Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 30.09.2020, RV/7102684/2019

Schätzung der Lohnzahlungen eines Werbemittelverteilers

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2021/13/0014. Zurückweisung mit Beschluss vom .

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Anna Mechtler-Höger in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ECOVIS Austria Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft m.b.H., Schmalzhofgasse 4, 1060 Wien, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 4/5/10 vom betreffend Haftung für Lohnsteuer, Festsetzung des Dienstgeberbeitrages und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2015 und 2016, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Die Bescheide betreffend Haftung für Lohnsteuer 2015, Festsetzung des Dienstgeberbeitrages und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2015 und 2016 werden wie folgt abgeändert:

  1. Die Beschwerdeführerin wird gemäß § 82 EStG 1988 als Arbeitgeberin für die Einbehaltung und Abfuhr der im Jahr 2015 vom Arbeitslohn zu entrichtenden Lohnsteuer für einen Betrag in Höhe von 671,98 Euro zur Haftung herangezogen.

  2. Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe des Dienstgeberbeitrages zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen (DB) und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag (DZ) betragen:


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Jahr
Summe der Arbeitslöhne
DB
DZ
2015
392.733,33 €
17.673,00 €
1.570,93 €
2016
431.977,33 €
19.438,98 €
1.727,91 €

II. Der Bescheid betreffend Haftung für Lohnsteuer für 2016 wird - ersatzlos - aufgehoben.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Bf ist eine 100%ige Tochter der X-Ltd mit Sitz in L. Der Mutterkonzern bietet am Markt günstige Tarife für Telefonie bzw. Internet ins Ausland an, schließt dafür Verträge mit nationalen Telekommunikationsunternehmen ab und kauft bei diesen internationale Telefonminuten zu. Diese Tarife werden über Internet oder über sogenannte Gutscheine bzw. Simkarten angeboten. Die Bf erzielt Einnahmen aus dem Verkauf dieser Gutscheine und Simkarten und betreibt zusätzliche Marketingmaßnahmen für diese Produkte.

Im Zuge einer die Jahre 2014 bis 2016 umfassenden gemeinsamen Prüfung der Lohnabgaben traf die Prüferin folgende Feststellung:

Aus einer Niederschrift, aufgenommen am mit Zeuge1, gehe hervor, dass die Bf ein Büro in Wien hatte. Es seien Gratis-Simkarten, Plakate und Flyer zu Werbezwecken an zumindest 6 Tagen in der Woche überwiegend in Einkaufszentren und Geschäften verteilt worden. Die Verteilung sei nicht nur in Wien, sondern auch in Wien-Umgebung und in ganz Österreich erfolgt.

Die Personen, die die Verteilung übernahmen, hätten sich im Büro in Wien am A.Platz versammelt und seien vom Stammpersonal, das regelmäßig wechselte, eingeteilt worden. Der einteilenden Person sei ein Handy mit einer eigenen Firmensoftware (Applikation) zur Verfügung gestellt worden. Damit sei es möglich gewesen, sämtliche Namen und Mailadressen jener Personen zu sehen, die für die Bf Verteiltätigkeiten durchgeführt hätten.

In der mit Zeuge2 aufgenommenen Niederschrift sei bestätigt worden, dass es am A.Platz ein Büro gegeben habe, wo Personen aufgenommen worden seien. Sie selbst habe von Montag bis Samstag Werbematerial für die Bf verteilt. In Wien seien dafür durchgehend 5 Personen beschäftigt gewesen. Die App der Bf sei zu Überwachungszwecken verwendet worden.

Zeuge3 habe niederschriftlich bestätigt, dass die Bf in der B-Gasse in Wien ein Geschäftslokal gehabt habe. Auch diese Person habe Wertkarten, Flugblätter und Werbematerial in Wien verteilt. Vor Arbeitsbeginn habe sie ein Handy, das über eine Überwachungssoftware verfügt habe, erhalten. Nach der Arbeit am Abend habe dieses wieder zurückgegeben werden müssen. Sie selbst sei nie an Verkaufsständen tätig geworden. 6-7 Personen hätten in Wien eine ihrer Tätigkeit vergleichbare Tätigkeit ausgeübt.

Die Bf habe auf Grund der Ergänzungsersuchen keine Unterlagen, Nachweise oder Beweismittel hinsichtlich der Werbemittelverteiler vorgelegt. Die teils nicht aussagekräftigen Antworten seien ausschließlich in englischer Sprache übermittelt worden. Aufgrund der aufgenommenen Niederschriften sei evident, dass eine bestimmte Anzahl von Personen zumindest von Montag bis Samstag für die Bf österreichweit tätig geworden sei.

Auf die Frage, wer die werbeunterstützenden Maßnahmen an welchen Orten durchgeführt habe, sei die Bf nicht eingegangen. Da aus den Buchhaltungs- und Lohnverrechnungsunterlagen bezüglich der als Verteiler beschäftigten Personen nichts hervorgegangen sei und die Bf ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sei, seien die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 184 BAO zu schätzen gewesen.

Da in Wien den Niederschriften zufolge durchgehend 5-7 Personen als Werbemittelverteiler beschäftigt gewesen seien und diese Tätigkeit im gesamten Bundesgebiet stattgefunden habe, sei die durchschnittliche Gesamtanzahl der beschäftigten Personen mit 25 ermittelt und darauf - wie in der Vorhaltsbeantwortung vom angegeben - der Kollektivvertrag der Sparte Handel Direktvertrieb (Trade Direct Marketing) angewendet worden. Der Mindestlohn habe 1.500,00 Euro (2015) bzw. 1.523,00 Euro (2016) betragen.

Das Finanzamt folgte dieser Feststellung und setzte die Lohnsteuer für die Jahre 2015 und 2016 laut Tarif fest und schrieb den Dienstgeberbeitrag und den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2015 und 2016 mit Bescheiden vom vor.

In der fristgerecht dagegen erhobenen Beschwerde führte die steuerliche Vertretung aus, die fehlende Mitwirkung der Bf sei auf Missverständnisse aufgrund der sprachlichen Barriere zurückzuführen. Sie habe unter dem Begriff "Büro" bzw. "Office" nur die Anschrift des Unternehmenssitzes und nicht auch allfällige Lagerräume verstanden.

Die seinerzeitige steuerliche Vertretung, der sämtliche notwendige Unterlagen übermittelt worden seien, habe der Bf nicht kommuniziert, dass diese der Behörde nur in deutscher Sprache vorgelegt werden dürfen.

Der Geschäftszweig der Bf sei laut Firmenbuchauszug mit der Erbringung von Absatz-, Marketing- und sonstigen Dienstleistungen, dem Handel mit Waren aller Art sowie der Tätigkeit als Handelsagent definiert. Die Bf verfüge an der Adresse AdresseBüro, über ein "virtuelles Büro", das ihr von der Firma Y-GmbH zur Verfügung gestellt werde. Dieses Büro diene lediglich als Anlaufstelle für Anfragen und Poststücke. Letztere würden von der Vermieterin entgegengenommen, eingescannt und an die Verantwortlichen der Bf per E-Mail übermittelt.

Zusätzlich zu dieser Postanschrift habe die Bf im gegenständlichen Zeitraum über einen Lagerraum am A.Platz bzw. über einen leerstehenden Raum in der B-Gasse verfügt. Diesen habe lediglich Herr M genutzt, wenn er in Wien gewesen sei. Der Raum am A.Platz habe der Lagerung von Werbematerial gedient. Zu diesem Lager habe nur Herr M, ein Angestellter der Muttergesellschaft, einen Schlüssel gehabt. Er sei zur Organisation bzw. zur Verteilung der Werbematerialien an die Mitarbeiter der Bf entsandt worden. Die Mitarbeiter selbst hätten keinen Zugang zu den Lagerräumlichkeiten gehabt.

Im Streitzeitraum habe die Bf über insgesamt 8 Mitarbeiter verfügt:


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1. Zeuge2
-
1.500,00 € netto
2. ***1***
-
1.680,00 € brutto
3. Zeuge1
-
-
2.970,00 € brutto
4. ***2***
-
-
1.900,00 € netto
5. Zeuge3
-
1.500,00 € netto
6. ***4***
-
1.683,33 € brutto
7. ***5***
-
1.100,00 € netto (ab 1.310,00 € brutto)
8. ***6***
-
1.500,00 € netto

Es würden die Dienstverträge in englischer Sprache zum Beweis beigelegt, beglaubigte Übersetzungen würden nachgereicht. Weiters würde eine Auflistung der tatsächlichen Arbeitstage vorgelegt, aus welcher auch allenfalls konsumierte Urlaubstage zu ersehen seien.

Bei sämtlichen dieser Mitarbeiter seien die steuerrechtlichen Anforderungen ordnungsgemäß erfüllt worden. Die Bf habe sich eines nationalen Steuerberatungsunternehmens bedient, um gesetzeskonform zu arbeiten. Weitere Mitarbeiter seien für die Bf in diesem Zeitraum nicht tätig gewesen.

Die Bf habe im Nachhinein erfahren, dass die Mitarbeiter von sich aus weitere Personen organisiert hätten, die ihnen bei der Verteilung von Flyern geholfen hätten; es seien aus diesem Grund sämtliche Mitarbeiter gekündigt worden. Eine derartige Akquise von Mitarbeitern sei weder beauftragt noch gebilligt worden. Die Bf habe mit diesen auch keine Verträge abgeschlossen und sie auch nicht entlohnt. Sobald die Bf davon erfahren habe, seien die Mitarbeiter gekündigt worden bzw. sei Anzeige wegen Diebstahls erstattet worden. Mittlerweile verfüge die Bf über keine Mitarbeiter mehr, der Verkauf erfolge nur mehr über Handelspartner wie z. B. T-GmbH.

Tatsächlich seien somit im gegenständlichen Zeitraum insgesamt nur 8 Mitarbeiter angestellt gewesen, die ordnungsgemäß angemeldet gewesen und für die die gesetzlichen Abgaben abgeführt worden seien. Die im Rahmen der GPLA ermittelte Bemessungsgrundlage sei daher unrichtig, die angefochtenen Bescheide seien daher aufzuheben.

Mit Beschwerdevorentscheidungen vom bzw. vom wurde die Beschwerde gegen die Haftungsbescheide betreffend Lohnsteuer 2015 und 2016 und gegen die Festsetzungsbescheide betreffend Dienstgeberbeitrag 2015 und 2016 als unbegründet abgewiesen und ausgeführt, im Zuge der GPLA seien mit mehreren Ergänzungsersuchen Unterlagen und Nachweise hinsichtlich der Werbemittelverteiler abverlangt worden. Da aber teils keine Unterlagen vorgelegt, teils widersprüchliche und nicht aussagekräftige Antworten ausschließlich in englischer Sprache gegeben worden seien, seien die Bemessungsgrundlagen im Schätzungswege ermittelt worden.

Auch der Beschwerde seien keine lückenlosen Arbeitszeitaufzeichnungen beigelegt worden. Ebenso würden angeforderte Unterlagen zu den Sachkonten "Reise- und Fahrtaufwand", "Provisionen", "Werbung", "Aufwendungen für bezogene Leistungen" fehlen. Auf die Frage, wer die Barumsätze vereinnahmt habe bzw. wer für die Bareinzahlungen verantwortlich gewesen sei, sei nicht eingegangen worden. Aus der Beschwerde gehe auch nicht hervor, wer die Gratis-Simkarten, Flyer und Plakate in den Bundesländern verteilt habe. Die mit der Beschwerde vorgelegten Unterlagen (Dienstverträge in englischer Sprache, diverse Kontoblätter, Tabellen betreffend 10/2015, 1-3/2016 mit den konsumierten Urlaubstagen) seien nicht geeignet, den Sachverhalt zu ermitteln. Den Ausführungen in der Beschwerde sei auch nicht zu entnehmen, warum eine Schätzung im vorliegenden Fall unzulässig sei. Es gebe auch keinen Grund, von der begründeten Schätzung abzugehen.

In den fristgerecht eingebrachten Vorlageanträgen verwehrt sich die steuerliche Vertretung gegen die Schätzung der Abgaben und weist darauf hin, dass es keine rechtliche Grundlage dafür gebe, Abgaben für Mitarbeiter festzusetzen, die es im Unternehmen zu keinem Zeitpunkt gegeben habe. Die Behörde habe nicht begründet, weshalb die von ihr vorgenommene Schätzung dem Tatsächlichen am nächsten komme, zumal diese von einem Mitarbeiterstab ausgehe, der dreimal so hoch wie der tatsächliche sei.

Die Weigerung der Abgabenbehörde, die Abgabenschuld rückwirkend abzuändern, wenn die damalige Schätzung der Besteuerungsgrundlagen sich als unzutreffend erweise, sei nicht nachvollziehbar. Es seien im Rahmen der GPLA Abgaben verschiedener Behörde geschätzt worden. Nicht alle Verfahren seien bereits beendet. Die Kommunalbehörde Linz habe jedoch entschieden, dass die Schätzung nicht zutreffe und habe die Abgaben dementsprechend angepasst.

Außerdem habe die Behörde einen Großteil der Schätzung auf die Aussagen zweier ehemaliger Mitarbeiter gestützt, deren Glaubwürdigkeit aufgrund deren Kündigung in Zweifel zu ziehen sei. Für einen Mitarbeiter sei im Zeitpunkt der Befragung auf Betreiben der Bf ein Strafverfahren anhängig gewesen.

Wenn die Behörde anmerke, dass die übermittelten Unterlagen nicht ausreichend seien, um den Sachverhalt zu ermitteln, so sei darauf zu verweisen, dass mit der Beschwerde sämtliche Mitarbeiterverträge ausgefüllt und unterschrieben und zusammen mit einer zertifizierten Übersetzung vorgelegt worden seien.

Bei Durchsicht der vorgelegten Unterlagen hätte die Behörde feststellen müssen, dass in den Jahren 2015 und 2016 insgesamt 8 Mitarbeiter, allerdings nicht durchgehend, beschäftigt gewesen seien. Für diese Mitarbeiter seien die entsprechenden Abgaben festgesetzt und abgeführt worden. Insgesamt seien für 2015 Abgaben in Höhe von 92.496,40 Euro und für das Jahr 2016 Abgaben in Höhe von 119.371,89 Euro entrichtet worden. Dies sollte aus den Aufzeichnungen der Behörde nachvollziehbar sein.

Der genaue Zeitraum, für den die einzelnen Mitarbeiter angestellt gewesen seien, und das geleistete Entgelt ergebe sich aus den einzelnen Verträgen. Es werde weiters eine Aufstellung vorgelegt, aus der ersichtlich sei, wieviele Tage die einzelnen Mitarbeiter in diesem Zeitraum tatsächlich gearbeitet hätten.

Ergänzend werde eine weitere Arbeitszeitaufzeichnung mit Eintragungen betreffend "Holiday", "Working" und "Absent" vorgelegt. Aber auch ohne dieses Dokument gehe aus den bereits übermittelten Unterlagen hervor, dass im gegenständlichen Zeitraum eben nur 8 Mitarbeiter und nicht, wie von der Behörde geschätzt, 25 Mitarbeiter für die Bf tätig gewesen seien.

In der Beschwerde sei bereits festgehalten worden, dass diese Mitarbeiter keinen Zugang zu den Räumlichkeiten der Bf gehabt hätten, sondern dass sie die Werbemittel von einer Kontaktperson erhalten hätten. Bei dieser Kontaktperson habe es sich um einen Mitarbeiter der Muttergesellschaft gehandelt, der nur zu diesem Zweck nach Wien geschickt worden sei. In den Verträgen werde explizit festgehalten, dass die Beschäftigung der einzelnen Mitarbeiter in der Verteilung von Flyern oder Gratis-Simkarten bestanden habe. Dies zeige, dass die Mitarbeiter nicht berechtigt gewesen seien, Barzahlungen für die Bf entgegenzunehmen. Es sei darüber hinaus nicht nachvollziehbar, inwiefern es für die Festsetzung der Abgaben relevant sei, wer konkret die Barzahlungen auf das Konto der Bf vorgenommen habe.

Aufgrund der Schwierigkeiten mit den einzelnen Mitarbeitern, die auch zu Strafanzeigen geführt hätten, seien in weiterer Folge sämtliche Angestelltenverhältnisse beendet worden.

Im Vorlagebericht führte die belangte Behörde in ihrer Stellungnahme aus, aufgrund der drei vorliegenden Niederschriften sei evident, dass im prüfungsgegenständlichen Zeitraum eine bestimmte Anzahl von Personen Werbematerial zumindest von Montag bis Samstag österreichweit verteilt habe.

Mit Beschluss vom wurde beiden Verfahrensparteien die beabsichtigte Abänderung der von der belangten Behörde vorgenommenen Schätzung wie folgt vorgehalten und die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt:

"Das Bundesfinanzgericht beabsichtigt, die im Zuge der Gemeinsamen Prüfung der Lohnabgaben (GPLA) vorgenommene Schätzung dahingehend abzuändern, als bei Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen nicht die Entlohnung laut dem für das jeweilige Streitjahr geltenden Kollektivvertrag herangezogen wird, sondern

1.für die 25 nicht angemeldeten Dienstnehmer

2.eine monatliche Entlohnung in Höhe von 900,00 Euro,

3.die nur 12 mal jährlich ausbezahlt wurde,

zu Grunde gelegt wird.

Pro nicht gemeldeten Arbeitnehmer errechnet sich daher ein jährlicher Hinzurechnungsbetrag in Höhe von 10.800,00 Euro.

Es wären daher in den Jahren 2015 und 2016 die Bemessungsgrundlagen für die Lohnabgaben um jeweils 270.000,00 Euro zu erhöhen, wobei in Anbetracht des auf den einzelnen Arbeitnehmer entfallenden Betrages, der unter der Steuerfreigrenze von 11.000,00 Euro liegt, die Heranziehung der Beschwerdeführerin zur Haftung für Lohnsteuer zu unterbleiben hätte und die Haftungsbescheide 2015 und 2016 daher ersatzlos aufzuheben wären."

Die rechtsfreundliche Vertretung der beschwerdeführenden Partei führte in ihrer Stellungnahme aus, es seien zu keinem Zeitpunkt 25 Mitarbeiter, sondern lediglich die acht gemeldeten Mitarbeiter für die Beschwerdeführerin tätig geworden. Die belangte Behörde habe ihre Schätzung auf die Aussage eines ehemaligen Mitarbeiters gestützt, der allerdings nicht behauptet habe, dass es 25 Mitarbeiter gegeben habe. Er habe lediglich festgehalten, dass er in Wien einmal 5 Mitarbeiter gesehen habe. Darüber hinaus sei erwähnt, dass dieser ehemalige Mitarbeiter strafrechtlich unter anderem wegen Diebstahls verfolgt werde. Da es im Zeitraum 2015 und 2016 keine nicht gemeldeten Arbeitnehmer gegeben habe, seien daher auch keine Abgaben zu verrechnen.

Die belangte Behörde führte in ihrer Stellungnahme aus, das Verteilen von Flyern sei als wohl einfache Tätigkeit einzustufen. Es sei daher laut Beschäftigungsgruppenschema des ab geltenden Kollektivvertrages (allgemeiner Groß- und Kleinhandel) von einer Entlohnung von 1.500,00 Euro auszugehen. Bei 900,00 Euro pro Monat hätten die 25 Arbeitnehmer weniger verdient als Lehrlinge im dritten Lehrjahr an Lehrlingsentschädigung bekommen würden oder weniger als Ferialpraktikanten, die maximal 3 Monate angestellt seien. Die angemeldeten Dienstnehmer seien mit Ausnahme eines einzigen über dem Mindestlohn laut Kollektivvertrag entlohnt worden. Bei der Schätzung sei daher nicht von einer Unterentlohnung ausgegangen worden.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin ist eine 100%ige Tochter der X-Ltd mit dem Sitz in L. Der Mutterkonzern bietet am Markt günstige Tarife für Telefonie bzw. Internet ins Ausland an. Dafür schließt sie Verträge mit nationalen Telekommunikationsunternehmen ab und kauft bei diesen internationale Telefonminuten zu, die dann über Internet oder über Gutscheine bzw. Simkarten angeboten werden. Die Beschwerdeführerin verkaufte die Gutscheine und Simkarten und betrieb Marketingmaßnahmen für diese Produkte.

Die Beschwerdeführerin verfügte an der Adresse AdresseBüro, über ein sogenanntes "virtuelles" Büro, das von der Firma Y-GmbH zur Verfügung gestellt wurde. Dieses Büro diente als Anlaufstelle für Anfragen und Poststücke, die von der Vermieterin entgegengenommen und an die Verantwortlichen der Beschwerdeführerin per E-Mail übermittelt wurden.

Zusätzlich zu dieser Postanschrift verfügte die Beschwerdeführerin im Streitzeitraum über einen Lagerraum in A-Platz; dort wurden Werbematerialien, wie Flyer, Simkarten, etc. aufbewahrt.

Herr M, ein Angestellter der Muttergesellschaft, war für die Organisation und Verteilung der Werbematerialien an die Mitarbeiter zuständig.

Folgende Arbeitnehmer waren im Streitzeitraum angemeldet:


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Zeuge2
-
***1***
-
Zeuge1
-
-
***2***
-
-
Zeuge3
-
***4***
-
***5***
-
***6***
-

Für diese Mitarbeiter wurden sämtliche Abgaben ordnungsgemäß entrichtet.

Neben den angemeldeten Mitarbeitern waren für die Beschwerdeführerin 25 nicht angemeldete Personen tätig.

Die Mitarbeiter verteilten an 5 bis 6 Tagen pro Woche Werbematerial in ganz Österreich, das sie im Büro der Beschwerdeführerin erhielten. Es wurde ihnen auch ein Telefon übergeben, auf welchem eine App zu ihrer Kontrolle installiert war.

Im Zuge der GPLA wurden folgende, nicht bestrittene Abfuhrdifferenzen festgestellt:


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Lohnsteuer
2015
671,98 €
Dienstgeberbeitrag
2015
186,01 €
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
2015
16,49 €

Beweiswürdigung

Der oben festgestellte Sachverhalt gründet sich auf die Angaben der Beschwerdeführerin und die von ihr vorgelegten Unterlagen, hinsichtlich der Tatsache, dass neben den angemeldeten Mitarbeitern 25 weitere, nicht angemeldete Personen für die Beschwerdeführerin tätig waren, auf folgende Beweiswürdigung:

In der im Zuge der GPLA mit Herrn Zeuge1 aufgenommenen Niederschrift gab dieser unter anderem an, er sei von der Beschwerdeführerin als Event- und Promotionsmitarbeiter angestellt worden. Ihm seien Personen zugeteilt worden, die teilweise keinen Aufenthaltstitel gehabt hätten, Asylwerber gewesen seien und keine Arbeitsgenehmigung gehabt hätten. Diese Aussage wird durch den Inhalt des zwischen der Beschwerdeführerin und Zeuge1 abgeschlossenen Arbeitsvertrages insoweit bestätigt, als darin die Tätigkeit als BDM-Manager bezeichnet wird und die Aufgaben wie folgt umschrieben werden:

  1. Leitung und Kontrolle des Teams Geschäftsentwicklung

  2. Kontenleitung der bestehenden Kundendatenbank

  3. Aktualisierung des Systems mit neuen Konteninformationen und entsprechender Fortschreibung

  4. Unterstützung eines Vertriebssystems zum Erreichen der Verkaufsziele

  5. Kommunikation mit regionalen Vertriebsteams zum Auftragsstatus und zur Vertriebsposition

  6. Berichterstellung

  7. Überwachung und Fortschreibung von Tätigkeitsberichten für sämtliche Vertriebsmitarbeiter

  8. Entwicklung und Leitung von Marketing-Strategien zum Erreichen und Übererfüllen von Absatzzielen

  9. Kundenbeziehungen verwalten, Kunden mit Marketing-Material versorgen, Verkaufszahlen verfolgen

  10. Große Anzahl von Telefonaten mit Vertriebsmitarbeitern und Kunden abwickeln

  11. Weitere Aufgaben wie und wann vom Vorgesetzten angeordnet

  12. …..

Die Tätigkeit der übrigen, von der Beschwerdeführerin als Mitarbeiter geführten Personen wird in den Arbeitsverträgen als "Direktor Verkaufsförderung", "Direktor Vertrieb" oder "Teamleiter" bezeichnet. Als wahrzunehmende Aufgaben sind angeführt:

  1. Sämtliche Produkte des Arbeitgebers kennenlernen und verstehen

  2. Produktkompetenz und Schulungskatalysatoren bereitstellen

  3. Aktionen zur Verkaufsförderung an unterschiedlichen Orten leiten

  4. SIMs an Orten mit Werbeaktionen besuchen und unterstützen

  5. Prospekte ausgeben, Werbematerial und Plakate verteilen, Merchandising-Tätigkeiten

  6. SIMs unter den mit dem Arbeitgeber verbundenen Einzelhandelsgeschäften bewerben und verteilen

Die Bezeichnung der Tätigkeit und die Umschreibung der Aufgaben des Zeuge1 legen den Schluss nahe, dass dieser in einer "leitenden" Position tätig war und weitere Personen, die ebenfalls für die Beschwerdeführerin tätig waren, ihre Tätigkeit unter seiner Aufsicht und Kontrolle ausübten. Dieser Schluss deckt sich auch mit der niederschriftlichen Aussage des Zeuge1. Zwei weitere angemeldete Mitarbeiter der Beschwerdeführerin gaben zu Protokoll, dass alleine in Wien 5-6 Personen mit der Verteilung von Werbematerial beschäftigt waren. Dass die Beschwerdeführerin jedoch nicht ausschließlich in Wien aktiv war, geht einerseits schon aus dem Bericht der Prüferin hervor und wird auch durch die Aussage von Zeuge1 bestätigt. Dieser Feststellung wurde weder in der Beschwerde noch im Vorlageantrag widersprochen.

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie habe im Streitzeitraum nur 8 Arbeitnehmer beschäftigt, ist angesichts der Aussage von Zeuge1 und dem Inhalt seines Arbeitsvertrages nicht glaubhaft. Außerdem scheint sogar in der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Liste eine über die 8 namhaft gemachten Dienstnehmer hinausgehende Person auf. In der von der Beschwerdeführerin vorgelegten eidesstattlichen Erklärung vom führte der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin aus, es seien mittlerweile sämtliche Mitarbeiter unter anderem wegen der Akquise weiterer Personen gekündigt worden. Diese Aussage bestätigt die Zeugenaussage von Zeuge1, dass weitere, nicht gemeldete Mitarbeiter für die Bf tätig waren. Dass diese Mitarbeiter von den sie akquirierenden Dienstnehmern entlohnt worden sind, ist weder glaubwürdig noch entspricht eine solche Vorgangsweise der Lebenserfahrung.

Der Schluss der Prüferin, dass die Beschwerdeführerin nicht angemeldete Dienstnehmer beschäftigte, ist daher plausibel und nachvollziehbar.

Hinsichtlich der Anzahl der nichtgemeldeten Dienstnehmer stützte sich die Prüferin auf die Angaben von Zeuge1, der eine Liste mit den Namen dieser Dienstnehmer auf seinem Handy gespeichert hatte. Diese Liste umfasste nach der glaubwürdigen Aussage der Prüferin 25 Personen, weshalb es nachvollziehbar erscheint, dass die Prüferin die Lohnabgaben für 25 nichtgemeldete Personen der Beschwerdeführerin vorschrieb.

Der Annahme der Prüferin, dass insgesamt 25 Personen für die Beschwerdeführerin im Streitzeitraum tätig waren, wurde zwar in der Beschwerde widersprochen, Beweise, die die Aussage des Zeuge1 geeignet wären zu widerlegen, wurden jedoch nicht angeboten. Der Hinweis, die Zeugenaussagen seien nicht glaubwürdig, weil die Mitarbeiter aufgrund ihrer Kündigung der Beschwerdeführerin gegenüber negativ eingestellt seien und hinsichtlich eines Zeugen ein durch die Beschwerdeführerin angeregtes Strafverfahren anhängig gewesen sei, vermag die Beweiswürdigung nicht zu erschüttern, da sich diese auch auf die Tätigkeitsbeschreibung der gemeldeten Dienstnehmer stützte, in denen von leitenden Funktionen die Rede ist.

Die Höhe der Entlohnung nahm das Bundesfinanzgericht mit 900,00 Euro monatlich an und ging davon aus, dass die Bezüge mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht 14 mal jährlich, sondern lediglich 12 mal jährlich ausbezahlt wurden. Diese Annahmen stützte das Bundesfinanzgericht auf die der Lebenserfahrung entsprechende Annahme, dass für nicht gemeldete Dienstnehmer mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine Sozialabgaben geleistet werden und die Entlohnung für die zu verrichtenden Tätigkeiten eher gering ist und lediglich 12 mal jährlich erfolgt.

Der Hinweis der Beschwerdeführerin auf eine Entscheidung des Magistrats der Landeshauptstadt Linz, mit welcher ihre Kommunalsteuerpflicht in Linz verneint worden ist, ist nicht geeignet der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen, weil mit dieser Entscheidung lediglich das Vorliegen einer Betriebsstätte in Linz verneint worden ist. Die Entscheidung enthält jedoch weder eine Aussage zur Zahl der tatsächlich für die Beschwerdeführerin tätig gewordenen Dienstnehmer noch zur Höhe der geleisteten Entlohnung.

In ihren Stellungnahmen beschränkten sich die beiden Verfahrensparteien auf ein Beharren ihres bisherigen Standpunktes, ohne weitere Nachweise beizubringen und ohne sich mit den Ausführungen des Bundesfinanzgerichts auseinanderzusetzen.

Gemäß § 167 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Nach ständiger Rechtsprechung genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (z.B. ; , 98/14/0213; , 99/15/0250).

Im Hinblick auf die oben dargestellten Überlegungen erachtet es das Bundesfinanzgericht daher als wesentlich wahrscheinlicher, dass die Beschwerdeführerin zusätzlich zu den 8 gemeldeten Dienstnehmern 25 weitere Mitarbeiter beschäftigte und diese lediglich mit einem 12 mal jährlich ausbezahlten Betrag in Höhe von 900,00 Euro entlohnte.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. und II. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)

Gemäß § 184 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde, soweit sie die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, diese zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

Zu schätzen ist gemäß § 184 Abs. 2 BAO insbesondere dann, wenn der Abgabepflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft über Umstände verweigert, die für die Ermittlung der Grundlagen (§ 184 Abs. 1 BAO) wesentlich sind.

Zu schätzen ist gemäß § 184 Abs. 3 BAO ferner, wenn der Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Abgabenvorschriften zu führen hat, nicht vorlegt oder wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche formelle Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen.

Die Befugnis (Verpflichtung) zur Schätzung beruht allein auf der objektiven Voraussetzung der Unmöglichkeit, die Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln oder zu berechnen

§ 184 Abs. 2 und 3 BAO nennen keine eigenständigen Gründe, sondern Beispiele, woraus sich eine solche Unmöglichkeit ergeben kann. § 184 Abs. 2 und 3 BAO haben daher keine eigenständige normative Bedeutung. Es ist somit beispielsweise nicht deshalb zu schätzen, weil eine Mitwirkungspflicht verletzt wurde, sondern nur dann, wenn als Folge dieser Pflichtverletzung eine genaue Ermittlung (Berechnung) der Besteuerungsgrundlagen unmöglich ist (vgl. Ritz, BAO6, § 184 Tz 6 und die dort angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs).

Im gegenständlichen Fall kam aufgrund der im Zuge der abgabenbehördlichen Prüfung durchgeführten Zeugenbefragungen hervor, dass die Beschwerdeführerin über die gemeldeten Mitarbeiter hinaus Dienstnehmer für die Verteilung der Werbemittel beschäftigte. Diesbezüglich wurden jedoch keine Unterlagen vorgelegt und keine Angaben gemacht, sondern beschränkte sich die Beschwerdeführerin lediglich auf die Bestreitung dieser Tatsache.

Aus diesem Grund war die Abgabenbehörde verpflichtet, die Besteuerungsgrundlagen für die Ermittlung der Lohnabgaben im Schätzungsweg zu ermitteln.

Die Wahl der Schätzungsmethode steht der Abgabenbehörde grundsätzlich frei. Es ist jene Methode (allenfalls mehrere Methoden kombiniert) zu wählen, die im Einzelfall zur Erreichung des Zieles, den tatsächlichen Gegebenheiten (der tatsächlichen Besteuerungsgrundlage) möglichst nahe zu kommen, am geeignetsten erscheint. Jene Schätzungsmethode ist besser, die sich auf mehr weitgehend gesicherte Ausgangspositionen stützen kann.

Ausgehend von der in der Zeugeneinvernahme aufgrund einer am Handy befindlichen Liste hervorgekommenen Zahl an nicht gemeldeten Dienstnehmern von 25 und unter Heranziehung der als erwiesen angenommenen monatlichen Entlohnung von 900,00 Euro, die 12 mal jährlich zur Auszahlung gelangte, errechnete sich der Hinzurechnungsbetrag zur Bemessungsgrundlage des Dienstgeberbeitrags und des Zuschlags zum Dienstgeberbeitrag mit 270.000,00 Euro pro Jahr.

Die Bescheide betreffend Festsetzung des Dienstgeberbeitrags und des Zuschlags zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2015 und 2016 waren daher dahingehend abzuändern, als die erklärte Bemessungsgrundlage lediglich um 270.000,00 Euro jährlich zu erhöhen war.

Gemäß § 82 EStG 1988 haftet der Arbeitgeber dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn einzubehaltenden Lohnsteuer. Der Umstand, dass die Voraussetzungen des § 83 Abs. 2 Z 1 und 4 oder Abs. 3 leg. cit. vorliegen, steht einer Inanspruchnahme des Arbeitgebers nicht entgegen.

Die Haftung wird durch einen Haftungsbescheid im Sinne des § 224 Abs. 1 BAO geltend gemacht, wodurch Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu Gesamtschuldnern (Mitschuldnern zur ungeteilten Hand gemäß § 891 ABGB) werden (§ 7 Abs. 1 BAO; vgl. ); sie liegt nach hA im Ermessen der Behörde (Jakom/Lenneis EStGl, 2020, § 82 Rz 3). Die Inanspruchnahme des Arbeitnehmers ist allerdings insofern beschränkt, als eine solche nur in den im § 83 Abs. 2 und 3 EStG 1988 aufgezählten Fällen erfolgen kann.

Ein derartiger Lohnsteuerhaftungsbescheid stellt, wenn er sich auf mehrere Arbeitnehmer und/oder auf mehrere Monate bezieht, einen Sammelbescheid dar, weil die Lohnsteuer grundsätzlich pro Arbeitnehmer und Monat anfällt ().

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht die Haftung des Arbeitgebers nicht mehr, wenn dem Arbeitnehmer die Einkommensteuer, die auf die entsprechenden Bezüge entfällt, vorgeschrieben worden ist und er die Steuer entrichtet hat (vgl. die Erkenntnisse vom , 2218/71, , 84/13/0004, , 2001/15/0152, , 2000/13/0046, und , 2002/13/0095).

Bei rechtsrichtiger Ermessensübung ist nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes eine Haftungsinanspruchnahme des Arbeitgebers weder zweckmäßig noch billig, wenn der einzelne Arbeitnehmer für seine Tätigkeit Einkünfte erhalten hat, die unter der Steuerfreigrenze von 11.000,00 Euro jährlich gelegen sind. Dass die nicht gemeldeten Dienstnehmer darüber hinaus weitere Einkünfte erzielten, stellte die belangte Behörde nicht fest.

Der Bescheid, mit welchem die Beschwerdeführerin zur Haftung für Lohnsteuer für das Jahr 2015 herangezogen worden ist, war daher in Anbetracht der unstrittigen Abfuhrdifferenz in Höhe von 671,98 Euro abzuändern, während der Haftungsbescheid gemäß § 82 EStG für das Jahr 2016 ersatzlos aufzuheben war.

Zu Spruchpunkt III. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Bei der Frage, ob die Beschwerdeführerin neben den gemeldeten Dienstnehmern weitere Arbeitnehmer beschäftigte und in welcher Höhe diese entlohnt wurden, handelt es sich um eine Sachverhaltsfrage, die im Rahmen der Beweiswürdigung zu beantworten war. Das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung war daher zu verneinen und die Unzulässigkeit der Revision auszusprechen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 82 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 184 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 167 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 224 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7102684.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at