Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 20.05.2020, RV/7101403/2019

Kein Anspruch auf Ausgleichszahlung (FB) für den in Rumänien bei der Großmutter lebenden Sohn

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2020/16/0125. Mit Erk. v. wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit Beschluss vom erledigt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch Ri in der Beschwerdesache Bf., über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien FA vom , betreffend Abweisung des Antrages vom auf Ausgleichszahlung betreffend Familienbeihilfe für den Sohn der Bf für den Zeitraum Jän. 2013 bis März 2018 zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 BAO dahingehend abgeändert, dass sein Spruch zu lauten hat:

Es wird gemäß § 92 BAO i. V. m. §§ 10, 13 FLAG 1967 und Art. 60 Abs. 1 Satz 3 VO 987/2009 festgestellt,

1. dass ein Anspruch der Mutter Bf. , Österreich, auf Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag oder auf Ausgleichszahlung/Differenzzahlung betreffend Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für den Sohn SohnName im Zeitraum Jänner 2013 bis März 2018 nicht besteht,

2. dass der Antrag der Mutter Bf., vom auf Ausgleichszahlung für den im MM.JJJJ geborenen Sohn SohnName als derartiger Antrag zugunsten der Großmutter NameGroßmutter, wohnhaft in Adresse, Adresse1 zu berücksichtigen ist.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist eine (ordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Der im Spruch näher bezeichnete Abweisungsbescheid vom zum Antrag der Beschwerdeführerin (Bf) auf Ausgleichszahlung betreffend Familienbeihilfe wurde begründet wie folgt:

"Da Sie kein Einkommen in Österreich nachgewiesen haben, und auch keinen gemeinsamen Familienwohnsitz mit Name1 (id Folge: Sohn) nachgewiesen haben, kann die Familienbeihilfe nicht gewährt werden."

Gegen diesen Abweisungsbescheid erhob die Bf am Beschwerde wie folgt:
Sie habe bereits zweimal die Unterlagen beim zuständigen Finanzamt (kurz: FA) nachgereicht. Darüber hinaus habe sie für den Zeitraum 1/2013 bis 9/2013 keine Einkommensnachweise, weshalb sie bitte diese Zeiträume zu streichen. Sie arbeite seit 1/2014 in Österreich (vgl. SV-Auszug).

Die abweisende Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom wurde folgendermaßen begründet:

"Gemäß § 2 Abs. 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind, zu deren Haushalt das Kind gehört.

Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

Unter Haushalt ist eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft zu verstehen, wobei es für die Frage nach der Haushaltszugehörigkeit eines Kindes unerheblich ist, wer den Haushalt führt, dem das Kind angehört.

Für die Beurteilung der Haushaltszugehörigkeit ist ausschließlich die Tatsache der Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft von Bedeutung, nicht dagegen das Erziehungsrecht ().

Im Sinne dieses Gesetzes sind Kinder einer Person deren Nachkommen, deren Wahlkinder und deren Nachkommen, deren Stiefkinder oder deren Pflegekinder (§§ 186 und 186 a des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches).

Gemäß § 10 Abs. 3 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 werden die Familienbeihilfe und die erhöhte Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) höchstens für fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt.

Der § 53 FLAG 1967 lautet:

Staatsbürger von Vertragsparteien des Übereinkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) sind, soweit es sich aus dem genannten Übereinkommen ergibt, in diesem Bundesgesetz österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt. Hiebei ist der ständige Aufenthalt eines Kindes in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums nach Maßgabe der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen dem ständigen Aufenthalt eines Kindes in Österreich gleichzuhalten.

Die Verordnung Nr. 883/2004 regelt, welcher Mitgliedstaat für ein und denselben Zeitraum für ein und denselben Familienangehörigen vorrangig zur Gewährung der im jeweiligen Hoheitsgebiet vorgesehenen Familienleistungen verpflichtet ist.

Vorrangig muss grundsätzlich jener Mitgliedstaat die Familienleistungen gewähren, in dem eine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird.

Sind die Elternteile in verschiedenen Mitgliedstaaten erwerbstätig, trifft die vorrangige Verpflichtung zur Gewährung der Familienleistungen jenen Mitgliedsstaat, in dessen Gebiet die Familienangehörigen (Kinder) wohnen.

Sind die Familienleistungen im anderen Mitgliedsstaat höher, besteht dort gegebenenfalls ein Anspruch auf Gewährung des Differenzbetrages (Verordnung [EG] Nr. 883/2004 in Verbindung mit DVO [EG] 987/2009).

Zu den Familienangehörigen zählt Art. 1 Abs. 1 Buchstabe i Nummer 1 Unterbuchstabe i VO 883/2004 jede Person, die in den Rechtsvorschriften, nach denen die Leistungen gewährt werden, als Familienangehöriger bestimmt oder anerkannt oder als Haushaltsangehöriger bezeichnet wird.

"Wohnort" ist der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts einer Person (Art. 1 Abs. 1 Buchstabe j VO 883/2004).

Art. 60 (1) DVO 987/2009 lautet:

Die Familienleistungen werden bei dem zuständigen Träger beantragt. Bei der Anwendung von Artikel 67 und 68 der Grundverordnung ist, insbesondere was das Recht einer Person zur Erhebung eines Leistungsanspruchs anbelangt, die Situation der gesamten Familie in einer Weise zu berücksichtigen, als würden alle beteiligten Personen unter die Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats fallen und dort wohnen. Nimmt eine Person, die berechtigt ist, Anspruch auf die Leistungen zu erheben, dieses Recht nicht wahr, berücksichtigt der zuständige Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften anzuwenden sind, einen Antrag auf Familienleistungen, der von dem anderen Elternteil, einer als Elternteil behandelten Person oder von der Person oder Institution, die als Vormund des Kindes oder der Kinder handelt, gestellt wird.

Im Urteil vom , C-378/14 (Tomislaw Trapkowski) hat der Gerichtshof der Europäischen Union dazu folgende Rechtsansicht vertreten:

Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit ist dahin auszulegen, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Fiktion dazu führen kann, dass der Anspruch auf Familienleistungen einer Person zusteht, die nicht in dem Mitgliedstaat wohnt, der für die Gewährung dieser Leistungen zuständig ist, sofern alle anderen durch das nationale Recht vorgeschriebenen Voraussetzungen für die Gewährung erfüllt sind, was von dem vorlegenden Gericht zu prüfen ist.

Art. 60 Abs. 1 Satz 3 der Verordnung Nr. 987/2009 ist dahin auszulegen, dass danach nicht verlangt wird, dass der Anspruch auf Familienleistungen, die für ein Kind gewährt werden, dem Elternteil des Kindes, der in dem für die Gewährung dieser Leistungen zuständigen Mitgliedstaat wohnt, deshalb zuerkannt werden muss, weil der andere Elternteil, der in einem anderen Mitgliedstaat wohnt, keinen Antrag auf Familienleistungen gestellt hat.

Am haben Sie für Ihren, in Adresse bei der Großmutter lebenden Sohn einen Antrag auf Ausgleichszahlung für den Zeitraum ab gestellt. Die Abweisung dieses Antrages erfolgte, da keine Haushaltszugehörigkeit gemäß § 2 Abs. 2 FLAG 1967 vorlag. Lt. Aktenlage erfolgte die Antragstellung am durch persönliche Abgabe im Infocenter der Finanzämter Wien.

Auf Grund der gesetzlichen Bestimmung des § 10 Abs. 3 FLAG 1967 besteht der rückwirkende Familienbeihilfenanspruch erst ab Mai 2013.

In Ihrer Anfragebeantwortung vom haben Sie bekanntgegeben, dass das Kind bis zu seiner Einreise am bei der Großmutter in Adresse lebte.

Weiters erfolgte die Vorlage einer rumänischen Schulbesuchsbestätigung für die Jahre 2016/17 bis 2017/18 sowie einer österreichischen Schulbesuchsbestätigung ab .

Die Anmeldung im Zentralen Melderegister erfolgte ebenfalls am .

Auf Grund dieser Unterlagen ist davon auszugehen, dass sich der Sohn im Abweisungszeitraum noch im Haushalt seiner Großmutter aufgehalten hat.

Lt. der obigen Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union obliegt es der zuständigen nationalen Behörde, zu bestimmen, welche Personen nach nationalem Recht Anspruch auf Familienleistungen haben.

Gemäß § 2 Abs. 2 FLAG 1967 haben jene Personen Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind, zu deren Haushalt das Kind gehört. Nach § 2 Abs. 3 FLAG 1967 gehören auch die Großeltern zu diesem Personenkreis.

Da das Kind im Abweisungszeitraum dem Haushalt der Großeltern zugehörig war, muss Ihre Beschwerde als unbegründet abgewiesen werden."

Im Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (BFG) vom führte die Bf ergänzend aus wie folgt: Der Sohn habe in Adresse im Haus der Bf gewohnt, und die Eltern hätten sich nur um ihn gekümmert. Die Familienbeihilfe (FB) in Adresse habe ebenfalls die Bf bis 10/2017 (vorgelegte Bestätigung) bezogen. Der Sohn gehörte zu ihrem Haushalt und sei nur ein paar Jahre in Adresse gewesen, da die Bf wieder geheiratet habe, und demgemäß der Sohn so lange in Adresse gelebt habe bis sie diesbezüglich alles geregelt habe. Im Gegensatz zur Beschwerde beantragte die Bf nunmehr (wieder) die Ausgleichszahlung für den Zeitraum bis 04/2018, da die Bf in Österreich gearbeitet habe und ihre Eltern kein Einkommen hätten.

Im Vorlagebericht im Zuge der Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (BFG) führte das FA aus wie folgt:

"§ 2 Abs. 2 FLAG 1967 i.V. mit EU-VO Nr. 883/2004 und EU-DVO 987/2009

Sachverhalt:

Die Abweisung des Antrags auf Ausgleichszahlung sowie die Beschwerdevorentscheidung erfolgten, da das Kind bis zu dessen Einreise nach Österreich im April 2018 im Haushalt der Großmutter in Adresse lebte.

Beweismittel:

Angaben der Kindesmutter, Schulbestätigungen;

Stellungnahme:

Löst ein Elternteil im Sinne des § 2 Abs. 3 FLAG 1967 mit einer Erwerbstätigkeit in Österreich einen Anspruch auf die österreichische Familienbeihilfe/Ausgleichszahlung aus, steht diese Leistung der anspruchsberechtigten Person zu, die das Kind im Ausland im gemeinsamen Haushalt hat (§ 2 Abs. 2 FLAG 1967).

Im Urteil vom , C-378/14 (Tomisław Trapkowski) hat der Gerichtshof der Europäischen Union dazu folgende Rechtsansicht vertreten: Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit ist dahin auszulegen, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Fiktion dazu führen kann, dass der Anspruch auf Familienleistungen einer Person zusteht, die nicht in dem Mitgliedstaat wohnt, der für die Gewährung dieser Leistungen zuständig ist, sofern alle anderen durch das nationale Recht vorgeschriebenen Voraussetzungen für die Gewährung erfüllt sind.

Da gemäß nationalem Recht (§ 2 Abs. 2 FLAG 1967) die Familienbeihilfe der haushaltsführenden Großmutter zu gewähren ist, wird um Abweisung der Beschwerde der Kindesmutter ersucht."

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Unionsrecht ist anzuwenden

Die Bf ist Staatsangehörige eines Mitgliedstaats der Europäischen Union (EU) und fällt damit - ebenso wie ihr Sohn und dessen näher bezeichnete Großmutter - nach Art. 2 Abs. 1 VO 883/2004 in den persönlichen Anwendungsbereich der Grundverordnung. Ebenso sind die Familienbeihilfe nach dem FLAG 1967 und der Kinderabsetzbetrag nach dem EStG 1988 eine Familienleistung i. S. d. Art. 1 Buchst. z VO 883/2004, weshalb auch deren sachlicher Anwendungsbereich nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. j VO 883/2004 eröffnet ist.

Österreichische Rechtsvorschriften sind nach Unionsrecht zufolge Erwerbstätigkeit der Bf anzuwenden:
Zufolge der Erwerbstätigkeit der Bf in Österreich ist in Bezug auf den in Adresse wohnhaften beschwerdegegenständlichen Sohn Österreich Beschäftigungsmitgliedstaat.

Angemerkt wird, dass aus dem Versicherungsdatenauszug der Österreichischen Sozialversicherung hervorgeht, dass die Bf von bis als gewerbl. selbständige Erwerbstätige gemeldet war (keine Beitragszahlung erfolgt). Ab 1/2014 ist sie als Arbeiterin tätig. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass laut Abfrage beim Zentralen Melderegister Österreich (Abfrage am ) der Zuzug der Bf aus dem EU-Raum nach Österreich ebenso wie ihre Hauptwohnsitzmeldung in Wien bereits am erfolgt sind.

Hingegen ist Wohnortstaat der Großmutter des Sohnes der Bf Adresse. Ein Anhaltspunkt für eine allfällige Erwerbstätigkeit der Großmutter außerhalb Adresse ist nicht ersichtlich. Im Bezug auf Familienleistungen für den Sohn der Bf an dessen Großmutter ist daher grundsätzlich Rumänien als Wohnortmitgliedstaat zuständig.

Nationales Recht (Rumänien)

In Rumänien besteht ein steuerfinanziertes universelles Fürsorgesystem mit Geld- und Sachleistungen einschließlich des Staatlichen Kindergelds (alocatie de stat pentru copii) und der Familienbeihilfe (alocatie pentru sustinerea familiei).

Folgende Kindergeldleistungen werden erbracht (http://www.missoc.org/MISSOC/INFORMATIONBASE/COMPARATIVETABLES/MISSOCDATABASE/comparativeTablesSearchResultTree_de.jsp):

Kindergeld (alocatie de stat pentru copii): Wohnsitz oder Aufenthalt in Rumänien. Familienbeihilfe (alocatie pentru sustinerea familiei): Wohnsitz oder Aufenthalt in Rumänien.

Ausnahme: Die Bedingung gilt nicht für rumänische Bürger, die ohne Wohnsitz, Aufenthalt oder Zuhause im rumänischen Hoheitsgebiet leben (z. B. Obdachlose oder Personen, die ein Haus besetzen, ohne eine rechtliche Genehmigung).

Staatliches Kindergeld (alocatie de stat pentru copii): Das Kind lebt bei den Eltern.

Familienbeihilfe (alocatie pentru sustinerea familiei): Kind im Schulalter, das ohne Unterbrechung (oder mit einer zeitlichen Unterbrechung aus medizinischen Gründen) eine Bildungseinrichtung besucht und keine schlechtere Note als eine Acht fürs Fehlverhalten aufgrund unentschuldigten Fehlens während des Semesters erhält.

Staatliches Kindergeld (alocatie de stat pentru copii): Bis zu 18 Jahre (oder Alter des Abschlusses einer weiterführenden Schule oder eines postsekundären Abschlusses).

Familienbeihilfe (alocatie pentru sustinerea familiei): Bis zu 18 Jahre.

Staatliches Kindergeld (alocatie de stat pentru copii): gezahlt an die Eltern (einschließlich Adoptiv- und Pflegeeltern, Vormünder) bis das Kind 14 Jahre alt ist.

Der monatliche Betrag variiert entsprechend dem Alter des Kindes und dem sozialen Referenzindikator (indicator social de referinta).

Wohnortklauseln des FLAG 1967 bei Unionsbezug nicht anzuwenden

Der Verwaltungsgerichtshof hat in mehreren Erkenntnissen unmittelbar nach dem , Romana Slanina, die Ansicht vertreten, einer in einem anderen Mitgliedstaat der Union im gemeinsamen Haushalt mit dem Kind lebenden Unionsbürgerin (in der Schweiz lebenden Schweizer Bürgerin) stehe nach nationalem Recht die Bestimmung des § 2 Abs. 1 FLAG 1967 entgegen. Personen hätten nur

dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, und sei daher § 2 Abs. 2 Satz 2 FLAG 1967 anzuwenden, wonach eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, dann Anspruch auf Familienbeihilfe hat, wenn keine andere Person nach § 2 Abs. 2 Satz 1 FLAG 1967 anspruchsberechtigt ist (vgl. ; ; ; ; ; ; ; ; ).

Diese Auffassung ist spätestens seit den Urteilen , B, und , Tomisław Trapkowski, als überholt anzusehen (vgl. ; ).

In seinem Erkenntnis , hat der Verwaltungsgerichtshof (ohne Bezug auf die , B, und , Tomisław Trapkowski) klargestellt, dass im Anwendungsbereich des Unionsrechts die Wohnortklauseln des FLAG 1967 nicht anzuwenden sind:

Sowohl die Mitbeteiligte als auch deren Sohn und dessen leiblicher Vater hatten im Streitzeitraum nach den Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis ihren Wohnort in Ungarn und sie sind nach dem Revisionsvorbringen sowie dem Akteninhalt ungarische Staatsangehörige, sodass für sie die Verordnung Nr. 883/2004 gemäß deren Art. 2 Abs. 1 gilt.

Daher finden die auf Wohnortklauseln beruhenden Bestimmungen des § 2 Abs. 1

FLAG, welche den Familienbeihilfenbezug auf den Wohnort im Bundesgebiet abstellt, des § 2 Abs. 8 FLAG, welche auf den wesentlich durch den Wohnort bestimmten Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet abstellt, und des § 5 Abs. 3 FLAG, das einen vom Wohnort abhängigen Ausschluss der Familienbeihilfe bei ständigem Aufenthalt des Kindes im Ausland vorsieht, zufolge des Art. 7 der Verordnung Nr. 883/2004 und dessen Anwendungsvorrangs insoweit keine Anwendung. Zufolge des in Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 normierten Gleichbehandlungsgrundsatzes für Personen, für die diese Verordnung gilt, finden die durch den Anwendungsvorrang dieser Bestimmung verdrängten Bestimmungen des § 3 Abs. 1 und 2 FLAG mit besonderen Voraussetzungen für Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, keine Anwendung (vgl. das VwGH-Erkenntnis vom , 2012/16/0066).

Anzuwendende Rechtsvorschriften

Der Gerichtshof hat in seinem Erkenntnis , weiter ausgeführt:

Für den Anspruch auf Familienleistungen nach Art. 67 der Verordnung Nr. 883/2004 ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nach Art. 11 Abs. 3 lit a leg. cit. auf die in Ungarn beschäftigte Mitbeteiligte die Rechtsvorschriften Ungarns anzuwenden sind, sodass ihr nach § 2 Abs. 2 erster Satz FLAG die Familienbeihilfe oder eine Differenzzahlung nicht zusteht. Der leibliche Vater hingegen unterliegt gemäß Art. 11 Abs. 3 lit a der Verordnung Nr. 883/2004 zufolge seiner Beschäftigung in Österreich den österreichischen Rechtsvorschriften. Nach dem FLAG kann ein Anspruch auf Familienbeihilfe gemäß § 2 Abs. 2 zweiter Satz leg. cit. bestehen. Nach dieser Bestimmung hat eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach § 2 Abs. 2 erster Satz FLAG anspruchsberechtigt ist (vgl. das VwGH-Erkenntnis vom , 2009/15/0205).

Die Großmutter des Kindes fällt (voraussichtlich) nach Art. 11 Abs. 3 Buchstabe e VO 883/2004 hinsichtlich eines eigenen, nicht von der Mutter des Kindes abgeleiteten Anspruchs unter die rumänischen Rechtsvorschriften. Es sind auch nach Art. 11 Abs. 3 Buchstabe a VO 883/2004 betreffend einen Anspruch der Mutter des Kindes die österreichischen Rechtsvorschriften anzuwenden. Insoweit folgt das Bundesfinanzgericht der in Rn 19 des Erkenntnisses , vertretenen Auffassung (vgl. ).

Nachkommen sind alle Verwandten in gerader absteigender Linie (zB eigene Kinder, Enkelkinder usw. ( Hebenstreit/Lenneis/Reinalter in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG, 2. Aufl., § 2, II. Kindesbegriff (Abs 3) [Rz 18 - 27]).

Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts ist auf Grund des , Tomisław Trapkowski, zufolge der Anwendung der österreichischen Rechtsvorschriften auf die in Österreich erwerbstätige Mutter zu prüfen, ob nicht daraus abgeleitet ein (nach nationalem Recht vorrangiger)

Anspruch der Großmutter auf österreichische Familienleistungen (in Form einer Ausgleichs- bzw. Differenzzahlung nach Art. 68 VO 883/2004 oder bei fehlenden rumänischen Familienleistungen auf Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag) besteht.

Entscheidend ist, ob unionsrechtlich ein Familienangehöriger, auf den gemäß Art. 11 VO 883/2004 die Rechtsvorschriften des Wohnortmitgliedstaates anzuwenden sind, den Anspruch eines anderen Familienangehörigen, auf den gemäß Art. 11 VO 883/2004 die Rechtsvorschriften des Beschäftigungsmitgliedstaates anzuwenden sind, im Beschäftigungsmitgliedstaat geltend machen kann.

So ergibt sich nach Ansicht des EuGH (Rn 38 des Urteils Tomisław Trapkowski) aus Art. 67 VO 883/2004 i. V. Art. 60 Abs. 1 VO 987/2009 zum einen, dass eine Person Anspruch auf Familienleistungen auch für Familienangehörige erheben kann, die in einem anderen als dem für ihre Gewährung zuständigen Mitgliedstaat wohnen, und zum anderen, dass die Möglichkeit, Familienleistungen zu beantragen, nicht nur den Personen zuerkannt ist, die in dem zu ihrer Gewährung verpflichteten Mitgliedstaat wohnen, sondern auch allen "beteiligten Personen", die berechtigt sind, Anspruch auf diese Leistungen zu erheben, zu denen die Eltern des Kindes gehören, für das die Leistungen beantragt werden.

Typischerweise fällt der im Wohnortmitgliedstaat lebende Familienangehörige nicht nach Art. 11 VO 883/2004 unter die Rechtsvorschriften des Beschäftigungsmitgliedstaats des anderen Familienangehörigen.

Es gebietet daher der Grundsatz des effet utile, also des Effektivitätsgrundsatzes, eine Auslegung zu wählen, die die Verwirklichung der Ziele des Unionsrechts am meisten fördert.

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union ist das nationale Gericht, das im Rahmen seiner Zuständigkeit die Bestimmungen des Unionsrechts anzuwenden hat, verpflichtet, für deren volle Wirksamkeit Sorge zu tragen (für viele etwa zuletzt , Glencore Agriculture Hungary Kft., ECLI: EU:C:2017:522).

Die Auslegung von Normen darf die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (vgl. für viele etwa , Vinyls Italia SpA in Insolvenz, ECLI: EU:C:2017:433 unter Verweis auf , Nike European Operations Netherlands, ECLI: EU:C:2015:690).

Anspruchsprüfung unter Berücksichtigung des Unionsrechts nach nationalem Recht

Nach den allgemeinen Regelungen des FLAG 1967 kann - außerhalb des Anwendungsbereichs des Unionsrechts - die Führung des Haushaltes im Ausland für den haushaltsführenden (Groß-)Elternteil keinen Anspruch auf die österreichische Familienbeihilfe begründen, weil die Grundvoraussetzung des § 2 Abs. 1 FLAG 1967, nämlich ein Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthalt in Österreich, nicht gegeben ist.

In der Regel wird auch der Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich gemäß § 2 Abs. 8 FLAG 1967 fehlen (vgl. ).

Der Aufenthalt der Kinder in einem anderen Mitgliedstaat der Union hingegen ist auch vor dem Hintergrund des § 5 Abs. 3 FLAG 1967 unbedenklich, da gemäß § 53 FLAG 1967 und der unionsrechtlichen Vorschriften als "Ausland" i. S. d. FLAG 1967 ein Drittstaat, nicht jedoch ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union (bzw. ein Staat des EWR oder die Schweiz) anzusehen ist.

Zur Anwendbarkeit der Prioritätsregeln, die in Art. 68 Abs. 1 VO 883/2004 für den Fall des Zusammentreffens von Ansprüchen vorgesehen sind, sei darauf hinzuweisen, dass es für die Annahme, dass in einem bestimmten Fall eine solche Kumulierung vorliege, nicht genüge, dass Leistungen in dem Mitgliedstaat, in dem das betreffende Kind wohnt, geschuldet werden und zugleich in einem anderen Mitgliedstaat, in dem ein Elternteil dieses Kindes arbeitet, lediglich potenziell gezahlt werden können (vgl. , Schwemmer, Rn. 52 m. w. N.). Bestehe im Wohnmitgliedstaat kein Anspruch auf Familienleistungen, fänden diese Prioritätsregeln keine Anwendung (Rn. 33).

Es obliegt jedoch der zuständigen nationalen Behörde, zu bestimmen, welche Personen nach nationalem Recht Anspruch auf Familienleistungen haben. Nach alledem ist Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 987/2009 dahin auszulegen, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Fiktion dazu führen kann, dass der Anspruch auf Familienleistungen einer Person zusteht, die nicht in dem Mitgliedstaat wohnt, der für die Gewährung dieser Leistungen zuständig ist, sofern alle anderen durch das nationale Recht vorgeschriebenen Voraussetzungen für die Gewährung erfüllt sind, was von dem vorlegenden Gericht zu prüfen ist.

Der Anspruch auf Familienleistungen, die für ein Kind gewährt werden, müsse auch nicht nach Art. 60 Abs. 1 Satz 3 VO 987/2009 dem Elternteil des Kindes, der in dem für die Gewährung dieser Leistungen zuständigen Mitgliedstaat wohnt, deshalb zuerkannt werden, weil der andere Elternteil, der in einem anderen Mitgliedstaat wohnt, keinen Antrag auf Familienleistungen gestellt hat (Rn. 43 ff.):

Zudem sieht Art. 60 Abs. 1 Satz 3 der Verordnung Nr. 987/2009 vor, dass dann, wenn eine Person, die berechtigt ist, Anspruch auf Familienleistungen zu erheben, dieses Recht nicht wahrnimmt, die zuständigen Träger der Mitgliedstaaten die Anträge auf Familienleistungen zu berücksichtigen haben, die von den in dieser Bestimmung genannten Personen oder Institutionen, zu denen der "andere Elternteil" gehört, gestellt werden.

Erstens geht sowohl aus dem Wortlaut als auch aus der Systematik von Art. 60 Abs. 1 der Verordnung Nr. 987/2009 hervor, dass zwischen der Einreichung eines Antrags auf Familienleistungen und dem Anspruch auf diese Leistungen zu unterscheiden ist.

Zweitens geht aus dem Wortlaut dieses Artikels auch hervor, dass es ausreicht, wenn eine der Personen, die Anspruch auf Familienleistungen erheben kann, einen Antrag auf deren Gewährung stellt, damit der zuständige Träger des Mitgliedstaats verpflichtet ist, diesen Antrag zu berücksichtigen.

Das Unionsrecht hindert diesen Träger jedoch nicht daran, in Anwendung seines nationalen Rechts zu dem Ergebnis zu gelangen, dass der Anspruch auf Familienleistungen für ein Kind einer anderen Person zusteht als der, die den Antrag auf diese Leistungen gestellt hat.

Folglich ist es, sofern alle Voraussetzungen für die Gewährung von Familienleistungen für ein Kind erfüllt sind und diese Leistungen tatsächlich gewährt werden, ohne Bedeutung, welcher Elternteil nach nationalem Recht als diejenige Person gilt, die den Anspruch auf diese Leistungen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil Hoever und Zachow, C-245/94 und C-312/94, EU:C:1996:379, Rn. 37).

Nach alledem ist Art. 60 Abs. 1 Satz 3 der Verordnung Nr. 987/2009 dahin auszulegen, dass danach nicht verlangt wird, dass der Anspruch auf Familienleistungen, die für ein Kind gewährt werden, dem Elternteil des Kindes, der in dem für die Gewährung dieser Leistungen zuständigen Mitgliedstaat wohnt, deshalb zuerkannt werden muss, weil der andere Elternteil, der in einem anderen Mitgliedstaat wohnt, keinen Antrag auf Familienleistungen gestellt hat.

Das Unionsrecht selbst vermittelt keinen originären Anspruch auf nationale Familienleistungen. Es ist nach wie vor Sache der Mitgliedstaaten, wem sie unter welchen Voraussetzungen wie lange Familienleistungen zuerkennen. Das Unionsrecht verlangt allerdings im allgemeinen, dass diese Zuerkennung diskriminierungsfrei erfolgen muss, und im besonderem, dass die nach dem nationalen Recht, hilfsweise nach dem Unionsrecht zu ermittelnden Familienangehörigen einer Person, die in den Anwendungsbereich der VO 1408/71 oder der VO 883/2004 fällt, also im wesentlichen einer Person, die (nur oder auch) in einem anderen Mitgliedstaat einer Erwerbstätigkeit nachgeht als in jenem, in dem ihre Familie wohnt, so zu behandeln sind, als hätten alle Familienangehörigen ihren Lebensmittelpunkt in dem Mitgliedstaat, der Familienleistungen gewähren soll. Da ein derartiger Sachverhalt territorial die Geltung der nationalen Rechtsvorschriften zweier oder mehrerer Mitgliedstaaten nach sich zieht, enthält das Unionsrecht Kollisionsregeln, welche nationalen Rechtsvorschriften allein, primär, sekundär oder gar nicht anwendbar sind.

Wie ausgeführt, sind nach Art. 11 Abs. 3 Buchstabe a VO 883/2004 betreffend den Antrag der Mutter die österreichischen Rechtsvorschriften anzuwenden, da Beschäftigungsmitgliedstaat der Mutter Österreich ist, und sich im Verfahren nicht ergeben hat, dass Beschäftigungsmitgliedstaat der Mutter (auch) ein anderer Staat ist.

Die Bf (Mutter des Sohnes) hat im Beschwerdezeitraum in Österreich gewohnt (damalige Wiederverehelichung), weshalb somit von einem Wohnsitz und dem Mittelpunkt der Lebensinteressen der Bf in Österreich auszugehen ist.

Nach § 2 Abs. 3 lit. a FLAG 1967 zählen zu den Familienangehörigen im unionsrechtlichen Sinn zunächst die Eltern eines Kindes (vgl. etwa auch ), aber auch die Großeltern (vgl. ).

Da die Mutter des Kindes als Familienangehörige sowohl ihres Kindes als auch dessen Großmutter anzusehen ist (§ 2 Abs. 2 und 3 FLAG 1967), ist unionsrechtlich in Anwendung von Art. 67 VO 883/2004 zu unterstellen, dass alle beteiligten Personen (also Großmutter, Mutter, Kind) in Österreich wohnen, also hier ihren Lebensmittelpunkt haben (Art. 60 Abs. 1 Satz 2 VO 987/2009).

Die nach Art. 67 VO 883/2004 i. V. m. Art. 60 Abs. 1 Satz 2 VO 987/2009 vorzunehmende Fiktion bewirkt, dass die Wohnsituation auf Grundlage der im Streitzeitraum im anderen EU-Mitgliedstaat gegebenen Verhältnisse (fiktiv) ins Inland übertragen wird (BFH , III R 62/12).

Diese Fiktion führt dazu, dass der Anspruch auf Familienleistungen des Beschäftigungsstaates nicht dem im für Familienleistungen zuständigen Mitgliedstaat, sondern dem in einem anderen Staat der EU (des EWR, der Schweiz) lebenden (Groß-)Elternteil zusteht, wenn dieser das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat (vgl. BFH , III R 17/13; BFH , V R 46/11 u.a.).

Diese Fiktion besagt zwar, dass zu unterstellen ist, dass alle Familienangehörige im zuständigen Mitgliedstaat wohnen, nicht aber, dass diese - wenn dies nicht im Wohnmitgliedstaat der Fall ist - im selben Haushalt wohnen.

Ob ein gemeinsamer Haushalt besteht, ist sachverhaltsbezogen festzustellen.

Wer von den unionsrechtlich grundsätzlich als anspruchsberechtige Personen anzusehenden Familienangehörigen tatsächlich primär oder sekundär (oder gar keinen) Anspruch auf österreichische Familienleistungen hat, ist daher nach dem nationalen Recht zu beurteilen ( betreffend vorrangigen Anspruch der in der Slowakei wohnhaften Großmutter).

Vorrangiger Anspruch der haushaltsführenden Großmutter

Das FLAG 1967 verwendet den Begriff des "Familienangehörigen" nicht. Im gegenständlichen Fall sind - da es sich um den Sohn der Bf handelt - als "Familienangehörige" i. S. d. Unionsrechts (Art. 1 Buchst. i Nr. 1 Buchst. i VO 883/2004) gemäß § 2 Abs. 2 FLAG 1967 i. V. m. § 2 Abs. 3 FLAG 1967 jedenfalls der Sohn, die Mutter und die namentlich aktenkundige Großmutter anzusehen (vgl. auch BFH , III R 62/12, oder , jeweils betreffend im Haushalt der Großmutter lebendes Enkelkind).

§ 2 Abs. 2 Satz 1 FLAG 1967 stellt den Familienbeihilfenanspruch grundsätzlich auf die Haushaltszugehörigkeit mit einem Kind (als welches nach § 2 Abs. 3 FLAG 1967 auch ein Enkelkind zählt) ab und nur subsidiär (§ 2 Abs. 2 Satz 2 FLAG 1967) darauf, welche Person die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt. Auf die Unterhaltspflicht der diese Unterhaltskosten überwiegend tragenden Person kommt es nicht an (vgl. ). Einem Anspruch auf Familienbeihilfe im Sinne des zweiten Satzes des § 2 Abs. 2 FLAG 1967 steht der ausschließliche Anspruch einer Person, bei der das Kind im strittigen Zeitraum haushaltszugehörig war, zwingend entgegen (). Dabei geht das Gesetz erkennbar davon aus, dass ein Kind nur einem Haushalt angehören kann (vgl. ).

"Eltern" ist im Sinne von Anspruchsberechtigter nach § 2 Abs. 3 FLAG 1967 zu verstehen, hierzu zählt auch ein Großvater oder eine Großmutter (vgl. Nowotny in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG. Linde 1. Aufl., § 2a Rz 1). § 2a FLAG 1967 spricht nicht von "leiblichen Eltern", sondern allgemein von "Eltern".

"Der Begriff der Eltern leitet sich aus der Definition der anspruchsvermittelnden Kinder in § 2 Abs. 3 des Gesetzes ab. Demnach sind Eltern alle Personen, die für Kinder im Sinne der zitierten Gesetzesstelle einen Familienbeihilfenanspruch haben können" (ErläutRV RV 126 Blg NR 18. GP zur Novelle BGBl. Nr. 367/1991).

Aus den getroffenen Sachverhaltsfeststellungen ergibt sich nicht, dass die Bf in Rumänien einen Haushalt (mit ihrem Sohn und dessen Großmutter) geführt hat. Angemerkt wird, dass es für den gegenständlichen Beschwerdefall irrelevant ist, wem das Haus in Rumänien gehört. Die Bf hatte in Österreich einen Haushalt (neuerliche Ehe).

Aus den getroffenen unstrittigen Sachverhaltsfeststellungen ergibt sich, dass im Beschwerdezeitraum der Sohn dem Haushalt seiner Großmutter angehört hat.

Da der Sohn dem Haushalt seiner Großmutter angehört hat, hatte die Großmutter gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 FLAG 1967 daher vorrangigen Anspruch auf Familienleistungen (-beihilfe), selbst wenn die Mutter im Beschwerdezeitraum die überwiegenden Unterhaltskosten für den Sohn getragen haben sollte.

Das Bundesfinanzgericht hat wiederholt bei mitgliedstaatsübergreifenden Sachverhalten den Vorrang des haushaltsführenden (Groß-)Elternteils, auch wenn dieser in einem anderen Mitgliedstaat der Union wohne, gegenüber dem nicht haushaltsführenden oder bloß Geldunterhalt leistenden Elternteil betont (vgl. etwa ; ; ; ; [betreffend Großmutter]; ; ; ; ; ; [betreffend Großmutter]).

Anspruch der Großmutter nach nationalem Recht i. V. m. Unionsrecht

Die Großmutter des beschwerdegegenständlichen Kindes erfüllt im Beschwerdezeitraum die persönlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Ausgleichszahlung/Familienbeihilfe für das mj Kind (§ 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967; § 2 Abs. 3 lit. a FLAG 1967: Das Kind war im Beschwerdezeitraum bei der Großmutter und nicht bei der Mutter haushaltszugehörig (§ 2 Abs. 2 Satz 1 FLAG 1967).

Im gegenständlichen Fall sind aber in Verbindung mit dem Unionsrecht auch die territorialen Voraussetzungen - Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Bundesgebiet (§ 2 Abs. 1 FLAG 1967) sowie Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet (§ 2 Abs. 8 FLAG 1967) - hinsichtlich der Großmutter gegeben (vgl. ; ).

Die Großmutter hatte im Beschwerdezeitraum ihren Wohnsitz sowie den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen nicht in Österreich (Bundesgebiet), sondern in einem anderen Mitgliedstaat der Union, in Rumänien.

Außerhalb des Anwendungsbereichs der VO 883/2004 stünde der Großmutter allein nach nationalem Recht daher keine Familienbeihilfe für das beschwerdegegenständliche Kind zu.

Da Kind, Mutter und Großmutter Staatsangehörige eines Mitgliedstaats der Union sind, ist jedoch neben dem nationalen Recht auch die VO 883/2004 anzuwenden (Art. 2 Abs. 1 VO 883/2004).

Nach Art. 60 Abs. 1 VO 987/2009 ist in Bezug auf die Familienleistungen regelnden Art. 67 VO 883/2004 und Art. 68 VO 883/2004 "insbesondere was das Recht einer Person zur Erhebung eines Leistungsanspruchs anbelangt, die Situation der gesamten Familie in einer Weise zu berücksichtigen, als würden alle beteiligten Personen unter die Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats fallen und dort wohnen."

Auch der EuGH hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Begriff "Wohnort" in Art. 1 Buchst. j VO 883/2004 als der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts einer Person definiert wird und Art. 11 VO 987/2009 den Wohnort mit dem Mittelpunkt der Interessen der betreffenden Person gleichsetzt (, B, ECLI:EU:C:2014:2199, Rn. 34).

Der unionsrechtliche Begriff "Wohnort" ist daher nicht mit dem Begriff "Wohnsitz" des nationalen Rechts zu verwechseln (vgl. Stöger, Unionsrechtliche Aspekte des Anspruchs auf Familienbeihilfe, 2016, 59). Der unionsrechtliche "Wohnort" ist jener "Wohnsitz" i. S. d. § 26 BAO, an welchem sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen i. S. d. § 2 Abs. 8 FLAG 1967 befindet (vgl. Stöger, Unionsrechtliche Aspekte des Anspruchs auf Familienbeihilfe, 2016, 60).

Aus Art. 67 VO 883/2004 i. V. m. Art. 60 Abs. 1 VO 987/2009 ergibt sich somit, dass die Möglichkeit, Familienleistungen zu beantragen, unionsrechtlich nicht nur den Personen zuerkannt ist, die in dem zu ihrer Gewährung verpflichteten Mitgliedstaat wohnen, sondern auch allen "beteiligten Personen", die berechtigt sind, Anspruch auf diese Leistungen zu erheben, zu denen die (Groß-)Eltern des Kindes gehören, für das die Leistungen beantragt werden (vgl. , Tomisław Trapkowski, ECLI:EU:C:2015:720, Rn. 38).

Ein (Groß-)Elternteil, der in einem anderen als dem zur Gewährung dieser Leistungen verpflichteten Mitgliedstaat wohnt, kann daher diejenige Person sein, die, sofern im Übrigen alle anderen durch das nationale Recht vorgeschriebenen Voraussetzungen erfüllt sind, zum Bezug der Familienleistungen berechtigt ist (vgl. , Tomisław Trapkowski, ECLI:EU:C:2015:720, Rn. 41).

Anspruch auf österreichische Familienbeihilfe (und Kinderabsetzbetrag) haben nach § 2 Abs. 1 FLAG 1967, wie ausgeführt, Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet a) für minderjährige Kinder und b) für bestimmte, im § 2 Abs. 1 lit. b bis l

FLAG 1967 angeführte volljährige Kinder.

Das FLAG 1967 will (§ 1 FLAG 1967) einen Lastenausgleich im Interesse der Familie herbeiführen.

Haushaltszugehörigkeit zur Großmutter

Zum Haushalt einer Person gehört ein Kind gemäß § 2 Abs. 5 FLAG 1967 dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt.

Die Bedingungen einer Haushaltszugehörigkeit sind in § 2 Abs. 5 FLAG 1967 näher umschrieben. Demnach kommt es ausschließlich auf die einheitliche Wirtschaftsführung mit dem Kind im Rahmen einer Wohngemeinschaft (Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft) an (vgl. ; ; ).

Dass im Beschwerdezeitraum der Sohn der Bf seiner Großmutter i. S. d. § 2 Abs. 2 Satz 1 FLAG 1967 haushaltszugehörig war, ist unstrittig.

Ein allfälliger vorübergehender Ferienaufenthalt des Sohnes in Österreich ändert nichts am ständigen Aufenthalt des Sohnes im Haushalt seiner Großmutter in Rumänien.

Da nach den getroffenen Feststellungen der Sohn im Beschwerdezeitraum (nur) dem Haushalt der Großmutter angehört hat, hat die Großmutter, auch wenn die Mutter Unterhaltskosten für den Sohn überwiegend getragen haben sollte, einen vorrangigen Familienleistungsanspruch.

Der Anspruch der haushaltszugehörigen Großmutter geht gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 FLAG 1967 jenem der nicht haushaltszugehörigen Mutter vor:

Bei gemeinsamer Haushaltsführung mit dem Kind stehen die Familienleistungen dem den Haushalt, in dem das Kind lebt, führenden (Groß-)Elternteil zu.

Teilentscheidung mittels Feststellung

Da, wie ausgeführt, im Beschwerdezeitraum grundsätzlich ein Anspruch der haushaltsführenden Großmutter auf Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag bzw. Ausgleichszahlung (bei Erfüllen aller in den Rechtsvorschriften/Gesetzen geforderten Voraussetzungen) einem solchen der allenfalls Geldunterhalt leistenden Mutter vorgeht, ist der diesbezügliche Antrag der Mutter grundsätzlich abzuweisen.

Dem Finanzamt ist diesbezüglich hinsichtlich der Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung und im Vorlagebericht zuzustimmen.

§ 13 FLAG 1967 Satz 2 ist in Verbindung mit §§ 11, 12 FLAG 1967 grundsätzlich so zu verstehen, dass der Bescheidspruch im Familienbeihilfeverfahren bei erstmaliger Erlassung eines Bescheides nur auf (gänzliche oder teilweise) Abweisung eines Beihilfenantrags bezogen auf einen bestimmten Zeitraum lauten kann, während die (gänzliche oder teilweise) Stattgabe eines Beihilfenantrags bezogen auf einen bestimmten Zeitraum grundsätzlich im Wege der Auszahlung nach § 11 FLAG 1967, verbunden mit einer Mitteilung nach § 12 FLAG 1967, zu erfolgen hat. Ist für einen Kalendermonat ein Antrag nicht zur Gänze abzuweisen oder einem Antrag nicht zur Gänze Folge zu geben, sondern einem Antrag nur teilweise Folge zu geben, ist insoweit, als dem Antrag nicht Folge gegeben wird, ein Abweisungsbescheid zu erlassen, ansonsten mit Auszahlung vorzugehen. Die meritorische Erledigung einer gegen einen Abweisungsbescheid erhobenen Beschwerde mittels Beschwerdevorentscheidung oder Erkenntnisses kann, jeweils für einen bestimmten Zeitraum, entweder auf (gänzliche oder teilweise) Abweisung des Familienbeihilfenantrags für Monate, in denen Familienbeihilfe nicht zusteht, oder auf (gänzliche oder teilweise) ersatzlose Aufhebung des den Antrag abweisenden Bescheides für Monate, in denen (ganz oder teilweise) Familienbeihilfe zusteht, lauten.

Im gegenständlichen Fall ist jedoch zu beachten, dass gemäß Art. 60 Abs. 1 Satz 3 VO 987/2009, das österreichische Finanzamt den von der Mutter gestellten Antrag auf Ausgleichszahlung/Familienbeihilfe (und Kinderabsetzbetrag), wenn und soweit diesem ein Anspruch der haushaltsführenden Großmutter vorgeht, zugunsten des Anspruchs der Großmutter auf österreichische Familienleistungen/Ausgleichszahlung zu berücksichtigen hat (vgl. BFH , III R 68/13; BFH , XI R 7/15 u. v. a.; ; u.v.a.).

Es ist zwar die Beschwerde der Mutter wie bereits vom Finanzamt in der Beschwerdevorentscheidung als unbegründet abzuweisen.

Der dieser Beschwerde zugrunde liegende Antrag der Mutter ist aber nicht abzuweisen, sondern ist dieser als Antrag zugunsten der Großmutter zu berücksichtigen (vgl. ; oder ).

Es ist daher gemäß § 92 BAO i. V. m. §§ 10, 13 FLAG 1967 und Art. 60 Abs. 1 Satz 3 VO 987/2009 festzustellen, dass einerseits ein Anspruch der Mutter auf Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag bzw. auf Ausgleichszahlung/Differenzzahlung betreffend Familienbeihilfe für den Sohn im Beschwerdezeitraum nicht besteht, sowie dass andererseits der Antrag der Mutter auf Ausgleichszahlung/Familienbeihilfe für den Sohn als derartiger Antrag zugunsten der Großmutter zu berücksichtigen ist (vgl. ).

Die im Verwaltungsverfahren von der Bf angegebene überwiegenden Kostentragung durch die Bf sowie die von ihr behauptete Einkommenslosigkeit der Eltern der Bf (Großeltern des Sohnes der Bf) sind gegenständlich nicht entscheidungsrelevant. Auch sind die Tatsache, dass die Bf, wie sie in der Beschwerde ausführte, für einen Teil des Beschwerdezeitraums keine Einkommensnachweise vorlegen konnte, sowie der von der Bf (bis 10/2017) angegebene Bezug von Familienleistungen aus Rumänien für ihren Sohn durch die Bf selbst für die gegenständliche Entscheidung nicht von Bedeutung, zumal aus angeführten Gründen aufgrund der unstrittigen Aktenlage Anspruch auf Familienleistungen (FB/Ausgleichszahlung) nicht die Bf, sondern grundsätzlich die Großmutter des Sohnes der Bf - bei Erfüllen der diesbezüglichen gesetzlichen Voraussetzungen - hätte.

Darüber hinaus kann der Antrag auf rückwirkende Gewährung von Ausgleichszahlung betreffend Familienbeihilfe grds. nur für den Zeitraum ab Mai 2013 gestellt werden, wie bereits das Finanzamt richtigerweise begründend ausgeführt hat (s. o.a. BVE; § 10 Abs 3 FLAG 1967 idgF).

Da die Großmutter bisher am Verfahren nicht als Partei (§ 78 BAO) beteiligt war, ist eine sofortige Entscheidung in der Sache hinsichtlich der Großmutter nicht möglich (vgl. ).

Der Vollständigkeit halber wird dem diesbezüglichen Antrag der Bf. im Vorlageantrag entgegnet, dass der gegenständliche Beschwerdezeitraum wie im Spruch ausgeführt mit März 2018 endet, weshalb über das Monat 4/2018 (s.o.: Monat 4/2018 angeführt im Vorlageantrag) nicht abzusprechen ist.

Nichtzulassen der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da das gegenständliche Erkenntnis der geltenden Rechtslage iVm der (aktuellen) hRspr folgt, ist die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig. Eine über den Individualfall hinaus relevante Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor.

Insgesamt ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7101403.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at