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Vorabentscheidung (EuGH) – Einzel - Beschluss, BFG vom 30.07.2020, RE/7100002/2020

Fragen insbesondere zur Unionsrechtskonformität von § 13 Abs 1 Entwicklungshelfergesetz aF (mittelbare Diskriminierung) und zu § 53 Abs 1 FLAG wegen des Umsetzungsverbots von Verordnungen

Beachte

Beim EuGH anhängig unter C-372/20. Erledigt durch .


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Rechtssätze
Stammrechtssätze
RE/7100002/2020-RS1
Frage 1: Ist Art 11 Abs 3 Buchstabe e) VO 883/2004 dahin auszulegen, dass darunter eine Situation einer Arbeitnehmerin mit Staatsbürgerschaft eines Mitgliedstaates, in dem sie und die Kinder auch ihren Wohnort haben, die mit einem Arbeitgeber mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat ein Beschäftigungsverhältnis als Entwicklungshelferin eingeht, das nach den Rechtsvorschriften des Sitzstaates dem Pflichtversicherungssystem unterfällt, und von dem Arbeitgeber zwar nicht unmittelbar nach Einstellung, jedoch nach Absolvierung einer Vorbereitungszeit und nach Rückkehr für Zeiten der Reintegration im Sitzstaat, in einen Drittstaat entsendet wird, fällt?
RE/7100002/2020-RS2
Frage 2: Verstößt eine mitgliedstaatliche Rechtsvorschrift wie § 53 Abs 1 FLAG, der ua eine eigenständige Anordnung für die Gleichstellung mit Inländern trifft, gegen das Umsetzungsverbot von Verordnungen iSd Art 288 Abs 2 AEUV?
RE/7100002/2020-RS3
Frage 3: Ist das für Arbeitnehmer in Art 45 Abs 2 AEUV, subsidiär in Art 18 AEUV verankerte Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit dahin auszulegen, dass es einer nationalen Norm wie § 13 Abs 1 Entwicklungshelfergesetz in der bis geltenden Fassung BGBl I 187/2013 (in der Folge: alte Fassung, aF) entgegensteht, die den Anspruch auf Familienleistungen im nach Unionsrecht unzuständigen Mitgliedstaat damit verknüpft, dass der Entwicklungshelfer schon vor Beginn der Beschäftigung im Hoheitsgebiet des Sitzmitgliedstaates den Mittelpunkt der Lebensinteressen bzw seinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt haben muss, wobei dieses Erfordernis auch von Inländern zu erfüllen ist?
RE/7100002/2020-RS4
Frage 4: Sind die Art 68 Abs 3 VO 883/2004 und Art 60 Abs 2 und 3 Verordnung (EG) Nr 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABl L 284 vom , (im Folgenden: VO 987/2009 oder Durchführungsverordnung) dahingehend auszulegen, dass der Träger des Mitgliedstaates, der von der Antragstellerin als vorrangig zuständiger Beschäftigungsstaat vermutet wurde und bei dem der Antrag auf Familienleistungen eingebracht wurde, dessen Rechtsvorschriften aber weder vorrangig noch nachrangig anwendbar sind, jedoch ein Anspruch auf Familienleistungen nach einer alternativen Norm des mitgliedstaatlichen Rechts besteht, die Bestimmungen über die Verpflichtung zur Weiterleitung des Antrags, zur Information, zur Erlassung einer vorläufigen Entscheidung über die anzuwenden Prioritätsregeln und zur vorläufigen Geldleistung analog anzuwenden hat?
RE/7100002/2020-RS5
Frage 5: Trifft die Verpflichtung zur Erlassung einer vorläufigen Entscheidung über die anzuwenden Prioritätsregeln ausschließlich die belangte Behörde als Träger oder auch das im Rechtsmittelweg angerufene Verwaltungsgericht?
RE/7100002/2020-RS6
Frage 6: In welchem Zeitpunkt ist das Verwaltungsgericht zur Erlassung einer vorläufigen Entscheidung über die anzuwenden Prioritätsregeln verpflichtet?
RE/7100002/2020-RS7
Frage 7: Ist die Wortfolge „[d]er Träger leitet den Antrag … weiter“ in Art 68 Abs 3 Buchstabe a) VO 883/2004 und die Wortfolge „so übermittelt er den Antrag“ in Art 60 DVO 987/2009 dahingehend auszulegen, dass diese Bestimmungen den Träger des vorrangig zuständigen Mitgliedstaates und den Träger des nachrangig zuständigen Mitgliedstaates derart miteinander verbinden, dass beide Mitgliedstaaten gemeinsam EINEN (eins als Singular) Antrag auf Familienleistungen zu erledigen haben oder ist die gegebenenfalls gebotene Zuzahlung des Trägers des Mitgliedstaates, dessen Rechtsvorschriften nachrangig anzuwenden sind, vom Antragsteller gesondert zu beantragen, sodass der Antragsteller bei zwei Trägern zweier Mitgliedstaaten zwei körperliche Anträge (Formulare) einzubringen hat, die naturgemäß unterschiedliche Fristen auslösen?
RE/7100002/2020-RS8
Fragen 8 bis 9 betreffen den Zeitraum ab , zu dem Österreich gemeinsam mit Einführung der Indexierung der Familienbeihilfe die Gewährung der Familienbeihilfe für Entwicklungshelfer abgeschafft hat, indem § 13 Abs 1 EHG idF BGBl I 187/2013 (kurz: alte Fassung, aF) mit BGBl I 83/2018 aufgehoben wurde. Frage 8: Sind die Art 4 Abs 4, 45, 208 AEUV, Art 4 Abs 3 EUV und die Art 2, 3, 7 und der Titel II VO 883/2004 dahingehend auszulegen, dass sie es einem Mitgliedstaat generell untersagen, die Familienleistungen für Entwicklungshelfer, der seine Familienangehörigen an den Einsatzort im Drittland mitnimmt, abzuschaffen? Alternativ Frage 9: Sind die Art 4 Abs 4, 45, 208 AEUV, Art 4 Abs 3 EUV und die Art 2, 3, 7 und der Titel II VO 883/2004 dahingehend auszulegen, dass sie einem Entwicklungshelfer, der bereits für vorangegangene Zeiträume einen Anspruch auf Familienleistungen erworben hat, in einer Situation wie im Ausgangsfall einen individuell-konkreten Fortbestand dieses Anspruchs für Zeiträume garantieren, obwohl der Mitgliedstaat die Gewährung der Familienleistungen für Entwicklungshelfer abgeschafft hat?

Entscheidungstext

Beschluss

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Silvia Gebhart in der Beschwerdesache der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr Vana Dr Kolbitsch Mag Breitenecker, Taborstraße 10 Tür Stg 2, 1020 Wien, diese vertreten durch Mag Tatjana Kovacic und Dr Heinrich Vana, über die Beschwerden vom und vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 8/16/17 vom und vom , SVN ***SVN***, betreffend Abweisung der in Verbindung mit der Verordnung (EG) Nr 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABlEU L 166 vom , (in der Folge: VO 883/2004, neue Koordinierung oder Grundverordnung) gestellten Anträge ab Oktober 2016 für die Kinder K1 (geb xx.xx.2011), K2 (geb yy.yy.2015) und ab Dezember 2017 weiters für das Kind K3 (geb zz.zz.2017) auf Gewährung der Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs 3 und 4 Familienlastenausgleichsgesetz und des Kinderabsetzbetrages gemäß § 33 Abs 3 Satz 1 Einkommensteuergesetz und jeweils alternativ in Verbindung mit § 13 Entwicklungshelfergesetz nach ausschließlich österreichischen Rechtsvorschriften gestellten Anträge, gemäß § 290 Abs 1 Bundesabgabenordnung beschlossen:

  1. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Art 267 AEUV folgende Fragen mit dem Ersuchen um Vorabentscheidung vorgelegt:

Frage 1:

Ist Art 11 Abs 3 Buchstabe e) VO 883/2004 dahin auszulegen, dass darunter eine Situation einer Arbeitnehmerin mit Staatsbürgerschaft eines Mitgliedstaates, in dem sie und die Kinder auch ihren Wohnort haben, die mit einem Arbeitgeber mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat ein Beschäftigungsverhältnis als Entwicklungshelferin eingeht, das nach den Rechtsvorschriften des Sitzstaates dem Pflichtversicherungssystem unterfällt, und von dem Arbeitgeber zwar nicht unmittelbar nach Einstellung, jedoch nach Absolvierung einer Vorbereitungszeit und nach Rückkehr für Zeiten der Reintegration im Sitzstaat, in einen Drittstaat entsendet wird, fällt?

Frage 2:

Verstößt eine mitgliedstaatliche Rechtsvorschrift wie § 53 Abs 1 FLAG, der ua eine eigenständige Anordnung für die Gleichstellung mit Inländern trifft, gegen das Umsetzungsverbot von Verordnungen iSd Art 288 Abs 2 AEUV?

Die Fragen 3 bis 4 beziehen sich auf den Fall, dass die Situation der Antragstellerin dem Art 11 Abs 3 Buchstabe e) VO 883/2004 unterfällt und das Unionsrecht ausschließlich den Wohnmitgliedstaat zu Familienleistungen verpflichtet.

Frage 3:

Ist das für Arbeitnehmer in Art 45 Abs 2 AEUV, subsidiär in Art 18 AEUV verankerte Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit dahin auszulegen, dass es einer nationalen Norm wie § 13 Abs 1 Entwicklungshelfergesetz in der bis geltenden Fassung BGBl I 187/2013 (in der Folge: alte Fassung, aF) entgegensteht, die den Anspruch auf Familienleistungen im nach Unionsrecht unzuständigen Mitgliedstaat damit verknüpft, dass der Entwicklungshelfer schon vor Beginn der Beschäftigung im Hoheitsgebiet des Sitzmitgliedstaates den Mittelpunkt der Lebensinteressen bzw seinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt haben muss, wobei dieses Erfordernis auch von Inländern zu erfüllen ist?

Frage 4:

Sind die Art 68 Abs 3 VO 883/2004 und Art 60 Abs 2 und 3 Verordnung (EG) Nr 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABl L 284 vom , (im Folgenden: VO 987/2009 oder Durchführungsverordnung) dahingehend auszulegen, dass der Träger des Mitgliedstaates, der von der Antragstellerin als vorrangig zuständiger Beschäftigungsstaat vermutet wurde und bei dem der Antrag auf Familienleistungen eingebracht wurde, dessen Rechtsvorschriften aber weder vorrangig noch nachrangig anwendbar sind, jedoch ein Anspruch auf Familienleistungen nach einer alternativen Norm des mitgliedstaatlichen Rechts besteht, die Bestimmungen über die Verpflichtung zur Weiterleitung des Antrags, zur Information, zur Erlassung einer vorläufigen Entscheidung über die anzuwenden Prioritätsregeln und zur vorläufigen Geldleistung analog anzuwenden hat?

Frage 5:

Trifft die Verpflichtung zur Erlassung einer vorläufigen Entscheidung über die anzuwenden Prioritätsregeln ausschließlich die belangte Behörde als Träger oder auch das im Rechtsmittelweg angerufene Verwaltungsgericht?

Frage 6:

In welchem Zeitpunkt ist das Verwaltungsgericht zur Erlassung einer vorläufigen Entscheidung über die anzuwenden Prioritätsregeln verpflichtet?

Frage 7 bezieht sich auf den Fall, dass die Situation der Antragstellerin dem Art 11 Abs 3 Buchstabe a) VO 883/2004 unterfällt und das Unionsrecht den Beschäftigungsstaat und Wohnmitgliedstaat gemeinsam zu Familienleistungen verpflichtet.

Frage 7:

Ist die Wortfolge "[d]er Träger leitet den Antrag … weiter" in Art 68 Abs 3 Buchstabe a) VO 883/2004 und die Wortfolge "so übermittelt er den Antrag" in Art 60 DVO 987/2009 dahingehend auszulegen, dass diese Bestimmungen den Träger des vorrangig zuständigen Mitgliedstaates und den Träger des nachrangig zuständigen Mitgliedstaates derart miteinander verbinden, dass beide Mitgliedstaaten gemeinsam EINEN (eins als Singular) Antrag auf Familienleistungen zu erledigen haben oder ist die gegebenenfalls gebotene Zuzahlung des Trägers des Mitgliedstaates, dessen Rechtsvorschriften nachrangig anzuwenden sind, vom Antragsteller gesondert zu beantragen, sodass der Antragsteller bei zwei Trägern zweier Mitgliedstaaten zwei körperliche Anträge (Formulare) einzubringen hat, die naturgemäß unterschiedliche Fristen auslösen?

Fragen 8 bis 9 betreffen den Zeitraum ab , zu dem Österreich gemeinsam mit Einführung der Indexierung der Familienbeihilfe die Gewährung der Familienbeihilfe für Entwicklungshelfer abgeschafft hat, indem § 13 Abs 1 EHG idF BGBl I 187/2013 (kurz: alte Fassung, aF) mit BGBl I 83/2018 aufgehoben wurde.

Frage 8:

Sind die Art 4 Abs 4, 45, 208 AEUV, Art 4 Abs 3 EUV und die Art 2, 3, 7 und der Titel II VO 883/2004 dahingehend auszulegen, dass sie es einem Mitgliedstaat generell untersagen, die Familienleistungen für Entwicklungshelfer, der seine Familienangehörigen an den Einsatzort im Drittland mitnimmt, abzuschaffen?

Alternativ Frage 9:

Sind die Art 4 Abs 4, 45, 208 AEUV, Art 4 Abs 3 EUV und die Art 2, 3, 7 und der Titel II VO 883/2004 dahingehend auszulegen, dass sie einem Entwicklungshelfer, der bereits für vorangegangene Zeiträume einen Anspruch auf Familienleistungen erworben hat, in einer Situation wie im Ausgangsfall einen individuell-konkreten Fortbestand dieses Anspruchs für Zeiträume garantieren, obwohl der Mitgliedstaat die Gewährung der Familienleistungen für Entwicklungshelfer abgeschafft hat?

  1. Die Entscheidung über die zu den Zahlen RV/7100923/2020 (erstes und zweites Kind ab Oktober 2016) und RV/7105887/2019 (drittes Kind ab Dezember 2017) anhängigen Beschwerden ist bis zum Ergehen der Entscheidung des Gerichtshofs gemäß § 290 Abs 2 Bundesabgabenordnung ausgesetzt.

I Allgemein

Das Bundesfinanzgericht erfüllt die vom EuGH in ständiger Rechtsprechung entwickelten Kriterien als Gericht iSd Art 267 AEUV (zuletzt , Montte SL, Rn 22, 23) und ist als nicht in letzter Instanz berufenes Gericht zur Vorlage von Fragen über die Auslegung von Sekundärrecht berechtigt.

Das Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits wegen Gewährung der österreichischen Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages zwischen der Beschwerdeführerin (Bf) und dem Finanzamt 8/16/17 als zuständigem Träger wegen ihrer Zugehörigkeit zum österreichischen Pflichtversicherungssystem für die Zeit ihres Beschäftigungsverhältnisses mit einer österreichischen Entwicklungshilfeorganisation in der Zeit vom bis , weil sie ihre Beschäftigung fast ausschließlich in einem Drittstaat ausübte. Der Streitzeitraum umfasst die Monate Oktober 2016 bis September 2019, wovon der Streitzeitraum Januar bis September 2019 mit der generellen Abschaffung der Familienbeihilfe für Entwicklungshelfer von einer geänderten Rechtslage geprägt ist.

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Artikel 4, 45, 48, 208, 288 Abs 2 AEUV, Art 4 Abs 2 und 3 EUV, Art 7, 11 Abs 3 Buchstabe a) und e), 67, 68 der VO 883/2004 sowie der Artikel 11, 60 Abs 2 und 3 der VO 987/2009 sowie des Art 7 Abs 1 und 2 der VO 492/2011. Im Vordergrund steht die Union als Wertegemeinschaft.

Die belangte Behörde ist als Wohnsitzfinanzamt sachlich und örtlich zuständige Abgabenbehörde. Die im Beschwerdeschriftsatz (OZ 9 Seite 4) zitierten Durchführungsrichtlinien zum FLAG 1967 aus dem Jahr 2005 wurden durch jene des Bundesministeriums für Wirtschaft, Familien und Jugend vom , Zahl BMWFJ-510104/0001-II/1/2010, Stand September 2010 (in der Folge: DVR 2010) ersetzt und daher überholt. Nach der alten Version wäre die belangte Behörde nicht die örtlich zuständige Behörde. Der erwähnte § 71 BAO wurde mit BGBl I 9/2010 ab aufgehoben und die Zuständigkeit im Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz (AVOG) gänzlich neu geregelt. Nach der neuen Rechtslage ist die belangte Behörde tatsächlich als Wohnsitzfinanzamt sachlich und örtlich zuständig. Es liegt daher kein hypothetischer Fall vor. Die Rechtsbehelfe Bescheidbeschwerden und Vorlageanträge wurden form- und fristgerecht erhoben.

Da für September 2016 in Österreich eine Doppelbeantragung vorlag, wurde der angefochtene Bescheid vom , soweit er über diesen Monat absprach, mit Erkenntnis des Zahl RV/7104656/2016 (OZ 8), aufgehoben. Damit umfasst der Streitzeitraum die Kalendermonate Oktober 2016 bis September 2019.

II Rechtsgrundlagen:

II.1) Unionsrecht

II.1.1) Primärrecht

Art 4 Abs 2 und 3 EUV lauten:

"(2) Die Union achtet die Gleichheit der Mitgliedstaaten vor den Verträgen und ihre jeweilige nationale Identität, die in ihren grundlegenden politischen und verfassungsmäßigen Strukturen einschließlich der regionalen und lokalen Selbstverwaltung zum Ausdruck kommt. Sie achtet die grundlegenden Funktionen des Staates, insbesondere die Wahrung der territorialen Unversehrtheit, die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der nationalen Sicherheit. Insbesondere die nationale Sicherheit fällt weiterhin in die alleinige Verantwortung der einzelnen Mitgliedstaaten.

(3) Nach dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit achten und unterstützen sich die Union und die Mitgliedstaaten gegenseitig bei der Erfüllung der Aufgaben, die sich aus den Verträgen ergeben.

Die Mitgliedstaaten ergreifen alle geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zur Erfüllung der Verpflichtungen, die sich aus den Verträgen oder den Handlungen der Organe der Union ergeben.

Die Mitgliedstaaten unterstützen die Union bei der Erfüllung ihrer Aufgabe und unterlassen alle Maßnahmen, die die Verwirklichung der Ziele der Union gefährden könnten."

Artikel 4 Abs 1 und 4 AEUV lauten:

"(1) Die Union teilt ihre Zuständigkeit mit den Mitgliedstaaten, wenn ihr die Verträge außerhalb der in den Artikeln 3 und 6 genannten Bereiche eine Zuständigkeit übertragen.

(4) In den Bereichen Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe erstreckt sich die Zuständigkeit der Union darauf, Maßnahmen zu treffen und eine gemeinsame Politik zu verfolgen, ohne dass die Ausübung dieser Zuständigkeit die Mitgliedstaaten hindert, ihre Zuständigkeit auszuüben."

Art 45 AEUV regelt die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Europäischen Union und lautet auszugsweise:

"(1) Innerhalb der Union ist die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gewährleistet.

(2) Sie umfasst die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen.

…"

Artikel 48 Abs 1 AEUV lautet:

"Das Europäische Parlament und der Rat beschließen gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren die auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit für die Herstellung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen; zu diesem Zweck führen sie insbesondere ein System ein, das zu- und abwandernden Arbeitnehmern und Selbstständigen sowie deren anspruchsberechtigten Angehörigen Folgendes sichert:

a) die Zusammenrechnung aller nach den verschiedenen innerstaatlichen Rechtsvorschriften berücksichtigten Zeiten für den Erwerb und die Aufrechterhaltung des Leistungsanspruchs sowie für die Berechnung der Leistungen;

b) die Zahlung der Leistungen an Personen, die in den Hoheitsgebieten der Mitgliedstaaten wohnen."

Art 208 AEUV lautet:

"(1) Die Politik der Union auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit wird im Rahmen der Grundsätze und Ziele des auswärtigen Handelns der Union durchgeführt. Die Politik der Union und die Politik der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit ergänzen und verstärken sich gegenseitig.

Hauptziel der Unionspolitik in diesem Bereich ist die Bekämpfung und auf längere Sicht die Beseitigung der Armut. Bei der Durchführung politischer Maßnahmen, die sich auf die Entwicklungsländer auswirken können, trägt die Union den Zielen der Entwicklungszusammenarbeit Rechnung.

(2) Die Union und die Mitgliedstaaten kommen den im Rahmen der Vereinten Nationen und anderer zuständiger internationaler Organisationen gegebenen Zusagen nach und berücksichtigen die in diesem Rahmen gebilligten Zielsetzungen."

Art 288 Abs 2 AEUV lautet:

"Die Verordnung hat allgemeine Geltung. Sie ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat."

II.1.2) Sekundärrecht

II.1.2.1) Verordnung 883/2004

Art 1 ("Definitionen") Verordnung 883/2004 sieht vor:

"Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck:

z) "Familienleistungen" alle Sach- oder Geldleistungen zum Ausgleich von Familienlasten, mit Ausnahme von Unterhaltsvorschüssen und besonderen Geburts- und Adoptionsbeihilfen nach Anhang I."

Artikel 2 Verordnung 883/2004 regelt den Persönlichen Geltungsbereich und dessen Absatz 1 ordnet an:

"(1) Diese Verordnung gilt für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort in einem Mitgliedstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen."

Artikel 3 Verordnung 883/2004 regelt den Sachlichen Geltungsbereich und nennt in seinem Absatz 1 Buchstabe j) die "Familienleistungen".

Artikel 4 Verordnung 883/2004 regelt die Gleichbehandlung von Personen und lautet:

"Sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, haben Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates."

Artikel 7 Verordnung 883/2004 trägt die Überschrift "Aufhebung der Wohnortklauseln" und lautet:

"Sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, dürfen Geldleistungen, die nach den Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten oder nach dieser Verordnung zu zahlen sind, nicht aufgrund der Tatsache gekürzt, geändert, zum Ruhen gebracht, entzogen oder beschlagnahmt werden, dass der Berechtigte oder seine Familienangehörigen in einem anderen als dem Mitgliedstaat wohnt bzw. wohnen, in dem der zur Zahlung verpflichtete Träger seinen Sitz hat."

Artikel 11 der Verordnung 883/2004 enthält die "Allgemeine Regelung" und lautet:

"(1) Personen, für die diese Verordnung gilt, unterliegen den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften dies sind, bestimmt sich nach diesem Titel.

(3) Vorbehaltlich der Artikel 12 bis 16 gilt Folgendes:

a) eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats;

e) jede andere Person, die nicht unter die Buchstaben a bis d fällt, unterliegt unbeschadet anders lautender Bestimmungen dieser Verordnung, nach denen ihr Leistungen aufgrund der Rechtsvorschriften eines oder mehrerer anderer Mitgliedstaaten zustehen, den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats."

Die Art 12 bis 16 der Verordnung 883/2004 enthalten Sonderregelungen, die für Personen gelten, die innerhalb des Raumes EU/EWR/Schweiz entsandt sind (Art 12), die Tätigkeiten in zwei oder mehr Mitgliedstaaten ausüben (Art 13), die sich für eine freiwillige Versicherung oder eine freiwillige Weiterversicherung entschieden haben (Art 14), die Hilfskräfte der Europäischen Organe sind (Art 15), sowie Ausnahmen von den Art 11 bis 15 dieser Verordnung (Art 16).

Art 67 Verordnung 883/2004 normiert eine Fiktion für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, und lautet auszugsweise:

"Eine Person hat auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden. …"

Art 68 Verordnung 883/2004 sieht Prioritätsregeln bei Zusammentreffen von Ansprüchen vor und lautet:

"(1) Sind für denselben Zeitraum und für dieselben Familienangehörigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren, so gelten folgende Prioritätsregeln:

a) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus unterschiedlichen Gründen zu gewähren, so gilt folgende Rangfolge: an erster Stelle stehen die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelösten Ansprüche, darauf folgen die durch den Bezug einer Rente ausgelösten Ansprüche und schließlich die durch den Wohnort ausgelösten Ansprüche.

b) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus denselben Gründen zu gewähren, so richtet sich die Rangfolge nach den folgenden subsidiären Kriterien:

i) bei Ansprüchen, die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass dort eine solche Tätigkeit ausgeübt wird, und subsidiär gegebenenfalls die nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zu gewährende höchste Leistung. Im letztgenannten Fall werden die Kosten für die Leistungen nach in der Durchführungsverordnung festgelegten Kriterien aufgeteilt;

ii) bei Ansprüchen, die durch den Bezug einer Rente ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass nach diesen Rechtsvorschriften eine Rente geschuldet wird, und subsidiär gegebenenfalls die längste Dauer der nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zurückgelegten Versicherungs- oder Wohnzeiten;

iii) bei Ansprüchen, die durch den Wohnort ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder.

(2) Bei Zusammentreffen von Ansprüchen werden die Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften gewährt, die nach Absatz 1 Vorrang haben. Ansprüche auf Familienleistungen nach anderen widerstreitenden Rechtsvorschriften werden bis zur Höhe des nach den vorrangig geltenden Rechtsvorschriften vorgesehenen Betrags ausgesetzt; erforderlichenfalls ist ein Unterschiedsbetrag in Höhe des darüber hinausgehenden Betrags der Leistungen zu gewähren. Ein derartiger Unterschiedsbetrag muss jedoch nicht für Kinder gewährt werden, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, wenn der entsprechende Leistungsanspruch ausschließlich durch den Wohnort ausgelöst wird.

(3) Wird nach Artikel 67 beim zuständigen Träger eines Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften gelten, aber nach den Prioritätsregeln der Absätze 1 und 2 des vorliegenden Artikels nachrangig sind, ein Antrag auf Familienleistungen gestellt, so gilt Folgendes:

a) Dieser Träger leitet den Antrag unverzüglich an den zuständigen Träger des Mitgliedstaats weiter, dessen Rechtsvorschriften vorrangig gelten, teilt dies der betroffenen Person mit und zahlt unbeschadet der Bestimmungen der Durchführungsverordnung über die vorläufige Gewährung von Leistungen erforderlichenfalls den in Absatz 2 genannten Unterschiedsbetrag;

b) der zuständige Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften vorrangig gelten, bearbeitet den Antrag, als ob er direkt bei ihm gestellt worden wäre; der Tag der Einreichung des Antrags beim ersten Träger gilt als der Tag der Einreichung bei dem Träger, der vorrangig zuständig ist."

1.2.2) Verordnung 987/2009

Art 11 VO 987/2009 dient der Bestimmung des Wohnortes und lautet:

"(1) Besteht eine Meinungsverschiedenheit zwischen den Trägern von zwei oder mehreren Mitgliedstaaten über die Feststellung des Wohnortes einer Person, für die die Grundverordnung gilt, so ermitteln diese Träger im gegenseitigen Einvernehmen den Mittelpunkt der Interessen dieser Person und stützen sich dabei auf eine Gesamtbewertung aller vorliegenden Angaben zu den einschlägigen Fakten, wozu gegebenenfalls die Folgenden gehören können:

a) Dauer und Kontinuität des Aufenthalts im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats;

b) die Situation der Person, einschließlich

i) der Art und der spezifischen Merkmale jeglicher ausgeübten Tätigkeit, insbesondere des Ortes, an dem eine solche Tätigkeit in der Regel ausgeübt wird, der Dauerhaftigkeit der Tätigkeit und der Dauer jedes Arbeitsvertrags,

ii) ihrer familiären Verhältnisse und familiären Bindungen,

iii) der Ausübung einer nicht bezahlten Tätigkeit,

iv) im Falle von Studierenden ihrer Einkommensquelle,

v) ihrer Wohnsituation, insbesondere deren dauerhafter Charakter,

vi) des Mitgliedstaats, der als der steuerliche Wohnsitz der Person gilt.

(2) Können die betreffenden Träger nach Berücksichtigung der auf die maßgebenden Fakten gestützten verschiedenen Kriterien nach Absatz 1 keine Einigung erzielen, gilt der Wille der Person, wie er sich aus diesen Fakten und Umständen erkennen lässt, unter Einbeziehung insbesondere der Gründe, die die Person zu einem Wohnortwechsel veranlasst haben, bei der Bestimmung des tatsächlichen Wohnortes dieser Person als ausschlaggebend."

1.2.3) Verordnung 492/2011

Art 7 Abs 1 und 2 Verordnung 492/2011 lauten:

"(1) Ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, darf aufgrund seiner Staatsangehörigkeit im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten hinsichtlich der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, insbesondere im Hinblick auf Entlohnung, Kündigung und, falls er arbeitslos geworden ist, im Hinblick auf berufliche Wiedereingliederung oder Wiedereinstellung, nicht anders behandelt werden als die inländischen Arbeitnehmer.

(2) Er genießt dort die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen wie die inländischen Arbeitnehmer."

Erwägungsgrund 2 der Verordnung 492/2011 lautet:

"Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer muss innerhalb der Union gewährleistet sein. Dies schließt die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen ein sowie das Recht für diese Arbeitnehmer, sich vorbehaltlich der aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigten Beschränkungen innerhalb der Union zur Ausübung einer Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis frei zu bewegen."

2) Österreichisches Recht

2.1) Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG)

§ 4 Abs 1 ASV G lautet auszugsweise:

In der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung sind auf Grund dieses Bundesgesetzes versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet:

9) Fachkräfte der Entwicklungshilfe nach § 2 des Entwicklungshelfergesetzes, BGBl. Nr. 574/1983 ; …

2.2) Bundesabgabenordnung

§ 26 Abs 1 und 2 Bundesabgabenordnun g (kurz: BAO) lauten auszugsweise:

"(1) Einen Wohnsitz im Sinn der Abgabenvorschriften hat jemand dort, wo er eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, daß er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.

(2) Den gewöhnlichen Aufenthalt im Sinn der Abgabenvorschriften hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, daß er an diesem Ort oder in diesem Land nicht nur vorübergehend verweilt.

(3) In einem Dienstverhältnis zu einer Körperschaft des öffentlichen Rechtes stehende österreichische Staatsbürger, die ihren Dienstort im Ausland haben (Auslandsbeamte), werden wie Personen behandelt, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt am Ort der die Dienstbezüge anweisenden Stelle haben. Das gleiche gilt für deren Ehegatten, sofern die Eheleute in dauernder Haushaltsgemeinschaft leben, und für deren minderjährige Kinder, die zu ihrem Haushalt gehören."

2.3) Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG):

Gemäß § 2 Abs 1 FLAG haben Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder jene Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.

Gemäß § 2 Abs 3 FLAG zählen zu den Kindern die Nachkommen einer Person.

Gemäß § 2 Abs 8 FLAG haben Personen nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben. Eine Person hat den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat.

Gemäß § 5 Abs 3 FLAG besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten.

§ 8 FLAG regelt die Höhe der Familienbeihilfe und sieht in seinen Absätzen 1 bis 3 eine Staffel nach der Anzahl der Kinder und eine Altersstaffel vor. Die Familienbeihilfenbeträge werden aufgrund einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes in regelmäßigen Abständen angehoben.

§ 53 Abs 1 FLAG idF BGBl I 142/2000 lautet:

"(1) Staatsbürger von Vertragsparteien des Übereinkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) sind, soweit es sich aus dem genannten Übereinkommen ergibt, in diesem Bundesgesetz österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt. Hiebei ist der ständige Aufenthalt eines Kindes in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums nach Maßgabe der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen dem ständigen Aufenthalt eines Kindes in Österreich gleichzuhalten."

§ 53 Abs 4 und 5 FLAG wurden mit BGBl I 83/2018 neu geschaffen und sind ab anzuwenden. Die Absätze lauten:

"(4) Abs 1 zweiter Satz findet in Bezug auf § 8a Abs. 1 bis 3 keine Anwendung.

(5) § 26 Abs. 3 der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961, findet in Bezug auf Leistungen nach diesem Bundesgesetz bis Anwendung. Ab ist für Leistungen nach diesem Bundesgesetz § 26 Abs. 3 BAO nur für Personen mit Dienstort im Ausland, die im Auftrag einer Gebietskörperschaft tätig werden, sowie für deren Ehegatten und Kinder anwendbar."

2.4) Entwicklungshelfergesetz (EHG)

§ 13 Abs 1 EHG lautete in der bis geltenden Fassung BGBl I 187/2013:

"Fachkräfte und die mit ihnen im gemeinsamen Haushalt lebenden Familienmitglieder, sofern diese Personen österreichische Staatsbürger oder diesen durch das Recht der Europäischen Union gleich gestellte Personen sind, werden während der Dauer der Vorbereitung und des Einsatzes hinsichtlich des Anspruches auf Leistungen aus dem Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und auf den Kinderabsetzbetrag gemäß § 33 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988), BGBl. Nr. 400, in der jeweils geltenden Fassung so behandelt, als ob sie sich im Einsatzland nicht ständig aufhielten."

Mit Wirksamkeit ab wurde § 13 Abs 1 EHG idF BGBl I 187/2013 mit BGBl I 83/2018 gemeinsam mit der Einführung der Indexierung der Familienbeihilfe ersatzlos aufgehoben und der bisherige Absatz 2 wurde zum Wortlaut des § 13.

Bemerkt wird, dass unter die "Leistungen aus dem Ausgleichsfonds" auch das Kinderbetreuungsgeld fällt, das die Bf nicht beantragt hat.

3) Deutsches Recht:

§ 1 (1) Bundeskindergeldgesetz (BKGG) lautet:

"Kindergeld nach diesem Gesetz für seine Kinder erhält, wer nach § 1 Absatz 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist und auch nicht nach § 1 Absatz 3 des Einkommensteuergesetzes als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt wird und

2. als Entwicklungshelfer Unterhaltsleistungen im Sinne des § 4 Absatz 1 Nummer 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes erhält …"

§ 62 (1) dt EStG lautet auszugsweise:

"(1) Für Kinder im Sinne des § 63 hat Anspruch auf Kindergeld nach diesem Gesetz, wer

2. ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland

b) nach § 1 Absatz 3 als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wird."

§ 1 Abs 3 dtEStG lautet:

"Auf Antrag werden auch natürliche Personen als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, soweit sie inländische Einkünfte im Sinne des § 49 haben."

III Sachverhalt

Aufgrund des Ergebnisses des vom BFG ergänzend durchgeführten Ermittlungsverfahrens ist folgender Sachverhalt festzustellen:

Die Bf besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit; ihr Ehemann, mit dem sie seit 2008 verheiratet ist, ist brasilianischer Staatsangehöriger. Sie haben drei Kinder, die ebenfalls deutsche Staatsbürger sind. Bis einschließlich September 2016 bezog die Bf für die beiden erstgeborenen Kinder Kindergeld gemäß dem deutschen BKGG (OZ 5). Für das drittgeborene Kind wurde in Deutschland zu keinem Zeitpunkt Kindergeld bezogen.

Die Bf ist seit dem Jahr 2002 als Entwicklungshelferin tätig. Am begründete die Bf ein Beschäftigungsverhältnis als Entwicklungshelferin mit dem österreichischen Verein HORIZON 3000 als Arbeitgeber. Das Dienstverhältnis wurde befristet bis zum Einsatzende bzw bis nach der Reintegrationszeit abgeschlossen (Punkt 3a, 7 und 11 des Dienstvertrages, OZ 3). Laut Dienstvertrag, Punkt 5, ist ihr Dienstort Wien. Die Bf und ihre Angehörigen werden laut Punkt 10 des Dienstvertrages von der Wiener Gebietskrankenkasse sozialversicherungsrechtlich erfasst.

Nach Absolvierung eines Vorbereitungskurses vom bis trat die Bf am ihren Auslandseinsatz in Uganda an, wohin ihre Familienangehörigen sie wie gewöhnlich begleiteten. Von November 2016 bis war die Bf - abgesehen von einer Babypause im Zeitraum bis zum - nach dem Einsatzvertrag als Entwicklungshelferin in Uganda eingesetzt. Von bis erfolgte der Wiedereingliederungsmonat in Wien. Damit endete auch das Beschäftigungsverhältnis (OZ 19). Während der Zeit des Mutterschutzes hielt sich die Bf in Deutschland auf und bezog von der Wiener Gebietskrankenkasse Wochengeld. Obgleich die Bf für das dritte Kind ebenfalls die österreichische Familienbeihilfe begehrt, wurde das Kinderbetreuungsgeld, das ebenfalls als Familienleistung iSd VO 883/2004 anzusehen ist, in Österreich nicht beantragt und folglich nicht bezogen (OZ 21).

Die Bf und die Kinder besitzen Anmeldebescheinigung iSd § 51 Abs 1 Z 1 und § 52 Abs 1 Z 2 NAG (Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, OZ 23) für EWR-Bürger als Arbeitnehmerin in Österreich bzw als deren Verwandte in gerader Linie, die im Beschwerdeverfahren vorgelegt wurden. Sie haben sich damit in Österreich rechtmäßig aufgehalten, zumal die Anmeldebescheinigungen für Unionsbürger lediglich deklarativ sind.

Mit Bescheid vom hob die Familienkasse Bayern Süd den vorangegangenen Kindergeldbewilligungsbescheid mit Wirkung ab Oktober 2016 mit der Begründung auf, dass die Bf seit dem in Österreich arbeite, der Kindesvater in Deutschland nicht arbeite, weshalb Österreich vorrangig für die Zahlung von Familienleistungen zuständig sei. Dieser Bescheid erwuchs unangefochten in Rechtskraft (OZ 5). Somit wurde für September 2016 noch in Deutschland das Kindergeld bezogen.

Mit zwei Anträgen vom idF der Stellungnahme vom wurde für die Kinder K1 und Maria K2 ab Oktober 2016 (OZ 2) und mit Antrag vom darüber hinaus auch für K3 ab Dezember 2017 (OZ 27) die Gewährung der österreichischen Familienbeihilfe begehrt. Die Einschränkung der erstgenannten Anträge erfolgte, nachdem das Bundesfinanzgericht vorgehalten hatte, dass für den Monat September noch Deutschland geleistet hatte (OZ 21). Als haushaltsführender Elternteil hat der Ehemann die im FLAG vorgesehene Verzichtserklärung auf die Familienbeihilfe abgegeben und damit die Parteistellung der Bf begründet. In allen Fällen legte die Bf den Anträgen eine Ablichtung des österreichischen Entwicklungshelfergesetzes bei.

Die Wohnsituation der Bf in Deutschland stellt sich so dar, dass ihre Eltern grundbücherliches Miteigentum an einem Mehrfamilienhaus in München haben und in dem Mehrfamilienhaus eine 180 m2 große Wohnung zu Wohnzwecken nutzten. An der elterlichen Adresse sind die Bf sowie die Kinder jeweils seit Geburt gemeldet. Der Ehemann und Kindesvater war in Deutschland zu keinem Zeitpunkt gemeldet. In dieser Wohnung stehen der Bf zwei Zimmer zur Verfügung, die sie zuletzt in der Zeit vom März 2016 bis September 2016 sowie während der Dauer des Mutterschutzes bzw der Babypause für das dritte Kind mit den Kindern tatsächlich genutzt hat. Alle drei Kinder wurden in Deutschland geboren. Im Zeitraum 2013 bis März 2016 hielten sich die Bf und ihre Kinder abwechselnd in Deutschland und in Brasilien auf, wo der Ehemann Grundbesitz hat und als selbständiger Landwirt tätig war. Der Ehemann begleitet die Bf auf ihren Einsätzen und führt den Haushalt. Während der Tätigkeit als Entwicklungshelferin verbrachte die Bf alle Urlaube in Deutschland und alle Kinder wurden in Deutschland geboren. Die Bankkonten der Bf befinden sich in Deutschland. In Deutschland leben die Eltern der Bf, zu der sie und ihre Kinder eine sehr enge Beziehung haben (OZ 19, 20). Der Vater der Bf ist Zustellbevollmächtigter (OZ 6) für sie.

Ihre Aufenthalte mit den Kindern in Brasilien in den Jahren 2013 bis 2016 bezeichnet die Bf als Besuche. Sie bestätigt auf Befragen, dass sie, die Kinder und der Kindesvater keinen gemeinsamen Familienwohnsitz in Deutschland oder in Brasilien hätten. Der Familienwohnsitz, dort wo sie, der Kindesvater und die Kinder den gemeinsamen Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen hätten und wo sie immer gemeinsam tatsächlich anwesend seien, läge immer am jeweiligen Einsatzort. Aktuell befinde sich der gemeinsame Familienwohnsitz aller Familienangehörigen, also einschließlich des Kindesvaters, am Einsatzort Uganda (OZ 19). Das älteste Kind besucht in Uganda den Kindergarten einer englischsprachigen Schule (OZ 4). Die Kosten dafür trägt die Bf.

Der Wiener Wohnsitz der Bf wird vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt, unterliegt jedoch Beschränkungen dahingehend, dass die Bf und ihre Familie diesen nur während der Vorbereitungszeit und der Wiedereingliederungszeit nutzen können. Während der Dauer ihres Auslandseinsatzes wird die Wohnung an andere Entwicklungshelfer vergeben. Sollte die Bf vorzeitig von einem Einsatz zurückkehren, könnte der Fall eintreten, dass sie und ihre Familienangehörigen sowie die Familie des anderen Entwicklungshelfers die Wohnung gemeinsam benutzen müssten. Die Bf, die Kinder und der Ehemann waren in Österreich mit der Qualität Hauptwohnsitz gemeldet (OZ 19).

Der zuständige Träger in Deutschland wurde von der belangten Behörde ebenso wenig kontaktiert wie der österreichische Träger für die Sozialversicherung. Auch eine vorläufige Entscheidung über die Prioritätenreihenfolge ist nicht ergangen. Umgekehrt wurde der österreichische Träger vom deutschen Träger nicht über die Einstellung des Kindergeldes in Deutschland unterrichtet.

In allen Fällen wies die belangte Behörde die Anträge als unbegründet (OZ 7, 28) ab. Über die form- und fristgerecht erhobenen Bescheidbeschwerden (OZ 9 idF OZ 10, 11, 12; OZ 29) sprach die belangte Behörde mit verpflichtend vorgesehenen Beschwerdevorentscheidungen (OZ 15, 30) ab, gegen die wiederum form- und fristgerecht Vorlageanträge (OZ 16 mit Beilagen OZ 17, 18; OZ 31) eingebracht wurden. Die Bescheidzustellungen erfolgten ohne Zustellnachweis. Mit Vorlageberichten (OZ 1; OZ 25 idF OZ 26) wurden die Bescheidbeschwerden dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt, das im Zeitpunkt der tatsächlich erfolgten Vorlage Zuständigkeit erlangt hat. Die belangte Behörde hat die Vorlagebericht dafür genutzt, auf die Vorlageanträge zu replizieren.

Am fand am Bundesfinanzgericht ein Erörterungsgespräch zur Klärung der Sach- und Rechtslage statt, worüber eine Niederschrift (OZ 19) aufgenommen wurde.

Ein Antrag auf Zahlung des Unterschiedsbetrages nach Art 68 Abs 2 VO 883/2004 beim Träger in Deutschland wurde nicht gestellt und würde sich nach Ansicht des Vertreters nunmehr nicht auszahlen, weil die deutsche Verfahrensordnung nicht so großzügige Fristen für eine rückwirkende Antragstellung wie die österreichische kenne.

IV Streitgegenstand und Rechtstandpunkte der Parteien

Der Streit geht im Kern darüber, ob Österreich Beschäftigungsstaat iSd Art 11 Abs 3 Buchstabe a) VO 883/2004 ist und damit nach Art 67, 68 VO 883/2004 vorrangig verpflichtet ist sowie - nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts - alternativ darüber, ob § 13 Abs 1 EHG aF für die Bf einen Anspruch nach rein nationalem Recht, also losgelöst vom Unionsrecht, begründet, was die Frage aufwirft, ob § 13 Abs 1 EHG aF mittelbar diskriminierend ausgestaltet ist oder mittelbar diskriminierend ausgelegt wird.

Belangte Behörde:

Die wesentlichen Rechtausführungen finden sich in der Beschwerdevorentscheidung des ersten Verfahrens (OZ 15) sowie in den Vorlageberichten (OZ 1 und 25, 26). Die Bf als EU-Ausländerin sei zu Unrecht in der österreichischen Pflichtversicherung erfasst, weil ihre Tätigkeit als Entwicklungshelferin im Drittland erbracht wurde, weshalb die Bf nicht in den Anwendungsbereich der VO 883/2004 falle und ihr die österreichische Familienbeihilfe samt Kinderabsetzbetrag nicht zustünden. Da die Tätigkeit in einem Drittland ausgeübt werde, sei Österreich nicht Beschäftigungsstaat. Schließlich erfülle die in Wien gelegene Arbeitgeberunterkunft weder die Voraussetzungen eines Wohnortes nach Art 1 Buchstabe j VO 883/2004 noch die eines Aufenthaltes nach Art 1 Buchstabe k VO 883/2004. Österreich sei demnach nicht Wohnmitgliedstaat. (OZ 15, Seite 4 unter "der Vollständigkeit halber").

Ebenso schließe eine Beurteilung nach ausschließlich nationalrechtlichen Rechtsgrundlagen die Gewährung der Familienbeihilfe aus. Die vom Arbeitgeber in Wien zur Verfügung gestellte Unterkunft sei nicht als Wohnsitz iSd § 26 Abs 1 BAO anzusehen, aufgrund der Tätigkeit im Drittstaat sei auch kein Aufenthalt iSd § 26 Abs 2 BAO gegeben. Der aktuelle Familienwohnsitz, zu dem die stärksten persönlichen Beziehungen bestünden, befinde sich in Uganda.

§ 13 Abs 1 EHG aF sei dahin auszulegen, dass diese Norm lediglich einen zuvor nach den allgemeinen Grundsätzen der §§ 2 Abs 1, 2 Abs 8 und 5 Abs 3 FLAG (Wohnsitz oder Aufenthalt im Inland, Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet, Kinder, die den Kinderbegriff erfüllen und grundsätzlich zum Haushalt der anspruchsberechtigten Person gehören und die sich nicht ständig im Ausland aufhalten) erworbenen Familienbeihilfenanspruch perpetuiere, jedoch nicht originär begründe. Auch der Inländer müsste bereits vor Aufnahme der Beschäftigung als Entwicklungshelfer einen Anspruch auf Familienbeihilfe durch Erfüllung der grundsätzlichen Voraussetzungen erworben haben, daher werde ein EU-Ausländer gemäß § 53 Abs 1 FLAG nicht diskriminiert, sondern dem Inländer gleichgestellt, sodass der Grundsatz der Inländergleichstellung nicht verletzt werde (OZ 15, ab Seite 3, vorletzter Absatz).

Bereits anlässlich des Erörterungsgesprächs (OZ 19) gab die Richterin zu verstehen, dass ihrer Ansicht nach der Ausgangsfall sehr wohl vom Anwendungsbereich der VO 883/2004 erfasst werde, jedoch eine Subsumtion unter den neuen Auffangtatbestand des Art 11 Abs 3 Buchstabe e) fraglich sei (analog , Rs SF gegen Inspecteur van de Belastingdienst). Der Amtsvertreter zeigte sich damit einverstanden, sodass die belangte Behörde ihre Rechtsansicht insoweit revidiert hat.

Wie lange der vor Beginn der Tätigkeit als Entwicklungshelfer erworbene Anspruch bestanden haben muss, wird im Rechtsmittelbescheid nicht erläutert. § 13 Abs 1 EHG aF selbst liefert in diese Richtung keinerlei Anhaltspunkte. Auch die - für den Streitzeitraum anwendbaren - Durchführungsrichtlinien zum FLAG 1967 des Bundesministeriums für Wirtschaft, Familien und Jugend , Zahl BMWFJ-510104/0001-II/1/2010, Stand September 2010 (in der Folge: DVR 2010), enthalten keine Ausführungen, sodass der Rechtsunterworfene im Unklaren bleibt, welchen Sachverhalt er verwirklichen muss, um den Anspruch zu erlangen. Bemerkt wird, dass die DVR 2010 nach österreichischem Recht keine verbindliche Rechtsquelle darstellen, aber dem Rechtsunterworfenen die notwendigen Informationen an die Hand geben sollen. Der Wortlaut der DVR 2005, wird im Vorlageantrag (OZ 16, Seite 4) wiedergegeben. Die vom Vertreter zitierte Version aus dem Jahr 2005 gleicht in diesem Punkt jener aus dem Jahr 2010.

Die belangte Behörde stützt ihre Rechtsansicht auf:

  1. die Weisung des fachlich zuständigen und weisungsbefugten Beamten des Bundeskanzleramtes Österreich, Abteilung V/1 - Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen, Familienbeihilfe, Mehrkindzuschlag als damals zuständiger Behörde, Mail vom (OZ 13) und

  2. das unbekämpft gebliebene Erkenntnis des (OZ 14), mit dem einer niederländischen Entwicklungshelferin in einer vergleichbaren Situation ebenfalls die Familienbeihilfe versagt wurde.

Beschwerdeführerin:

Österreich sei aufgrund der Vorbereitungszeit und Wohnsitzmeldung im Inland zumindest fiktiver Beschäftigungsstaat iSd Art 11 Abs 3 Buchstabe a) VO 883/2004, wobei der Begriff des "fiktiven Beschäftigungsstaates" nach Feststellungen des BFG nicht der Rechtsprechung des EuGH entlehnt sein dürfte. § 13 Abs 1 EHG aF kommt ihrer Ansicht nach die Bedeutung zu, dass diese Regelung Österreich umso mehr als Beschäftigungsstaat bestimme, also die Subsumtion der Ausgangssituation unter Art 11 Abs 3 Buchstabe a) VO 883/2004 durch § 13 Abs 1 EHG aF erhärtet werde. Die Bf werde im Ausland - vergleichbar den Botschaftsangehörigen - als Vertreterin Österreichs wahrgenommen. Sie erhalte ihre Instruktionen aus Wien, das laut Vertrag ihr Dienstort sei. In Wien habe der Vorbereitungskurs stattgefunden und wurde der Wiedereingliederungsmonat verbracht. Die Bf sei in Wien gemeldet gewesen (OZ 16 Seite 6 dritter Absatz, OZ 22 Meldezettel). Auch nach Durchführung des Erörterungsgesprächs wird diese Rechtsansicht aufrechterhalten. Über die Wohnsitzmeldung in Österreich habe die Bf ihren Mittelpunkt der Lebensinteressen nach Österreich verlagert und erfülle daher sehr wohl die Voraussetzungen des § 13 Abs 1 EHG aF iVm § 26 BAO (OZ 16 Seite 8, dritter und 4. Absatz). Die Auslegung dieser Bestimmung durch die belangte Behörde widerspreche sowohl innerstaatlichen als auch europarechtlichen Auslegungsgrundsätzen (OZ 16, Seite 3 letzter Absatz), weil es eben gerade nicht auf einen Wohnsitz im Inland ankomme (OZ 16, Seite 4 letzter Absatz). Diese Interpretation ergebe sich auch aus der Gleichbehandlungsverpflichtung des Artikels 3 der VO 1408/71 (OZ 16 Seite 8 letzter Absatz). Unter Hinweis auf , Pinna I, Rn 23, wird ins Treffen geführt, dass der EuGH die Unterscheidung von Ansprüchen auf Familienleistungen nach dem Aufenthaltsort der Familienmitglieder ausdrücklich als "verschleierte Form der Diskriminierung" bezeichnet hat, die verboten sei: "Soweit es um die Gültigkeit des Artikels 73 Absatz 2 selbst geht, ist darauf hinzuweisen, daß der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht nur offenkundige Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit, sondern auch alle verschleierten Formen der Diskriminierung verbietet, die mit Hilfe der Anwendung anderer Unterscheidungsmerkmale tatsächlich zu demselben Ergebnis führen." (OZ 16 Seite 7).

Aus dem Erkenntnis des GZ 2012/16/0066, ergebe sich, dass "die auf Wohnortklauseln beruhenden Bestimmungen des § 2 Abs. 1 FLAG, welche den Familienbeihilfenbezug auf den Wohnort im Bundesgebiet abstellt, des § 2 Abs. 8 FLAG, welche auf den wesentlich durch den Wohnort bestimmten Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet abstellt, und des § 5 Abs. 3 FLAG, das einen vom Wohnort abhängigen Ausschluss der Familienbeihilfe bei ständigem Aufenthalt des Kindes im Ausland vorsieht, zufolge des Art. 7 der Verordnung Nr. 883/2004 und dessen Anwendungsvorrangs im Beschwerdefall insoweit keine Anwendung [finden]." (OZ 16 Seite 6)

Die Beschwerde weist ausdrücklich auf Absatz 4 der Stellungnahme des BMEIA hin, der lautet:

"Ein Österreicher oder eine durch EU-Recht gleichgestellte Person etwa, der bzw, die vor Beginn des Einsatzes als Entwicklungshelfer/in seinen Lebensmittelpunkt in Österreich hatte, behält daher - im Hinblick auf Ansprüche auf die genannten Leistungen - während seines Einsatzes seinen Lebensmittelpunkt in Österreich. Beendet er seinen Einsatz und kehrt er/sie nach Österreich zurück, begründet er seinen Lebensmittelpunkt nicht neu in Österreich, sondern führt diesen so lange in Österreich fort, als er nicht seinen Lebensmittelpunkt aus Österreich hinaus verlagert (etwa durch Annahme einer Beschäftigung oder Begründung eines Wohnsitzes in einem anderen Staat oder durch Begründung engerer persönlicher und/oder wirtschaftlicher Beziehungen zu einem anderen Staat)."

Die diskriminierende Auslegung von § 13 Abs 1 EHG ergebe sich weiters aus

  1. Dem an den Geschäftsführer von HORIZON3000 gerichteten Schriftsatz des Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres (BMEIA) vom , Zahl - teilweise unleserlich - BMEIA…02.01/0049-VII.4/2018, mit den darin erwähnten beiden Beilagen

  2. Stellungnahme des Bundesministeriums für Wirtschaft, Familie und Jugend vom , Zahl BMEIA-AT.702.01/0049-VII.4/2018, (wohl richtig: BMWFJ) (OZ 18) und

  3. Stellungnahme des BMEIA aus dem Jahr 2017 betreffend Familienleistungen für EntwicklungshelferInnen (OZ 11).

ad Schriftsatz des BMEIA vom , der lautet (OZ 17):

"Sehr geehrter Herr [Magister],

ich habe mit Bedauern zur Kenntnis genommen, dass es bei der Entsendung von Fachkräften aus Staaten der Europäischen Union nach wie vor zu Schwierigkeiten im Bereich der Familienleistungen kommt.

Eine Verbesserung der sozialrechtlichen Stellung von Entwicklungshelferinnen und Entwicklungshelfern lag der Novelle des Entwicklungshelfergesetzes 2013 zugrunde und war ein dezidiertes Anliegen der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit. Beigeschlossen finden Sie daher eine Stellungnahme des Bundesministeriums für Wirtschaft, Familie und Jugend, die uns im Rahmen der Novellierung übermittelt wurde, sowie unsere Stellungnahme aus dem Jahr 2017 betreffend Familienleistungen."

ad Beilage 1; Stellungnahme des BMWFJ vom , die lautet auszugsweise (OZ 18):

"Entwicklungshelfer-Gesetznovelle[Anm BFG: 2013], § 13; Stellungnahme des BMWFJ

Das Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend nimmt Bezug auf das do. [Anm BFG: dortige] Stellungnahmeersuchen vom , GZ BMeiA-AT.8.15.02/0207-VII.4/2011.

Zu den do. Fragen zur von ho. [Anm BFG: hierortiger] Seite vorgeschlagenen Ausdehnung des § 13 Abs. 1 des Entwicklungshelfergesetzes, welcher die Gewährung von Familienleistungen an durch österreichische Entwicklungshilfeorganisationen in Entwicklungsländern eingesetzte Österreicher/innen eröffnet, auf durch Europarecht gleichgestellte Personen wird nach nochmaliger Prüfung das Folgende festgehalten:

Ad 1) …

Ad 2) Es wird bemerkt, dass die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 der Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit für Personen, die sich innerhalb der Gemeinschaft bewegen, dient. Sie ist daher auf Sachverhalte außerhalb des EU/EWR-Raumes (der Schweiz) nicht anwendbar. Die von do. Seite zitierten Art. 7 (Aufhebung der Wohnortklauseln) und Art. 67 (Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen) der Verordnung sind folglich für Drittstaatssachverhalte ohne Belang.

Maßgeblich ist nur das sich aus dem EWR-Vertrag ergebende Diskriminierungsverbot bzw. Verbot einer Einschränkung der Freizügigkeit für EU/EWR-Bürger/Schweizer. Der Gesetzestext ist daher einerseits diesbezüglich diskriminierungsfrei zu gestalten, andererseits muss eine Ausweitung der österreichischen Familienleistungsansprüche über die Grundsätze der oben angesprochenen Koordinierungsverordnung (EG) Nr. 883/2004 für Personen, die sich innerhalb der Gemeinschaft bewegen, hinaus vermieden werden, um Folgewirkungen auf andere Personengruppen hintanzuhalten. So geht es hier um den - im Europarecht nicht vorgesehenen - Transfer von Familienleistungen in Drittstaaten im Sinne der seinerzeit bei Gesetzwerdung 1983 für österreichische Entwicklungshelfer geschaffenen Regelung, und deren Formulierungsanpassung an das Recht der Europäischen Union. Dadurch würdigt Österreich die wichtige und förderungswürdige Arbeit der Entwicklungshilfe, wie dies zu Folge den do. auf ho. Ersuchen durchgeführten Erhebungen in den meisten anderen EU/EWR-Staaten gar nicht vorgesehen ist.

Die interministeriellen Diskussionen zu der vorliegenden Bestimmung haben jedoch gezeigt, dass es im vorliegenden Zusammenhang zu einer Vielzahl von unterschiedlichen Sachverhalten kommen kann, und die von ho. Seite bisher formulierte Anspruchsvoraussetzung des ständigen Aufenthalts mit Wohnsitz und Mittelpunkt der Lebensinteressen der Entwicklungshelfer und ihrer haushaltszugehörigen Familienmitglieder vor dem Auslandseinsatz (Entwicklungshilfeeinsatz beziehungsweise Vorbereitung) in Österreich offenkundig -zu Auslegungsproblemen führen kann.

Von ho. Seite wird daher eine Neuformulierung vorgeschlagen, welche einen flexibleren Vollzug unter Berücksichtigung der jeweils relevanten innerstaatlichen und europarechtlichen Bestimmungen nach Maßgabe des jeweiligen Einzelfalls gewährleistet:

"§ 13, Fachkräfte und die mit Ihnen im gemeinsamen Haushalt lebenden Familienmitglieder, soferne diese Personen österreichische Staatsbürger oder diesen durch EU-Recht gleich gestellte-Personen sind, werden während der Dauer der Vorbereitung und des Einsatzes hinsichtlich des Anspruches auf Leistungen aus dem Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und auf den Kinderabsetzbetrag gem. § 33 Abs. 3 Einkommensteuergesetz 1988; BGBl. Nr. 400 (hierzu wäre das BMF zu befassen), in der jeweils geltenden Fassung-, so behandelt, als ob sie sich im Einsatzland nichtständig aufhielten."

Hierzu müsste es in den Erläuterungen, Allgemeiner Teil, Finanzielle Auswirkungen heißen:

"Auf Grund der derzeitigen Regelung in § 13 Entwicklungshelfergesetz erhielten Entwicklungshelferinnen schon bisher für Ihre Kinder Familienleistungen und Kinderabsetzbetrag. Dadurch wird dem durch Entwicklungshelferlnnen geleisteten Beitrag zum Wohle der Entwicklungsländer Rechnung getragen."

Im Besonderen Teil der Erläuterungen wiederum ist die Anmerkung zu § 13 ersatzlos zu streichen und, stattdessen auszuführen:

"Durch die Neuformulierung im § 13 -wird auf das geltende Europarecht auch im Gesetzestext ausdrücklich abgestellt."

Ad 3) § 13 Abs. 1 letzter Satz ermöglicht auch, dass im Falle: von EU/EWR-Bürgern/Schweizer/innen bei tatsächlicher Anwesenheit der Fachkraft mit ihrer Familie in Österreich während der Vorbereitung auf den Auslandseinsatz Familienleistungen aus dem Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und auf den Kinderabsetzbetrag gem. § 33 Abs. 3 EStG 1988 gewährt werden.

Um Rückmeldung zu dem nunmehrigen Formulierungsvorschlag bzw. dessen Aufnahme in den Begutachtungsentwurf wird ersucht."

ad Beilage 2; Stellungnahme des BMEIA aus dem Jahr 2017, die lautet (OZ 11):

"STELLUNGNAHME
DES BUNDESMINISTERIUMS FÜR EUROPA, INTEGRATION UND ÄUSSERES BETREFFEND
FAMILIENLEISTUNGEN FÜR ENTWICKLLUNGSHELFERINNEN

Der Einsatz von Entwicklungshelferinnen liegt im Interesse der Republik Österreich. In diesem Sinne hatte die Novellierung des Entwicklungshelfergesetzes (EGH, BGBl. Nr. 574/1983 idgF) im Jahr 2013 die Verbesserung der sozial- und arbeitsrechtlichen Situation von Entwicklungshelferinnen zum Ziel. Um auch in Zukunft ein breites Interesse an der Tätigkeit als Entwicklungshelfer durch qualifizierte und engagierte Personen zu gewährleisten, ist Rechtssicherheit insbesondere auch hinsichtlich des Anspruchs auf Familienleistungen für Entwicklungshelferinnen im Sinne der österreichischen Gesetze von großer Bedeutung. Das Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres nimmt daher zur diesbezüglichen Rechtslage wie folgt Stellung:

• Gemäß § 13 Abs. 1 Entwicklungshelfergesetz (EGH, BGBl. Nr. 574/1983 idgF) werden Fachkräfte der Entwicklungshilfe und die mit ihnen im gemeinsamen Haushalt lebenden Familienmitglieder, sofern diese österr. Staatsbürger oder diesen durch EU-Recht gleich gestellte Personen sind, während der Dauer der Vorbereitung und des Einsatzes hinsichtlich des Anspruchs auf Leistungen aus dem Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und auf den Kinderabsetzbetrag gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 so behandelt, als ob sie sich im Einsatzland nicht ständig aufhielten. Mit dieser Bestimmung wird fingiert, dass sich der Lebensmittelpunkt dieses Personenkreises im Zuge der Übersiedlung ins Ausland nicht ins Einsatzland verlagert und auch während des Einsatzes in Österreich weiterbesteht, was eine grundlegende Voraussetzung für die Zuerkennung der obengenannten Leistungen ist.

• Eine Stellungnahme des BMWFJ (BMWFJ-510101/0021-11/1/2011) hält dazu fest:

..."§ 13 Abs. 1 letzter Satz ermöglicht auch, dass im Falle von EU/EWR-Bürgern/Schweizer/innen bei tatsächlicher Anwesenheit der Fachkraft mit ihrer Familie in Österreich während der Vorbereitung auf den Auslandseinsatz Familienleistungen aus dem Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und auf den Kinderabsetzbetrag gem. § 33 Abs. 3 EStG 1988 gewährt werden."

• Ein Österreicher oder eine durch EU-Recht gleichgestellte Person etwa, der bzw, die vor Beginn des Einsatzes als Entwicklungshelfer/in seinen Lebensmittelpunkt in Österreich hatte, behält daher - im Hinblick auf Ansprüche auf die genannten Leistungen - während seines Einsatzes seinen Lebensmittelpunkt in Österreich. Beendet er seinen Einsatz und kehrt er/sie nach Österreich zurück, begründet er seinen Lebensmittelpunkt nicht neu in Österreich, sondern führt diesen so lange in Österreich fort, als er nicht seinen Lebensmittelpunkt aus Österreich hinaus verlagert (etwa durch Annahme einer Beschäftigung oder Begründung eines Wohnsitzes in einem anderen Staat oder durch Begründung engerer persönlicher und/oder wirtschaftlicher Beziehungen zu einem anderen Staat).

• §13 EHG gelangt nicht zur Anwendung, sobald der/die Entwicklungshelfer/in sich nicht mehr im Einsatzland aufhält. Die Anspruchsvoraussetzungen für genannte Familienleistungen einschl. der Frage des Lebensmittelpunktes wären vielmehr anhand der einschlägigen Bestimmungen, insbes. des Familienlastenausgleichsgesetzes und des Kinderbetreuungsgeldgesetzes zu prüfen.

• (Ehemalige) Entwicklungshelferinnen sind hinsichtlich der Frage des Lebensmittelpunktes im Hinblick auf die in § 13 EHG genannten Leistungen dabei gleich zu behandeln wie jene Personen, die ihren tatsächlichen Aufenthalt bereits vor der Geburt des Kindes in Österreich hatten. § 13 EHG kann keinesfalls zum Nachteil von Entwicklungshelferinnen ausgelegt werden, die bereits nach den oben genannten einschlägigen Bestimmungen die Anspruchsvoraussetzungen für Familienleistungen erfüllen. Dies wäre auch nicht im Sinne des Gesetzgebers.

• Besuchs- und Urlaubsreisen eines/r anspruchsberechtigten rückkehrenden Entwicklungshelfers/in wären genauso zu beurteilen, wie Besuchs- und Urlaubsreisen von anspruchsberechtigten Personen, die ihren tatsächlichen Aufenthalt bereits vor der Geburt des Kindes in Österreich hatten. Durch (auch mehrwöchige) Besuchs- und Urlaubsaufenthalte wird der Lebensmittelpunkt grundsätzlich nicht verlagert."

Die aus der Sicht des Unionsrechts vertretene Rechtsanschauung, Deutschland sei Wohnmitgliedstaat, wurde auf Ersuchen des BFG mit der Stellungnahme vom (OZ 21) durch Fakten belegt, die in obiger Sachverhaltsdarstellung berücksichtigt wurden.

V Rechtliche Beurteilung durch BFG:

Allgemeine Ausführungen zur österreichischen Rechtslage:

1 Die Ausübung einer Beschäftigung oder der Bezug einer Rente ist in der Regel ein nicht zu erfüllendes Tatbestandsmerkmal für die österreichische Familienbeihilfe. Im Familienbeihilfenrecht ist Österreich kraft originären Rechts demnach grundsätzlich ein typischer Wohnortstaat iSd Unionsrecht. Nur iVm dem Unionsrecht kann Österreich den Status eines Beschäftigungsstaates erlangen (Gebhart in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 53 Rz 311f).

2 Zu ergänzen ist weiters, dass nach § 4 Abs 1 Ziffer 1 ASVG für die Erfassung eines Arbeitnehmers im System der gesetzlichen Pflichtversicherung zur Sozialversicherung das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses ausreicht; die Erfüllung eines Wohnsitzerfordernisses durch den Arbeitnehmer in Österreich ist für Zwecke des Sozialversicherungsrechts kein Anknüpfungsmerkmal. Gleiches gilt für den Fall eines Entwicklungshelfers nach § 4 Abs 1 Ziffer 9 ASVG. Dass die Bf vom zuständigen österreichischen Träger (Wiener Gebietskrankenkasse, WGKK) pflichtversichert wurde, beruht daher nicht auf der Annahme, Österreich sei Beschäftigungsstaat iSd Unionsrechts. Zur Entrichtung des Sozialversicherungsbeitrags eines Arbeitnehmers ist der Arbeitgeber im Wege der Lohnauszahlung durch Einbehaltung und Abfuhr verpflichtet. Die Einkünfte als Entwicklungshelfer sind - wie auch in Deutschland - von der Einkommensteuer befreit. Die Entwicklungshelferorganisation ist gemäß § 41 Abs 4 lit c FLAG gehören Bezüge von Entwicklungshelfern nicht zu Bemessungsgrundlage für den Dienstgeberbeitrag.

3 Das BFG teilt die Ansicht der belangten Behörde, dass die Bf in Österreich nicht über einen Wohnsitz verfügt oder im Inland ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Vielmehr wäre die Unterbringung in der ausreichend großen Wohnung der Eltern als Wohnsitz iSd § 8 AO, der einen identen Wortlaut wie § 26 Abs 1 BAO hat, anzusehen, sodass der steuerliche Wohnsitz der Bf in Deutschland anzunehmen wäre. Bemerkt wird, dass Deutschland ebenfalls die Einkünfte als Entwicklungshelfer von der Einkommensteuer befreit hat.

4 Für die Frage, ob Österreich durch das Unionsrecht den Status als Beschäftigungsstaat iSd Titels II der VO 883/2004 erlangt, ist § 13 Abs 1 EHG aF nach Ansicht des anfragenden Gerichts ohne Belang. Weder aus der Grundfreiheit selbst noch aus der VO 883/2004 ist ableitbar, dass ein bestimmter Beruf von der Freizügigkeit oder der VO 883/2004 ausgeschlossen wäre oder es erst spezieller nationaler Anordnung bedürfte, um in den Anwendungsbereich der Wanderarbeitnehmerverordnung zu fallen. Die zur Novelle 2013 des § 13 EHG vorgeschlagene "Ausdehnung … auf durch Europarecht gleichgestellte Personen" erscheint dem anfragenden Gericht bedenklich, denn das Primärrecht und die hier einschlägigen Verordnungen 883/2004, 492/2011 "gelten unmittelbar in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten", sodass es keiner mitgliedstaatlichen Regelung bedarf, um die angesprochene Ausdehnung zu erreichen. Verordnungen sind überdies auch unmittelbar anwendbares Unionsrecht (vgl Leidenmühler, aaO, 31 unter Hinweis auf , Rs van Gend & Loos, Rn 8, 9; ders, aaO, 34 unter Hinweis auf , Rs Simmenthal II, Rn 17, 18).

5 Auf Bedenken stoßen ferner die Ausführungen des BMWFJ vom , wonach "die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 der Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit für Personen, die sich innerhalb der Gemeinschaft bewegen, dien[e] und sie daher auf Sachverhalte außerhalb des EU/EWR-Raumes (der Schweiz) nicht anwendbar [sei]". Damit hat das fachlich zuständige Bundesministerium die Unionsrechtslage verkannt, wie sich aus der Rechtsprechung des EuGH zu Beschäftigungen, die in einem Drittland ausgeübt werden, ergibt (von , Rs R.L. Aldewereld bis , Rs Bozzone). Die Bf hat in Österreich Sozialversicherungsbeiträge entrichtet. Ohne den mit der VO 883/2004 neu geschaffenen Auffangtatbestand des Art 11 Abs 3 Buchstabe e) wäre Österreich im Lichte dieser EuGH-Rechtsprechung klar und ohne jeden Zweifel als Beschäftigungsstaat anzusehen. Ebenso verkennt das BMWFJ die Unionsrechtslage mit seinen Ausführungen, dass sich der Wohnort der Familienangehörigen in einem Mitgliedstaat der Union befinden müsse (, Balandin, Lukachenko und Holiday on Ice, Rn 38ff, sowie , Rs EU gegen Caisse pour l'avenir des enfants, Rn 49, jeweils mwN). Die Aussage, dass "es hier um den - im Europarecht nicht vorgesehenen - Transfer von Familienleistungen in Drittstaaten [gehe]", steht nach Ansicht des BFG nicht im Einklang mit dem Unionsrecht und der Rechtsprechung des EuGH.

6 § 13 Abs 1 EHG aF ist nicht geeignet, den Status Österreichs als Beschäftigungsstaat kraft Unionsrecht in einer Art Größenschluss zu erhärten. Auch kommt leg.cit. nicht die Wirkung einer alternativen Rechtsgrundlage zu, kraft derer Österreich den Status als unionsrechtlichen Beschäftigungsstaat erlangen könnte. Vielmehr ist in § 13 Abs 1 EHG aF eine alternative nationale Rechtsgrundlage wie in der Rs Hudzinski und Wawrzyniak zu erblicken. Was in der genannten Rechtssache die im dtEStG normierte Opting-in-Erklärung ist, mit der der Anspruch auf Kindergeld verknüpft ist, ist im konkreten Fall § 13 Abs 1 EHG aF. Österreich wird ausnahmsweise Beschäftigungsstaat kraft originären Rechts, wenn auch nur zeitlich beschränkt auf die Dauer der Ausübung der Entwicklungshelfertätigkeit und sachlich beschränkt auf die in § 13 Abs 1 EHG aF genannten Familienleistungen. Kommt der EuGH zu dem Ergebnis, dass die Entwicklungshelfertätigkeit unter die auffangnorm des Art 11 Abs 3 Buchstabe e) VO 883/2004 fällt, so sind aufgrund dieser Alternativnorm für Sozialversicherung und Familienleistungen verschiedene Mitgliedstaaten zuständig. Das ist Folge der dem Unionsrecht übertragenen Koordinierung der Sozialversicherungssysteme, weil gerade die bloße Koordinierung es zulässt, dass einzelne Mitgliedstaaten in ihren Rechtsvorschriften Sonderregelungen vorsehen können.

7 Zutreffend gehen Bf und belangte Behörde davon aus, dass auch eine alternative Rechtsgrundlage unionsrechtskonform sein muss und folglich nicht diskriminieren darf. Die belangte Behörde stützt ihre Auslegung der Nichtdiskriminierung auf § 53 Abs 1 FLAG, die Bf hingegen unmittelbar aufs Unionsrecht.

8 Deutschland ist wie Österreich kraft originären Rechts ein typischer Wohnortstaat iSd Unionsrecht, kennt aber für das Kindergeld ebenfalls eine alternative Antragsvoraussetzung für Entwicklungshelfer.

Zu den Fragen im Einzelnen:

Ad Frage 1:Abgrenzung von Art 11 Abs 3 Buchstabe a) und e) VO 883/2004.

9 Das Bundesfinanzgericht teilt die Rechtsansicht, dass die Situation des Ausgangsfalles nicht unter die VO 883/2004 falle, nicht. Die Bf als Staatsbürgerin des Mitgliedstaates Deutschlands wie auch ihre Kinder als Familienangehörige fallen ausdrücklich unter Art 2 der Verordnung 883/2004, womit der persönliche Anwendungsbereich erfüllt wird (vgl , Rs R.L. Aldewereld Rn 10). Die gegenständlich beantragte Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag unterfallen dem Begriff der Familienleistungen iSd Art 3 VO 883/2004, sodass auch der sachliche Anwendungsbereich erfüllt wird. Die Bf ist als deutsche Staatsbürgerin ein Beschäftigungsverhältnis mit einem österreichischen Arbeitgeber eingegangen und unterfällt mit diesem nach den inländischen Rechtsvorschriften dem österreichischen Pflichtversicherungssystem. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ist dieser Sachverhalt ausreichend, um eine hinreichend enge Anknüpfung an das Gebiet der Union anzunehmen (, Rs Prodest Rn 6; nochmals EuGH Rs R.L. Aldewereld Rn 14). Somit wird auch der räumliche Anwendungsbereich erfüllt, sodass der Fall nach Titel II der VO 883/2004 zu prüfen ist (Gebhart in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 53 Rz 113ff, 147ff).

10 Hinzu kommt, dass die Bf als Entwicklungshelferin eine Tätigkeit ausübt, die auch im Interesse der Europäischen Union liegt, wie Artikel 21 Abs 2 EUV, 208ff AEUV und für Afrika das Cotonou-Abkommen zeigen. Seit dem Vertrag von Lissabon besitzt die Union als solche Supranationalität, sohin auch im Bereich der Entwicklungshilfe. Die Union ist nicht nur eine Wirtschaftsgemeinschaft, sondern eine Wertegemeinschaft. Die Bindung der Bf an die Union ist daher hinreichend eng, sodass die Bf in den Anwendungsbereich VO 883/2004 fällt, womit ihr der Sozialversicherungsschutz verbliebt. Dass die Ausübung der persönlichen Freiheit grundsätzlich nicht zu einem Rechtsverlust führen darf, zeigen ua die , Rs D'Hoop, und , Rs Slanina.

11 Mit der Ausübung einer Beschäftigung im Drittstaat im Anwendungsbereich der neuen Koordinierung wurde der EuGH einzig in der Sache eines lettischen Seemannes befasst (, Rs SF gegen Inspecteur van de Belastingdienst), der den Artikel 11 Abs 3 Buchstabe e) VO 883/2004 ausdrücklich als Auffangtatbestand auch für Fälle mit Bezug zu einem Drittland bezeichnet hat. In dieser Sache wurde die Beschäftigung jedoch ausschließlich im Drittland ausgeübt. Davon unterscheidet sich der gegenständliche Fall durch die in Österreich vor der Entsendung ins Drittland zu absolvierende Zeit für Vorbereitung und die nach Rückkehr zu verbringende Zeit für Reintegration.

12 In der Rs Aldewereld hat der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen Ausführungen dahingehend getätigt, dass es sachverhaltsbezogen darauf ankam, dass Herr Aldewereld von seinem Arbeitgeber sogleich bzw unmittelbar in den Drittstaat entsendet worden war (Schlussanträge Rn 1 und 12). Auch dem EuGH scheint diese Feststellung für die Urteilsfindung bedeutsam gewesen zu sein (argumento "entstandte ihn gleich nach seiner Einstellung nach Thailand", (Urteil Rn 3). Dem gegenständlichen Fall fehlt diese Unmittelbarkeit der Entsendung bzw Ausschließlichkeit der Ausübung der Tätigkeit im Drittstaat.

13 Üblicherweise ist der Wohnort einer Unionsbürgerin im Hoheitsgebiet durch die körperliche Anwesenheit der Familienangehörigen stärker ausgeprägt als in der Ausgangssituation. Eine Ausnahme vom Grundsatz der Auffangfunktion des Art 11 Abs 3 Buchstabe e) VO 883/2004 erscheint daher nicht unvertretbar. Es sind in diesem Beruf auch Konstellationen denkbar, dass tatsächlich kein Wohnort im Unionsgebiet besteht. Andererseits sind Konstellationen denkbar, dass nur ein Elternteil Fraglich könnte daher auch sein, ob das Unionsrecht für alle Entwicklungshelfer eine gleichmäßige Rechtsanwendung sicherstellen möchte oder Einzelfalllösungen vorzuziehen sind. Fest steht: Bei einem Entwicklungshelfer liefert des Beschäftigungsverhältnis über den Sitzstaat des Arbeitgebers immer ein Anknüpfungsmerkmal an die Union.

Ad Frage 2:Umsetzungsverbot von Verordnungen iSd Art 288 Abs 2 AEUV

14 Zunächst ist zu sagen, dass § 53 Abs 1 FLAG mit BGBl I ohne Erläuternde Bemerkungen in der Regierungsvorlage ab in Kraft ist (OZ 33, Seite 99) eingeführt wurde. Da leg.cit. weder einen innerstaatlichen Normzweck verfolgt noch bei Drittlandsachverhalten Anwendung finden könnte, erscheint nach Ansicht des anfragenden Gerichts eine Lösung im Wege des Anwendungsvorranges von Unionsrecht nicht dogmatisch, weil ein Normenkonflikt im eigentlichen Sinn nicht besteht. Wie der Wortlaut des § 53 Abs 1 FLAG zeigt, handelt es sich bei dieser Bestimmung lediglich im formalen Sinn um eine österreichische Norm, weil leg.cit. als einfaches Bundesgesetz vom österreichischen Bundesgesetzgeber erzeugt wurde. Materiell hingegen regelt § 53 Abs 1 FLAG Unionsrecht, indem er - teils wörtlich, teils sinngemäß - den Inhalt von Verordnungen wiedergibt. § 53 FLAG verleitet Rechtsunterworfene und Rechtsanwender gleichermaßen, das unionrechtliche Gebot der Inländergleichstellung nach nationalen, und nicht nach unionsrechtlichen Kriterien auszulegen, wie die oben angeführten Rechtsansichten anderer Behörden und das Erkenntnis des , zeigen.

15 In der Literatur wird § 53 Abs 1 FLAG im Hinblick auf , Rs Variola, kritisch gesehen (Gebhart in Lenneis/Wanke, aaO, § 53, Rz ). Zur unmittelbaren Geltung von Verordnungen hat der EuGH in den Randnummern 10 und 11 des genannten Urteils Folgendes ausgeführt:

"Die unmittelbare Geltung setzt voraus, daß die Verordnung in Kraft tritt und zugunsten oder zu Lasten der Rechtssubjekte Anwendung findet, ohne daß es irgendwelcher Maßnahmen zur Umwandlung in nationales Recht bedarf. Die Mitgliedstaaten dürfen aufgrund der ihnen aus dem Vertrag obliegenden Verpflichtungen, die sie mit dessen Ratifizierung eingegangen sind, nicht die unmittelbare Geltung vereiteln, die Verordnungen und sonstige Vorschriften des Gemeinschaftsrechts äußern. Die gewissenhafte Beachtung dieser Pflicht ist eine unerläßliche Voraussetzung für die gleichzeitige und einheitliche Anwendung der Gemeinschaftsverordnungen in der gesamten Gemeinschaft.

Insbesondere dürfen die Mitgliedstaaten keine Maßnahmen ergreifen, die geeignet sind, die Zuständigkeit des Gerichtshofes zur Entscheidung über Fragen der Auslegung des Gemeinschaftsrechts oder der Gültigkeit der von den Organen der Gemeinschaft vorgenommenen Handlungen zu beschneiden. Infolgedessen sind Praktiken unzulässig, durch die die Normadressaten über den Gemeinschaftscharakter einer Rechtsnorm im unklaren gelassen werden. Die Zuständigkeit des Gerichtshofes, namentlich aufgrund von [Artikel 234 AEUV, Ex- Artikel 177 EWGV], bleibt ungeschmälert, unbeschadet aller Versuche, Normen des Gemeinschaftsrechts durch nationales Gesetz in innerstaatliches Recht zu transformieren."

16 Anders als in der Rs Variola verfolgt § 53 Abs 1 FLAG nicht das Ziel, den Zeitpunkt der Anwendung der Wanderarbeitnehmerverordnung zu verschieben. Nach Ansicht des anfragenden Gerichts ändert das jedoch nichts daran, dass § 53 Abs 1 FLAG dem Rechtsunterworfenen den Blick auf unmittelbar geltendes Unionsrecht verschleiert und damit das Auslegungsmonopol des EuGH im konkreten Fall sogar tatsächlich gefährdet hat.

ad Frage 3: mittelbare Diskriminierung von EU-Ausländern durch § 13 Abs 1 EHG aF

17 Für den konkreten Fall erscheint die aufgeworfene Rechtsfrage nur dann entscheidungserheblich, wenn die Situation des Ausgangsverfahrens unter Art 11 Abs 3 Buchstabe e) VO 883/2004 fällt (vgl da Silva Martins, Rn 75, EuGH-Urteil Hudzinski und Wawrzyniak, Rn 56). Sollte nach Ansicht des EuGH Österreich als Beschäftigungsstaat anzusehen sein, so wäre § 13 Abs 1 EHG aF, der von der belangten Behörde als Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit ausgelegt wird, nach Ansicht des BFG aus diesem Grund unionsrechtswidrig (s oben Punkt V sowie Rn 31 dieses Beschlusses).

18 Wie bereits oben ausgeführt, ist § 13 Abs 1 EHG alte Fassung als alternative mitgliedstaatliche Rechtsgrundlage zu betrachten. In den Rechtssachen Silva Martins, Rn 75, und Hudzinski und Wawrzyniak, Rn 56, hat der EuGH zu Recht erkannt, dass der Umstand, dass das Unionsrecht ausschließlich Deutschland als Wohnortstaat zu Familienleistungen verpflichtete, den Antrag, der sich auf eine alternative Bestimmung stützte, nach stRSp des EuGH unberührt ließe. "Die unionsrechtlichen Vorschriften zur Koordinierung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften über die soziale Sicherheit sind […]insbesondere in Anbetracht der mit ihnen verfolgten Ziele - vorbehaltlich ausdrücklich vorgesehener, diesen Zielen entsprechender Ausnahmen - so anzuwenden, dass sie dem Wanderarbeitnehmer oder den ihm gegenüber Berechtigten nicht Leistungen aberkennen, die allein nach dem Recht eines Mitgliedstaats gewährt werden".

19 Dem EuGH kam es zu einer alternativen Rechtsgrundlage darauf an, dass sich die Anknüpfung gemäß § 62 Abs 1 iVm § 1 Abs 3 dtEStG auf ein eindeutiges Kriterium gründete und, auch in Anbetracht des Umstands, dass die beanspruchte Familienleistung aus Steuereinnahmen finanziert wird, als hinreichend eng angesehen werden könne. Nach Ansicht des BFG erfüllt § 13 Abs 1 EHG aF diese Erfordernisse: Leg.cit. ist ein eindeutiges Anknüpfungsmerkmal iSd EuGH-Judikatur und auch die oben dargestellte Beitragsleistung nach dem Sozialversicherungsrecht und die Unionsbürgerschaft der Bf verschafft eine hinreichend enge Bindung. Dass die Tätigkeit der Entwicklungshilfe von der Einkommensteuer befreit ist, darf nach Ansicht des anfragenden Gerichts der Bf nicht zum Nachteil gereichen.

20 Einigkeit zwischen den Parteien besteht dahingehend, dass § 13 Abs 1 EHG aF unionsrechtskonform sein muss, also dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung zu entsprechen hat. Wie oben zur Darstellung der Parteienstandpunkt ausgeführt wurde, stützt die belangte Behörde ihre Auslegung des Gebots der Inländergleichstellung auf § 53 Abs 1 FLAG, die Bf führt die Rechtssache Pinna I ins Treffen.

21 Nach Ansicht des BFG ist die Bf im Recht: "In Art 45 Abs 2 und 3 AEUV ist ein primärrechtliches Diskriminierungsverbot vorgesehen. Damit sind direkte und indirekte Diskriminierungen nach der Staatsangehörigkeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausdrücklich verboten" Unterschieden werden unmittelbare (direkte, formelle, offene) Diskriminierungen und mittelbare (indirekte, materielle, faktische, verstecke) Diskriminierungen. Eine direkte Diskriminierung liegt vor, wenn eine nationale Norm wie das FLAG ausdrücklich (der Wortlaut einer Norm an sich) an das Vorliegen der österreichischen Staatsbürgerschaft anknüpft. Der Tatbestand der Grundfreiheiten verbietet jegliche Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit. Eine indirekte Diskriminierung liegt vor, wenn die nationale Norm zwar nicht an die Staatsangehörigkeit anknüpft, sondern an ein scheinbar neutrales Kriterium, das aber von Inländern leichter als von Bürgern anderer Mitgliedstaaten zu erfüllen ist, sodass im Ergebnis Inländer de facto bevorzugt werden, wie zB Wohnsitz im Inland, inländisches Maturazeugnis. " (Gebhart, aaO, Rz 28, 29; Leidenmühler, Die Rechtsordnung der Europäischen Union, Studienbuch 2013, 195, 160). "Den Wohnsitz im Inland als Tatbestandsmerkmal verlangen § 2 Abs 1, § 6 Abs 1, den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Inland verlangt § 2 Abs 8. Das Verlangen nach Erfüllung dieser Tatbestandsmerkmale durch einen Mitgliedstaat ist im Anwendungsbereich der Verträge verboten. All die angesprochenen Normen des FLAG verstoßen im Anwendungsfall mittelbar gegen das Diskriminierungsverbot aus Gründen der Staatsangehörigkeit" (Gebhart, aaO, Rz 30).

22 Für einen Inländer ist es leichter, schon vor Beginn seiner Tätigkeit als Entwicklungshelfer im Inland den Mittelpunkt der Lebensinteressen gehabt zu haben. Auch das Interesse der Union an der Entwicklungspolitik spricht dafür, dass § 13 Abs 1 EHG aF einer Entwicklungshelferin aus einem anderen Mitgliedstaat offensteht. Es ist daran zu erinnern, dass die Union nicht nur eine Wirtschafts-, sondern auch eine Wertegemeinschaft ist. Eine andere Beurteilung könnte geeignet sein, negative Auswirkungen auf die Freizügigkeit der Arbeitnehmer im Unionsgebiet zu haben und könnte die Nachfrage von Entwicklungshilfeorganisationen nach Entwicklungshelfern negativ beeinflussen. Die Beschwerde ist nach Ansicht des anfragenden Gerichts weiters mit ihren Ausführungen, dass Rechtfertigungsgründe für die verschleierte Diskriminierung nicht ins Treffen geführt wurde, im Recht. § 13 Abs 1 EHG aF wird nach Ansicht des BFG in mittelbar diskriminierender Weise ausgelegt. Der Wortlaut dieser Bestimmung an sich weist in Bezug auf Tatsachenerfordernisse nicht in die Vergangenheit.

Ad Frage 4: Prozedurale Pflichten des nicht zuständigen Mitgliedstaates

23 Das Unionsrecht legt die angesprochenen Verpflichtung dem zuständigen Träger des Mitgliedstaates, dessen Rechtsvorschriften nachrangig anzuwenden sind, auf. Nachrangig zuständig ist Österreich nach Auffassung des BFG in keinem Fall. Österreich ist nach Unionsrecht entweder Beschäftigungsstaat oder nicht zuständiger Mitgliedstaat mit einem alternativen Tatbestand. Es besteht in den VO 883/2004 bzw 987/2009 nach den Feststellungen des BFG keine Norm, die ausdrücklich die Erfüllung der mit dieser Frage angesprochenen Verpflichtungen auch dem unzuständigen Mitgliedstaat auferlegte. Fraglich ist weiters, ob und wenn ja, in welchem Umfang, Versäumnisse des Trägers im Fall eines Rechtsmittelverfahrens auf das angerufene Gericht übergehen. Soweit festgestellt werden konnte, fehlt bislang eine Rechtsprechung des EuGH zu diesen Rechtsfragen.

24 Nach Rechtsauffassung des BFG verfolgen die Artikel 68 Abs 3 VO 883/2004 und 60 Abs 2 und 3 VO 987/2009 das Ziel, dem Wanderarbeitnehmer Ansprüche in zeitlicher und persönlicher Hinsicht zu sichern. Im konkreten Fall interessiert der Zeitpunkt der Antragstellung, der den Anspruch zeitlich begrenzt. Rückwirkungszeiträume und Verjährungsnormen sind Teil jeder Rechtsordnung. Fraglich erscheint insbesondere, ob dem Rechtsunterworfenen auch die mit Fiktion abgesicherte Rechtzeitigkeit der Antragstellung im vorrangig zuständigen Mitgliedstaat erhalten bleibt. Wie das BFG sachverhaltsbezogen festgestellt hat, wurde beim deutschen Träger kein Antrag - auch nicht ein solcher auf Differenzzahlung nach Art 68 Abs 2 VO 883/2004 - gestellt. Die Rechtsansicht des BFG geht in die Richtung, dass die Lücke planwidrig sein und daher auch durch Analogie geschlossen werden könnte bzw durch Rechtsfortbildung durch den EuGH zu lösen ist. Eine Auslegung zulasten des Antragstellers erscheint im Lichte der Judikatur des EuGH nicht gedeckt, sodass dem Antragsteller die Fristwahrung erhalten blieben sollte. Die Verpflichtung zur Beachtung der Fristwahrung träfe Deutschland.

25 Nach Ansicht des BFG könnten jene Verpflichtung des säumigen Trägers im Fall eines Rechtsmittelverfahrens auf das angerufene Gericht übergehen, die der Staatsteilgewalt der Jurisdiktion zuzuordnen sind, also Entscheidungen zu treffen, die insbesondere Rechte oder Pflichten begründen. Bei dieser Sichtweise ginge die Verpflichtung zur Erlassung einer vorläufigen Entscheidung iSd Art 60 Abs 3 VO 987/2009 auf das Rechtsmittelgericht über, der Trägerbegriff wäre daher nicht absolut zu verstehen. Sinn und Zweck eines effektiven Rechtsmittels ist die Erreichung umfassenden Rechtsschutzes. Die vorläufige Entscheidung soll dem Antragsteller rasch den Zugang zu einer Klärung der Zuständigkeit und zum Erhalt der Familienleistung gewährleisten. Zur Erreichung dieser Zielsewäre der Übergang der Verpflichtung zur Erlassung der vorläufigen Entscheidung auf die Berufungsinstanz zu bejahen.

Ad Frage 5: Umfang der Entscheidungsbefugnis des Rechtsmittelgerichts

26 Da die Träger untereinander durch elektronischen Datenaustausch miteinander verbunden sind, könnte der mit Frage 4 bejahte Übergang der Entscheidungspflicht dahin eingeschränkt sein, dass das im Rechtsmittelweg angerufene Verwaltungsgericht lediglich befugt ist, den Träger entsprechend anzuweisen, eine solche zu erlassen, wobei das Verwaltungsgericht dessen Inhalt zu determinieren hat. Das BFG ist im konkreten Fall den Weg gegangen, eine vorläufige Entscheidung, die dem EuGH ebenfalls vorgelegt wird (OZ 24), zu erlassen, und der belangten Behörde als Träger dessen Weiterleitung an den zuständigen deutschen Träger aufzutragen und ein Dialogverfahren zwischen den Trägern zu führen.

Ad Frage 6: Zeitpunkt der Erlassung einer vorläufigen Entscheidung durch ein Rechtsmittelgericht

27 Die Frage geht dahin, ob die Verpflichtung zur Erlassung der vorläufigen Entscheidung das angerufene Gericht bereits im Zeitpunkt der Vorlage des Rechtsmittels an das Verwaltungsgericht, wenn der zuständige Träger dieser Verpflichtung nicht nachgekommen ist, oder lediglich im Fall eines Vorabentscheidungsersuchen in diesem Zeitpunkt trifft. Das BFG neigt der generellen Entscheidungspflicht im Zeitpunkt der Vorlage zu.

Frage 7:Fehlender Antrag im nachrangig zuständigen Mitgliedstaat

28 Diese Frage ist von Relevanz, wenn der EuGH Österreich als Beschäftigungsstaat ansieht, wodurch Österreich vorrangig zuständig wäre. Die Rechtsprechung des EuGH zum fehlenden Antrag im Wohnortstaat bzw seit Geltung der neuen Koordinierung im nachrangig zuständigen Mitgliedstaat ist umfassend, was die praktische Bedeutung dieser Thematik aufzeigt. Auch im Ausgangsfall zu RS C-473/18, GP gegen Bundesagentur für Arbeit - Familienkasse Baden-Württemberg West, Rn 15, beantragte GP, der in der Schweiz beschäftigt war, bei der Familienkasse die Zahlung von Differenzkindergeld mit einem gesonderten Antrag.

29 Art 68 Abs 3 VO 883/2004, der die Fiktion der Fristwahrung regelt, betrifft den umgekehrten Fall (Weiterleitung durch den nachrangig zuständigen Mitgliedstaat) und ist nach seinem Wortlaut nicht einschlägig. Die hier betroffene Konstellation fällt unter Art 60 Abs 2 UAbs 2 und 3 VO 987/2009, der die Weiterleitungspflicht des vorrangig zuständigen Mitgliedstaates normiert, jedoch die Fristwahrung nicht ausdrücklich garantiert.

30 Das BFG fragt sich, ob es für die Differenzzahlung nach Art 68 Abs 2 VO 883/2004 angesichts der Weiterleitungspflicht des Trägers des Mitgliedstaates, dessen Rechtsvorschriften vorrangig anzuwenden sind, an den Träger des Mitgliedstaates, dessen Rechtsvorschriften nachrangig anzuwenden sind, tatsächlich eines gesonderten Antrages bedarf. Das vom Rechtsschutzgedanken geprägte Unionsrecht könnte gerade wegen des Fehlens der Fiktion der Fristwahrung wie in Art 68 Abs 3 VO 883/2004 dahin zu verstehen sein, dass beide Träger durch die Verordnungen derart miteinander verbunden sind, dass sie gemeinsam den einen Antrag zu erledigen haben. Damit wäre das Fehlen der ausdrücklichen Anordnung einer Fiktion in Art 60 Abs 2 UAbs 2f VO 987/2009 nicht als planwidrig anzusehen und die Frage einer analogen Anwendung des die Fristwahrung regelnden Art 68 Abs 3 VO 883/2004 erübrigte sich.

Ad Frage 8, 9:Abschaffung der Familienbeihilfe für EntwicklungshelferInnen ab

31 Die Fragen, die ebenfalls von Amts wegen aufgeworfen werden, sind nach Ansicht des BFG nur dann rechtserheblich, wenn der EuGH zu dem Ergebnis kommt, dass § 13 Abs 1 EHG aF der Bf einen alternativen Anspruch auf die österreichische Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag (in der Folge kurz: Familienbeihilfe) entweder generell vermittelt, weil Österreich aus Loyalitätsgründen die alte Rechtslage wieder herstellen muss, oder individuell bis vermittelt hat, woraus sich ein Anspruchsfortbestand ableiten lassen könnte. Anders als die belangte Behörde, das zuständige Bundesministerium und auch die rechtsfreundliche Vertretung der Bf sieht das BFG § 13 Abs 1 EHG aF nicht als zu erfüllendes Tatbestandsmerkmal an, um bei Ausübung der Arbeitnehmernehmerfreizügigkeit unter die VO 883/2004 zu fallen. Diese Sichtweise erinnert an unzulässige und daher verbotene Beschränkungen, wie sie primär bei der Warenverkehrsfreiheit anzutreffen sind (Art 34, 35 AEUV). Im Rahmen der Personenfreizügigkeit könnte § 13 Abs 1 EHG aF als Marktzugangs- bzw Marktausübungsschranke als Modifikation der Keck-Judikatur aufgefasst werden (Leidenmühler, aaO, 195).

32 Es darf als bekannt vorausgesetzt werden, dass Österreich mit Wirksamkeit vom die Indexierung der Familienbeihilfe, des Kinderabsetzbetrages und anderer steuerlicher Vergünstigungen eingeführt hat (BGBl I 187/2013 vom ). Zur Indexierung der Familienbeihilfe wird auf das zur EuGH-Zahl C-163/20 protokollierte Vorabentscheidungsersuchen des Bundesfinanzgerichts hingewiesen. Mit demselben Bundesgesetz wurde auch die Gewährung der Familienbeihilfe und damit verbunden des Kinderabsetzbetrages für EntwicklungshelferInnen abgeschafft, indem § 13 Abs 1 idF, idF BGBl I 187/2013 vom , mit BGBl I 83/2018 aufgehoben wurde und der bisherige Abs 2 den neuen § 13 EHG bildet. Die neue Rechtslage betrifft auch Inländer, die als Entwicklungshelfer tätig sind, doch liegt im konkreten Fall ein Anwendungsfall des Unionsrechts vor.

33 Wie in Rn 9 dieses Beschlusses ausgeführt wurde, ist der Anwendungsbereich im konkreten Fall in persönlicher, sachlicher und räumlicher Hinsicht eröffnet.

I Tatbestandsmäßigkeit der Abschaffung der Familienbeihilfe für EntwicklungshelferInnen

34 Fraglich in Bezug auf die Tatbestandsmäßigkeit ist, ob in der Abschaffung der Familienbeihilfe ein Eingriff in die Grundfreiheit der Arbeitnehmerfreizügigkeit gemäß Art 45 AEUV und in die Art 2,http://localhost:9091/javalink?art=Int&id=3070900&ida=VO8832004&gueltig=20200730&hz_id=3070900&dz_VonArtikel=33,http://localhost:9091/javalink?art=Int&id=3070900&ida=VO8832004&gueltig=20200730&hz_id=3070900&dz_VonArtikel=77, Titel II, Art 67 und 68 VO 883/2004 zu erblicken ist.

35 Ausgehend von der Warenverkehrsfreiheit hat der EuGH sämtliche Grundfreiheiten, die zunächst als Diskriminierungsverbote verstanden wurden, zu generellen Beschränkungsverboten ausgebaut. Für die Personenfreizügigkeit, zu denen auch die Arbeitnehmerfreizügigkeit gehört, ist das -55/94, Gebhard, einschlägig. "Aus der Rechtsprechung des [Europäischen] Gerichtshofs ergibt sich jedoch, dass nationale Maßnahmen, die die Ausübung der durch den Vertrag garantierten grundlegenden Freiheiten behindern oder weniger attraktiv machen können, vier Voraussetzungen erfüllen müssen: Sie müssen in nichtdiskriminierender Weise angewandt werden, sie müssen aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sie müssen geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten, und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist" (Rn 37).

36 Zur Einbeziehung der Entwicklungshelfer in den Katalog der Steuerbefreiungen hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass dafür "soziale Gründe maßgebend waren" und dem "das im Rahmen der Steuerbefreiungen zu beachtenden verfassungsrechtlichen Sachlichkeitsgebot nicht entgegenstand". Unter Verweis auf die Erläuternden Bemerkungen zur damaligen Regierungsvorlage zum Entwicklungshelfergesetz führt der Gerichtshof weiters aus, dass "es sich beim Einsatz der Fachkräfte zweifelsohne um eine vornehmlich idealistisch motivierte, also nicht auf Erwerb abzielende Tätigkeit handle, die aber ohne materielle Grundlage auch nicht denkbar sei" (.2014, 2011/13/0090). Das Einkommen der Bf ist den niedrigen Kaufkraftverhältnissen in Uganda angepasst und würde ihr und ihrer Familie ein Leben in Österreich oder Deutschland kaum ermöglichen.

37 Zusätzlich wird ihr die Familienbeihilfe und damit die Anerkennung durch die Öffentlichkeit verweigert. Die Abschaffung der Familienbeihilfe für den Berufsstand der Entwicklungshelfer, die als verbotene Beschränkung aufgefasst werden könnte, ist nach Ansicht des anfragenden Gerichts ein Umstand, der geeignet ist, die Arbeitnehmerfreizügigkeit zu behindern und weniger attraktiv zu machen. Es wäre denkbar, dass nach und nach sämtliche Mitgliedstaaten für Entwicklungshelfer die Familienleistungen abschaffen, was letztlich die ergänzende und verstärkende Entwicklungszusammenarbeit der Union und der Mitgliedstaaten nach Art 208 AEUV gefährden könnte, weil die Nachfrage nach diesem Beruf sinken könnte.

38 Die Abschaffung der Familienbeihilfe für den Beruf als EntwicklungshelferIn stellt nach Ansicht des BFG keine direkte Diskriminierung dar, weil sie nicht an die Staatsbürgerschaft anknüpft. Da nach Ansicht des anfragenden Gerichts Deutschland nach wie vor Wohnortstaat ist und die Bf das personale Element erfüllt, ist eine hinreichende Bindung an das Unionsgebiet gegeben (s obige Ausführungen iVm Rs Alderewerld). Die Tätigkeit als Entwicklungshelfer bringt es naturgemäß mit sich, dass damit längere und wiederkehrende Auslandsaufhalte verbunden sind. Dass die Qualität als Wohnortmitgliedstaat im Einzelfall auch bei überaus gelockerter tatsächlicher körperlicher Anwesenheit beibehalten bleibt, zeigt das Urteil EuGH 500.6.2014, Rs C-255/13, I gegen Health Service Executive.

39 Das Abstellen auf Wohnort-, Wohnsitz- oder Aufenthaltserfordernisse im Hohietsgebiet der Union stellt eine mittelbare Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit dar. Auf Bedenken stoßen in diesem Zusammenhang die in der Stellungnahme des BMWFJ vom getätigten Überlegungen zu "[Vermeidung] von Folgewirkungen auf andere Personengruppen, [weil] es hier um den - im Europarecht nicht vorgesehenen - Transfer von Familienleistungen in Drittstaaten geh[e]". Damit hätte das BMWFJ die Unionsrechtslage verkannt, wie , Balandin, Lukachenko und Holiday on Ice, Rn 38ff, sowie auf , Rs EU gegen Caisse pour l'avenir des enfants, Rn 49, jeweils mwN, zeigen, wo die Familienangehörigen in der Ukraine bzw Weißrussland oder in Brasilien den Wohnort und ihren tatsächlichen Aufenthaltsort hatten.

40 Dass die Tätigkeit eines Entwicklungshelfers nicht im Binnenmarkt ausgeübt wird, schadet nach Ansicht des anfragenden Gerichts nicht. Die Tätigkeit von Entwicklungshelfern erfolgt in Übereinstimmung mit einem gleichwertigen Interesse der Union, das sich aus Art 208 AEUV ergibt und für dessen Erreichung die Loyalität der Mitgliedstaaten erforderlich ist. Nach dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit gemäß Art 4 Abs 3 EUV achten und unterstützen sich die Union und die Mitgliedstaaten gegenseitig bei der Erfüllung der Aufgaben, die sich aus den Verträgen ergeben, wozu auch die Entwicklungshilfe gehört. Die von Österreich erfolgte Abschaffung der Familienleistungen für Entwicklungshelfer könnte einer Erfüllung der Verpflichtungen, die sich aus den Verträgen oder den Handlungen der Organe der Union ergeben, oder die Verwirklichung der Ziele der Union erschweren. Die Versagung der Anerkennung der Union für diese Tätigkeit würde möglicherweise dazu führen, dass immer mehr Mitgliedstaaten für diesen Beruf die Familienbeihilfe abschaffen. Die Union ist nicht nur eine Wirtschaftsgemeinschaft, sondern noch vielmehr eine Wertgemeinschaft, in der auch die Tätigkeit als Entwicklungshelfer, die der Verwaltungsgerichtshof zutreffend als "vornehmlich idealistisch motiviert" bezeichnet hat, diese Anerkennung durch die europäische Öffentlichkeit zu Teil wird.

41 Demnach könnte der Eingriff als tatbestandsmäßig angesehen werden.

II Rechtfertigung

42 Als ausdrückliches Ziel ist in den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (111 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates 26. Gesetzgebungsperiode, in der Folge: EBRV, OZ 32) neben der Einführung der Indexierung die Abschaffung des § 13 Abs 1 EHG aF angeführt. Mit dessen Abschaffung werde dem "Prinzip der Republik Österreich, keine Familienleistungen in einen Drittstaat zu exportieren, entsprochen". Das angesprochene Prinzip ist für die Abschaffung des § 13 Abs 1 EHG aF mit Bundesgesetz vom , BGBl 83/2018, als Rechtfertigungsziel zu untersuchen.

43 Der österreichische Gesetzgeber geht von der Annahme aus, dass der Aufenthalt der Kinder im Hoheitsgebiet der Union ein zu erfüllendes Tatbestandsmerkmal sei, damit überhaupt Anspruch auf Familienleistungen in der Union erworben werden kann, denn "[d]er Transfer von Familienleistungen [sei] im Europarecht [in der VO 883/2004] nicht vorgesehen" (Stellungnahme des BMWFJ vom , BMEIA-AT./0049).

44 Die EBRV halten zu dem Gesetzesvorschlag fest:

"In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass es seitens der Republik Österreich in Bezug auf die Familienbeihilfe keine Exportverpflichtung in Bezug auf Kinder gibt, die sich in einem Staat außerhalb der EU/des EWR oder der Schweiz aufhalten. Es gibt zwar eine Reihe von Abkommen über die Soziale Sicherheit mit Drittstaaten, durch die im Wesentlichen sozialversicherungsrechtliche Belange koordiniert werden, von denen aber keines einschlägige Regelungen betreffend einen Export von Familienbeihilfe enthält."

45 Die aktuell von Österreich mit Drittstaaten vereinbarten Abkommen der sozialen Sicherheit weisen in der Tat die Familienbeihilfe nicht (mehr) als Leistungsgegenstand aus. Der österreichische Gesetzgeber irrt jedoch darin, dass das Unionsrecht ebenfalls dieses Ziel verfolge.

46 Als geschriebene Rechtsfertigungsgründe kämen die in Art 45 Abs 3 AEUV genannten Gründe der öffentlichen Ordnung, (der öffentlichen) Sicherheit und (der öffentlichen) Gesundheit in Frage. Das in Rn 42 definierte Rechtfertigungsziel fällt zweifelsfrei nicht darunter.

47 Dass das Rechtfertigungsziel, keine Familienleistungen in Drittstaaten zu exportieren, mit dem Unionsrecht in Einklang stünde, geht aus den Schlussfolgerungen des Rates vom 18. und , ABl. Nr. C 2016/69 I, auf den die EBRV Bezug nehmen, nicht hervor. Auch die darin enthaltene Erklärung der Kommission zur Ausarbeitung eines Vorschlags zur Änderung der VO 883/2004 bezieht sich ausschließlich auf die Indexierung und deckt dieses Ziel nicht ab.

48 Daneben hat der EuGH im Wege der Rechtsfortbildung auch mit den zwingenden Erfordernissen des Allgemeininteresses ungeschriebene Rechtfertigungsgründe anerkannt. Dazu zählen beispielsweise: "Verbraucherschutz, Umweltschutz, Schutz der Sozialordnung, Bekämpfung der Spielsucht" (Leidenmühler, aaO, 162). Bemerkt wird, dass rein wirtschaftliche Überlegungen vom EuGH allerdings noch in keinem Fall als ungeschriebener Rechtfertigungsgrund anerkannt wurden (zB , Erich Ciola/Land Vorarlberg). Ein zwingendes Erfordernis des Allgemeininteresses wird in den EBRV nicht erwähnt und ist weiters nicht erkennbar.

49 Zum Drittlandsbezug ist nochmals auf die in Rn 39 dieses Beschlusses angeführte EuGH-Judikatur zu verweisen. Die Drittstaatenverordnung 1231/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom , ABl L 344/1 vom , wird in den EBRV zu Unrecht außer Acht gelassen und auch in diesem Zusammenhang die Unionsrechtslage nicht umfassend beleuchtet. Weder die Familienangehörigen eines Unionsbürgers noch die eines Drittstaatsangehörigen müssen den Wohnort oder den Ort ihres tatsächlichen (körperlichen) Aufenthaltes im Hoheitsgebiet der Union haben, damit ein Wanderarbeitnehmer Anspruch auf Familienleistungen in der Union hat.

50 Bei dieser Betrachtung bleibt als wahrer Rechtfertigungsgrund, der hinter dem Prinzip der Republik Österreich steht, nur der wirtschaftliche Aspekt, sodass Österreich bei dieser Sichtweise nicht gerechtfertigt wäre.

III. Verhältnismäßigkeit

51. Selbst wenn der Rechtfertigungsgrund einschlägig wäre, müsste die Maßnahme auch verhältnismäßig sein. Die Maßnahme erscheint zur Zielerreichung grundsätzlich geeignet, doch ist im Rahmen der Prüfung der Geeignetheit eines Eingriffs auch die Kohärenz, das schlüssige und stimmige Verhalten des Mitgliedstaates zu prüfen (, Dickinger und Ömer Rn 54; verb Rs C-316/07, C-358/07 bis C-360/07, C-409/07 und C-410/07, Stoß, Rn 106).

52 Der Gesetzesentwurf der Regierungsvorlage (111 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates 26. Gesetzgebungsperiode - 111 Beil Sten Prot 26. GP) sieht für § 53 FLAG folgende Änderungen vor:

"3. § 53 werden folgende Abs. 4 und 5 angefügt:

"(4) Abs. 1 zweiter Satz findet in Bezug auf § 8a Abs. 1 bis 3 keine Anwendung.

(5) § 26 Abs. 3 der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961, findet in Bezug auf Leistungen nach diesem Bundesgesetz bis Anwendung."

53 Die EBRV halten zu dem Gesetzesvorschlag fest (OZ 32, Seite 4):

"Nach § 26 Abs. 3 der Bundesabgabenordnung werden in einem Dienstverhältnis zu einer Körperschaft des öffentlichen Rechtes stehende österreichische Staatsbürger, die ihren Dienstort im Ausland haben (Auslandsbeamte), wie Personen behandelt, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt am Ort der die Dienstbezüge anweisenden Stelle haben. Das gleiche gilt für deren Ehegatten, sofern die Eheleute in dauernder Haushaltsgemeinschaft leben, und für deren minderjährige Kinder, die zu ihrem Haushalt gehören.

Die Anwendung der Regelung des § 26 Abs. 3 BAO für den Bereich der Familienbeihilfe hat bislang zur Folge, dass für Auslandsbeamte eine Sonderregelung gilt, wonach unabhängig vom Dienstort, die österreichische Familienbeihilfe zuerkannt wird. Das bedeutet, dass auch für den Fall, dass ein Auslandsbeamter mit Dienstort in einem Drittstaat, die Familienbeihilfe für seine in diesem Drittstaat lebenden Kinder gewährt wird.

[…]

Die in Rede stehende Gewährung der Familienbeihilfe für Auslandsbeamte soll entfallen. Damit wird eine Ungleichbehandlung zu jenen Personen, die in einem Drittstaat arbeiten und in keinem Dienstverhältnis zu einer öffentlich rechtlichen Körperschaft stehen, beseitigt werden; wie etwa Personen die vom Arbeitgeber in einen Drittstaat entsendet werden, mit der Familie in diesem Drittstaat leben und daher keine Familienbeihilfe erhalten."

54 Dem vom Nationsrat tatsächlich beschlossenen § 53 Abs 5 FLAG, idF BGBl I 83/2018 vom , wurde der 2. Satz "Ab ist für Leistungen nach diesem Bundesgesetz § 26 Abs. 3 BAO nur für Personen mit Dienstort im Ausland, die im Auftrag einer Gebietskörperschaft tätig werden, sowie für deren Ehegatten und Kinder anwendbar" angefügt (OZ 33).

55 Somit wurde die Ausnahme für Auslandsbeamte beibehalten. Dem Botschaftspersonal wird im Ausland Immunität, die durch Privilegienprotokollen zwischen den Staaten vereinbar sind, garantiert und es unterliegt in Angelegenheiten der Familienleistungen niemals der Rechtsordnung im Empfangsstaat. Auch wenn jedenfalls der konkret ernannte ao. und bev. Botschafter sowie die ernannten Attachés und andere Personen des diplomatischen Corps nach Ansicht des anfragenden Gerichts unter die Bereichsausnahme des Art 45 Abs 3 AEUV fallen dürften, steht dieser Umstand dem bloßen Vergleich von Entwicklungshelfern mit dieser Berufsgruppe ausschließlich zum Zweck der Beurteilung des kohärenten Verhaltens eines Mitgliedstaates nicht entgegen.

56 Das Botschaftspersonal erhält seine Bezüge nach dem einschlägigen Beamtenrecht, das auf österreichische Verhältnisse abgestimmt ist, und zusätzlich die österreichische Familienbeihilfe in ungekürzter Höhe und damit nach inländischen Verhältnissen, auch wenn das Botschaftspersonal beispielsweise in ein Entwicklungsland entsendet wird.

57 Da Österreich lediglich für Entwicklungshelfer die Familienbeihilfe abgeschafft, jedoch für das Botschaftspersonal beibehalten hat, könnte fraglich sein, ob sich Österreich kohärent verhalten hat, weil bereits die Geeignetheit der Maßnahme in Frage steht.

58 Schließlich erscheint fraglich, ob es entgegen dem im Schriftsatz des BMWFJ vom (OZ 18) erwähnten Befund nicht vielmehr im Interesse der Union gelegen wäre, dass alle Mitgliedstaaten für Entwicklungshelfer die angesprochenen Familienleistungen gewähren. Demnach könnte Österreich aus Gründen der Loyalität der Mitgliedstaaten untereinander und zur Union verpflichtet sein, die alte Rechtslage des § 13 Abs 1 EHG durch Erfüllung seiner Rechtsbereinigungspflicht wiederherzustellen (vgl Leidenmühler, aaO, 35 mit Hinweis auf , Rs Kommission/Italien, Rn 22) und jene Mitgliedstaaten, die für diese Berufsgruppe keine Familienleistungen in ihren Rechtsvorschriften vorsehen, verpflichtet sein, die Gewährung von Familienleistungen an Entwicklungshelfer einzuführen.

Ad Frage 9: individuell-konkreter Anspruchsfortbestand

59 Falls Frage 8 verneint wird, ist nach Ansicht des BFG fraglich, ob die Bf aus den in Rn 36, 37 und 40 dieses Beschlusses genannten Gründen einen individuell-konkreten Anspruch auf Fortbestand der Familienbeihilfe iSv wohlerworbenen Rechten erlangt hat (vgl , Rs Laterza, und das in Rn 10 dieses Beschlusses erwähnte Urteil in der Rs Slanina).

VI Zweifel:

Da die Anwendung des Unionsrechts und dessen Auslegung nicht als derart offenkundig erscheint, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt (vgl. Srl C.I.L.F.I.T. u.a., C-283/81, EU:C:1982:335), werden die eingangs formulierten Vorlagefragen gemäß Art 267 AEUV mit dem Ersuchen um Vorabentscheidung vorgelegt.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 26 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Art. 288 Abs. 2 AEUV, ABl. Nr. C 83 vom S. 47
Art. 11 Abs. 3 lit. a VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
Art. 48 Abs. 1 AEUV, ABl. Nr. C 83 vom S. 47
§ 13 Abs. 1 Entwicklungshelfergesetz, BGBl. Nr. 574/1983
Art. 208 AEUV, ABl. Nr. C 83 vom S. 47
Art. 11 VO 987/2009, ABl. Nr. L 284 vom S. 1
Art. 11 Abs. 3 lit. e VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
Art. 67 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
§ 4 Abs. 1 Z 9 ASVG, Allgemeines Sozialversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 189/1955
Art. 45 AEUV, ABl. Nr. C 83 vom S. 47
Art. 60 Abs. 2 VO 987/2009, ABl. Nr. L 284 vom S. 1
Art. 68 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
Art. 7 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
Verweise


















Anmerkung
Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RE.7100002.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at