Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 08.09.2020, RV/5101810/2017

Abstandnahme von der Festsetzung der GrESt für die Anschaffung eines Ersatzgrundstückes bei Hochwasserschaden?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Mag.Dr. Thomas Leitner in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom betreffend Grunderwerbsteuer , ***ErfNr1***, zu Recht:

  • Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Bescheid vom setzte die belangte Behörde gegenüber der Beschwerdeführerin Grunderwerbsteuer für den am von der Beschwerdeführerin und ihrem Ehemann als Käufer und Herrn ***AB*** als Verkäufer abgeschlossenen Kaufvertrag über die Liegenschaft ***EZ1***, ***KG1***, im Betrag von 3.937,50 Euro fest. Als Bemessungsgrundlage legte die belangte Behörde der GrESt iHv 3,5% einen Kaufpreis von 112.500,00 Euro zugrunde.

Mit Schreiben vom brachte die Beschwerdeführerin gegen den vorgenannten Bescheid das Rechtsmittel der Beschwerde ein. In der Beschwerde wurde unter Hinweis auf § 206 Abs 1 lit a BAO und einen zu dieser Bestimmung ergangenen (nicht näher bezeichneten) Erlass des BMF im Wesentlichen begründend ausgeführt, der dem Bescheid zugrundeliegende Liegenschaftserwerb betreffe einen Ersatzkauf nach der Hochwasserkatastrophe 2013 zum Zweck der Absiedlung des von der Beschwerdeführerin gemeinsam mit ihrem Ehemann geführten land- und forstwirtschaftlichen Betriebes aus dem Donauhochwasser-Überflutungsgebiet. Bei den Gesprächen über eine Absiedlung mit den Verantwortlichen des Landes Oö, Abt. Oberflächengewässerwirtschaft sei unter Verweis auf den zu § 206 Abs 1 lit a BAO ergangenen Erlass eine Befreiung von der Grunderwerbsteuer für nötige Ersatzkäufe zugesagt worden.

Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom als unbegründet abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde dabei aus, dass die Beschwerdeführerin nicht Miteigentümerin der vom Hochwasser betroffenen Grundstücke sei. Bei dem Erwerb des Hälfteanteiles an der Liegenschaft ***EZ1***, ***KG1***, handle es sich demnach insoweit nicht um einen Ersatzerwerb.

Daraufhin übermittelte die Beschwerdeführerin der belangte Behörde ein Schreiben, datiert mit , das in verständiger Würdigung als Vorlageantrag zu verstehen war.

Am erfolgte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.

Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 2a BAO iVm § 85 Abs 2 BAO aufgetragen, die nachstehend angeführten Mängel des Vorlageantrages vom innerhalb eines Monats ab Zustellung zu beheben:

a) Dem Vorlageantrag fehlt die Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung (§ 264 Abs 1 zweiter Satz BAO);

b) dem Vorlageantrag fehlt die Unterschrift.

In einer von der Beschwerdeführerin eigenhändig unterschriebenen Stellungnahme vom , beim Bundesfinanzgericht eingelangt am , führte die Beschwerdeführerin daraufhin zusammengefasst aus, dass entgegen der von der belangten Behörde vertretenen Ansicht ein "Ersatzerwerb im Sinne des § 206 BAO" vorliege, da der von der Absiedelung betroffene Hof über 20 Jahre lang von der Beschwerdeführerin gemeinsam mit ihrem Ehemann bewohnt und bewirtschaftet worden war.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen wird folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt:

Der Ehemann der Beschwerdeführerin war Alleineigentümer einer Liegenschaft, die sich laut Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde Enns in einer als Absiedelungsgebiet ausgewiesenen Fläche befand und partizipierte an einer infolge der Hochwasserkatastrophe 2013 vom Amt der Oö Landesregierung initiierten Absiedelung aus dem Donauhochwasser-Überflutungsgebiet.

Mit Kaufvertrag vom erwarben die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann im Zuge der vorgenannten Absiedelungsaktion jeweils Hälfteeigentum an der Liegenschaft ***EZ1***, ***KG1***. Der Kaufpreis betrug insgesamt 225.000,- Euro; auf den von der Beschwerdeführerin erworbenen Hälfteanteil entfielen davon 112.500,- Euro.

Beweiswürdigung

Die obigen unstrittigen Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig und können somit gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen angenommen werden.

Rechtliche Beurteilung

Verfahrensrecht

Mit Schreiben vom sanierte die Beschwerdeführerin den dem Vorlageantrag vom anhaftenden Mangel der fehlenden Unterschrift.

Betreffend den Mangel der fehlenden Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung ist wie folgt auszuführen: Gemäß § 264 Abs 1 zweiter Satz BAO hat der Vorlageantrag die Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung zu enthalten. Als Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung genügt es allerdings, dass aus dem gesamten Inhalt des Anbringens hervorgeht, wogegen es sich richtet, und das Verwaltungsgericht aufgrund des Anbringens nicht zweifeln kann, welche Beschwerdevorentscheidung angefochten ist (vgl Rauscher, SWK 2015, 356).

Im gegenständlichen Fall ist die angefochtene Beschwerdevorentscheidung trotz fehlender ausdrücklicher Bezeichnung nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes hinreichend bestimmbar, weshalb das Bundesfinanzgericht gemäß § 279 Abs 1 BAO in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden hat.

Ermessensübung betreffend Abstandnahme von der Abgabenfestsetzung

Gemäß § 1 Abs 1 Z 1 GrEStG 1987 unterliegen Kaufverträge oder andere Rechtsgeschäfte, die den Anspruch auf Übereignung begründen - soweit sie sich auf inländische Grundstücke beziehen - der Grunderwerbsteuer.

Auch die Übertragung eines Miteigentumsanteils an einer Liegenschaft stellt sich als Veräußerung eines Grundstückes iSd § 2 Abs 1 GrEStG 1987 dar ().

Gemäß § 4 Abs 1 erster Satz GrEStG 1987 ist die Steuer vom Wert der Gegenleistung iSd § 5 GrEStG 1987, mindestens vom Grundstückswert, zu berechnen.

Die auf den Grundstückserwerb durch die Beschwerdeführerin entfallende Grunderwerbsteuer beträgt im Beschwerdefall- wovon auch die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens übereinstimmend ausgehen - gem § 7 Abs 1 Z 3 GrEStG 1987 3,5% von der (anteiligen) Gegenleistung im Betrag von 112.500,- Euro, somit 3.937,50 Euro.

Strittig ist im Beschwerdefall ausschließlich, ob gem § 206 Abs 1 lit a BAO eine Abstandnahme von der Festsetzung der vorgenannten Grunderwerbsteuer zu erfolgen hat.

§ 206 BAO hat - soweit für den Beschwerdefall relevant - auszugsweise folgenden Inhalt:

"(1) Die Abgabenbehörde kann von der Festsetzung von Abgaben ganz oder teilweise Abstand nehmen,

a) soweit Abgabepflichtige von den Folgen eines durch höhere Gewalt ausgelösten Notstandes betroffen werden, vor allem soweit abgabepflichtige Vorgänge durch Katastrophenschäden (insbesondere Hochwasser-, Erdrutsch-, Vermurungs- und Lawinenschäden) veranlasst worden sind;

…"

Auf eine Maßnahme nach § 206 BAO besteht kein Rechtsanspruch des Abgabepflichtigen (vgl ErläutRV 238 BlgNR XXII. GP 13; ). Maßnahmen nach § 206 BAO erfolgen von Amts wegen und liegen im Ermessen ( § 20 BAO) der für die Abgabenfestsetzung zuständigen Abgabenbehörde (vgl ErläutRV 238 BlgNR XXII. GP 13) bzw der Verwaltungsgerichte (vgl Fischerlehner, Abgabenverfahren 2 § 206 BAO Anm 1).

Wird eine Maßnahme gemäß § 206 BAO von einem Abgabepflichtigen angeregt, so handelt es sich um kein auf eine Erledigung durch Bescheid gerichtetes Anbringen, weshalb eine Ablehnung gegebenenfalls nur formlos zu erfolgen braucht (vgl ). Wird ein solches Begehren in einer Bescheidbeschwerde gegen den Abgabenbescheid gestellt, so ist allerdings auch über diesen Beschwerdepunkt abzusprechen (vgl Ellinger/Sutter/Urtz, BAO 3 § 206 Anm 1). Dabei ist insbesondere die Ermessensübung der Abgabenbehörde durch das Bundesfinanzgericht zu prüfen und gegebenenfalls von diesem neu auszuüben (vgl Unger in Althuber/Tanzer/Unger, BAO-Handbuch 93).

§ 20 BAO lautet: "Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), müssen sich in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen."

Die maßgebenden Kriterien für die Übung des Ermessens ergeben sich primär aus der Ermessen einräumenden Bestimmung (Ritz, BAO 6 § 20 Rz 5). Die Ermessensübung hat sich dabei vor allem am Zweck der Norm zu orientieren (vgl zB ; Ritz, BAO 6 § 20 Rz 8 mwN der Rsp des VwGH).

Erkennbarer Zweck der in § 206 Abs 1 lit a BAO vorgesehenen Abstandnahme von der Abgabefestsetzung in Fällen, in denen abgabepflichtige Vorgänge durch Katastrophenschäden veranlasst worden sind, ist es, durch höhere Gewalt ausgelöste Vermögensschäden des Abgabepflichtigen abzufedern bzw zu verhindern, dass diese durch die Besteuerung von Vorgängen, die infolge höherer Gewalt notwendig geworden sind, noch weiter anwachsen. Voraussetzung für eine Abstandnahme von der Besteuerung dieser Vorgänge ist somit dem Normzweck entsprechend ein Kausalzusammenhang zwischen dem Eintritt des Katastrophenschadens und der Verwirklichung eines abgabepflichtigen Vorganges (vgl dazu auch ).

Im Beschwerdefall wurde der Hochwasserschaden bzw die daraufhin erfolgte Absiedelung von der Beschwerdeführerin und ihrem Ehemann zum Anlass dafür genommen, ihre Vermögensverhältnisse dergestalt neu zu ordnen, dass in Hinkunft beide Ehegatten Miteigentum am Liegenschaftsvermögen anstelle des vormaligen Alleineigentums des Ehemannes haben sollen. Dass der durch das Hochwasser verursachte Schaden am Eigentum des Ehemannes eine Mitwirkung der Beschwerdeführerin beim Erwerb eines Ersatzgrundstückes notwendig gemacht hätte, wurde von der Beschwerdeführerin nicht dargetan. Der gegenständliche Grundstückserwerb durch die Beschwerdeführerin wurde somit zwar anlässlich des Hochwasserschadens realisiert; der Hochwasserschaden war dabei jedoch nicht Ursache für die von den Ehegatten bezweckte Neuordnung ihrer Vermögensverhältnisse bzw für den gegenständlichen Miteigentumserwerb durch die Beschwerdeführerin.

Damit sieht das Bundesfinanzgericht im Hinblick auf den oa Zweck des § 206 Abs 1 lit a BAO aber keine Veranlassung dafür, eine im Vergleich zu dem von der belangten Behörde geübten Ermessen abweichende Ermessensentscheidung zu treffen.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte interne Erlass des BMF (vgl BMF-280000/0116-IV/2/2013) bereits dem Grunde nach keine Berücksichtigung bei der Ermessensübung zu finden vermag, da Erlässen oder Richtlinien unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben nicht eine vergleichbare Wirkung beizumessen ist wie einer verbindlichen Zusage oder Auskunft für den Einzelfall und der Grundsatz von Treu und Glauben ein konkretes Verhältnis zwischen dem Abgabepflichtigen und der Abgabenbehörde voraussetzt, bei dem allein sich eine Vertrauenssituation bilden kann (vgl dazu zB , mwN).

Betreffend das Vorbringen der Beschwerdeführerin, von Organen des Landes Oö sei eine Befreiung von der Grunderwerbsteuer zugesagt worden, ist zudem anzumerken, dass Auskünfte nach der stRsp des VwGH von der für die Abgabenangelegenheit zuständigen Abgabenbehörde erteilt werden müssten, um nach dem Grundsatz von Treu und Glauben Berücksichtigung finden zu können (vgl zB ; , 2000/15/0196; Ritz, BAO 6 § 114 Rz 10 mwN).

Es ist somit spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Unzulässigkeit der Revision)

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gegen eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Zudem kommt einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung entfaltet. Der Frage der Rechtmäßigkeit einer auf die Umstände des Einzelfalles Bedacht nehmenden Ermessensübung kommt folglich in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung im besagten Sinne zu. Die im Beschwerdefall vom Bundesfinanzgericht vorgenommene Ermessensübung wirft somit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG auf, weshalb gemäß § 25a Abs 1 VwGG spruchgemäß zu entscheiden ist.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 206 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.5101810.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at