Toleranzsemster bei Bachelorstudium
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Regina Vogt in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum Jänner 2018 bis September 2018 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO im Umfang der Beschwerdevorentscheidung vom teilweise Folge gegeben.
Der Rückforderungszeitraum wird auf die Monate März 2018 bis September 2018 eingeschränkt.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Der Sohn der Beschwerdeführerin (Bf.), C, geb. xy, studierte ab dem Wintersemester 2014/2015 das Bachelorstudium Medieninformatik an der TU Wien.
Mit Bescheid vom wurden Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für den Zeitraum Jänner 2018 bis September 2018 zurückgefordert. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Sohn lt. Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2018 vom € 15.647,36 verdient und damit die in § 5 Abs. 1 FLAG normierte Einkommensgrenze von € 10.000.- überschritten habe.
In der Beschwerde vom brachte die Bf. vor, ihr Sohn habe nur rund € 8.600.- verdient.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der Beschwerde teilweise stattgegeben und die Rückforderung auf den Zeitraum März 2018 bis September 2018 eingeschränkt.
Als Begründung wurde folgendes ausgeführt:
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) in der ab 1. Juli2011 gültigen Fassung haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihrengewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, diedas 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildetwerden.Bei Kindern, die eine im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305/1992,genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wennsie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten.
Die Aufnahme als ordentliche Hörerin oder ordentlicher Hörer gilt alsAnspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr.
Familienbeihilfenanspruch besteht nur dann, wenn die Ausbildung ernsthaft und zielstrebig betrieben wird. Dies wird dann anzunehmen sein, wenn die Vorbereitung auf die Ablegung der Prüfungen die volle Zeit des Kindes in Anspruch nimmt und das Kind zu den Prüfungsterminen innerhalb eines angemessen Zeitraums antritt.
Ihr Sohn C studiert seit dem Wintersemester 2014 das Studium Medieninformatik.
Laut vorgelegtem Erfolgsnachweis hat er die letzte Prüfung mit abgelegt. Daher wird Ihnen die Familienbeihilfe für die Monate Jänner und Februar 2018 zuerkannt. Der Zeitraum März 2018 bis September 2018 wird rückgefordert.
Im Vorlageantrag vom brachte die Bf. folgendes vor:
Die Begründung lautet dass mein Sohn im Sommersemester 2018 kein ernsthaftes und zielstrebiges Studium absolviert hat. Mein Sohn hat in diesem Zeitraum zwar keine positiven Prüfungen abgeschlossen allerdings sehr wohl die Universität ernsthaft besucht. Folgende Lehrveranstaltungen(LVA )wurden besucht:
• Informationsdesign und Visualisierung 188.917
• Internet Security 188.366
• Socialiy Embedded Computing 193.030
• Software Engineering und Projektmanagement VO und PR
188.410 und 188.909
Bei diesen Lehrveranstaltungen handelt es sich in Summe um 19 ECTS.
Außerdem liegt auch ein negatives Zeugnis der LVA Software Engineering und Projektmanagement VO 188.909 vom vor (6 ECTS).
Desweiteren möchte ich gerne folgenden Abschnitt aus dem Informationsblatt der ÖH über die Familienbeihilfe zitieren:
Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat Kriterien entwickelt,die für ein ernsthaftes und zielstrebiges Studium sprechenund damit eine Rückforderung der FBH ausschließen.So kann aus negativ beurteilten Prüfungen nicht automatischgeschlossen werden, dass der/die Studierende sein/ihrStudium nicht zielstrebig und ernsthaft betreibt.Der Prüfungserfolg alleine ist nicht für die Zielstrebigkeit undErnsthaftigkeit des Studiums maßgeblich (VwGH vom, 90/14/0108 sowie 98/13/0042).Ein ernsthaftes und zielstrebiges Studium lässt sich alsodurch Prüfungsantritte und positiv absolvierte Prüfungen ,Lehrveranstaltungsbesuche oder Mitschriften nachweisen.Es kann in Ausnahmefällen auch ein ernsthaftes undzielstrebiges Studium vorliegen, ohne dass Prüfungenabgelegt wurden ().
Das Bundesfinanzgericht teilte der Bf. die auf Grund des bis dahin vorliegenden Sachverhaltes vertretene Rechtsaufassung mit Mail vom (auszugsweise) mit:
Das Finanzamt vertritt nun die Meinung, dass Ihr Sohn im Sommersemester 2017/2018 nicht ernsthaft und zielstrebig studiert habe und dass deswegen die Familienbeihilfe für März bis September 2018 nicht zustehe.
Es übersieht aber dabei, dass der Bezug der FB auch zeitlich begrenz ist. Dies ist ebenfalls in § 2 Abs.1 ilt.b FLAG geregelt und zwar folgendermaßen:
Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 BGBl 305 genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten.
Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden.
Die Studienzeit wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (zB Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert.
Dabei bewirkt eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester.
Ist das Studium nach den maßgeblichen Studienvorschriften in Semester gegliedert, ist eine Berufsausbildung iSd FLAG nur dann anzunehmen, wenn die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester überschritten wird. Bei Studien, die zwar in Semester, aber nicht in Studienabschnitte gegliedert sind (s Rz 79), steht daher nur ein Toleranzsemester zu (s UFS 23.7.2012, RV/0584-I/11; UFS 23.11.2012, RV/2809-W/12).
C hat das Studium an der TU im WS 2014/2015 begonnen, das Studium Medieninformatik dauert 6 Semester, wäre daher mit Ende Sommersemester 2017 beendet gewesen. Rechnet man ein Toleranzsemester dazu, wäre dies das WS 2017/2018. Für das SS 2018 würde FB nur dann zustehen, wenn C wegen eines unvorhergesehenen, unabwendbaren Ereignisses, das während des Studiums aufgetreten ist, verhindert war, das Studium rechtzeitig zu beenden.
Wenn eine zumindest 3-monatige Krankheit vorgelegen hat, so weisen Sie dies bitte an Hand einer ärztlichen Bestätigung nach.
Falls ein Auslandssemester absolviert wurde, ersuche ich um entsprechende Bestätigung der Uni.
Sollte es keinen Grund geben, die Studiendauer über das WS 2017/2918 hinaus zu verlängern, wäre die Rückforderung für März bis September zulässig.
Der Rückforderungsbetrag würde sich auf € 1.564,50 verringern. Grs. gibt es die Möglichkeit beim Finanzamt um Nachsicht gem. § 236 Bundesabgabenordnung anzusuchen.
Der Sohn ergänzte daraufhin die bisherigen Ausführungen der Bf. mit Mail vom wie folgt:
Die Situation sieht wie folgt aus:
Ich habe eigentlich von Anfang mein Studium an nebenbei arbeiten müssen um mir mein Leben zu finanzieren, Studienbeihilfe habe ich nicht bekommen weil meine Eltern angeblich zu viel verdient haben. Ich habe dann damals Anfangs 2018 meine Teilzeitstelle verloren und war dann eine Zeit lang auf Arbeitssuche während ich das Studium natürlich weiter gemacht habe. Im Wissen, dass ich die Familienbeihilfe nur bis Ende Sommersemester 2018 bekomme habe ich mich dazu entschieden mir gleich einen Job zu suchen wo das Verhältnis Arbeit zu Studium mehr Richtung Arbeit tendiert. Ich habe dann Anfang Juli begonnen Vollzeit (später 30h) zu arbeiten.
Die geschah alles während ich noch weiter studierte. In dem Semester hatte ich dann durch die Mehrbelastung es leider nicht geschafft Prüfungen positiv abzuschließen und ich habe mich aus einigen Lehrveranstaltung frühzeitig abgemeldet um ein negatives Zeugnis zu vermeiden, da ich natürlich nicht unendlich Antritte habe in den Lehrveranstaltungen. Laut dem Finanzministeriums ist offenbar das mein größter Fehler gewesen, da ich somit laut denen keinen Nachweis habe.
Die vorzeitige Abmeldung erfolgte gerade WEIL ich ein zielstrebiges Studium verfolge und nicht anders herum. Wenn es mir egal wäre, dann hätte ich die negativen Zeugnisse einfach kassiert und hätte mich nicht darum gekümmert.
Für dieses Semester habe ich folgende negative Zeugnisse:
Software Engineering und Projektmanagement PR 188.909 (6 ECTS)
Desweiteren habe ich folgende Lehrveranstungen besucht:
Software Engineering und Projektmanagement VO 188.410 (3 ECTS)
Internet Security 188.366 (3 ECTS)
Informationsdesign und Visualisierung 188.917 (3 ECTS)
Socially Embedded Computing 193.030 (3 ECTS)
Software Engineering und Projektmanagement VO 188.410 (3 ECTS) ist eine reine Vorlesung OHNE Anwesenheitskontrolle mit einer Prüfung am Ende die man frei wählen kann welche ich aber in diesem Semester nicht gemacht habe.
Aus den anderen 3 LVAs habe ich mich wie oben beschrieben früh genug zurück gezogen, da es mangels an Zeit nicht wahrscheinlich war diese positiv abzuschließen.
Aus einem Informationsblatt der ÖH zu der Familinbeihilfe habe ich auch folgendes gefunden und so dem Finanzministerium weitergeleitet:
Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat Kriterien entwickelt, die für ein ernsthaftes und zielstrebiges Studium sprechen und damit eine Rückforderung der FBH ausschließen. Sokann aus negativ beurteilten Prüfungen nicht automatisch geschlossen werden, dass der_die Studierende sein_ihr Studium nicht zielstrebig und ernsthaft betreibt.
Der Prüfungserfolg alleine ist nicht für die Zielstrebigkeit und Ernsthaftigkeit des Studiums maßgeblich ( sowie ).
Ein ernsthaftes und zielstrebiges Studium lässt sich also durch Prüfungsantritte, positiv absolvierte Prüfungen, Lehrveranstaltungsbesuche oder Mitschriften nachweisen. Es kann in Ausnahmefällen auch ein ernsthaftes und zielstrebiges Studium vorliegen, ohne dass Prüfungen abgelegt wurden ().
Ich weiß, dass dieses Semester für mich absolut nicht optimal gelaufen ist durch mehrere Faktoren die ich so natürlichauch nicht vorhergesehen habe und mein Ziel war natürlich nicht das Finanzministerium um die Familienbehilfe zu "betrügen".
Ich bitte Sie auch meine Seite zu verstehen, denn meiner Meinung nach habe ich ein zielstrebiges und ernsthaftes Studium verfolgt. Ich kann nichts dafür, dass meine Familie nicht wohlhabend genug ist mich ohne Ende durchzufüttern, sodass ich mir keine Sorgen machen muss um die Finanzierung meines Studiums. Zusätzlich kamen dann ja auch noch drohende Studiengebühren da es abgeschafft wurde dass berufstätige Studenten keine Gebühren zahlen müssen. Ausserdem habe ich meiner Ansicht nach gut gehandelt mich von Lehrveranstaltugen frühzeitig abzumelden um kein negatives Zeugnis zu erhalten und es nicht einfach wie erwähnt so laufen zu lassen weil es mir egal ist. Die Argumentation des Finanzministeriums, dass es besser wäre die negativen Zeugnisse zu sammeln finde ich absurd.
Der Stellungnahme der belangten Behörde vom ist zu entnehmen, dass es offenbar Verwaltungspraxis ist, im Fall eines Bachelorstudiums zwei Toleranzsemester zu gewähren.
Ergänzend zum Sachverhalt ist auszuführen, dass der Sohn der Bf. lt. vorliegendem Lohnzettel im Jahr 2018 bei der Fa. SV-CB von Juli 2018 bis Dezember 2018 brutto € 19.752,2 und bei der Fa. M GmbH von bis brutto € 3.335,99 verdient hat.
In einer ergänzenden E-Mail vom teilte der Sohn der Bf. dem Bundesfinanzgericht mit, dass der Zeitpunkt seiner An-und Abmeldung zu Prüfungen im Sommersemester 2018 seitens der Uni nicht (mehr) festgestellt werden könne.
Wie dem Akt zu entnehmen ist, hat der Sohn der Bf. auch im Jahr 2017 bei der Fa.
M GmbH gearbeitet und dort als Teilzeitbeschäftigter im Zeitraum 1.1.-31.12. brutto € 11.837.- verdient.
In diesem Zeitraum hat er lt. vorgelegtem Studienerfolgsnachweis bei 5 Prüfungen insges. 15 ECTS Punkte erreicht.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Folgender Sachverhalt wird als erwiesen angenommen und der Entscheidung zu Grunde gelegt:
Dem Sohn der Bf. hat im Studienjahr 2016/2017 insges. 18 ECTS Punkte erreicht.
Im Wintersemester 2017/2018 hat er Veranstaltungen an der Uni im Ausmaß von 8 Semesterstunden besucht und bei positiv abgelegten Prüfungen 9 ECTS Punkte erzielt.
Im Sommersemester 2018 hat er sich zunächst für vier Lehrveranstaltungen angemeldet, ist jedoch nur zu einer Prüfung angetreten, die negativ beurteilt wurde.
Von drei Lehrveranstaltungen hat er sich wieder abgemeldet.
Im Jahr 2018 stand er in zwei Beschäftigungsverhältnissen und zwar von bis und von bis .
Strittig ist, ob der Bf. für den Zeitraum März 2018 bis September 2018 Famileibeihilfe und Kinderabsetzbeträge zustehen.
Wie dem Vorlagebericht zu entnehmen ist, berechnete die belangte Behörde im Zuge der Erstellung der Beschwerdevorentscheidung das für den Bezug der Familienbeihilfe relevante Einkommen offenbar neu und gelangte zur Ansicht, dass die im Familienlastenausgleichsgesetz für den Bezug schädliche Einkommenshöhe nicht erreicht wurde.
In der Beschwerdevorentscheidung wird daher auf die Einkommenshöhe nicht mehr eingegangen, sondern die Abweisung-nunmehr nur für den Zeitraum März 2018 bis September 2018- lediglich damit begründet, dass das Studium in diesem Zeitraum nicht ernsthalft betrieben worden sei.
Diese in der Beschwerdevorentscheidung vertretene Rechtsausauffassung wird auch in der Stellungnahme der belangten Behörde im Zuge der Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht aufrecht erhalten.
Lt. einer mit der Vorlage übermittelten Einkommensberechnung betrug das hier relevante Einkommen € 9.930,20.-.
Der Studienerfolgsnachweis ab dem Wintersemester 2014/2015 wurde vorgelegt und in diesen Einsicht genommen. Demnach hat der Sohn der Bf. im Wintersemester 2017/2018
Veranstaltungen an der Uni im Ausmaß von 8 Semesterstunden besucht und bei positiv abgelegten Prüfungen 9 ECTS Punkte erzielt.
Im Sommersemester 2018 ist er nur zu einer Prüfung angetreten, die negativ beurteilt wurde.
Lt. dem von der belangten Behörde übermittelten Lohnzettel für das Jahr 2018 stand der Sohn in der Zeit von bis bei der Fa. M GmbH (Bruttoverdienst € 3.335,99) und von bis bei der Fa. SV-CB in Beschäftigung.
Lt. Akteninhalt bzw. dem Lohnzettel für das Jahr 2017 war er auch im Jahr 2017 bei der Fa. M GmbH beschäftigt und hat dort in diesem Zeitraum brutto € 11.837.- verdient.
Lt. Studienerfolgsnachweis wurden im Jahr 2017 fünf Prüfungen mit insges. 15 ECTS Punkten abgelegt.
Lt. Curriculum für das Bachelorstudium "Medieninformatik" an der TU Wien ist für dieses eine Dauer von sechs Semestern vorgesehen.
Rechtlich ist der Sachverhalt wie folgt zu würdigen:
Das Bundesfinanzgericht schließt sich der Auffassung der belangten Behörde, wie sie sowohl in der Beschwerdevorentscheidung als auch im Vorlagebericht zum Ausdruck kommt, an, dass das von C im Jahr 2018 erzielte Einkommen im gegenständlichen Verfahren keine Bedeutung für die Frage hat, ob der Bf. Familienbeihilfe zusteht oder nicht.
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b des Familienlastenausgleichsgesetzes (FLAG) 1967 in der ab geltenden Fassung haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten ….
Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr.
Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder aus Prüfungen von Wahl- und Pflichtfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird ….
Gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen. Gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 ist § 26 FLAG 1967 auch im Falle zu Unrecht bezogener Kinderabsetzbeträge anzuwenden.
Was unter Berufsausbildung zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht näher definiert. In ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. zB ; ; ) sind unter diesem Begriff jedenfalls alle Arten von schulischer oder kursmäßiger Ausbildung zu verstehen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird, wobei die allgemein bildende Schulausbildung dazu gehört. Dabei muss jedoch auch das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen um den Ausbildungserfolg gegeben sein. Essentieller Bestandteil ist es dabei, dass die vorgesehenen Prüfungen abgelegt werden, wobei es nicht auf die positive Beurteilung ankommt.
Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992BGBl 305 genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten.
3. Satz: Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden.
4. Satz: Die Studienzeit wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (zB Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert.
5. Satz: Dabei bewirkt eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester.
Das vom Sohn der Bf. betriebene Studium ist in Semester gegliedert und dauert lt. dem vorliegenden Curriculum sechs Semester.
Nach der in der Literatur (sh. Wimmer in Czaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 2 Tz 80) vertretenen Ansicht ist bei in Semester gegliederten Studien eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein (Toleranz)Semester überschritten wird. Subsidiär und nur bei Berufsausbildungen an Einrichtungen, die keine Semestereinteilung hätten, dürfe die vorgesehene Ausbildungszeit um maximal ein Ausbildungsjahr überschritten werden, um den Familienbeihilfenanspruch nicht zu verlieren (sh. auch RV/0584-I/11; ). Diese Ansicht korreliert auch mit den Bestimmungen des Sudienförderungsgesetzes 1992. In § 18 Abs 1 StudFG 1992 wird ausdrücklich normiert, dass nur dann, wenn das Studien- oder Ausbildungsjahr nicht in Semester gegliedert ist, auf die vorgesehene Ausbildungszeit zuzüglich eines (hier jedoch nur halben) Studien- oder Ausbildungsjahres abzustellen ist.
Das primäre Abstellen auf Toleranzsemester (und nicht auf "Toleranzjahre") bei allen Studien, die in Semester (und nicht in Ausbildungsjahre) gegliedert sind, ergibt sich nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes auch nach der Einführung der beihilfenrechtlich als zwei getrennt zu betrachtende Studien anzusehenden (sh. ; ) Bachelor- und Masterstudien daraus, dass diese im Ergebnis eine Zweiteilung der vormals bestehenden (einheitlichen, aber in Studienabschnitte gegliederten) Diplomstudien darstellen (sh. § 51 Abs 1 Z 3 UG zu Diplomstudien und § 51 Abs 1 Z 4 und 5 UG zu Bachelor- und Masterstudien). Es kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, dass er mit der Einführung der (in Studiensemester eingeteilten, aber nicht in Studienabschnitte gegliederten) Bachelor- und Masterstudien im Vergleich zu den vormals (und zum Teil immer noch aktuellen gleichartigen) in Semester und Studienabschnitte eingeteilten Diplomstudien die Bezugsdauer der Familienbeihilfe um jeweils ein zweites Toleranzsemester verlängern wollte, was im Ergebnis zu einer sachlich nicht begründbaren ungleichen Behandlung der Studentinnen und Studenten führen würde.
In der Rechtsprechung (vgl. die zur Thematik "Studienwechsel" ergangene Entscheidung , unter Hinweis auf ) wird ebenfalls klar die Rechtsansicht vertreten, dass bei allen Studien, die in Semester eingeteilt sind, regelmäßig auf Semester abzustellen ist. Daraus folgt für die gegenständliche Problematik auf Grund der vergleichbaren gesetzlichen Regelung, dass bei in Semestern eingeteilten Studien die Verlängerung der vorgesehenen Studienzeit (nur) um ein Toleranzsemester bzw bei Bestehen mehrerer Studienabschnitte um eine entsprechende Anzahl von Toleranzsemestern möglich ist. Nur wenn diese Semestereinteilung nicht vorliegen würde, kommt eine Verlängerung um ein Ausbildungsjahr in Frage. Insoweit ist diese Auslegung auch verfassungskonform. Der Verfassungsgerichtshof hat das Abstellen auf Studienabschnitte im Zusammenhang mit § 17 Abs 4 StudFG idF BGBl I 23/1999 nämlich als verfassungswidrig erkannt, da eine Anknüpfung an derartige studienorganisatorische Zufälligkeiten sachlich nicht gerechtfertigt ist (vgl ua).
Der Gesetzestext steht dieser (verfassungskonformen) Auslegung jedenfalls nicht entgegen, da bei in Semestern gegliederten Studien, die nicht in (mehrere) Studienabschnitte unterteilt sind, eben nur ein Studienabschnitt, der (nur) ein Toleranzsemester vermittelt, vorliegt. Für den Beschwerdefall bedeutet dies, dass die Tochter der Bf. ihr Studium bis zum Ende des Wintersemesters 2011/2012 hätte absolvieren müssen (vgl. ).
Das Studium wurde im Wintersemester 2014/2015 begonnen, die vorgesehene Studienzeit lt. Curriculum beträgt sechs Semester, endete daher mit dem Sommersemester 2017, verlängert um ein Toleranzsemester mit Ende des Wintersemesters 2017/2018 .
Ein Verlängerungstatbestand wurde trotz entsprechender Nachfrage seitens des Bundesfinanzgerichtes, nicht nachgewiesen.
Im Sommersemester 2018, d.h. ab März 2018, steht daher keine Familienbeihilfe mehr zu.
Selbst wenn man dieser Literaturmeinung nicht folgt, ist zu prüfen, ob der Sohn der Bf. im Sommersemester 2018 das Studium ernsthaft und zielstrebig betrieben hat.
Tatsache ist, dass er sich von mehreren Vorlesungen abgemeldet hat und nur zu einer Prüfung , im Juni 2018, angetreten ist.
Bei einer Berufsausbildung im Rahmen eines Studiums, d.h. bei Besuch einer in § 3 Studienförderungsgesetz (StudFG) 1992 genannten Einrichtung, sind die Anspruchsvoraussetzungen nur dann erfüllt, wenn die im zweiten bis letzten Satz des § 2 Abs. 1 lit b FLAG näher festgelegten Voraussetzungen vorliegen. Nach dieser Bestimmung gelten die im StudFG 1992 angeführten Regelungen auch für die Gewährung der Familienbeihilfe. Anspruch auf Familienbeihilfe besteht daher nur dann, wenn nach § 16 StudFG 1992 ein günstiger Studienerfolg vorliegt. Ein günstiger Studienerfolg liegt vor, wenn der Studierende
1. sein Studium zielstrebig betreibt,
2. die vorgesehene Studienzeit nicht wesentlich überschreitet und
3. Nachweise über die erfolgreiche Absolvierung von Lehrveranstaltungen und Prüfungen vorlegt (§§ 20 bis 25 StudFG).
Der Familienbeihilfenanspruch für volljährige Kinder hat nach dieser Gesetzesbestimmung somit zur Voraussetzung, dass das volljährige Kind in Berufsausbildung steht. Eine Berufsausbildung liegt dann vor, wenn der Studierende sich nach außen erkennbar ernstlich und zielstrebig um den Studienfortgang und den Studienabschluss bemüht. Ein derartiges Bemühen manifestiert sich nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur im laufenden Besuch der angebotenen Lehrveranstaltungen, sondern und insbesondere auch dadurch, dass die Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, abgelegt werden () bzw zu diesen zumindest angetreten wird ().
Alleine der laufende Besuch von Lehrveranstaltungen reicht somit nicht aus, um eine Berufsausbildung annehmen zu können (zB ).
Im gegenständlichen Fall hat der Sohn der Bf. während des Sommersemesters 2018 nicht einmal laufend Vorlesungen besucht, sondern sich von diesen "aus Zeitgründen" abgemeldet.
Das Ablegen von Prüfungen, die in einem Hochschulstudium nach der jeweiligen Studienordnung vorgesehen sind, stellt einen essentiellen Bestandteil des Studiums und somit der Berufsausbildung selbst dar ().
Wenn die Bf. darauf verweist, dass auch ein ernsthaft und zielstrebig betriebenes Studium ohne Antritt zu Prüfungen vorliegen kann, so gilt dies nur für das erste Studienjahr. Für dieses besteht Anspruch auf Familienbeihilfe schon allein durch die Aufnahme als ordentlicher Hörer, allerdings auch nur dann, wenn das Studium ernsthaft betrieben wird, was etwa durch Vorlesungsmitschriften nachzuweisen ist (siehe das von der Bf. zitierte Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7102450/2011).
Ab dem 2. Studienjahr wird lt. ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung in § 2 Abs. 1 lit. b FLAG (s.o.) auf die Absolvierung von Prüfungen in einem bestimmten Ausmaß abgestellt.
Wenn der Sohn der Bf. ergänzend vorbringt, er habe sich das Studium durch Arbeit finanzieren müssen, so mag dies zutreffen. Führt aber diese, wie vorgebracht wird, "Mehrbelastung", dazu dass keine Vorlesungen besucht und Prüfungen (hier nur eine) absolviert werden, so kann hinsichtlich des Bezuges von Familienbeihilfe nicht von einem ernsthaft und zielstrebig betriebenen Studium ausgegangen werden. Obwohl der Sohn lt. vorliegendem Lohnzettel nur bis in Beschäftigung stand und dann erst wieder ab 1.7. und sich lt. seinen Angaben in der Zwischenzeit auf Arbeitssuche befand, ist auch dadurch offensichtlich, dass in diesem Semester andere Prioritäten vorherrschten als die zielstrebige Absolvierung des Studiums.
Diesen Anschein erweckt auch das Vorbringen, dass er sich im Hinblick auf das zu erwartende Ende des Familienbeihilfenbezuges nach dem Sommersemester 2018 gezielt-und damit scheinbar zeitintensiv- um eine Vollzeitbeschäftigung umgesehen habe.
Zudem war der Sohn auch im gesamten Jahr 2017 bei der Fa. M GmbH teilzeitbeschäftigt und hat dennoch in diesem Zeitraum 15 ECTS Punkte aus fünf Prüfungen erreicht.
Die Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum März 2018 bis September 2018 erfolgte daher zu Recht.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Fall ist eine Revision nicht zulässig, da sich der Umstand, dass im Beschwerdefall nur ein Toleranzsemester zusteht, auf in den oben angeführten UFS-Entscheidungen zitierte einschlägige VwGH-Erkenntnisse stützen lässt.
Auch dass Berufsausbildung nur dann vorliegt, wenn ein Studium ernsthaft und zielstrebig betrieben wird, wurde vom Verwaltungsgerichtshof bereits judiziert.
Wien, am
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7100583.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at