Haftung gemäß § 9a iVm. § 80 BAO beschlossen:

Der angefochtene Haftungsbescheid vom und die diesbezügliche Beschwerdevorentscheidung vom werden gemäß § 278 Abs. 1 BAO aufgehoben. Die Sache wird gemäß § 278 Abs. 1 BAO an das Finanzamt zurückverwiesen.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Mit Bescheid vom wurde der Beschwerdeführer als faktischer Machthaber (Geschäftsführer) gemäß § 9a iVm § 80 BAO für aushaftende Umsatzsteuernachforderungen für den Zeitraum 01/2014-12/2014 und 01-08/2014 der ***S*** GmbH in Höhe von insgesamt € 4.943,28 zur Haftung herangezogen.

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass im Rahmen einer Außenprüfung bei der Firma ***S*** GmbH festgestellt worden sei, dass nicht die im Firmenbuch eingetragene Geschäftsführerin Fr. ***1*** die Geschäfte des Unternehmens leite, sondern der Bf.

Nach dessen eigenen Angaben im Rahmen einer Erhebung würde er in Abwesenheit der Geschäftsführerin die Geschäfte des Unternehmens führen. Da diese jedoch nicht der deutschen Sprache mächtig sei und sich auch kaum in Österreich aufhalte, der Bf. daher im Rahmen von Überprüfungshandlungen der Behörde stets als Übersetzer und Ansprechpartner fungiere, lasse den Schluss zu, dass diese gar nicht in der Lage sei, die Geschäfte des Unternehmens zu leiten.

Von Mitarbeitern des Unternehmens sei weiters angegeben worden, dass der Bf. die Arbeiten eingeteilt und die Löhne ausbezahlt habe.

Insgesamt werde daher festgestellt, dass der Bf. als faktischer Machthaber der Firma ***S*** GmbH sei. Als solcher unterliege er im Falle der Uneinbringlichkeit von Abgaben der GmbH zufolge Nichterfüllung abgabenrechtlicher Pflichten der Haftung gemäß § 9a BAO.

Ermessensentscheidung: Der Haftungsbescheid sei unter Abwägung von Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen (§ 20 BAO) verfügt worden. Im vorliegenden Fall überwiege das Interesse an der Rechtsrichtigkeit das Interesse auf Rechtsbeständigkeit.

In der gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde wurde ausgeführt, dass mit nunmehr angefochtener Entscheidung dem Bf. der Vorwurf unterstellt werde, er sei als ehemaliger Dienstnehmer faktischer Machthaber (Geschäftsführer) des haftungspflichtigen Unternehmens ***S*** GmbH gewesen und hafte er demnach für Umsatzsteuer im Zeitraum 01/2014 - 08/2015 in Höhe von Euro 4.943,28.

Als Begründung führe die Behörde lediglich kursorisch an, im Rahmen einer Außenprüfung sei die Feststellung der tatsächlichen Geschäftsführung durch den Bf. erhoben worden. Der Bf. habe als Übersetzer und Ansprechpartner fungiert, woraus der Schluss gezogen werde, dass die im Firmenbuch eingetragene Geschäftsführerin gar nicht in der Lage sei, die Geschäfte des Unternehmens zu leiten.

Die Behörde stelle die Angelegenheit so dar, als würde unzweifelhaft die tatsächlich nicht bestehende seinerzeitige Tätigkeit des Bf. als (faktischer) Geschäftsführer feststehen.

Tatsächlich fuße das Verfahren gegen den Bf. auf einer im November 2015 eingehenden anonymen und sohin nicht verwertbaren Anzeige, wonach der Bf. die Arbeitseinteilung und anderes übernommen habe.

Dies sei im Übrigen nicht verwunderlich, wäre doch der Bf. als Hilfspolier angestellt gewesen, sohin er befugt gewesen sei, anderen Arbeitnehmer auf dem Arbeitsplatz Weisungen zu erteilen und habe der Bf. auch als dolmetschende Person für die im Firmenbuch eingetragene tatsächliche Geschäftsführerin fungiert.

Weitere Verdachtsmomente ergäben sich laut Behörde aus dem Umstand, dass die im Firmenbuch eingetragene Geschäftsführerin der deutschen Sprache nicht mächtig sei, sich kaum in Österreich aufgehalten habe und seit längerem für die Behörde nicht greifbar sei.

Die Argumente der den Bescheid erlassenen Behörde vermögen nicht zu überzeugen:

Die im Firmenbuch eingetragene Geschäftsführerin habe mehrere teils mündlichen Ladungen der Behörde keine Folge geleistet. Die Person, die die Buchhaltung für das insolvente Unternehmen geführt habe, habe der Behörde im November 2015 telefonisch mitgeteilt, dass die Geschäftsführerin vor kurzem bei ihr gewesen sei und laufend mit ihr Kontakt unterhalte.

Bereits hieraus erhellt sich, dass die im Firmenbuch eingetragene Geschäftsführerin faktisch sehr wohl ihre Geschäftstätigkeit für das abgabenpflichtige Unternehmen ausgeübt habe und nicht bloß vorgeschoben worden sei.

Die Tatsache der eher mangelnden Deutschkenntnisse treffe auf eine Unzahl von in dem Firmenbuch eingetragenen Geschäftsführern zu und könne daher als Argumentation nicht schlüssig herangezogen werden.

Dass die im Firmenbuch eingetragene Geschäftsführerin sich der Behörde mehr oder minder entziehe, jedenfalls Ladungen der Behörde nicht Folge leiste, lasse den Schluss eines inkriminierenden Verhaltens eben dieser Person zu, zumal sich bei einer Kontrolle am auf einer Baustelle in ***Ort1*** mutmaßlich bei dem Unternehmen beschäftigte Personen der Kontrolle durch Flucht entzogen hätten. Keinesfalls sei der von der Behörde offensichtlich angezogene Schluss, die im Firmenbuch eingetragene Geschäftsführerin leiste Ladungen keine Folge, weil sie in das Unternehmen gar nicht faktisch integriert sei, zulässig. Tatsächlich gebe es viele andere Denkvarianten, warum die im Firmenbuch eingetragene Geschäftsführerin bei der den Bescheid erlassenen Behörde eben nicht vorstellig geworden sei.

Selbst wenn gegebenenfalls eine Verdachtslage (zu Unrecht) bestünde, dass die im Firmenbuch eingetragene Geschäftsführerin "lediglich vorgeschoben worden sei", so sei der von der Behörde hieraus gezogene Schluss der faktischen Geschäftsführung des Bf. ohne konkrete Verdachtsmomente nicht zu lässig.

Im (faktischen) Geschäftsleben verhalte es sich eben oftmalig so, dass die der deutschen Sprache mächtigen Vorarbeiter in ihren Aufgabengebiet fallende Dienstanweisungen erteilten und auch zeitweise Löhne ausbezahlten. Mit der für eine Heranziehung erforderlichen Sicherheit lasse sich hieraus die Machthabereigenschaft, geschweige denn diejenige des Bf., nicht ableiten.

Der Bf. erkenne im Übrigen eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens darin, dass mit Ausnahme des Versuches, die im Firmenbuch eingetragene tatsächliche Geschäftsführerin zu vernehmen, es die Behörde unterlassen habe, sonstige Personalbeweise, wie beispielsweise die Anhörung der steuerrechtlichen Vertretung des Unternehmens, aufzunehmen.

Eine weitere Mangelhaftigkeit werde in dem Umstand erblickt, dass den Bf. vor Erlassung des Haftungsbescheides keine Möglichkeit des rechtlichen Gehörs eingeräumt worden sei. Zudem wäre die Behörde verhalten gewesen, den Bf. vor Erlassung des Haftungsbescheides zu laden und zu den angezogenen Vorwürfen zu befragen.

Es werde daher der Beschwerdeantrag gestellt, dem Rechtsmittel gegen den angezogenen Haftungsbescheid Folge zu geben und den erstinstanzlich ausgestellten Haftungsbescheid ersatzlos zu beheben.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab und führte aus, dass im Zuge der Betriebsprüfung vom der Bf. angegeben habe, dass er bei Abwesenheit der Geschäftsführerin die Geschäfte der "***S*** GmbH" ausführe. Laut weiteren Erhebungen im Zuge der Prüfung sei festgestellt worden, dass die handelsrechtliche Geschäftsführerin ***1*** dauerhaft ortsabwesend und der Bf. de facto der Geschäftsführer gewesen sei.

Dies werde auch noch dadurch unterstützt, dass der Bf. bereits Einzelunternehmer gewesen sei.

Da nach Ansicht des Finanzamtes der Bf. die Geschäftsführertätigkeit ausgeführt habe, sei die Haftungsinanspruchnahme zu Recht erfolgt und das Ansuchen wäre abzuweisen gewesen.

Dagegen beantragte der Bf. mit Schriftsatz vom die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht, ohne das bisherige Vorbringen zu ergänzen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Soweit Personen auf die Erfüllung der Pflichten der Abgabepflichtigen und der in den §§ 80 ff. BAO bezeichneten Vertreter tatsächlich Einfluss nehmen, haben sie diesen Einfluss gemäß § 9a Abs. 1 BAO dahingehend auszuüben, dass diese Pflichten erfüllt werden.

Die in Abs. 1 bezeichneten Personen haften gemäß § 9a Abs. 2 BAO für Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge ihrer Einflussnahme nicht eingebracht werden können.

Das Finanzamt führt zur Begründung für die Annahme der de-facto Geschäftsführertätigkeit des Bf. aus, dass er nach dessen eigenen Angaben im Rahmen einer Erhebung in Abwesenheit der Geschäftsführerin die Geschäfte des Unternehmens führen würde. Da diese jedoch nicht der deutschen Sprache mächtig sei und sich auch kaum in Österreich aufhalte, der Bf. daher im Rahmen von Überprüfungshandlungen der Behörde stets als Übersetzer und Ansprechpartner fungiere, lasse den Schluss zu, dass diese gar nicht in der Lage sei, die Geschäfte des Unternehmens zu leiten.

Von Mitarbeitern des Unternehmens sei weiters angegeben worden, dass der Bf. die Arbeiten eingeteilt und die Löhne ausbezahlt habe.

Feststellungen in der Niederschrift über die Schlussbesprechung gemäß § 149 Abs. 1 BAO und Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung gemäß § 150 BAO vom :

"Das Unternehmen ***S*** GmbH wurde mit ***Datum1*** im Firmenbuch eingetragen.

Damalige Geschäftsführerin war Frau ***2***.

Mit ***Datum2*** fand ein Wechsel der Firmenadresse von ***Fa-Adresse1*** nach ***Fa-Adresse2*** sowie ein Geschäftsführerwechsel statt. Neue Geschäftsführerin der GmbH ist Frau ***1***. Frau ***1*** ist lediglich mit einem Nebenwohnsitz ab in Österreich gemeldet (***Fa-Aresse2***!).

Durch das BV25 wurde im Jahr 2015 eine Present Observation durchgeführt:

Das Erhebungsorgan war mehrmals an der laut Aktenlage bekannten Firmensitzadresse. Es brauchte jedoch mehrere Versuche, bis jemand dort angetroffen werden konnte - Herr ***Bf1***.

Dieser gab an, ein Mitarbeiter des Unternehmens zu sein (Polier) und dass die Geschäftsführerin Frau ***1*** nicht ständig in Österreich verweile und er für diese Zeit die Geschäfte führe.

Es ist anzumerken, dass Herr ***Bf1*** sich selbst im Privatkonkurs befindet und sein Finanzamtskonto einen hoher Rückstand ( ca 200.000 €) aufweist.

Mit der Geschäftsführerin Frau ***1*** wurde im Rahmen der o.a. Erhebung nach einigen fehlgeschlagenen Terminvereinbarungen eine Niederschrift aufgenommen. Vorzulegende Unterlagen für den Nachweis einer Geschäftstätigkeit des Unternehmens wurden nicht vorgelegt.

Bei der Erstellung der Niederschrift war ebenfalls Herr ***Bf1*** anwesend, da er als Übersetzer für Frau ***1*** fungierte, die der deutschen Sprache nicht mächtig ist. Ebenfalls anwesend war Frau ***O***, Buchhalterin des geprüften Unternehmens. Auch Frau ***O*** ist bereits amtsbekannt (Rückstandsausweis am Finanzamtskonto und teilweise "Vertretung" von Betrugsverdächtigen Unternehmen).

Da zum Zeitpunkt der Present Observation der Nachweis einer betrieblichen Tätigkeit nicht erbracht wurde, wurde die UID-Nummer begrenzt und der FinanzOnline-Zugang gesperrt und der Fall auf den Jahresprüfungsplan Umsatzsteuersonderprüfung gesetzt.

Die Anmeldung zur Umsatzsteuersonderprüfung erfolgte telefonisch bei der steuerlichen Vertretung. Dabei kam hervor, dass anstatt der Geschäftsführerin Herr ***Bf1*** als Ansprechpartner bei der Prüfung fungieren solle. Da lt. Firmenbuch eine Vertretung des Unternehmens durch Mitarbeiter nicht vorgesehen ist, wurde die Geschäftsführerin schriftlich zur Prüfungseröffnung vorgeladen.

Zum vereinbarten Termin sind weder die Steuerberaterin noch die Geschäftsführerin zur Prüfungseröffnung erschienen, sodass die Prüfung zeitgleich durch die Betriebsprüfung eröffnet wurde.

Angesichts offensichten Unvermögens der im Firmenbuch eingetragenen Geschäftsführerin die Geschäfte des Unternehmens zu leiten, wurden durch die Betriebsprüfung Überlegungen angestellt, wer tatsächlich - wenn dem so ist - die Geschäfte des Unternehmens führt.

lm Rahmen von Kontrollen der Finanzpolizei kam hervor, dass tatsächlich Arbeitnehmer der GmbH (darunter auch Hr. ***Bf1***) auf diversen Baustellen für die "***S*** GmbH" tätig waren.

Im Rahmen einer Anzeige vom ging eine Anzeige eines Arbeitnehmers des geprüften Unternehmens ein, aus der unter anderem hervorging, dass es ein Herr ***Bf*** war, der die Arbeiten einteilte und die Löhne ausbezahlt. Es wurde weiters durch ihn angegeben, er wurde von Herrn ***Bf*** angehalten, vor Behörden anzugeben, dass diese Tätigkeiten durch die Geschäftsführerin, Fr. ***1*** durchgeführt werden wären.

Es wurde eine neuerliche Dienstnehmerabfrage durchgeführt, bei der hervorkam. dass mittlerweile keine Dienstnehmer mehr beschäftigt waren.

Mit erging der Beschluss über den Konkursantrag der ***S*** GmbH.

Auch dem Masseverwalter liegen keinerlei Unterlagen über das Unternehmen vor.

Ein Kontakt zu Frau ***1*** herzustellen, gelang auch dem Masseverwalter nicht.

Tz. 2 Haftung gem. § 9a BAO

Wie aus den obigen Ausführungen entnommen werden kann, kann davon ausgegangen werden, dass die Geschäftsführung nicht durch die im Firmenbuch eingetragene Geschäftsführerin, Fr. ***1*** erfolgte, auch weil die Geschäftsführerin nur mit Nebenwohnsitz (an der Firmensitzadresse) gemeldet (seit diese Geschäftsführerin ist) ist, diese kaum bis gar nicht der deutschen Sprache mächtig ist, sie sich kaum in Österreich aufgehalten hat und seit längerem für die Behörde nicht greifbar ist.

Da jedoch tatsächlich Umsätze("Bauleistungen) im Rahmen der "***S*** GmbH" erzielt wurden, war durch die Betriebsprüfung der tatsächliche Machthaber des Unternehmens festzustellen.

Dazu wird ausgeführt. dass Herr ***Bf1*** tritt immer wieder namentlich auftritt. Er selbst befindet sich in Privatkonkurs, hat einen hohen Rückstand als Einzelunternehmer beim Finanzamt und darf kein Unternehmen mehr führen.

Wie bereits oben erwähnt, wurde die tatsächliche Geschäftsführung durch ihn vorgenommen (Einteilung der Arbeitnehmer, Auszahlung der Löhne, Ansprechpartner für Behörden. usw.).

Als faktischer Machthaber der "***S*** GmbH" unterliegt er im Falle der Uneinbringlichkeit von Abgaben der GmbH zufolge Nichterfüllung von abgabenrechtlichen Pflichten (hier: Entrichtung von Vorauszahlungen für Umsatzsteuer) der Haftung gem. § 9a BAO.

Es erfolgt daher die Haftungsinanspruchnahme mittels Bescheid."

Dem Bf. ist zwar zuzugestehen, dass der Bf. als Polier befugt war, anderen Dienstnehmern Weisungen zu erteilen, jedoch kann aufgrund der Ausführungen in der Niederschrift die Eigenschaft als faktischer Machthaber nicht von vornherein ausgeschlossen werden.

Faktum ist jedoch, dass das Finanzamt keine konkreten Feststellungen zur de-facto-Geschäftsführereigenschaft des Bf. getroffen hat, insbesondere keine entsprechenden Ermittlungen dahingehend angestellt hat.

Weder wurde der Bf. selbst, die Geschäftsführerin, die Buchhalterin und insbesondere ehemalige Angestellte einvernommen, noch geklärt, wer auf den Bankkonten der GmbH zeichnungsberechtigt war, wer mit den Kunden in Kontakt getreten ist, wohin die Zahlungen der Kunden geflossen sind etc.

Erst durch entsprechende Ermittlungen kann geklärt werden, ob der Bf. faktischer Machthaber war und tatsächlich Einfluss auf Erfüllung der Pflichten der Primärschuldnerin und deren Vertreter nehmen konnte.

Darüber hinaus ist noch zusätzlich auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, dass ein Ausspruch der Haftung rechtwidrig ist, wenn keine Aufgliederung auf die einzelnen Voranmeldungszeiträume gegenüber dem Haftungspflichtigen erfolgt ist und er deswegen dafür keinen Gleichbehandlungsnachweis erbringen hätte können (vgl. ).

Dem Bf. wurde die Umsatzsteuer für den Zeitraum 01/2014-08/2015 in einem Betrag bekannt gegeben. Der Bf. wurde damit aber von der Abgabenbehörde nicht in die Lage gesetzt, konkret vorzubringen, weshalb er welche Abgabe nicht (vollständig) abgeführt oder entrichtet habe, und so den ihm auferlegten Entlastungsbeweis zu erbringen.

Es muss dem Haftungspflichtigen von der Behörde über den haftungsgegenständlichen Abgabenanspruch Kenntnis in einer Weise verschafft werden, dass die Prüfung der Richtigkeit der Abgabenfestsetzung möglich ist und die Positionen der Rechtsverteidigung des herangezogenen Haftenden gegen den Anspruch nicht schwächer sind als diejenigen, die der Abgabepflichtige gegen den Abgabenbescheid einzunehmen in der Lage ist (vgl. ; ). Werden dem Beschwerdeführer die Grundlagen des Abgabenanspruches unvollständig zur Kenntnis gebracht, ist dadurch eine Behinderung seiner Verteidigungsrechte auch im Beschwerdeverfahren gegen den Haftungsbescheid zu sehen (vgl. auch ).

Wird dies unterlassen, liegt ein Mangel des Verfahrens vor, der im Verfahren über die Beschwerde gegen den Haftungsbescheid nicht sanierbar ist (siehe dazu u.a.).

Dass dem Haftungsbescheid der (die) zugrundeliegenden Abgabenbescheide beigelegt wurden, ist nicht ersichtlich.

Zurückverweisung:

Gemäß § 278 BAO kann das Verwaltungsgericht bei unterlassenen Ermittlungen mit Beschluss die Beschwerde durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Beschwerdevorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erledigen.

Die Aufhebung und Zurückverweisung gemäß § 278 Abs. 1 BAO steht im Ermessen des Gerichtes (vgl. etwa - zur Rechtslage nach § 278 Abs. 1 BAO i. d. F. FVwGG 2012 - ). Zulässig ist sie nach dem Gesetz erstens, wenn Ermittlungen unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können (§ 278 Abs. 1 erster Satz BAO). Die Aufhebung und Zurückverweisung ist zweitens unzulässig, wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (§ 278 Abs. 1 zweiter Satz BAO). Diese im Rahmen der sodann zu fällenden Ermessensentscheidung zu berücksichtigenden positiven und negativen Voraussetzungen sind in rechtlicher Gebundenheit zu prüfen. Das Gericht hat die von ihm vermissten und ins Auge gefassten Ermittlungsschritte zu bezeichnen und zu beurteilen und auch die Frage zu beantworten, ob die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Gericht selbst nicht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre (vgl. ; ; ; ; ; ).

Im anhängigen Verfahren ist die Durchführung der zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen vielfältigen Ermittlungen durch das BFG weder im Interesse der Raschheit gelegen, noch mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden, da das BFG zur Beachtung des Parteiengehörs (115 Abs. 2 BAO) sämtliche Ermittlungsergebnisse der jeweils anderen Verfahrenspartei schriftlich zur Stellungnahme bzw. Gegenäußerung zur Kenntnis zu bringen hat. Im Übrigen müsste das BFG, das über keinen Erhebungsapparat verfügt, die ausstehenden Erhebungsschritte in Hinblick auf den Umfang der nachzuholenden Erhebungen ohnehin gemäß § 269 Abs. 2 BAO durch die Abgabenbehörde durchführen lassen.

Dazu kommt noch, dass nicht ersichtlich ist, dass die Grundlagenbescheide (Umsatzsteuerbescheide) dem Haftungsbescheid beigelegt wurde, somit ohnedies ein durch das BFG nicht sanierbarer Mangel vorliegt.

Es erweist sich die Zurückverweisung der Sache als zweckmäßiger (rascher und kostengünstiger).

Die Aufhebung unter Zurückverweisung dient hier der Verfahrensbeschleunigung und entspricht dem Gebot der angemessenen Verfahrensdauer. Der Bf. erhält schneller und kostengünstiger eine Entscheidung, wenn das Finanzamt nach Aufhebung des angefochtenen Bescheides unter Beachtung der im Aufhebungsbeschluss dargelegten Rechtsansicht des Gerichts neuerlich entscheiden kann (vgl. ).

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die Revision ist nicht zulässig, da sie nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die hier zu lösende Rechtsfrage war durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eindeutig geklärt.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9a Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9a Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 278 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 278 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise










ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7103472.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
DAAAC-25535