Bestimmung des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit iZm der Anwendung der Kleinunternehmerregelung bei Vermietung eines im Inland gelegenen Hauses durch einen Vermieter, der in zwei Vertragstaaten seinen Wohnsitz hat
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Renate Schohaj und die weiteren Senatsmitglieder Dr. Hans Blasina, Mag. Andrea Prozek, Wirtschaftskammer für Niederösterreich, KR Michael Fiala, Kammer für Arbeiter und Angestellte für Niederösterreich, im Beisein der Schriftführerin Andrea Newrkla, in der Beschwerdesache ***1***, vertreten durch ***2***, gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23, betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 2017, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am zu Recht erkannt:
1.) Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 Abs. 1 BAO im Sinne des Beschwerdebegehrens abgeändert.
2.) Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
3.) Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) eine Revision zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin (in der Folge: Bf.) bezieht im Streitjahr 2017 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus der Vermietung ihres - ihr bis zu ihrem Umzug nach Deutschland als Wohnsitz dienenden - Hauses in der ***3***. Die Vermietung begann mit .
In ihrer Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2017 erklärt die Bf. Umsätze aus der Vermietung in der Höhe von 10.500 Euro und nimmt die Kleinunternehmerregelung in Anspruch.
Mit Ergänzungsersuchen vom ersucht das Finanzamt um Bekanntgabe und Nachweis darüber, wo die Unterlagen hinsichtlich der Vermietung der Bf. aufbewahrt würden, wie die Vermietung (Inserate etc.) erfolge und auf welches Bankkonto die Miete bezahlt werde.
Mit Eingabe vom teilte die Bf. mit, dass die Ausschreibung der Vermietung über online-Plattformen (facebook, willhaben) erfolgt sei. Die Mieteinnahmen würden auf das österreichische Bankkonto der Bf. bei der ***4*** überwiesen.
Die laufenden Eingangsrechnungen betreffend das Haus in der ***3***, würden entweder direkt oder mittels Nachsendeauftrag an die Adresse der elterlichen Wohnung zugestellt und dort aufbewahrt. Die Bf. übermittelte beispielhaft zwei Belege sowie den Nachsendeauftrag.
Da die Bf. aufgrund ihrer Tätigkeit für ***5*** Austria regelmäßig in Wien sei, würden jegliche bedeutenden Entscheidungen (Unterzeichnung Mietvertrag, eventuelle Termine mit den Mietern, Nachschau) in Bezug auf die Vermietung direkt in Österreich getroffen. Zudem würden alle Dokumente in Österreich aufbewahrt und die Mieteinkünfte über ein österreichisches Bankkonto vereinnahmt. Die Vermietungstätigkeit werde daher trotz Verlagerung des Wohnsitzes und des Lebensmittelpunktes nach Deutschland ausschließlich von Österreich aus betrieben.
Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer für das Jahr 2017 in der Höhe von 2.100 Euro fest, ohne die Umsatzsteuerbefreiung (Kleinunternehmerreglung) zu berücksichtigen.
In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Beschwerde wiederholte die Bf. im Wesentlichen das Vorbringen ihrer Eingabe vom . Ergänzend führte sie aus, dass die für die Vermietung essentiellen Aktivitäten direkt in Österreich stattfinden würden, wie dies auch bei der erstmaligen Vermietung tatsächlich der Fall gewesen sei. Mangels anderer unternehmerischer Tätigkeiten, weder in Österreich noch in Deutschland, müsse daher das Betreiben des Unternehmens in Österreich durch die Bf., welches in der Vermietung einer in Österreich gelegenen Immobilie bestehe, geradezu zwingend sein.
Mit dem AbgÄG 2016 seien die Voraussetzungen der Anwendung der Kleinunternehmerreglung dahingehend geändert worden, als nicht mehr der Wohnsitz im Inland als ausschlaggebendes Kriterium angeführt sei. Diese Intention des Gesetzgebers gehe auch aus den erläuternden Bemerkungen zum AbgÄG 2016 hervor, wonach trotz Vorliegens eines inländischen Wohnsitzes die Kleinunternehmerreglung nicht angewendet werden könne, wenn das Unternehmen vom Ausland aus betrieben werde. Wie bereits dargestellt, betreibe die Bf. die Vermietung ausschließlich von Österreich aus, die Kleinunternehmerregelung sei daher ungeachtet ihrer steuerlichen Ansässigkeit anwendbar.
Für den Fall, dass dem Antrag auf Festsetzung der Umsatzsteuer 2017 mit 0,00 Euro nicht gefolgt werde, beantrage die Bf. in eventu die mit Bescheid vom festgestellte Umsatzsteuer 2017 mit 678,30 Euro festzusetzen. Da es sich hier um die Vermietung von Grundstücken zu Wohnzwecken handle, sei gemäß § 10 Abs. 2 Z 3 lit. a UStG der ermäßigte Steuersatz anzuwenden. Zudem könnten im Falle der umsatzsteuerpflichtigen Vermietung gemäß § 12 UStG auch Vorsteuern der Vorleistungen in Abzug gebracht werden, weswegen folgende Berechnung zu berücksichtigen sei:
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Bruttobetrag | Nettobetrag | USt-/VSt-Betrag | |
Bruttomieteinnahmen (inkl. BK. 10% USt) | € 10.500,00 | € 9.545,45 | € 954,55 |
VSt-relevante (10%, 20%) Werbungskosten | € 2.301,37 | € 2.025,12 | € -276,25 |
USt-Zahllast 2017 | € 678,30 |
Mit Beschwerdevorentscheidung vom änderte das Finanzamt den Umsatzsteuerbescheid 2017 dahingehend ab, als es die Umsatzsteuer nunmehr in der Höhe von 1.050 Euro festsetzte.
Mit Eingabe vom beantragte die Bf. die Vorlage ihrer Beschwerde an das Bundesfinanzgericht sowie die Entscheidung durch den Senat und die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung. Ergänzend wurde vorgebracht, dass die wesentlichen Entscheidungen in Zusammenhang mit der Vermietungstätigkeit - entgegen der Ansicht des Finanzamtes - nachweislich und ausschließlich in Österreich getroffen würden.
Da es sich bei der Vermietungstätigkeit um kein "operatives Unternehmen" handle, seien nach Erledigung der typischen und wesentlichen Aktivitäten in Österreich (Mieterauswahl, Vertragsabschuss, Teilnahme an jährlichen Eigentümerversammlungen, Wohnungsbesichtigungen etc.) de facto keine weiteren laufenden Aktivitäten oder Entscheidungen bis zum Auslauf der Befristung oder eines Mieterwechsels erforderlich, womit sich schon aus der Sache absolut kein Bedarf ergäbe, im Ausland für die Vermietung mit einer operativen Unternehmensführung oder wesentlichen Entscheidungen tätig zu werden. Jegliche gegenteilige Annahme müsse auch vor dem Hintergrund der wiederkehrenden, monatlichen Anwesenheiten der Bf. auf Grund ihrer nicht selbständigen Tätigkeit in Österreich als unsachlich zurückgewiesen werden.
Der Mietvertrag sei in Abstimmung mit ***6*** Immobilien erstellt und in deren Geschäftsräumlichkeiten von beiden Vertragspartnern im Juni 2017 unterzeichnet worden, was ***6*** Immobilien schriftlich bestätigt habe.
Wie aus dem beigelegten Eigentümerversammlungsprotokoll vom ersichtlich sei, nehme die Bf. zudem an den jährlich stattfindenden Eigentümerversammlungen teil, im Rahmen derer wesentliche Entscheidungen in Bezug auf das Vermietungsobjekt getroffen würden.
Zudem würden in regelmäßigen Abständen Besichtigungen des Hauses durch die Bf. stattfinden, wo gegebenenfalls auch ein etwaiger Reparatur- oder Erneuerungsbedarf (zB Erneuerung Heizkörper) besprochen würde, was die Mieterin schriftlich bestätigt habe.
Wie bereits im Rahmen der Beschwerde ausgeführt worden sei, erfolge die finanzielle Abwicklung der Vermietung über ein österreichisches Bankkonto. Aus dem beigelegten Bank Kontoauszug vom bis sei der monatliche Zahlungseingang der Miete in der Höhe von 1.750 Euro sowie die Abbuchung der Betriebskosten in der Höhe von 184,40 Euro ersichtlich.
Abschließend werde darauf hingewiesen, dass in der Beschwerdevorentscheidung zwar der ermäßigte Steuersatz gemäß § 10 Abs. 2 Z 3 lit. a UStG berücksichtigt worden sei, die Mieteinnahmen jedoch als Nettoeinnahmen angesehen worden seien. Wie dem beiliegenden Mietvertrag zu entnommen werden könne, sei als Gesamtmiete ein Betrag von 1.750 Euro pro Monat vereinbart worden, eine nachträgliche Verrechnung der Umsatzsteuer an den Endverbraucher sei daher nicht möglich. Konsequenterweise seien die Mieteinnahmen daher als Bruttobetrag zu verstehen. Zudem seien die abzugsfähigen Vorsteuerbeträge ohne weitere Stellungnahme nicht anerkannt worden.
Für den Fall, dass das Bundesfinanzgericht der Ansicht des Finanzamtes folge, so sei die Umsatzsteuer für die Umsätze aus Vermietung und Verpachtung aus den Bruttoeinnahmen in Hundert mit 10% zu berechnen und unter Berücksichtigung der Vorsteuern mit 678,30 Euro festzusetzen. In weiterer Folge sei dann auch der Einkommensteuerbescheid 2017 von Amts wegen auf die um die Umsatzsteuern reduzierten Nettoeinnahmen zu ändern.
Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.
In der mündlichen Verhandlung bringt die Bf. vor, dass sie seit 6 Jahren Geschäftsführerin von ***5*** Austria sei. Vor 3 Jahren sei ihr zusätzlich der Posten der Geschäftsführerin von ***5*** Deutschland übertragen worden und sie habe eine Dienstwohnung in Deutschland bekommen. In der Zeit, in der sich die Bf. in Österreich aufhalte, wohne sie in der elterlichen Wohnung, in der sie einen eigenen Wohnbereich habe und an deren Adresse sie nachweislich Finanzamtspost bekomme. Da die Bf. in Wien 100 Mitarbeiter betreue, nachweislich eine Aufgabe in Österreich habe und sich jede zweite Woche 2-3 Tage in Österreich aufhalte, bestehe somit ein klarer Anknüpfungspunkt zu Österreich.
Betreffend die Vermietung führte die Bf. aus, dass der Mieter des Hauses in Österreich gefunden und der Mietvertrag mit einem österreichischen Anwalt abgeschlossen worden sei, die Miete auf ein österreichisches Bankkonto überwiesen werde und die Bf. sowohl an den Eigentümerversammlungen teilnehme als auch ihre Mieter jeweils persönlich treffe, um die Übergabe des Hauses persönlich vorzunehmen und potenzielle Probleme im Zusammenhang mit der Vermietung des Hauses zu besprechen. Die wesentlichen Entscheidungen der Vermietung bestünden im Führen der Unternehmenstätigkeit, all diese Entscheidungen würden von der Bf. persönlich vorgenommen.
Des Weiteren bringt die Bf. vor, dass sie sich in etwa 70 Tage im Jahr in Wien aufhalte und den verbleibenden Rest jeweils zur Hälfte in Deutschland und zur anderen Hälfte in den Niederlanden bzw. in der Schweiz auf Dienstreisen verbringe. Der Lebensgefährte der Bf. sei Italiener und pendle zwischen Wien, Triest und Frankfurt. Der gesamte Freundeskreis sowie die Ärzte der Bf. würden sich nachweislich in Österreich befinden.
Die Finanzamtsvertreterin bringt vor, dass sie nach wie vor auf dem Standpunkt stehe, dass die wesentlichen Entscheidungen im Zusammenhang mit der Vermietung nicht in Österreich getroffen würden.
Abschließend verweist der steuerliche Vertreter auf ein Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH, in welchem die Finanzverwaltung die Lage eines Grundstücks für die feste Begründung einer Betriebsstätte als ausreichend angesehen hat und dessen Ausgang für das gegenständliche Beschwerdeverfahren von Bedeutung wäre.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Feststellungen
Die Bf. ist österreichische Staatsbürgerin und Geschäftsführerin von ***5*** Austria sowie von ***5*** Deutschland.
Sie wohnt in der ihr von ihrem Dienstgeber zur Verfügung gestellten Dienstwohnung in Deutschland und erzielt aus der Vermietung ihres - ihr in Österreich bis zum Umzug nach Deutschland als Wohnsitz dienenden - Hauses in der ***3*** Mieteinkünfte.
Auf Grund ihrer Geschäftsführertätigkeit für ***5*** Austria hält sich die Bf. regelmäßig jede zweite Woche 2-3 Tage in Österreich auf. Dabei wohnt sie in der elterlichen Wohnung in ***7***, in welcher sie einen eigenen Wohnbereich hat.
Die Ausschreibung der Vermietung des Hauses in der ***3*** erfolgte mittels online-Plattformen (facebook, willhaben.at).
Der Mietvertrag wurde in Abstimmung mit ***6*** Immobilien erstellt und von den Vertragspartnern im Juni 2017 in deren Geschäftsräumlichkeiten unterzeichnet.
Die Übergabe des Hauses an die Mieter nimmt die Bf. regelmäßig persönlich vor.
Die Bf. trifft die Mieter persönlich, um allfällige Probleme im Zusammenhang mit der Vermietung zu besprechen.
Die laufenden Eingangsrechnungen betreffend das Mietobjekt werden an die Adresse der elterlichen Wohnung der Bf. in ***7***, zugestellt und dort aufbewahrt.
Die finanzielle Abwicklung der Vermietung erfolgt über das österreichische Bankkonto der Bf.
Die Bf. nimmt an den jährlich stattfindenden Eigentümerversammlungen betreffend das Vermietungsobjekt teil (siehe Eigentümerversammlungsprotokoll der Versammlung vom ).
Das Bundesfinanzgericht geht daher davon aus, dass die Bf. alle wesentlichen Entscheidungen im Zusammenhang mit der Vermietung ihres Hauses persönlich trifft.
Die Bf. hält sich in etwa 70 Tage im Jahr in Wien auf, die verbleibende Zeit verbringt sie in Deutschland oder auf Dienstreisen in den Niederlanden oder der Schweiz.
Der gesamte Freundeskreis der Bf. befindet sich in Österreich.
Alle Ärzte der Bf. befinden sich in Österreich.
Der Lebensgefährte der Bf. ist italienischer Staatsbürger und pendelt zwischen Wien, Triest und Frankfurt.
Das Bundesfinanzgericht geht daher davon aus, dass die Bf. ihren Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich hat und in Österreich ansässig ist.
Strittig ist im gegenständlichen Verfahren, ob die Bf. als Vermieterin ihr Unternehmen im Inland betrieb und daher die Steuerbefreiung gemäß § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 (Kleinunternehmerregelung) zur Anwendung gelangen kann.
Beweiswürdigung
Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig. Dagegensprechende Umstände wurden nicht vorgebracht und sind auch nicht ersichtlich.
Vor diesem Hintergrund durfte das Bundesfinanzgericht die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs. 2 BAO als erwiesen annehmen.
Rechtsgrundlagen und rechtliche Beurteilung
Nationales Recht
Gemäß § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 in der für den gegenständlichen Fall geltenden Fassung, BGBl I Nr. 117/2017, sind von den unter § 1 Abs. 1 Z 1 fallenden Umsätzen steuerfrei die Umsätze der Kleinunternehmer. Kleinunternehmer ist ein Unternehmer, der im Inland sein Unternehmen betreibt und dessen Umsätze nach § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 im Veranlagungszeitraum 30.000 Euro nicht übersteigen. Bei dieser Umsatzgrenze bleiben Umsätze aus Hilfsgeschäften einschließlich der Geschäftsveräußerungen sowie Umsätze, die nach § 6 Abs. 1 Z 8 lit. d und j, Z 9 lit. b und d, Z 10 bis 15, Z 17 bis 26 und Z 28 steuerfrei sind, außer Ansatz. Das einmalige Überschreiten der Umsatzgrenze um nicht mehr als 15% innerhalb eines Zeitraumes von fünf Kalenderjahren ist unbeachtlich.
Unionsrecht
§ 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 findet seine unionsrechtliche Grundlage in den nachstehend angeführten Bestimmungen der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL).
Nach Art. 272 Abs. 1 Buchst. d der MwStSystRL können die Mitgliedstaaten Steuerpflichtige, die die Steuerbefreiung für Kleinunternehmen nach den Artikeln 282 bis 292 in Anspruch nehmen, von bestimmten oder allen Pflichten nach den Kapiteln 2 bis 6 befreien.
Titel XII (Sonderregelungen) der MwStSystRL enthält in Kapitel 1 eine Sonderregelung für Kleinunternehmen. Art. 281 in Abschnitt 1 (Vereinfachte Modalitäten für die Besteuerung und die Steuererhebung) dieses Kapitels ermöglicht es im Wesentlichen den Mitgliedstaaten, in denen die normale Besteuerung von Kleinunternehmen wegen deren Tätigkeit oder Struktur auf Schwierigkeiten stoßen würde, vereinfachte Modalitäten für die Besteuerung und Steuererhebung anzuwenden.
Gemäß Art. 282 der MwStSystRL gelten die Steuerbefreiungen und -ermäßigungen nach Abschnitt 2 für Lieferungen von Gegenständen und für Dienstleistungen, die von Kleinunternehmen bewirkt werden.
Nach Art. 283 Abs. 1 Buchst. c der MwStSystRL gilt Abschnitt 2 nicht für die Lieferungen von Gegenständen und Erbringung von Dienstleistungen durch einen Steuerpflichtigen, der nicht in dem Mitgliedstaat ansässig ist, in dem die Mehrwertsteuer geschuldet wird.
Art. 283 Abs. 1 Buchst. c der MwStSystRL eröffnet den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, den in ihrem Hoheitsgebiet ansässigen Kleinunternehmen eine Mehrwertsteuerbefreiung mit Verlust des Vorsteuerabzugs zu gewähren, schließt diese Möglichkeit aber hinsichtlich der in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Kleinunternehmen aus ( Schmelz, C-97/09, Rn 51).
Der Umstand, dass der Mitgliedstaat die Mehrwertsteuerbefreiung nur auf die in seinem Hoheitsgebiet ansässigen Kleinunternehmer anwenden darf, würde zwar zu einer Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit führen, diese Richtlinienbestimmung sei aber durch die Notwendigkeit wirksamer Steuerkontrollen und der Bekämpfung von Steuerhinterziehungen und Steuerumgehungen gerechtfertigt ( Schmelz, C-97/09, Rn 52-64, 70).
Aus dem Stoppelkamp, C-421/10, Rn 26, ergibt sich, dass ein Steuerpflichtiger dann ein "im Ausland ansässiger Steuerpflichtiger" im Sinne des Art. 283 MwStSyst-RL ist, wenn er den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung (Betriebsstätte), von wo aus Umsätze bewirkt werden, im Ausland hat.
Bei der Bestimmung des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit einer Gesellschaft ist eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen, und zwar in erster Linie der statuarische Sitz, der Ort der zentralen Verwaltung, der Ort, an dem die Führungskräfte der Gesellschaft zusammentreffen, und der Ort, an die die allgemeine Unternehmenspolitik dieser Gesellschaft bestimmt wird. Andere Faktoren, wie der Wohnsitz der Hauptführungskräfte, der Ort, an dem die Gesellschafterversammlung zusammentritt, der Ort, an dem die Verwaltungsunterlagen erstellt und die Bücher geführt werden, oder der Ort, an dem die Finanz- und insbesondere die Bankgeschäfte hauptsächlich wahrgenommen werden, können in zweiter Linie herangezogen werden (vgl. , Pflanzer Luxembourg, RN 29-35 und 61, , Stoppelkamp, RN 31).
Die Neufassung des § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 mit dem AbgÄG 2016, BGBl I 117, hatte die Anpassung an die unionsrechtlichen Vorgaben zum Ziel (vgl. RV 1352 BlgNR 25. GP). Demnach kommt es für die Anwendbarkeit der Kleinunternehmerregelung (im Gegensatz zur Rechtslage bis ) nicht mehr auf die Ansässigkeit im Inland, sondern darauf an, ob der Unternehmer sein Unternehmen im Inland betreibt. Die Formulierung "im Inland sein Unternehmen betreibt" entspricht der Terminologie des § 3a Abs. 6 und 7 UStG, auch dort wird auf den Ort abgestellt, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt.
Art. 44 und 45 MwSt-RL sprechen in diesem Zusammenhang von dem Ort, an dem der Unternehmer den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat (vgl. Ruppe/Achatz, UStG Kommentar5 (2017), § 6 Rz 449).
Nach Artikel 10 Abs. 1 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates vom zur MwStSystRL gilt als Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit, der Ort an dem die Handlungen zur zentralen Verwaltung des Unternehmens vorgenommen werden.
Gemäß Artikel 10 Abs. 2 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 werden zur Bestimmung des Ortes nach Absatz 1 der Ort, an dem die wesentlichen Entscheidungen zur allgemeinen Leitung des Unternehmens getroffen werden, der Ort seines satzungsmäßigen Sitzes und der Ort, an dem die Unternehmensleitung zusammenkommt, herangezogen. Für den Fall, dass anhand dieser Kriterien der Ort des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit eines Unternehmens nicht mit Sicherheit bestimmt werden kann, so wird der Ort, an dem die wesentlichen Entscheidungen zur allgemeinen Leitung des Unternehmens getroffen werden, zum vorrangigen Kriterium.
Auf Grundlage der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 zur MwStSystRL sowie der Rechtsprechung des EuGH ist demnach im vorliegenden Fall bei der Bestimmung des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit in erster Linie zu prüfen, an welchem Ort die Handlungen zur zentralen Verwaltung des Unternehmens (Ort des statuarischen Sitzes und Ort, an dem die Unternehmensleitung zusammenkommt) vorgenommen wurden.
Da es sich bei der Bf. jedoch um eine Einzelunternehmerin handelt, sodass weder ein satzungsmäßiger Sitz des Unternehmens noch ein Ort, an dem die Unternehmensleitung zusammenkommt, vorliegt, kann anhand dieser Kriterien der Ort des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit nicht mit Sicherheit bestimmt werden.
Damit wird der Ort, an dem die wesentlichen Entscheidungen zur allgemeinen Leitung des Unternehmens getroffen werden, zum vorrangigen Kriterium.
In diesem Zusammenhang führt die Bf. folgende wesentliche Entscheidungen im Zusammenhang mit der Vermietungstätigkeit an, welche nachweislich und ausschließlich in Österreich getroffen wurden:
• die Ausschreibung der Vermietung des Hauses mittels online-Plattformen
• der Mietvertragsabschluss beider Vertragsparteien in den Geschäftsräumlichkeiten von ***6*** Immobilien
• die persönliche Übergabe des Hauses an die Mieter durch die Bf.
• die persönlichen Zusammentreffen der Bf. mit den Mietern zur Problemlösung
• die Zustellung und Aufbewahrung der laufenden Eingangsrechnungen betreffend das Mietobjekt an die bzw. der Adresse der elterlichen Wohnung der Bf. in ***7***
• die finanzielle Abwicklung der Vermietung über das österreichische Bankkonto der Bf.
• die Teilnahme der Bf. an den jährlich stattfindenden Eigentümerversammlungen betreffend das Vermietungsobjekt
Darüber hinaus hat die Bf. überzeugend dargelegt, dass sie alle wesentlichen Entscheidungen im Zusammenhang mit der Vermietung ihres Hauses in der ***3***, persönlich getroffen hat.
Auf Grund ihrer - durch ihre Tätigkeit als Geschäftsführerin von ***5*** Austria bedingten - regelmäßigen Aufenthalte in Österreich und ihres persönlichen Engagements im Zusammenhang mit der Vermietung ihres Hauses, hat die Bf. einen starken Anknüpfungspunkt zu Österreich. Es ist daher glaubwürdig, dass alle für die Vermietungstätigkeit wesentlichen Entscheidungen (Mieterauswahl, Vertragsabschuss, Übergabe des Mietobjekts, Betrauung der Hausverwaltung, Teilnahme an den jährlichen Eigentümerversammlungen) von der Bf. in Österreich getroffen wurden.
Für den Nachweis eines inländischen Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit fehlt es aber beim "Anknüpfungspunkt Bf." - wie bei allen natürlichen Personen ohne Werkstatt, Ladengeschäft, Kanzlei, Ordination etc. - an einem eigenen Ort der Geschäftsleitung bzw. einer Betriebsstätte, sodass gemäß Art. 44 bzw. 45 MwSt-RL auf den Wohnsitz oder den gewöhnlichen Aufenthaltsort abzustellen ist. Im Falle der Vermietung eines Grundstücks ist davon auszugehen ist, dass das Unternehmen (mangels eigener Geschäftsleitung) am Ort der Ansässigkeit des Vermieters betrieben wird (vgl. Ruppe/Achatz, UStG Kommentar5 (2017), § 6 Rz 449 mwN).
Im gegenständlichen Fall ist für die Frage der Anwendbarkeit der Kleinunternehmerregelung daher zu entscheiden, ob die Bf. im Streitjahr in Österreich oder in Deutschland ansässig war. Im Hinblick darauf, dass die Bf. sowohl in Österreich als auch in Deutschland über einen Wohnsitz verfügte, gilt sie als nur in dem Staat ansässig, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen).
In der Gesamtschau der Lebensumstände war und ist der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in Österreich. Die Bf. ist österreichische Staatsbürgerin und seit vielen Jahren als Geschäftsführerin bei ***5*** Austria tätig. Vor drei Jahren wurde ihr zusätzlich die Geschäftsführung bei ***5*** Deutschland übertragen. Zur Ausübung dieser Tätigkeit wurde ihr in Deutschland eine Dienstwohnung zur Verfügung gestellt. Dennoch hält sich die Bf. regelmäßig (jede zweite Woche 2-3 Tage) in Österreich auf, wo sie in der elterlichen Wohnung einen eigenen Wohnbereich bewohnt. Das Vorbringen der Bf., wonach sie ihre Eltern, ihren gesamten Freundeskreis und auch ihre Ärzte in Österreich habe, lässt darauf schließen, dass die Bf. jedenfalls engere Beziehungen zu Österreich als zu Deutschland hat, wo sie sich lediglich seit drei Jahren zum Zwecke der Berufsausübung aufhält. Der Umstand, dass die Bf. in Deutschland höhere Einkünfte als in Österreich erzielt und ihr in Deutschland eine Dienstwohnung zur Verfügung gestellt wurde, vermochte alleine noch keinen Mittelpunkt der Lebensinteressen in Deutschland zu begründen.
Da somit von der Ansässigkeit der Bf. in Österreich auszugehen ist, steht der Bf. die Anwendung der Kleinunternehmerregelung gemäß § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 zu. Diese Auffassung entspricht auch der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, welcher die Regelung richtlinienkonform interpretierte und zu dem Ergebnis kam, dass ein Mitgliedstaat nach Art. 283 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL (Art. 283 Abs. 1 lit. c der Richtlinie 2006/112/EG) die Kleinunternehmerregelung bei Dauerdienstleistungen nur für jene Abrechnungsperioden zur Anwendung bringen dürfe, in denen der Steuerpflichtige im Inland ansässig sei ().
Aus den dargelegten Gründen war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da im Hinblick auf die Bestimmung des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit im Zusammenhang mit der Anwendung der Kleinunternehmerregelung gemäß § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 bei Vermietung und Verpachtung eines Hauses durch einen Vermieter, der in zwei Vertragsstaaten einen Wohnsitz hat, keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes betreffend den Ort, an dem die wesentlichen Entscheidungen zur allgemeinen Leitung des Unternehmens getroffen werden, vorliegt, ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 Art. 283 Abs. 1 lit. c RL 2006/112/EG, ABl. Nr. L 347 vom S. 1 § 3a Abs. 6 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 Art. 10 Abs. 1 DVO 282/2011, ABl. Nr. L 77 vom S. 1 Art. 10 Abs. 2 DVO 282/2011, ABl. Nr. L 77 vom S. 1 |
Verweise | |
Zitiert/besprochen in | Leyerer in BFGjournal 2020, 468 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7100324.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at