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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 24.08.2020, RV/5100193/2020

Keine Zusammenrechnung der Studiendauer des Bachelor- und Masterstudiums Humanmedizin für Familienbeihilfe bis 25

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***Vertreter*** über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Abweisung des Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe ab Feber 2019 zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

1. Sachverhalt/Verfahrensgang

1. Die Tochter der Beschwerdeführerin (in der Folge kurz: BF) studierte ab 10/2014 an der ***Uni*** das Bachelorstudium "Health Sciences" und schloss dieses am mit der Bachelorprüfung ab. Im Wintersemester 2017/18 begann sie das darauf aufbauende Masterstudium Humanmedizin.
Aufgrund der Vollendung des 24. Lebensjahres im Jänner 2019 stellte das Finanzamt die Auszahlung der Familienbeihilfe ein.

2. Die BF stellte am einen Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe ab Feber 2019.

3. Dieser Antrag wurde vom Finanzamt mit Bescheid vom abgewiesen, da kein Verlängerungstatbestand nach § 2 Abs. 1 lit j Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) vorliege.

4. Mit Schreiben vom , eingelangt am , erhob die BF durch ihre steuerliche Vertretung Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid mit im Wesentlichen folgender Begründung:
Aufgrund des in der Europäischen Union geltenden Bologna-Systems sei das Studium der Humanmedizin als Bachelor- und Masterstudium mit insgesamt 12 Semestern konzipiert.
Gemäß § 1 Zi. 1 der Medizinische Universitäten Verordnung 2016 gelte die ***Uni*** als Universität iSv. § 4 Abs. 3 Z. 1 Ärztegesetz 1998 und ermögliche damit die Ausbildung zum Arztberuf mit dem akademischen Grad "Doktor der gesamten Heilkunde". Seit 2003 habe sich die universitäre Landschaft geändert, für neu eingerichtete Universitätsstudien gelte das Bologna System.
Den Gesetzesmaterialien zum BudgetbegleitG 2011 (RV 981 BlgNR 24. GP), mit dem die Altersgrenze für die Gewährung der Familienbeihilfe herabgesetzt wurde, sei zu entnehmen,
dass die Familienbeihilfe bis zum Abschluss der Berufsausbildung gewährt werden soll, wobei auf die besondere Situation bei Studierenden eingegangen werden soll, deren Studium mindestenes 10 Semester dauert. Der klassische Anwendungsfall war das 6-jährige Diplomstudium der Medizin an den Universitäten Graz, Innsbruck und Wien. Diese gesetzliche Bestimmung sei im Zeitpunkt des Beschlusses im Jahr 201 passend formuliert, da es zu diesem Zeitpunkt ausschließlich Diplomstudiengänge für Medizin gab. Die in der Folge entstandenen neuen Universitäten müssen allerdings den Bestimmungen des Universitätsgesetzes entsprechen, um ihre Studiengänge von der Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung Austria akkreditieren lassen zu können. Neue Studienpläne können ausschließlich in der vom Bologna-System vorgeschriebenen Form errichtet werden.
Die Berufsausübung als Arzt ist nach Abschluss des Bachelorstudiums nicht möglich. Die erläuternden Bemerkungen führen aus, dass eine Selbsterhaltungsfähigkeit grundsätzlich bereits nach 6 Semestern gegeben sei. Im Fall der Medizinstudenten sei dies allerdings nicht gegeben, da aufgrund der berufsrechtlichen Anforderungen keine bezahlte Tätigkeit als Arzt in medizinischen Einrichtungen möglich sei. Nach dem Bachelorstudium wäre es lediglich möglich ein unentgeltliches Praktikum auszuüben und wiederum Ausbildungscharakter besitze, aber kein Einkunftsquelle darstelle, die zur Selbsterhaltungsfähigkeit beiträgt.

Der Gesetzgeber habe beabsichtigt bei langen Berufsausbildungen wie dem Medizinstudium länger die Familienbeihilfe als bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres zu gewähren.
Die nach Beschluss des Budgetbegleitgesetzes 2011 auf Basis des Bologna-Systems geschaffenen Studiengänge der Humanmedizin entsprechen dem Diplomstudium Humanmedizin. Bei Abschluss des Bachelorstudiums liege noch keine abgeschlossene Berufsausbildung vor. Daher werde beantragt, die bolognakonforme Berufsausbildung des Studiums der Humanmedizin zur Erlangung der Berufsbefähigung als Arzt mit dem zum Zeitpunkt des Abgabenänderungsgesetz 2010 (Anmerkung Richter:gemeint war wohl Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl I 2010/111) bestehenden Diplomstudiums gleichzustellen, da die besondere Situation der längeren Studiendauer auch im zweigliedrigen Bologna-System gegeben sei und die Familienbeihilfe bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der Tochter der BF zu gewähren.

5. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde mit folgender Begründung abgewiesen:
"Eine Verlängerung des Familienbeihilfenanspruches bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, längstens jedoch bis zum erstmöglichen Abschluss eines Studiums ist nach § 2 Abs. 1 lit j Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG 1967) nur dann möglich, wenn
- das Kind das Studium bis zu dem Kalenderjahr, in dem es das 19.Lebensjahr vollendet hat, begonnen hat, und
- die gesetzliche Studiendauer bis zum ehestmöglichen Abschluss mindestens zehn Semester beträgt, und
- die gesetzliche Studiendauer dieses Studiums nicht überschritten wird.

Unter der gesetzlichen Studiendauer ist jene in Semestern definierte Zeitspanne zu verstehen, die in den jeweiligen Studienvorschriften für die Absolvierung eines Studiums vorgesehen ist. Darüber hinaus können keine weiteren Semester berücksichtigt werden.

Die Familienbeihilfe soll nach dem Erreichen der Volljährigkeit grundsätzlich nur bis zum Abschluss einer Berufsausbildung gewährt werden. Durch Änderungen des Studienrechts in den letzten Jahren, zu denen nicht zuletzt die Einführung des Bachelor-Studiums an Fachhochschulen und in den meisten der an österreichischen Universitäten angebotenen Studienrichtungen zählt, wird die Selbsterhaltungsfähigkeit nunmehr in der Regel bereits nach sechs Semestern (Mindeststudiendauer) erreicht.
Laut Studiendatei der
***Uni*** beträgt die Studienzeit für das Bachelorstudium 6 Semester, da das Bachelorstudium und das nachfolgende Masterstudium nicht zusammenzurechnen sind und somit die Verlängerungstatbestände nicht erfüllt sind, kann die Familienbeihilfe für ihre Tochter ***Name*** bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nicht gewährt werden.
Die Beschwerde wurde folglich als unbegründet abgewiesen und die Familienbeihilfe für
***Name*** mit der Vollendung des 24. Lebensjahres (01/2019) eingestellt."

6. Mit Schriftsatz vom , eingelangt bei der belangten Behörde am , beantragte die BF die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.

7. Am legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte die Abweisung aus den in der Beschwerdevorentscheidung angeführten Gründen.

2. Beweiswürdigung

Der aufgrund des bisherigen Verwaltungsgeschehens und der vorgelegten Unterlagen festgestellte Sachverhalt ist unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Strittig ist, ob bei Anwendung des § 2 Abs. 1 lit. j FLAG 1967 zur Berechnung der gesetzlichen Studiendauer das Bachelorstudium als eigenständiges Studium anzusehen oder ein (daran anschließendes) Masterstudium miteinzubeziehen ist.

Gemäß § 2 Abs 1 FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, […]

j) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr vollendet haben bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, bis längstens zum erstmöglichen Abschluss eines Studiums, wenn sie
aa) bis zu dem Kalenderjahr, in dem sie das 19. Lebensjahr vollendet haben, dieses Studium begonnen haben, und
bb) die gesetzliche Studiendauer dieses Studiums bis zum erstmöglichen Studienabschluss zehn oder mehr Semester beträgt, und
cc) die gesetzliche Studiendauer dieses Studiums nicht überschritten wird.

Die unter den sublit aa) bis cc) des § 2 Abs. 1 lit. j FLAG 1967 normierten Voraussetzungen sind durch "und" verbunden, sie müssen daher kumulativ vorliegen.

Der Verwaltungsgerichtshof führte zu dieser Frage bereits im Erkenntnis , VwGH 2011/16/0066, unter Hinweis auf aus, dass mit dem Abschluss des Bachelorstudiums eine Berufsausbildung abgeschlossen wird und ein anschließendes Masterstudium ein davon getrenntes neues Studium und eine neuerliche weitere Berufsausbildung darstellt.
Im angeführten Erkenntnis , leitete der VwGH diese Rechtsansicht aus den Bestimmungen der § 3 bis 5 Fachhochschul-Studiengesetz (FHStG) ab. Vergleichbare Bestimmungen finden sich auch im Universitätsgesetz 2002 (UG), wobei nach § 51 Abs 2 Z 2 UG die Diplomstudien, die Bachelorstudien, die Masterstudien, die Doktoratsstudien und die Erweiterungsstudien als (eigenständige) ordentliche Studien qualifiziert werden. § 51 Abs 2 Z 10 UG normiert, dass Bachelorgrade die akademischen Grade sind, die nach dem Abschluss der Bachelorstudien verliehen werden.

Nach § 54 Universitätsgesetz 2002 (UG) ist ein Bachelorstudium als eigenständiges Studium anzusehen.
Für die Berechnung, ob die gesetzliche Studiendauer zehn oder mehr Semester beträgt, ist daher ein (daran anschließendes) Masterstudium nicht miteinzubeziehen (s ; die Behandlung der dagegen gerichteten VfGH-Beschwerde wurde mit Beschluss vom , B 1275/11, abgelehnt) (Csaszar/Wanke/Lenneis, FLAG 2. Auflage, zu § 2, Rz. 33).

Die Rechtsprechung des VwGH steht in der Frage nach dem Abschluss einer Berufsausbildung mit dem Abschluss eines Bachelorstudiums insoweit auch im Einklang mit den Materialien zum Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, (RV 981 BlgNR 24.GP, 223), welche zur Begründung der Herabsetzung der allgemeinen Altersgrenze in § 2 Abs. 1 lit. b FLAG anführen:

"Die Familienbeihilfe soll nach dem Erreichen der Volljährigkeit grundsätzlich nur bis zum Abschluss einer Berufsausbildung gewährt werden. Durch Änderungen des Studienrechts in den letzten Jahren, zu denen nicht zuletzt die Einführung des Bachelor- Studiums an Fachhochschulen und in den meisten der an österreichischen Universitäten angebotenen Studienrichtungen zählt, wird die Selbsterhaltungsfähigkeit nunmehr in der Regel bereits nach sechs Semestern (Mindeststudiendauer) erreicht. Im Gleichklang mit dieser studienrechtlichen Änderungen führt die Herabsetzung der Altersobergrenze für den Bezug der Familienbeihilfe grundsätzlich vom abgeschlossenen 26. auf das abgeschlossene 24. Lebensjahr nicht zu einer Verschlechterung der Möglichkeit der Studierenden, ein Studium in jenem Zeitraum, für den Familienbeihilfe gewährt wird, erfolgreich abzuschließen."

Das Finanzamt hat auf Basis der geltenden Rechtslage festgestellt, dass Bachelor- und Masterstudium als zwei verschiedene Studien zu beurteilen sind.
Eine Zusammenrechnung der jeweiligen gesetzlichen Studiendauern, für die Erfüllung des Tatbestandes der langen Studiendauer in § 2 Abs. 1 lit. j FLAG 1967 wurde zu Recht verneint. Die Familienbeihilfe konnte daher nicht bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres gewährt werden.

Ungleichbehandlung von Diplomstudium Humanmedizin und Studium im Bologna-System bezüglich der Gewährung von Familienbeihilfe

Die BF bringt zu dieser Frage im Wesentlichen vor, dass innerhalb der österreichischen Universitäten eine Ungleichbehandlung hinsichtlich deren Wettbewerbsfähigkeit vorliege. Die neu gegründete medizinische Universität in Linz sei ebenso als Bachelor- und Masterstudium konzipiert. Das Bachelorstudium werde in Kooperation mit der MedUni Graz absolviert, weshalb die Medizinstudenten der Universität Linz ihr Studium zu Beginn (2 Jahre lang) in Graz oder in Linz absolvieren. Ein Student der MedUni Graz, der heute zu studieren beginnt, würde somit ein Jahr länger Familienbeihilfe beziehen als sein Linzer Kollege, der mit ihm in Graz im selben Hörsaal sitzt, da das Studium gemeinsam abgewickelt werde.

Die unterschiedliche Behandlung von Diplomstudium und Studium im Bologna-System ergibt sich aus der oben dargestellten Gesetzeslage und der Judikatur des VwGH.

Das Bundesfinanzgericht hat keine Bedenken gegen die Anwendung dieser Gesetze aus dem Grund einer unsachlichen Ungleichbehandlung.

Nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichthofes vom , G6/11, wäre der Gesetzgeber "aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht verhalten gewesen, eine Ausnahme nach Art des §2 Abs1 litj und des §6 Abs2 liti FLAG 1967 überhaupt vorzusehen. Wenn er sie dennoch verfügt, hat er sie in sich sachlich auszugestalten. Dem Gesetzgeber ist es gestattet, einfache und leicht handhabbare Regelungen zu treffen (vgl. VfSlg. 10.455/1985, 11.616/1988) und von einer Durchschnittsbetrachtung auszugehen (so zB VfSlg. 14.841/1997, 16.124/2001 und 16.771/2002). Dass dabei Härtefälle entstehen können, macht für sich allein eine Regelung nicht unsachlich (VfSlg. 11.615/1988, 14.841/1997). Der Gesetzgeber ist nicht verpflichtet, auf alle Fallkonstellationen Rücksicht zu nehmen, ..."

Die von der BF dargestellte Fallkonstellation bezüglich der Ungleichbehandlung von Diplomstudium und Bachelor-Master-Studium stellt einen solchen Härtefall dar, der die Regelung für sich alleine nicht unsachlich macht.

Im gegenständlichen Fall ist die unterschiedliche familienbeihilfenrechtliche Beurteilung außerdem in den Unterschieden zwischen dem klassischen Diplomstudium und dem zweistufigen Bachelor-Master Studium begründet.

Diese Unterschiede wurden bezüglich des gleichen Studiums bereits vom Bundesfinanzgericht im Erkenntnis vom , RV/7106195/2019, aufgezeigt: Der Abschluss des Bachelor-Studiums und der damit erworbene "BSc" ist bereits ein anerkannter Studienabschluss, mit dem die Absolventin bereits in bestimmten Berufen arbeiten kann (Medizin-Dokumentarin, Pharmakologin, Pharmareferentin). Ein abgeschlossenes Studium führt erfahrungsgemäß zu besseren Chancen auf dem Arbeitsmarkt als ein abgebrochenes Studium. Somit ist die unterschiedliche Regelung in Bezug auf die Familienbeihilfe sachlich gerechtfertigt.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes folgt der zitierten eindeutigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, daher kommt der Rechtsfrage keine grundsätzliche Bedeutung zu.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
§ 2 Abs. 1 lit. j FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 51 Abs. 2 Z 2 UG, Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002
§ 54 UG, Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002
Verweise
Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.5100193.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at