Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 08.09.2020, RV/5101714/2018

Antrag gem. § 299 Abs. 1 BAO auf Aufhebung eines Feststellungsbescheides über das Vorliegen eines Scheinunternehmerns nach § 8 SBBG - falscher Bescheidadressat in der Insolvenz des Scheinunternehmens - Zurückweisung

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2020/13/0107. Zurückweisung mit Beschluss vom .

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***24*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***25***, vertreten durch ***7***, ***26*** betreffend Beschwerde vom , zugestellt am , gegen den Bescheid des Finanzamtes Gmunden Vöcklabruck vom betreffend Abweisung des Antrages gemäß § 299 Abs. 1 BAO auf Aufhebung des Feststellungsbescheides über das Vorliegen eines Scheinunternehmens gemäß § 8 SBBG beschlossen:

1. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert. Der Antrag gemäß § 299 Abs. 1 BAO auf Aufhebung des Feststellungsbescheides über das Vorliegen eines Scheinunternehmens gemäß § 8 SBBG wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO als nicht zulässig zurückgewiesen.

2. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

I. Verfahrensablauf

Über die Beschwerdeführerin, die ***Bf1***, im folgenden abgekürzt mit GmbH, wurde mit Beschluss des Landesgerichtes ***2*** vom ***3*** mit der GZ ***4*** der Konkurs eröffnet und ***5*** zum Masseverwalter bestellt. In der Insolvenzdatei erfolgte die Bekanntmachung der Insolvenzeröffnung am Beschlusstag.

Adressiert an die GmbH mit der Adresse ***6*** (Betriebsstätte) wurde am durch die Finanzpolizei für das zuständige Finanzamt ein Feststellungsbescheid über das Vorliegen eines Scheinunternehmens gem. § 8 SBBG erlassen. Im Spruch des Feststellungsbescheides wird festgestellt, dass der Rechtsträger, die GmbH, als Scheinunternehmen gemäß § 8 Sozialbetrugsbekämpfungsgesetzt (SBBG) gilt. Am Ende des Feststellungsbescheides wird festgehalten, dass er zur Kenntnisnahme auch an den Masseverwalter der GmbH ergeht.

Nachdem die Beschwerde der GmbH gegen den Feststellungsbescheid als verspätet zurückgewiesen (auch das BFG wies mit Beschluss vom mit der GZ RV/5100459/2017 den Vorlageantrag dagegen als verspätet zurück) und ein Vorlageantrag gegen die Beschwerdevorentscheidung auf Abweisung eines Antrages der GmbH auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist gegen den Feststellungsbescheid über das Vorliegen eines Scheinunternehmens vom mit Erkenntnis vom , GZ RV/5101203/2017, als unbegründet abgewiesen wurde, stellte die GmbH durch ihren bevollmächtigten Rechtsanwalt ***7*** mit ausführlicher Begründung am einen Antrag gem. § 299 BAO, den erstinstanzlichen Feststellungsbescheid vom ersatzlos zu beheben, weil es keine ausreichenden Anhaltspunkte gebe, um die GmbH als Scheinunternehmen zu qualifizieren.

Mit begründetem Bescheid vom hat das zuständige Finanzamt den Antrag gem. § 299 Abs. 1 BAO abgewiesen. Der Bescheid wurde an die GmbH zu Handen ihres Rechtsanwaltes adressiert.

Gegen diesen Bescheid erhob Rechtsanwalt ***7*** für die GmbH mit Anbringen vom , eingelangt am , Beschwerde und beantragte, dem Antrag gem. § 299 Abs. 1 BAO Folge zu geben und den Feststellungsbescheid vom aufzuheben. Zusätzlich zur inhaltlichen Begründung, warum es sich bei der GmbH um kein Scheinunternehmen handle, wurde eingewendet, dass die Zustellung des Feststellungsbescheides nicht rechtens erfolgt sei. Trotz bekanntem Vollmachts- und Mandatsverhältnisses sei die Zustellung des Feststellungsbescheides an die Adresse der GmbH und nicht an die des Rechtsvertreters ergangen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde vom als unbegründet abgewiesen. Zu der in der Beschwerde relevierten Zustellthematik wurde in der Beschwerdevorentscheidung ausgeführt: "Aufgrund der gesetzlich ausdrücklich geregelten Zustellbestimmungen (vgl. dazu § 8 SBBG), welche explizit die allgemeineren Bestimmungen des Zustellgesetzes substituieren, erfolgte die Zustellung der Verdachtsmitteilung als auch des (ursprünglichen) Bescheides aus Sicht der Finanzpolizei zu Recht direkt an die der Abgabenbehörde zuletzt bekanntgegebene Geschäftsanschrift. Die Zustellung - auch trotz Kenntnis eines (behaupteten) berufsmäßigen Parteienvertreters - vermag an dieser recht deutlichen Bestimmung nichts zu ändern.

Darüber hinaus wirkt auch der Eintritt der Postsperre im Insolvenzverfahren nicht absolut, sondern kann unter Hinweis auf § 78 IO auch eine unmittelbare Zustellung an den Rechtsträger bzw. dessen organschaftlichen Vertreter vorgenommen werden.

Lediglich der Vollständigkeit halber wird an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass der Masseverwalter, ***5***, in die Feststellungen der Finanzpolizei eingebunden war und von diesem keinerlei Rechtsmittel erhoben wurde, da es auch dem Masseverwalter nicht möglich war, Kontakt zu Unternehmenspersonen herzustellen. Als einzige Kontaktstelle zum Rechtsträger trat und tritt lediglich immer der einschreitende Rechtsanwalt auf, um die Interessen der ***8*** Gruppe zu vertreten. In wieweit der einschreitende Rechtsanwalt überhaupt (noch) und in wessen Auftrag einzuschreiten ermächtigt ist, wird im Zuge einer mündlichen Befragung zu klären sein. Der organschaftliche Vertreter kann dies wohl nicht sein, da dieser - wie aus den Stellungnahmen des Rechtsanwaltes ersichtlich - nicht (mehr) in der Lage ist, eigenständige und fundierte Entscheidungen zu treffen.

(…)

Zusammenfassend kann daher nur festgestellt werden, dass die von der Rechtsvertretung vorgebrachten Einwände nicht geeignet sind, die Verdachtsmomente zu entkräften. Vielmehr wird auch der einschreitende Rechtsanwalt aufzuklären haben, in welcher Funktion genau ein Tätigwerden überhaupt und für welchen Personenkreis vorliegt. Die Beschwerdevorentscheidung hatte daher spruchgemäß zu lauten."

Mit Anbringen vom stellte die GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt ***7***, einen Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht. Darin stellte er den Antrag auf neuerliche fristwahrende Zustellung des Feststellungsbescheides an den Geschäftsführer ***9*** bzw. dessen Rechtsvertreter ***7***, in eventu auf Enscheidung über die Beschwerde das durch Bundesfinanzgericht.

Im Vorlageantrag wurde zum Thema "Die Zustellung erfolgte zu Unrecht an den Rechtsträger" ausgeführt: "Diesbezüglich verwies die Behörde auf die Bestimmungen des SBBG und dass daher die Zustellung an die zuletzt bekannt gewesene Abgabenadresse rechtens gewesen sei. Diese Auffassung ist nicht richtig.

Diesbezüglich ist nochmals darauf zu verweisen, dass gem. § 78 IO mit Eröffnung des Konkurses und Bestellung eines Insolvenzverwalters automatisch eine Postsperre in Kraft tritt. Sämtliche Schriftstücke werden damit an den Insolvenzverwalter übermittelt, ohne dass diese Schriftstücke in die Sphäre des Geschäftsführers gelangen. Diese Postsperre gilt auch für Zustellungen des Finanzamtes. § 78 IO geht jedenfalls auch den Bestimmungen des SBBG vor, sodass eine Zustellung an die zuletzt bekannt gegebene Geschäftsanschrift keinesfalls rechtens war. Der Abgabenbehörde war auch bekannt, dass die Gemeinschuldnerin und der GF der Gemeinschuldnerin von RA ***7*** vertreten wird. Die Abgabenbehörde hätte daher den Bescheid an diesen zustellen müssen. Die Zustellung an der zuletzt bekannten Adresse hat ja nur den Zweck, einer Firma ein behördliches Schriftstück zustellen zu können, bei der niemand erreichbar und auch keine rechtsfreundliche Vertretung bekannt ist. Die Gemeinschuldnerin hatte sowohl einen Rechtsvertreter als auch einen Masseverwalter an den Zustellungen erfolgen konnten. Es wird auch nochmals ausdrücklich festgehalten, dass es sich bei der Gemeinschuldnerin um keine Scheinfirma gehandelt hat. Aus den im Akt befindlichen Lichtbildern ist zudem nicht zu entnehmen, wann tatsächlich die Zustellung erfolgte, zumal auf den Lichtbildern keine Zeitangabe eingeblendet ist.

Der erkennenden Behörde war auch bekannt, dass ein Insolvenzverwalter bestellt wurde und dass der Betrieb an der zuletzt bekannt gegebenen Geschäftsanschrift vom Insolvenzverwalter bereits im Jänner 2016 geschlossen wurde. Es würde daher jedweder Logik und der Gesetzintention widersprechen, wenn an dieser Adresse dann rechtsgültig Schriftstücke zugestellt werden könnten, wissend dass sich dort niemand mehr aufhält und es daher unwahrscheinlich ist, dass der Geschäftsführer die Zustellungen zur Kenntnis erhält. Es kann wohl nicht im Sinne des Gesetzgebers sein, dass von einem Geschäftsführer einer insolventen Firma, deren Betrieb vom Masseverwalter geschlossen wurde (was der Behörde ja bekannt war), abverlangt wird, dass er trotz der Tatsache, dass eine Postsperre gem. § 78 IO gilt und der Betrieb geschlossen wurde, jeden Tag den Postkasten zu kontrollieren, ob sich in diesem allenfalls ein Brief oder ein Bescheid des Finanzamtes befindet. Die Behörde hätte daher zumindest die Verpflichtung gehabt, dem Geschäftsführer den Bescheid unter seiner Meldeadresse zuzustellen, wenn der Behörde bekannt ist, dass das Unternehmen geschlossen ist. Die Anschrift des Geschäftsführers war der Behörde bekannt - diese lässt sich ja auch dem Firmenbuch zwanglos entnehmen.

Auch vom Masseverwalter wurde es verabsäumt, den ihm zugestellten Feststellungsbescheid an den Geschäftsführer ***9*** bzw. dessen Rechtsvertreter (siehe beiliegendes mail) weiterzuleiten, sodass dem Geschäftsführer jegliche Möglichkeit entzogen wurde, auf den Feststellungsbescheid vom zu reagieren. Es liegt daher eine Verletzung des Parteiengehörs und vor allem keine rechtmäßige Zustellung vor.

Nur der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass es keine Firmengruppe ***8*** gibt. Der einschreitende Vertreter vertritt daher auch nicht die Firmengruppe ***8***, wie dies von der Behörde behauptet wird. Die Ausführungen der Behörde zur Vollmacht des Rechtsvertreters sind hier vollkommen fehl am Platz und haben mit der Sache nichts zu tun. Fakt ist, dass vom Rechtsvertreter eine Vollmacht vorgelegt wurde und dieser daher nicht vollmachtlos eingeschritten ist. Weiters darf festgehalten werden, dass gegen den Geschäftsführer ein Sachwalterbestellungsverfahren eingeleitet wurde - ein Sachwalter wurde nicht bestellt - ;dieser war und ist daher in der Lage, rechtmäßig Vollmachten zu erteilen. Davon zu differenzieren ist die mangelnde Fähigkeit zur Einvernahme aufgrund der psychischen Beeinträchtigung des GF. Der GF ist aufgrund seiner Erkrankung nicht in der Lage ohne allfälligen Nachteil für sich, einer Einvernahme beizuwohnen - einer derartigen psychischen Belastung ist der GF aufgrund seiner Erkrankung nicht gewachsen. D.h. aber im Gegensatz zur Auffassung der Behörde nicht, dass der GF nicht in der Lage ist, eigenständige Entscheidungen zu treffen, ansonsten ja ein Sachwalter bestellt worden wäre. Zu dieser Differenzierung war die Erstbehörde bis dato nicht fähig."

II. Verfahrensablauf vor dem BFG

Die Beschwerde wurde dem BFG am zur Entscheidung vorgelegt. Im Vorlagebericht wurde nach Darstellung des Sachverhalts folgende Stellungnahme zur Zustellung abgegeben: "Festzuhalten ist, dass iZm Bezug habendem Unternehmen ein Strafverfahren am Landesgericht für Strafsachen ***10*** zu GZ: ***11*** gegen mehrere Personen (ua. den Geschäftsführer gegenständlichen Scheinunternehmens, einzelne Verantwortliche der ***8*** Gruppe, den Inhaber einer beteiligten Steuerberatungskanzlei und weitere Personen) ein Strafverfahren wegen des Verbrechens des betrügerischen Anmeldens zur Sozialversicherung anhängig ist.

Des Weiteren ist anzumerken, dass RA ***5*** als Masseverwalter für gegenständliches Scheinunternehmen am LG ***10*** unter GZ: ***12*** Klage gegen die ***22*** ***8*** GmbH & Co KG erhoben hat.

Zu der bereits in sämtlichen anderen Beschwerdeverfahren vorgebrachten Behauptung, es sei keine ordnungsgemäße Zustellung des Bescheides erfolgt, wird allgemein nochmals festgehalten: Seit in Kraft treten des Sozialbetrugsbekämpfungsgesetzes, welches gem. § 1 SBBG die Verstärkung der Abwehr, Verhinderung und Verfolgung von Sozialbetrug und damit die Sicherstellung, dass selbstständige und unselbstständige Erwerbstätigkeiten zu vorschriftsgemäßen Bedingungen im Sinne des Schutzes der Arbeitnehmer, des Sozialsystems und des fairen Wettbewerbs ausgeübt werden, zum Inhalt hat, bestehen besondere Zustellregelungen, welche über die im Zustellgesetz geregelten Sachverhalte hinausgehen.

Mit diesen Sonderregelungen sollen sozialbetrügerisch tätige Unternehmen hintan gehalten werden, durch taktische Verfahrensverzögerungen bzw. mangelnde Zustellmöglichkeiten durch Nichtbehebung von behördlichen Schriftstücken, eine rechtskräftige Feststellung als Scheinunternehmen in einer möglichst kurzen Verfahrensdauer zu verhindern.

Bestritten wird durch den Beschwerdeführer, dass die Zustellung des Feststellungsbescheides vom an der laut Firmenbuch eingetragenen Geschäftsanschrift rechtswirksam erfolgt sei, da zu gegenständlichem Unternehmen zum Zeitpunkt der Zustellung ein Insolvenzverfahren zu GZ: ***4*** beim Landesgericht ***2*** anhängig war und daher eine rechtswirksame Zustellung des Feststellungsbescheides nicht erfolgt sei.

Im Zusammenhang mit der Feststellung von Scheinunternehmen nach dem SBBG sind die besonders gesetzlich geregelten Zustellbestimmungen einzuhalten, denen der Vorrang gegenüber den allgemeinen Zustellregelungen der BAO, des Zustellgesetzes und in diesem Fall auch gegenüber der Insolvenzordnung zukommt.

Unbenommen der gesetzlich eindeutig geregelten Zustellmodalitäten, nämlich, dass eine Zustellung an der der Abgabenbehörde zuletzt bekanntgegebenen Adresse bzw. an der im Firmenbuch eingetragenen Geschäftsanschrift physisch durch Hinterlegung vorgenommen werden kann, wird darauf hingewiesen, dass auch der Masseverwalter im Zuge der Erhebungen mehrfach durch die Finanzpolizei kontaktiert wurde und die Zustellung des Feststellungsbescheides in Ab- bzw. Rücksprache mit diesem erfolgte. Darüber hinaus wurde der Feststellungsbescheid auch an den Masseverwalter zur Kenntnisnahme zugestellt.

Eine Zustellung von Poststücken direkt an das Unternehmen in einem laufendem Insolvenzverfahren ist darüber hinaus auch in der Insolvenzordnung vorgesehen (vgl. § 78 IO), was bedeutet, dass eine Zustellung auch in einem Insolvenzverfahren nicht jedenfalls unzulässig ist, wie nunmehr von Seiten der Rechtsvertretung moniert wird.

Da in gegenständlichem Fall eine doppelte Zustellung, nämlich an den Masseverwalter und an den Rechtsträger selbst erfolgt ist, ist die Zustellung jedenfalls rechtswirksam erfolgt und sind darüber hinaus die gesetzlichen Bestimmungen des SBBG auch nach dem Grundsatz lex specialis derogat legi generali zu betrachten, weshalb diesen jedenfalls Vorrang vor den allgemeinen Bestimmungen der Insolvenzordnung zukommt.

Die Zustellung erfolgte zu Unrecht an den Rechtsträger:

Im Allgemeinen darf auf die Feststellungen der Abgabenbehörde in den bisherigen Beschwerdeverfahren verwiesen werden. Gibt der Rechtsvertreter nunmehr wiederholt an, dass der Betrieb vom Masseverwalter bereits geschlossen war und es bei einem geschlossenem Betrieb dem Rechtsträger nicht zumutbar ist und auch nicht abverlangt werden kann, trotz Postsperre gem. § 78 IO jeden Tag den Postkasten zu kontrollieren, so ist dem zu entgegnen, dass es nicht lebensnah erscheint, dass der Geschäftsführer zwar nicht in der Lage ist, mit Behörde zu kommunizieren, sämtliche Eingaben der rechtsfreundlichen Vertretung aber weiterhin auf dessen Auftrag hin stattfinden, um das Verfahren nach dem SBBG zu verschleppen.
Des Weiteren wird seitens der Abgabenbehörde darauf hingewiesen, dass zu keinem Zeitpunkt - bereits im Jahr 2015 beginnend mit der Umsatzsteuerprüfung - sowie im darauffolgenden Ermittlungsverfahren hinsichtlich des Verdachtes auf Vorliegen eines Scheinunternehmens und dem weiteren Ermittlungsverfahren wegen § 146, § 153d und e StGB mit dem Geschäftsführer nicht in Kontakt getreten werden konnte.
Der Vollständigkeit halber wird noch angemerkt, dass von Seiten der Abgabenbehörde weiterhin davon auszugehen ist, dass es sich bei der
***Bf1*** lediglich um ein Anmeldevehikel handelt, welches durch die Unternehmensgruppe ***8*** zur Verschleierung der wahren Dienstgebereigenschaft betrieben wurde. Auf die umfassenden Ermittlungsergebnisse im Strafverfahren wird verwiesen.

Die Mitteilung über den Verdacht des Vorliegens eines Scheinunternehmens wurde am in den Briefkasten der ***Bf1*** an der Adresse ***21*** eingeworfen. Auch wurde versucht mit dem Geschäftsführer sowohl an seinem Hauptwohnsitz in ***13*** als auch an seinem Nebenwohnsitz in ***14*** Kontakt aufzunehmen, was nicht möglich war. Des Weiteren konnte auch durch den Masseverwalter kein Kontakt mit dem Geschäftsführer hergestellt werden.

Wenn der Rechtsvertreter in seinem nunmehrigen Antrag weiters angibt, der Geschäftsführer sei zwar fähig gewesen, eine Vollmacht auszustellen und Entscheidungen im Unternehmen zu treffen, davon zu differenzieren sei jedoch die mangelnde Fähigkeit zur Einvernahme aufgrund seiner psychischen Beeinträchtigung, so kann dies seitens der Abgabenbehörde nicht nachvollzogen werden, da es nicht schlüssig erscheint, dass jemand ein Unternehmen führen, Personal einstellen, mit Auftraggebern und Rechtsanwälten korrespondieren und sprechen kann, jedoch gegenüber dem Masseverwalter, der Abgabenbehörde im Zuge der Umsatzsteuerprüfung, der Finanzpolizei im Zuge des Ermittlungsverfahren zum Verdacht auf Vorliegen eines Scheinunternehmens und auch im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren nicht in der Lage ist, Fragen zu seiner Tätigkeit zu beantworten. Insgesamt wird angemerkt, dass der vermeintliche Geschäftsführer der ***Bf1*** laut den befragten Zeugen, sofern er Ihnen überhaupt bekannt war, kaum erkennbare Tätigkeiten eines Geschäftsführers wahrgenommen hat. Warum von Seiten der Rechtsvertretung diese Zeugen einer falschen Beweisaussage beschuldigt werden, ist nicht nachvollziehbar und sieht die Abgabenbehörde einer diesbezüglichen Sachverhaltsdarstellung durch die Rechtsvertretung entgegen.

Die im Strafverfahren als Beschuldigte geführten ***15***, ***16***, ***17*** und auch ***18*** gaben an, dass als Ansprechpartner, insbesondere für die Einteilung der Arbeiter, primär Herr ***19*** fungiert habe. Zwischenzeitlich wird auch gegen ***19*** wegen Tatbeteiligung zu GZ: ***11*** ermittelt.

Ungeklärt bleibt in diesem Zusammenhang auch warum der handlungs- aber nicht vernehmungsfähige Geschäftsführer oder sein Rechtsvertreter, welcher bereits ab 09/2015 bevollmächtigt war, nicht zumindest die ausstehenden Zahlungen der ***22*** ***8*** GmbH, der ***23*** ***8*** GmbH und ***20*** GmbH (iwF IN, EK und AZW genannt) gegenüber gegenständlichen Rechtsträger eingefordert haben, um den Konkurs abzuwenden und den Arbeitern die ausstehenden Löhne zu bezahlen. Es finden sich im Insolvenzakt keine Mahnschreiben des Geschäftsführers oder des Rechtsvertreters an die zuvor genannten Firmen oder sonstige nachvollziehbare Betreibungshandlungen. Vielmehr wurde dieser notwendige Schritt nun durch den Masseverwalter mittels Klage gegen die ***8*** Gruppe nachgeholt."

Über die Beschwerde wurde erwogen:

A. Streitpunkt

Strittig ist, ob die Abweisung des Antrags gem. § 299 Abs. 1 BAO auf Aufhebung des Feststellungsbescheides betreffend Vorliegen eines Scheinunternehmens gemäß § 8 SBBG zu Recht erfolgte.

B. Entscheidungswesentlicher Sachverhalt

Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergibt sich, was das stattgefundene Verfahren betrifft, aus dem in Punkt I. dargestellten Verfahrensablauf vor der Behörde.

C. Rechtsgrundlagen

§§ 8 und 9 des Sozialbetrugsbekämpfungsgesetzes (SBBG) lauten samt Überschriften: "3. Abschnitt

Maßnahmen gegen Scheinunternehmen

Verfahren zur Feststellung des Scheinunternehmens

§ 8.

(1) Scheinunternehmen ist ein Unternehmen, das vorrangig darauf ausgerichtet ist,


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1.
Lohnabgaben, Beiträge zur Sozialversicherung, Zuschläge nach dem BUAG oder Entgeltansprüche von Arbeitnehmer/inne/n zu verkürzen, oder
2.
Personen zur Sozialversicherung anzumelden, um Versicherungs-, Sozial- oder sonstige Transferleistungen zu beziehen, obwohl diese keine unselbstständige Erwerbstätigkeit aufnehmen.

(2) Ein Verdacht auf Vorliegen eines Scheinunternehmens ist gegeben, wenn die Anhaltspunkte bei einer Gesamtbetrachtung ihrem Gewicht, ihrer Bedeutung und ihrem wahren wirtschaftlichen Gehalt nach berechtigte Zweifel begründen, ob


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1.
die Anmeldung zur Sozialversicherung oder die Meldung bei der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse vom Vorsatz getragen ist, die in Folge der Anmeldung oder Meldung auflaufenden Lohn- und Sozialabgaben oder Zuschläge nach dem BUAG zur Gänze zu entrichten, oder
2.
die Anmeldung zur Sozialversicherung vom Vorsatz getragen ist, dass die angemeldeten Personen eine unselbstständige Erwerbstätigkeit aufnehmen.
Das Amt für Betrugsbekämpfung hat die Ermittlungen hinsichtlich des Verdachtes auf Vorliegen eines Scheinunternehmens im Sinne dieser Bestimmung durchzuführen.

(3) Anhaltspunkte für einen Verdacht auf Vorliegen eines Scheinunternehmens sind insbesondere:


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1.
Auffälligkeiten im Rahmen einer Risiko- und Auffälligkeitsanalyse nach § 42b ASVG oder vergleichbaren Instrumenten,
2.
Unauffindbarkeit von für das Unternehmen tätigen Personen, die dem angegebenen Geschäftszweig entsprechen, an der der Bundesfinanzverwaltung oder dem Träger der Krankenversicherung nach dem ASVG zuletzt bekannt gegebenen Adresse oder der im Firmenbuch eingetragenen Geschäftsanschrift,
3.
Unmöglichkeit des Herstellens eines persönlichen Kontakts zu dem/der Rechtsträger/in oder dessen/deren organschaftlichen Vertreters/Vertreterin über die im Firmenbuch eingetragenen Geschäftsanschrift oder die der Bundesfinanzverwaltung oder dem Träger der Krankenversicherung nach dem ASVG zuletzt bekannt gegebene Adresse,
4.
Verwendung falscher oder verfälschter Urkunden oder Beweismittel durch die dem Unternehmen zuzurechnenden Personen,
5.
Nichtvorhandensein von dem angegebenen Geschäftszweig angemessenen Betriebsmitteln oder Betriebsvermögen,
6.
Vorliegen nicht bloß geringer Rückstände an Sozialversicherungsbeiträgen im Zeitpunkt einer Anmeldung des/der Dienstnehmers/Dienstnehmerin zur Sozialversicherung.

(4) Für die Feststellung der Scheinunternehmerschaft ist das Amt für Betrugsbekämpfung zuständig, welches bei Verdacht auf Vorliegen eines Scheinunternehmens diesen dessen Rechtsträger/in schriftlich mitzuteilen hat. Zum Zwecke der Klärung des Sachverhalts nach § 7 Abs. 1a Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz (IESG), BGBl. Nr. 324/1977, hat das Amt für Betrugsbekämpfung die IEF-Service GmbH über das Bestehen eines Verdachts im Sinne des ersten Satzes schriftlich zu informieren.

(5) Die Zustellung dieser Mitteilung hat nach dem 3. Abschnitt des Zustellgesetzes (ZustG), BGBl. Nr. 200/1982, elektronisch ohne Zustellnachweis zu erfolgen. Dabei gelten § 35 Abs. 6 zweiter Satz ZustG, § 35 Abs. 7 und, soweit er sich auf eine elektronische Zustelladresse bezieht, § 37 ZustG nicht.

(6) Ist die elektronische Zustellung nicht möglich, hat die physische Zustellung an die der Abgabenbehörde zuletzt bekannt gegebene Adresse und an eine allfällig im Firmenbuch eingetragene Geschäftsanschrift, die als Abgabestellen im Sinne des § 2 Z 4 ZustG gelten, ohne Zustellnachweis zu erfolgen. Die physische Zustellung wird auch dann bewirkt, wenn die Voraussetzungen des ZustG in Bezug auf die Anwesenheit des/der Empfängers/Empfängerin oder eines/einer Vertreters/Vertreterin nicht vorliegen oder das Dokument - insbesondere wegen Unauffindbarkeit des/der Empfängers/Empfängerin - nicht in eine für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung eingelegt oder an der Abgabestelle zurückgelassen werden konnte. Bei Zustellung durch einen Zustelldienst oder ein Organ einer Gemeinde gilt die Zustellung am dritten Werktag nach Übergabe an den Zustelldienst oder die Gemeinde als bewirkt. § 26 Abs. 2 zweiter Satz ZustG ist nicht anzuwenden.

(7) Gegen den mitgeteilten Verdacht kann binnen einer Woche ab Zustellung Widerspruch beim Amt für Betrugsbekämpfung erhoben werden. Der Widerspruch kann nur durch persönliche Vorsprache des/der Rechtsträgers/Rechtsträgerin oder dessen/deren organschaftlichen Vertreters/Vertreterin erfolgen.

(8) Wird kein Widerspruch erhoben, hat das Amt für Betrugsbekämpfung mit Bescheid festzustellen, dass das Unternehmen, hinsichtlich dessen ein Verdacht nach Abs. 2 vorliegt, als Scheinunternehmen gilt. Für die Zustellung dieses Bescheids gelten die Abs. 5 und 6. Der rechtskräftige Bescheid ist allen Kooperationsstellen, der Gewerbebehörde und dem Auftragnehmerkataster Österreich zu übermitteln; dasselbe gilt für allfällige spätere Änderungen betreffend die Feststellung als Scheinunternehmen.

(9) Wird Widerspruch erhoben, hat das Amt für Betrugsbekämpfung nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens mit Bescheid festzustellen, dass das Unternehmen, hinsichtlich dessen ein Verdacht nach Abs. 2 vorliegt, als Scheinunternehmen gilt, oder das Verfahren einzustellen. Die Feststellung als Scheinunternehmen gilt als wichtiger Grund im Sinne des § 102 der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961. Für die Zustellung dieses Bescheids gilt die der Bundesfinanzverwaltung zuletzt bekannt gegebene Adresse als Abgabestelle im Sinne des § 2 Z 4 ZustG. Die physische Zustellung wird auch dann bewirkt, wenn die Voraussetzungen des ZustG in Bezug auf die Anwesenheit des/der Empfängers/Empfängerin oder eines/einer Vertreters/Vertreterin nicht vorliegen oder die schriftliche Verständigung von der Hinterlegung - insbesondere wegen Unauffindbarkeit des/der Empfängers/Empfängerin - nicht in eine für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung eingelegt, an der Abgabestelle zurückgelassen oder an der Eingangstüre angebracht werden konnte. Der rechtskräftige Bescheid oder das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts ist allen Kooperationsstellen, der Gewerbebehörde und dem Auftragnehmerkataster Österreich zu übermitteln; dasselbe gilt für allfällige spätere Änderungen betreffend die Feststellung als Scheinunternehmen.

(10) Das Bundesministerium für Finanzen hat eine Liste der rechtskräftig festgestellten Scheinunternehmen im Internet zu veröffentlichen (Identität, Firmenbuchnummer und Geschäftsanschrift des Scheinunternehmens). Veröffentlichungen, die sich auf natürliche Personen beziehen, sind nach Ablauf von fünf Jahren nach der Veröffentlichung zu löschen.

(11) Handelt es sich beim Scheinunternehmen um einen im Firmenbuch eingetragene/n Rechtsträger/in, so ist der rechtskräftige Bescheid oder das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts vom Amt für Betrugsbekämpfung auch dem zuständigen Firmenbuchgericht zu übermitteln; dasselbe gilt für allfällige spätere Änderungen betreffend die Feststellung als Scheinunternehmen. Das Gericht hat aufgrund einer solchen Mitteilung von Amts wegen die Eintragung gemäß § 3 Abs. 1 Z 15a des Firmenbuchgesetzes (FBG), BGBl. Nr. 10/1991, vorzunehmen oder zu löschen. Handelt es sich beim Scheinunternehmen um eine Kapitalgesellschaft, so hat das Amt für Betrugsbekämpfung beim zuständigen Firmenbuchgericht gegebenenfalls auch einen Antrag auf Löschung der Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit gemäß § 40 FBG zu stellen.

(12) Auf das Verfahren sind die Vorschriften der BAO sinngemäß mit den vorgenannten und folgenden Besonderheiten anzuwenden:


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1.
Für die Mitteilung nach Abs. 4 gilt § 93 Abs. 3 bis 6 BAO sinngemäß. Weiters ist darauf hinzuweisen, dass im Falle der Erhebung des Widerspruchs das ordentliche Verfahren eingeleitet wird.
2.
Die Frist für die Einbringung einer Beschwerde nach § 243 BAO beträgt eine Woche. § 245 Abs. 3 BAO gilt nicht.
3.
Die Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung nach § 308 Abs. 3 BAO beträgt zwei Wochen. Soweit die Frist zur Erhebung des Widerspruchs gegen den mitgeteilten Verdacht nach Abs. 7 versäumt wurde, hat die persönliche Vorsprache innerhalb der Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung zu erfolgen. Die Frist nach § 309 BAO beträgt sechs Wochen.
4.
Gegen Bescheide nach den Abs. 8 und 9 sind Beschwerden an das Bundesfinanzgericht zulässig. Die Beschwerde ist beim Amt für Betrugsbekämpfung einzubringen.

"Haftung für Entgelt

§ 9. Ab der rechtskräftigen Feststellung des Scheinunternehmens haftet der/die Auftrag gebende Unternehmer/in, wenn er/sie zum Zeitpunkt der Auftragserteilung wusste oder wissen musste, dass es sich beim Auftrag nehmenden Unternehmen um ein Scheinunternehmen nach § 8 handelt, zusätzlich zum Scheinunternehmen als Bürg/e/in und Zahler/in nach § 1357 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB), JGS Nr. 946/1811, für Ansprüche auf das gesetzliche, durch Verordnung festgelegte oder kollektivvertragliche Entgelt für Arbeitsleistungen im Rahmen der Beauftragung der beim Scheinunternehmen beschäftigten Arbeitnehmer/innen."

D. Rechtliche Beurteilung

D.1.

Wie aus § 8 Abs. 12 SBBG hervorgeht, sind auf das Verfahren betreffend Erlassung eines Feststellungsbescheides über das Vorliegen eines Scheinunternehmens die Vorschriften der BAO sinngemäß mit einigen Besonderheiten, vor allem hinsichtlich der Fristen und der Zustellung, anzuwenden. Ergeht im Anwendungsbereich der BAO ein Bescheid an ein Unternehmen, über das Insolvenz eröffnet wurde, sind zudem die Vorschriften der Insolvenzordnung zu beachten. Entgegen der Rechtsansicht des Finanzamtes gehen im Fall der Insolvenz des Scheinunternehmens nicht die Sonderbestimmungen des SBGG betreffend Zustellung dem Insolvenzrecht vor. Die besonderen Zustellungsregeln des SBBG sollen eine Verschleppung des Verfahrens durch den Scheinunternehmer verhindern. Ist jedoch die Insolvenz über das Scheinunternehmen eröffnet und ein Masseverwalter vom Gericht bestellt, bedarf es dieser besonderen Zustellregeln des SBBG nicht, da der nach Insolvenzeröffnung allein zuständige Masseverwalter greifbar ist und kein Interesse hat, das Verfahren zu verschleppen. Im Übrigen ist aus dem gesamten Insolvenzrecht erkennbar, dass die außerhalb der Insolvenz geltenden Regeln in anderen Gesetzen durch die Eröffnung der Insolvenz und der dann in der Insolvenzordnung geltenden Regeln modifiziert werden.

Nachdem die Bestimmungen der BAO "sinngemäß" anzuwenden sind, ist der Rechtsträger, der im Verdacht steht, Scheinunternehmer zu sein, Abgabepflichtiger iSd BAO, auch wenn es in diesem Verfahren nicht um die Erhebung von Abgaben geht. Dieser Rechtsträger hat damit Parteistellung im Verfahren zur Feststellung der Scheinunternehmereigenschaft (§ 8 Abs. 12 SBBG iVm § 78 Abs. 1 BAO) (Vgl. Wiesinger in ASoK-Spezial Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz (SBBG), 2.3.3.2.2. Parteien und Vertreter). Im Insolvenzverfahren des Scheinunternehmers gelten die weiter unten dargestellten Besonderheiten.

Die sinngemäße Anwendung der BAO bedeutet zudem, dass auch die zur BAO ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu beachten ist.

D.2.

Im Zeitpunkt der Erlassung des Feststellungsbescheides über das Vorliegen eines Scheinunternehmens nach § 8 SBBG im Juni 2016 war über die beschwerdeführende GmbH bereits die Insolvenz eröffnet. Die Rechtswirkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens treten mit Beginn des Tages ein, der der öffentlichen Bekanntmachung des Inhalts des Insolvenzediktes folgt (§ 2 Abs. 1 IO). Die öffentliche Bekanntmachung des Beschlusses des Landesgerichtes ***2*** vom ***3*** erfolgte in der Insolvenzdatei am selben Tag. Die Rechtswirkungen der Insolvenzeröffnung sind daher am eingetreten. Der beschwerdegegenständliche Feststellungsbescheid vom ist nach diesem Zeitpunkt und daher nach Insolvenzeröffnung erlassen worden.

Durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird das gesamt der Exekution unterworfene Vermögen, das dem Schuldner zu dieser Zeit gehört oder das er während des Insolvenzverfahrens erlangt (Insolvenzmasse), dessen freier Verfügung entzogen (§ 2 Abs. 2 IO).

Gem. § 3 Abs. 1 1.Satz IO sind Rechtshandlungen des Gemeinschuldners nach der Konkurseröffnung, welche die Konkursmasse betreffen, den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam. Gem. § 6 Abs. 1 IO können Rechtsstreitigkeiten, welche die Geltendmachung oder Sicherstellung von Ansprüchen auf das zur Insolvenzmasse gehörige Vermögen bezwecken, nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner weder anhängig noch fortgesetzt werden ("Prozesssperre"). Hingegen können gem. § 6 Abs. 3 IO Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche, die das zur Insolvenzmasse gehörige Vermögen überhaupt nicht betreffen, insbesondere über Ansprüche auf persönliche Leistungen des Schuldners, auch während des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner oder von ihm anhängig gemacht werden.

D.3.

Hinsichtlich des durch die Insolvenzeröffnung seiner freien Verfügung entzogenen Vermögens ist der Gemeinschuldner verfügungsunfähig und insoweit prozessunfähig. Stattdessen ist der Masseverwalter zum Einschreiten für den Gemeinschuldner legitimiert, allerdings auch nur soweit, als der Gemeinschuldner verfügungsunfähig ist, was voraussetzt, dass es sich zumindest teilweise um Aktiv- bzw. Passivbestandteile der Konkursmasse handelt. Nicht der Masseverwalter, sondern ausschließlich der Gemeinschuldner selbst ist verfügungsbefugt und allein zum Einschreiten legitimiert in jenen Bereichen, die das zur Konkursmasse gehörende Vermögen überhaupt nicht betreffen (vgl. ; ). Dabei handelt es sich um Rechtshandlungen, die sich auf das konkursfreie Vermögen beziehen, die auf nicht vermögensrechtlichen Gebiet liegen, z.B. persönliche Leistungen des Gemeinschuldners betreffen, oder um Verfügungen über Massevermögen unter der Bedingung der Aufhebung des Konkurses (Schubert in Konecny/Schubert: Insolvenzgesetze § 3 KO, Rz 10).

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass die Konkurseröffnung dazu führt, dass der Masseverwalter für die Zeit seiner Bestellung betreffend die Konkursmasse - soweit die Befugnisse des Gemeinschuldners beschränkt sind - gesetzlicher Vertreter des Gemeinschuldners iSd § 80 BAO ist. In einem Abgabenverfahren tritt nach der Konkurseröffnung der Masseverwalter an die Stelle des Gemeinschuldners, soweit es sich um Aktiv- oder Passivbestandteile der Konkursmasse handelt. Die Abgaben sind daher während des Konkursverfahrens gegenüber dem Masseverwalter festzusetzen (vgl. den , mwN).

Erledigungen werden dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt bei schriftlichen Erledigungen grundsätzlich durch Zustellung (§ 97 Abs. 1 lit. a BAO). Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist (§ 7 ZustG). Keine Heilung nach § 7 ZustG ist - zumindest nach hA - jedoch möglich, wenn die Zustellverfügung auf einen falschen Empfänger lautet (Vgl. Ritz, BAO, 6. Auflage, § 7 ZustG Rz 4).

Das Schicksal des Beschwerdeverfahren hängt daher davon ab, an wen der ursprüngliche Feststellungsbescheid gem. § 8 SBBG als Empfänger tatsächlich zu richten war, an den Masseverwalter oder an den Gemeinschuldner, und in weiterer Folge, wer einen Antrag gem. § 299 Abs. 1 BAO stellen kann. Die Entscheidung darüber ist abhängig davon, ob der Feststellungsbescheid über das Vorliegen eines Scheinunternehmens gem. § 8 SBBG die Insolvenzmasse betrifft.

D.4.

Auf Verwaltungsverfahren findet die Bestimmung des § 6 IO nicht Anwendung, da unter "Rechtsstreitigkeiten" nur gerichtliche Verfahren zu verstehen sind. Allerdings vertritt nach der hg. Judikatur zur Konkursordnung (KO) idF vor der Novellierung (und Umbenennung in Insolvenzordnung) durch das Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2010 der Masseverwalter die Gemeinschuldnerin (nunmehr: Schuldnerin; siehe § 275 Abs. 1 Z. 23 IO) auch im Verwaltungsverfahren, "wenn die Masse betroffen ist". Nur der Masseverwalter ist insofern auch zur Erhebung von Rechtsmitteln berechtigt. Während der Anhängigkeit des Konkurses können gemäß § 6 Abs. 3 KO nur Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche, die das zur Konkursmasse gehörige Vermögen überhaupt nicht betreffen, insbesondere über Ansprüche auf persönliche Leistungen des Gemeinschuldners, vom Gemeinschuldner selbst anhängig gemacht und fortgesetzt werden. Bereits anhängige Verwaltungsverfahren werden zwar nicht von der Unterbrechungswirkung des § 7 Abs. 1 KO (betreffend alle "anhängigen Rechtsstreitigkeiten", worunter nur zivilrechtliche Verfahren zu verstehen sind) umfasst, doch endet die Prozessfähigkeit des Gemeinschuldners auch für diese Verfahren mit der Eröffnung des Konkurses, soweit es sich nicht um Verfahren handelt, die im vorstehenden Sinn die Masse nicht betreffen ("das zur Konkursmasse gehörige Vermögen überhaupt nicht betreffen"). Partei in solchen Verfahren ist ebenfalls der Masseverwalter ( zur Akteneinsicht des Masseverwalters in einen Akt des Stadtschulrates für Wien). Damit kommt aber die Vertretungsbefugnis hinsichtlich einer allfälligen Akteneinsicht in solchen Verwaltungsverfahren dem Masseverwalter zu (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2004/17/0173, und vom , Zl. 2005/07/0172, je mit ausführlichen Hinweisen auf Literatur und Judikatur sowie die bei Mohr, Insolvenzordnung11 (2012) E 75 ff zu § 7 und E 154 ff zu § 81a zitierte weitere hg. Judikatur). Auch das Recht der Erhebung von Rechtsmitteln, etwa einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, kommt in solchen Fällen nur dem Masseverwalter zu (vgl. die bei Mohr, aaO, E 158 zu § 81a zitierte hg. Judikatur; Vgl. Schubert in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 6 KO (Stand , rdb.at, Rz 45).

Eine inhaltliche Änderung der für diese Judikatur maßgeblichen Bestimmungen der KO ist durch das Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2010 nicht eingetreten (siehe insbesondere § 2 Abs. 2 IO über die Entziehung des Vermögens aus der freien Verfügung des Schuldners (früher § 1 Abs. 1 KO), § 3 Abs. 1 über die Unwirksamkeit von Rechtshandlungen des Schuldners, §§ 6 und 7 über die Wirkung der Insolvenzeröffnung in Ansehung von Rechtsstreitigkeiten sowie § 81a Abs. 2 über die Verpflichtung des Insolvenz- bzw. Masseverwalters zur Führung von die Masse betreffenden Rechtsstreitigkeiten).

D.5.

§ 9 SBBG sieht als Rechtsfolge der rechtskräftigen Feststellung des Vorliegens eines Scheinunternehmens zusätzlich zum Scheinunternehmen die Haftung des Auftrag gebenden Unternehmens als Bürge und Zahler nach § 1357 ABGB für Ansprüche auf das gesetzliche, durch Verordnung festgelegte oder kollektivvertragliche Entgelt für Arbeitsleistungen im Rahmen der Beauftragung der beim Scheinunternehmen beschäftigten Arbeitnehmer vor. Auf den Bürgen gehen gem. § 1358 ABGB die Ansprüche des Gläubigers über, wenn er von diesem in Anspruch genommen wird. Das Auftrag gebende Unternehmen kann sich daher seinerseits beim Scheinunternehmen regressieren.

Damit hat § 9 SBBG nicht nur Einfluss auf den Umfang der Masse, sondern auch auf die Frage, wer Gläubiger der Masse ist. § 17 IO regelt explizit die Rechte der Mitschuldner und Bürgen gegen die Insolvenzmasse, soweit ihnen ein Rückgriff gegen den Schuldner zusteht.

Die Feststellung des Vorliegens eines Scheinunternehmens bewirkt aber auch Rechtsfolgen in anderen Gesetzen (ASVG, IESG, etc.). Zivilrechtlich ergeben sich überdies Fragen, ob ein bestehender Vertrag zwischen dem Scheinunternehmer und dem Auftrag gebenden Unternehmer aufgrund der Scheinunternehmereigenschaft angefochten oder beendet werden kann.

Zur Zustimmung zum Ausspruch von Kündigungen gemäß § 45a Abs. 8 AMFG hat der VwGH, , folgendes erkannt: "Unter diesen Gesichtspunkten ist der verfahrensgegenständliche Anspruch gemäß § 45a Abs. 8 AMFG auf Verkürzung der in § 45a Abs. 2 AMFG genannten Frist auch als Teil der Masse zu betrachten. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Kündigung, deren vorzeitigen Ausspruch die Beschwerdeführerin nach § 45a Abs. 8 AMFG begehrte, eine rechtlich relevante Handlung ist, die rechtliche Wirkungen beim Vermögen des Gemeinschuldners hervorrufen kann, wobei es genügt, dass diese Wirkungen auch nur mittelbar die Masse betreffen (s. den , mwN, und Feil, aaO, zu § 6, S. 83, Rz 1). Aber auch der dritte Satz des § 45a Abs. 2 AMFG, nach dem die fristauslösende Anzeige im Fall des Konkurses vom Masseverwalter zu erstatten ist, wenn sie nicht (wie im vorliegenden Fall) schon vor Konkurseröffnung erstattet wurde, bestätigt diese Sichtweise.

Da im Zeitpunkt der Beschwerdeeinbringung über das Vermögen der Beschwerdeführerin bereits der Konkurs eröffnet und ein Masseverwalter bestellt war, war die Beschwerdeführerin somit nicht mehr beschwerdelegitimiert. Die Beschwerde war daher mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen."

Der beschwerderelevante Feststellungsbescheid ist ebenso als ein rechtlich relevanter Akt einzustufen, der, wie dargestellt wurde, rechtliche Wirkungen beim Vermögen des Gemeinschuldners, der GmbH, hervorrufen kann. Daher ist im Beschwerdefall der Bescheid über die Feststellung des Vorliegens eines Scheinunternehmens nach § 8 SBBG als Teil der Masse zu betrachten.

D.6.

Ist durch das Feststellungsverfahren betreffend Scheinunternehmerschaft die Masse betroffen, ist nach dem zuvor Ausgeführtem ausschließlich der Masseverwalter für dieses Verfahren zuständig. Nur er ist nach Insolvenzeröffnung der richtige Empfänger für Bescheide iZm § 8 SBBG.

Durch die bloße Zustellung der an den Gemeinschuldner gerichteten Erledigung an den Masseverwalter ist sie dem Masseverwalter gegenüber nicht wirksam geworden (). Eine Heilung des Zustellmangels ist im Beschwerdefall nicht möglich, weil der Adressat des Feststellungsbescheides auf den falschen Empfänger lautet. Empfänger des Feststellungsbescheides gem. § 8 SBBG hätte nur der Masseverwalter sein können und nicht die GmbH als Gemeinschuldnerin (zur richtigen Formulierung des Bescheidadressaten im Konkurs des Scheinunternehmens vgl. ). Der Feststellungsbescheid auf Vorliegen eines Scheinunternehmens gem. § 8 SBBG vom ist daher als Nichtbescheid zu beurteilen, weil der Feststellungsbescheid nicht wirksam erlassen worden ist.

Eine Bescheidbeschwerde ist mit Beschluss zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist (§ 260 Abs. 1 lit. a BAO). Mit Beschwerde anfechtbar sind nur Bescheide. Daher sind Bescheidbeschwerden gegen Schriftstücke ohne Bescheidcharakter als unzulässig zurückzuweisen (Vgl. Ritz, BAO, 6. Auflage, § 260 Rz 8 mwN). Dasselbe gilt, wenn, wie im Beschwerdefall, ein Antrag auf Aufhebung gem. § 299 Abs. 1 BAO eines Nichtbescheides gestellt wird.

Bereits das Finanzamt hätte den gegenständlichen Antrag auf Aufhebung gem. § 299 Abs. 1 BAO nicht abweisen dürfen, sondern - ohne inhaltlich auf die Antragsausführungen einzugehen - als unzulässig zurückweisen müssen. Da dies nicht geschehen ist, hat das BFG den Spruch des angefochtenen Bescheides in der Weise abzuändern, dass der Antrag auf Aufhebung gem. § 299 Abs. 1 BAO zurückzuweisen ist.

Somit war - ohne auf das inhaltliche Vorbringen einzugehen - spruchgemäß zu entscheiden.

E. Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Der Beschluss orientiert sich an der - im Begründungstext zitierten - Rechtsprechung des VwGH. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt daher nicht vor. Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 7 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 9 SBBG, Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz, BGBl. I Nr. 113/2015
§ 6 Abs. 3 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914
§ 97 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914
§ 2 Abs. 2 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914
§ 8 Abs. 12 SBBG, Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz, BGBl. I Nr. 113/2015
§ 2 Abs. 1 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914
§ 6 Abs. 1 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.5101714.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at