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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.09.2020, RV/3100104/2020

Familienbeihilfenanspruch eines nach Österreich entsendeten Arbeitnehmers

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Union TAX&LAW, Donau-City-Straße 7, DV Tower/30th floor, 1220 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck vom betreffend Familienbeihilfe (Ausgleichszahlung) für die Monate Jänner 2015 bis Dezember 2017, [Ordnungsbegriff],

zu Recht erkannt:

I.

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Eingabe vom wurde das Formular Beih 38 über Auftrag des Antragstellers an das Finanzamt Innsbruck übermittelt. Mit diesem Formular wurde vom - lt den eigenen Angaben - in Rumänien wohnhaften Kindesvater ein Antrag auf Gewährung einer Differenzzahlung für die Jahre 2015 bis 2017 für seine drei minderjährigen Kinder gestellt. Die Kindererziehung erfolge in einem Haushalt gemeinsam mit dem anderen Elternteil.
Beigelegt wurde dem Antrag weiters zwei Bescheinigungen (A1), aus welchen hervorgeht, dass auf den Antragsteller im Zeitraum Oktober 2015 bis Ende 2018 die ungarischen Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit anzuwenden sind. Zudem wurden E9-Formulare für die Jahre 2015 bis 2017 übermittelt, mit welchen der Wohnsitz in Rumänien bestätigt wurde. Weiters eine Heiratsurkunde sowie Geburtsurkunden für die Kinder, ein Formular E401, ein Formular E411 - alle in rumänischer Sprache - und eine Vollmachtsurkunde des für den Antragsteller einschreitenden Vertreters.

Im Bescheid vom , mit welchem ein Antrag auf "Ausgleichszahlung" für die drei Kinder für den Zeitraum Jänner 2015 bis Dezember 2017 abgewiesen wurde, führte das Finanzamt begründend aus:
"Die Verordnung {EG) Nr. 883/2004 in der ab gültigen Fassung regelt, welcher Mitgliedstaat für ein und denselben Zeitraum für ein und denselben Familienangehörigen vorrangig zur Gewährung der im jeweiligen Hoheitsgebiet vorgesehenen Familienleistungen verpflichtet ist.
Vorrangig muss grundsätzlich jener Mitgliedstaat die Familienleistungen gewähren, in dem eine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird.
Sind die Elternteile in verschiedenen Mitgliedstaaten erwerbstätig, trifft die vorrangige Verpflichtung zur Gewährung der Familienleistungen jenen Mitgliedsstaat, in dessen Gebiet die Familienangehörigen wohnen.
Sind die Familienleistungen im anderen Mitgliedsstaat höher, besteht dort gegebenenfalls ein Anspruch auf Gewährung des Unterschiedsbetrages {Artikel 68 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004).
Wird in jenem Mitgliedstaat, der vorrangig zur Gewährung von Familienleistungen verpflichtet ist, kein Antrag gestellt, so kann der andere Mitgliedsstaat dennoch jene Leistungen, die bei Antragstellung gewährt worden wären, bei der Berechnung des Unterschiedsbetrages berücksichtigen.
Anspruch auf Ausgleichszahlung/Differenzzahlung besteht nur für Zeiten einer Erwerbstätigkeit. Für jede Person kann nur ein Staat zuständig sein. Da laut den vorgelegten Unterlagen bei Ihnen eine Versicherungspflicht in Ungarn vorliegt, unterliegen Sie den Rechtsvorschriften Ungarns.
Somit liegt keine Erwerbstätigkeit in Österreich vor und Ihr Antrag muss für den oben genannten Zeitraum abgewiesen werden.
"

Dagegen wurde durch die Vertretung des Antragstellers fristgerecht Beschwerde erhoben.
"Der Antragsteller war in der Zeit vom [T1:M1:JJJ1] bis [T2:M2:JJJ2] bei der Firma [Arbeitgeber] in [Arbeitsort] beschäftigt. Am Beschäftigungsort in Österreich wurde ihm von seiner Arbeitgeberin eine Unterkunft gestellt.
Beweis: Arbeitgeberbescheinigung
Das Finanzamt Innsbruck hat den Antrag des Antragstellers vollständig zurückgewiesen mit der Behauptung, es habe keine Beschäftigung in Österreich vorgelegen, was aus dem Umstand geschlossen wurde, dass der Antragsteller in Österreich nicht versicherungspflichtig gewesen sei.
Tatsache ist jedoch, dass sowohl § 2 FLAG wie auch die VO EU 883/2004 nicht an die Sozialversicherungspflicht sondern an den Beschäftigungsort anknüpft.
Der Antragsteller ist ungarischer
(richtig: rumänischer) Staatsangehöriger, die betroffenen Kinder lebten während der Beschäftigungszeiten bei der Kindesmutter in Ungarn (richtig: Rumänien), der Bezug von Familienleistung für die Kinder erfolgte wie im Antrag ausgeführt.
Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Ausgleichs- und/oder Differenzzahlung für vorgenannten Monate liegen jedoch vor, da der Antragsteller im genannten Zeitraum tatsächlich ausschließlich in Österreich beschäftigt war und auch in Österreich steuerpflichtig war, wie sich aus dem Lohnzettel mit Beitragsgrundlagennachweis für das Jahr 2017 entnehmen lässt. Die Tatsache, dass er in Ungarn sozialversicherungspflichtig war ändert an diesem Umstand nicht.
Nach VO EU 883/2004 Art. 11 Abs. 3 a) unterliegt eine Person den Rechtsvorschriften des Staates, in dem die Beschäftigung ausgeübt wird. Nach § 2 FLAG iVm § 53 FLAG steht dem Antragsteller Familienbeihilfe bzw. Ausgleichs- und/ oder Differenzzahlung für seine Kinder zu. Tatsache ist jedoch, dass sowohl § 2 FLAG wie auch die VO EU 883/2004 nicht an die Sozialversicherungspflicht sondern an den Beschäftigungsort anknüpft.
"

Das Finanzamt kontaktierte das zuständige österreichische Ministerium und wurde von diesem mitgeteilt, dass der Antragsteller bis Ende September 2017 auf Grund einer Entsendung und danach auf Grund einer Ausnahmevereinbarung nicht den österreichischen, sondern den Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit des Mitgliedsstaates unterstellt bleibt, in dessen Gebiet sein Dienstgeber den Sitz hat.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Das Finanzamt stellte den relevanten Sachverhalt dar und bezog sich auf die erteilte Auskunft des zuständigen Ministeriums in Bezug auf die Anwendung der ungarischen Rechtsvorschriften über die Soziale Sicherheit. Abgeleitet aus den näher genannten Vorschriften der VO(EG) 883/2004 wurde ein Anspruch auf österreichische Familienleistungen verneint.

Daraufhin beantragte die Vertretung des Beschwerdeführers die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und legte das Finanzamt diese samt Verwaltungsakt dem Bundesfinanzgericht vor.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt und Beweiswürdigung

Der nachfolgend festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem unstrittigen Inhalt des Verwaltungsaktes bzw aus den im Folgenden gesondert dargestellten Beweismitteln und Überlegungen:

  • Der Antragsteller ist rumänischer Staatsbürger, verheiratet und Vater von drei minderjährigen Kindern.
    Dass in den vorgelegten A1-Bescheinigungen und auch in der Beschwerde eine ungarische Staatsbürgerschaft angeführt ist, steht im offenen Widerspruch zu den anderen vorliegenden Unterlagen (zB E9-, E401-und E411-Formulare, Kopie des Reisepasses, Zentrales Melderegister) und den eigenen Angaben des Beschwerdeführers im streitgegenständlichen Antrag.

  • Der Familienwohnsitz des Beschwerdeführers befindet sich in Rumänien. Dort leben auch die Ehefrau und die drei Kinder, alle ebenfalls rumänische Staatsbürger.
    Die Angabe in der Beschwerde, die Kindesmutter und die betroffenen Kinder würden in Ungarn wohnen, widerspricht den sonstigen vorliegenden Unterlagen und den eigenen Angaben des Beschwerdeführers.

  • Der Beschwerdeführer war im Streitzeitraum bei einem Arbeitgeber mit Sitz in Ungarn beschäftigt (vorliegende Arbeitgeberbescheinigung vom ).

  • Im Rahmen dieses Dienstverhältnisses wurde der Beschwerdeführer im Zeitraum vom bis zum an eine Arbeitsstelle in Österreich entsendet und kamen für ihn die Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit Ungarns zur Anwendung (A1-Bestätigung vom ).
    In der Folge blieben die Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit Ungarns auf Grund einer Ausnahmevereinbarung zwischen den zuständigen österreichischen und ungarischen Stellen weiterhin anwendbar (A1-Bestätigung vom ).

  • Der Beschwerdeführer wohnte während der Beschäftigungszeiten in einer vom Arbeitgeber gestellten Unterkunft und bestand durchgehend Versicherungspflicht in Ungarn (neuerlich Arbeitgeberbescheinigung vom ).
    Im Zentralen Melderegister scheint eine Meldung mit Nebenwohnsitz seit auf.

  • Nach den Angaben im vorgelegten Formular E 411 wurde (zumindest teilweise) im Streitzeitraum für die Kinder in Rumänien eine mit der Familienbeihilfe vergleichbare Familienleistung bezogen.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I.

Mit der VO(EG) 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit und der hiezu ergangenen Durchführungsverordnung VO(EG) 987/2009 hat das Europäische Parlament und der Rat grundlegende Bestimmungen zur Arbeitnehmerfreizügigkeit geschaffen.

Nach Art 2 Abs 1 VO(EG) 883/2004 gilt diese Verordnung ua für Staatsangehörige mit Wohnort in einem Mitgliedstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen.

Im vorliegenden Fall kann auf Grund des festgestellten Sachverhaltes kein Zweifel bestehen, dass der Beschwerdeführer und seine Familienangehörigen unter den Anwendungsbereich der Verordnung fallen.

Gemäß Art 3 Abs 1 lit j VO(EG) 883/2004 gilt die Verordnung für alle Rechtsvorschriften, die Familienleistungen betreffen.

Dass es sich bei der österreichischen Familienbeihilfe um eine solche Familienleistung handelt, kann nicht bestritten werden.

Art 11 Abs 1 VO(EG) 883/2004 bestimmt, dass Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaates unterliegen. Welche Rechtsvorschriften dies sind, bestimmt sich nach den Ausführungen dieses Titels.
Art 11 Abs 3 lit a VO(EG) 883/2004 normiert dazu, dass eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder selbständige Erwerbstätigkeit ausübt, vorbehaltlich der Art 12 bis 16 der Verordnung den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaates unterliegt.

Gegenständlich steht fest, dass der Beschwerdeführer auf Grund seines Dienstverhältnisses zu einer ungarischen Firma seine Arbeitsleistung in Österreich erbracht hat.

Dazu bestimmt Art 12 Abs 1 VO(EG) 883/2004, dass eine Person, die in einem Mitgliedstaat für Rechnung eines Arbeitgebers, der gewöhnlich dort tätig ist, eine Beschäftigung ausübt und die von diesem Arbeitgeber in einen anderen Mitgliedstaat entsandt wird, um dort eine Arbeit für dessen Rechnung auszuführen, weiterhin den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaates unterliegt, sofern die voraussichtliche Dauer dieser Arbeit vierundzwanzig Monate nicht überschreitet und diese Person nicht eine andere Person ablöst.

Daraus ergibt sich für den vorliegenden Fall, dass der Beschwerdeführer, obwohl er seine Tätigkeit ab Ende des Jahres 2015 in Österreich ausgeübt hat, wegen der Entsendung weiterhin (ausschließlich) den ungarischen Rechtsvorschriften unterlegen ist. Die Weitergeltung der ungarischen Rechtsvorschriften nach Ablauf von vierundzwanzig Monaten wurde sodann zwischen den zuständigen Behörden von Österreich und Ungarn entsprechend Art 16 VO(EG) 883/2004 vereinbart.
Vom Beschwerdeführer selbst wurden in diesem Zusammenhang A1-Bescheinigungen für den Zeitraum bis und für den Zeitraum bis vorgelegt. Diese Bescheinigungen sind für die Mitgliedstaaten grundsätzlich verbindlich (Art 5 Abs 1 VO(EG) 987/2009 und ). Dies unabhängig davon, ob der Beschwerdeführer seine Tätigkeit tatsächlich in Österreich ausgeübt hat.

Mit dem Beschwerdeeinwand, die Zuständigkeit eines Mitgliedstaates würde nicht an die Sozialversicherungspflicht anknüpften, sondern an den Beschäftigungsort, ist der Beschwerdeführer grundsätzlich im Recht. Er übersieht dabei aber, dass das Unionsrecht in der VO(EG) 883/2004 - wie im gegenständlichen Fall vorliegend - auch vom Beschäftigungsort abweichende Zuständigkeiten normiert. Somit geht der Hinweis auf Art 11 Abs 3 lit a VO(EG) 883/2004 in der Beschwerde mangels Relevanz im vorliegenden Fall völlig ins Leere.
Andererseits ist dem Finanzamt insoweit zuzustimmen, wenn es die unionsrechtlich normierte Zuständigkeit für die "Sozialversicherungspflicht" mit der Zuständigkeit zur Erbringung von "Familienleistungen" gleichsetzt, da, wie oben ausgeführt, die unionsrechtlichen Zuständigkeitsregeln sowohl für die "Sozialversicherungspflicht", als auch für Familienleistungen gelten.

Eine Person hat auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden (Art 67 VO(EG) 883/2004). Der Anspruch auf Familienleistungen besteht somit nach den unionsrechtlichen Vorschriften gegenüber dem "zuständigen Mitgliedstaat" unabhängig davon, ob die anspruchserhebende Person oder deren Familienangehörige im zuständigen oder einem anderen Mitgliedstaat wohnen.

Aus obigen Ausführungen folgt, dass unionsrechtlich Ungarn und/oder Rumänien (wo die Familienangehörigen wohnen, falls die Ehegattin des Beschwerdeführers dort zB eine Beschäftigung ausübt) für die Familienleistungen zuständige Staaten sind. Österreich kann hingegen unionsrechtlich jedenfalls nicht "zuständiger Mitgliedstaat" sein.
Dabei spielt es keine Rolle, dass der Beschwerdeführer (allenfalls auch auf Grund eines Antrages nach § 1 Abs 4 EStG 1988) in Österreich mit seinen Einkünften aus dem Dienstverhältnis (unbeschränkt) steuerpflichtig behandelt wird, da die Steuerpflicht von Einnahmen nach den Regelungen der VO(EG) 883/2004 nicht relevant ist.

Wie der Europäische Gerichtshof (vgl ) ausführte, bestand nach der VO(EG) 1408/72 keine Verpflichtung eines Mitgliedstaates zur Gewährung von Familienleistungen, wenn der/die nach der Verordnung zuständige/n Mitgliedstaat/en keine (oder nur geringere) Familienleistungen erbringen (vgl ausdrücklich Rn 27 des Urteils). Diese Rechtsprechung ist auch auf die Regelungen der VO(EG) 883/2004 übertragbar. Im genannten Urteil äußert der Gerichtshof aber auch die Ansicht, dass es einem nach der Verordnung nicht zuständigen Mitgliedstaat auferlegt sein kann, Familienleistungen allein auf Grund der innerstaatlichen Vorschriften (trotz unionsrechtlicher Unzuständigkeit) zu gewähren (vgl Rn 28 des Urteils), wenn ein diesbezüglicher Anspruch alleine nach rein innerstaatlichen Vorschriften besteht. In diesem Sinne vgl auch das und C-612/10, Rz 44.

Es ist daher abschließend zu prüfen, ob dem Beschwerdeführer rein nach österreichischem nationalen Recht einen Anspruch auf Familienbeihilfe zusteht (siehe auch den Hinweis auf § 2 iVm § 53 FLAG 1967 in der Beschwerde).
Der Beschwerdeführer war im Beschwerdezeitraum ab Anfang Oktober 2015 für seinen Arbeitgeber tätig und hatte (zumindest) seit April 2016 einen Nebenwohnsitz in Österreich. Zudem hatte er seinen "Hauptwohnsitz" in Rumänien. Seine Kinder waren im Beschwerdezeitraum minderjährig. Sie wohnten zwar gemeinsam mit der Ehegattin des Beschwerdeführers in Rumänien, gemäß § 53 FLAG 1967 stand dies der Annahme eines ständigen Aufenthaltes in Österreich jedoch nicht entgegen. Die Ehegattin des Beschwerdeführers hat gemäß § 2a Abs 2 FLAG 1967 erklärt, auf die ihr gemäß § 2a Abs 1 FLAG 1967 iVm § 4 Abs 2 FLAG 1967 vorrangig zustehende Ausgleichszahlung/Differenzzahlung für die beiden Kinder zu Gunsten des Beschwerdeführers zu verzichten. Ein Anspruch auf eine ausländische Beihilfe steht gemäß § 4 Abs 2 FLAG 1967 einer Ausgleichszahlung nicht entgegen. "Österreichische Staatsbürger" iSd Gesetzesstelle ist zufolge Art 18 AEUV als "Unionsbürger" zu lesen. Insoweit würden noch keine Gründe bestehen, einen rein nach österreichischen Gesetzen bestehenden Familienbeihilfenanspruch zu versagen. Jedoch verlangt § 2 Abs 8 FLAG 1967 für einen Anspruch auf österreichische Familienbeihilfe, dass der Antragsteller den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet hat. Der Lebensmittelpunkt liegt nach dem Gesetz in dem Staat, zu dem die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen besteht. Der Verwaltungsgerichtshof judiziert zu § 2 Abs 8 FLAG 1967, dass bei verheirateten Personen, die einen gemeinsamen Haushalt führen, die stärkste persönliche Beziehung in der Regel zu dem Ort bestehe, an dem sie mit ihrer Familie leben. Unter persönlichen Beziehungen sind dabei all jene zu verstehen, die jemanden aus in seiner Person liegenden Gründen, insbesondere auf Grund der Geburt, der Staatszugehörigkeit, des Familienstandes und der Betätigungen religiöser und kultureller Art, an ein bestimmtes Land binden. Diese Annahme setze allerdings im Regelfall die Führung eines gemeinsamen Haushaltes sowie das Fehlen ausschlaggebender und stärkerer Bindung zu einem anderen Ort, etwa aus beruflichen oder gesellschaftlichen Gründen, voraus (vgl ; ; ). Bei von der Familie getrennter Haushaltsführung kommt es auf die Umstände der Lebensführung, wie etwa eine eigene Wohnung, einen selbständigen Haushalt, gesellschaftliche Bindungen, aber auch auf den Pflichtenkreis einer Person und hier insbesondere auf ihre objektive und subjektive Beziehung zu diesem an (vgl ; ).
Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer im Beschwerdezeitraum seinen Lebensmittelpunkt in Österreich gehabt hätte: Der Beschwerdeführer selbst gibt in allen seinen Eingaben an, dass er mit seiner Familie in Rumänien im gemeinsamen Haushalt wohnt und sich gemeinsam mit der Ehegattin in aufrechter Ehe um die Kindererziehung kümmert. Die vom Arbeitgeber gestellte Unterkunft in Österreich dient im Wesentlichen dem Aufenthalt während der Arbeitstage (Anmeldung als Nebenwohnsitz) und ist die berufliche Tätigkeit in Österreich nicht auf Dauer angelegt, da ansonsten eine Entsendung bzw Ausnahmevereinbarung gar nicht möglich gewesen wäre. Gerade der letztgenannte Umstand weist somit klar darauf hin, dass es dem Beschwerdeführer an einem Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich mangelt und daher auch nach rein innerstaatlichem Recht kein Anspruch des Beschwerdeführers auf österreichische Familienbeihilfe besteht (vgl dazu auch , , und ).

In Bezug auf Österreich ist in diesem Zusammenhang zudem festzuhalten, dass die österreichische Familienbeihilfe aus dem Familienlastenausgleichsfonds durch Beiträge der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber auf Basis der von ihnen ausbezahlten Arbeitslöhne finanziert wird. Dabei handelt es sich um reine Arbeitgeberbeiträge. Eine derartige Beitragspflicht besteht jedoch für Arbeitslöhne von nach Österreich entsendeten bzw zwar in Österreich tätigen, auf Grund einer Sondervereinbarung aber nicht den Vorschriften der sozialen Sicherheit Österreichs unterliegenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nicht. Es kann in diesem Zusammenhang somit keine Rede davon sein, dass vom Beschwerdeführer selbst oder von seinem Arbeitgeber Zahlungen geleistet werden, mit welchen das System der österreichischen Familienbeihilfe finanziert wird, was jedenfalls auch einen Anspruch auf Familienbeihilfe nach sich ziehen müsse (vgl neuerlich und C-612/10, Rz 84).

Zusammengefasst ist somit festzustellen, dass dem Beschwerdeführer weder auf Grund der Bestimmungen der VO(EG) 883/2004, noch auf Basis rein innerstaatlichen Rechts ein Anspruch auf Familienbeihilfe bzw Ausgleichs- oder Differenzzahlung erwachsen ist, weshalb dem in Beschwerde gezogenen Bescheid keine Rechtswidrigkeit anhaftet.
Es war daher wie im Spruch ausgeführt zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall hat sich das Bundesfinanzgericht an der Rechtsprechung des EuGH und des Verwaltungsgerichtshofes orientiert und ist von dieser nicht abgewichen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung war daher nicht zu beantworten, weshalb die (ordentliche) Revision nicht zuzulassen war.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Art. 2 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
Art. 3 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
Art. 11 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
Art. 12 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
Art. 16 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
§ 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
Art. 5 VO 987/2009, ABl. Nr. L 284 vom S. 1
Art. 67 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
§ 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 2a FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 4 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 53 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.3100104.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at