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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 15.05.2020, RV/7105119/2017

Vergleich über Ansprüche anlässlich der Auflösung eines Dienstverhältnisses

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Ri in der Beschwerdesache BF, ADR, vertreten durch BDO Wien GmbH Wirtschaftsprüfungs - und Steuerberatungsgesellschaft, Am Belvedere 4, 1100 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom , ErfNr*** Team 13 betreffend Gebühren zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid insofern abgeändert, als die Gebühr gemäß § 33 TP 20 Abs. 1 lita GebG mit 1 % einer Bemessungsgrundlage iHv € 279.552,48, dh mit einem Abgabenbetrag iHv € 2.795,52 festgesetzt wird.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensablauf

1. Gebührenanzeige - Urkundeninhalt

Mit Schriftsatz vom übermittelte die BF (die nunmehrige Beschwerdeführerin, kurz Bf. oder Dienstgeber) dem Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel, kurz FA) eine am mit X (kurz Dienstnehmerin) abgeschlossene "Auflösungsvereinbarung" und teilte dazu mit, dass im Auflösungsbetrag (€ 270.000,00) bereits die Urlaubsersatzleistung (lfd und SZ) in Höhe von € 50.489,29 sowie die gesetzliche Abfertigung von € 76.610,34 enthalten sei. Die Verfahrenskosten würden sich auf € 9.552,48 belaufen.

Neben der "Auflösungsvereinbarung" wurden dem FA noch zwei Kostennoten (**1** und **2**) sowie der Lohnzettel für den Zeitraum 2017 übermittelt.

Die "Auflösungsvereinbarung" hat auszugsweise folgenden Inhalt:

"Die Dienstnehmerin ist seit beim Dienstgeber zuletzt mit einem Gehalt von € 7.500 brutto monatlich, einem Sachbezug von € 413,39 brutto monatlich zuzüglich variablem Gehalt von € 42.000,- brutto jährlich angestellt. Zwischen Dienstnehmer und Dienstgeber sind mehrere Verfahren beim Arbeits- und Sozialgericht Wien anhängig. Die Parteien kommen überein, das Dienstverhältnis unter den folgenden Bedingungen einvernehmlich zu lösen, wobei eine umfassende Regelung sämtlicher wechselseitiger Ansprüche aus dem Dienstverhältnis erfolgen und die anhängigen Gerichtsverfahren ruhend gestellt. Abreden oder Ansprüche außerhalb dieser Auflösungsvereinbarung bestehen nicht.

1.) Der Dienstgeber bezahlt an die Dienstnehmerin den dem Bruttobetrag in Höhe von € 270.000,- entsprechenden Nettobetrag von € 151.940,29 auf das Konto der Dienstnehmerin bei … in 2 gleich hohen Raten (bzw. in Höhe von jeweils 50%), wobei die erste Rate von € 135.000 brutto bzw. der entsprechende Nettobetrag in Höhe am (einlangend) und die zweite Rate von € 135.000 brutto bzw. der entsprechende Nettobetrag am (einlangend) zur Zahlung fällig wird.

Festgehalten wird in diesem Zusammenhang, dass die Dienstnehmerin nicht verpflichtet ist, bereits erhaltene Beträge zurückzuzahlen (insbesondere nicht erhalten laufende und beendigungsabhängige Zahlungen aufgrund vergangener Abrechnungen und "Endabrechnungen"), und der Dienstgeber daher nicht berechtigt ist, mit Ansprüchen, welcher Art immer, gegen Ansprüche der Dienstnehmerin auf- bzw gegenzurechnen. Sämtliche Zahlungen nach Punkt 1. und Punkt 2. dieser Auflösungsvereinbarung sind daher vom Dienstgeber zur Gänze und - mit Ausnahme der in der Abrechnung genannten Steuer und Sozialversicherungsbeträge - ohne Abzüge zu leisten.

2.) Der Dienstgeber erstattet dem Dienstnehmer bis (einlangend) Verfahrenskosten in der gemäß den angeschlossenen Kostennoten verzeichneten Höhe von € 9.522,48 (inkl. USt) auf das Konto des Dienstnehmervertreters bei …. Die angeschlossenen Kostennoten sind integrierter Bestandteil dieser Auflösungsvereinbarung. Allfällige mit dieser Vereinbarung verbundenen Gebühren trägt der Dienstgeber.

3.) Die Konkurrenzklausel wird einvernehmlich aufgehoben. Die Dienstnehmerin unterliegt nach Dienstende daher in beruflicher bzw. geschäftlicher Hinsicht keinerlei Einschränkung und ist ihr jede Form der beruflichen Tätigkeit und Beteiligung möglich.

4.) Das zwischen Dienstnehmerin und Dienstgeberin geschlossene Dienstverhältnis mit Wirkung zum einvernehmlich gelöst. Die Dienstnehmerin erhält vom Dienstgeber am Auflösungsstichtag die korrigierten Arbeitspapiere und ein qualifiziertes Dienstzeugnis (mit der Aufzählung der Tätigkeitsbereiche wie im Dienstzeugnis vom samt Beurteilung wie angeschlossen) übermittelt.

5.) Mit ordnungsgemäßer Erfüllung dieser Auflösungsvereinbarung sind sämtliche - laufenden wie beendigungsabhängigen - Ansprüche aus dem Dienstverhältnis bereinigt und verglichen (Generalbereinigung) und gibt die Dienstnehmerin binnen 14 Tagen ewiges Ruhen in den zwischen Dienstnehmer und Dienstgeber beim Arbeits- und Sozialgericht Wien anhängigen Verfahren **1** sowie zur **2** bei Gericht bekannt.

6) Die Dienstnehmerin ist zur Geheimhaltung sämtlicher Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse auch über des Dienstende hinaus verpflichtet.

7.) Dieser Vergleich (Punkt 1. bis 3.) ist an die aufschiebende Bedingung der vollständigen und fristgerechten Zahlung nach Punkt 1. und 2.geknüpft und wird daher erst mit vollständiger und fristgerechter Zahlung wirksam. Sofern der Vergleich nicht zustande kommt, sind alle mit diesem Vergleich gewährte Zahlungen binnen drei Tagen nach Aufforderungen durch den Dienstgeber wieder auf das Konto der Dienstgeberin zurück zu überweisen."

2. Gebührenbescheid

Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt gegenüber der Bf. für die Auflösungsvereinbarung Rechtsgebühr gemäß § 33 TP 20 Abs. 1 lit. b GebG 1957 in Höhe von € 5.591,05 (2% vom Gesamtwert der von jeder Partei übernommenen Leistungen in Höhe von € 279.552,48) fest.

3. Beschwerde

Die dagegen eingebrachte Beschwerde richtet sich gegen die Höhe der Bemessungsgrundlage und gegen die Höhe des Gebührensatzes.

Die Bf. beantragte den Gebührenbescheid insofern abzuändern, als die Bemessungsgrundlage € 153.052,85 und der Gebührensatz 1% betrage und somit die Gebühr für das Rechtsgeschäft mit € 1.530,53 festzusetzen.

Weiters beantragte die Bf. die Entscheidung durch den Senat und auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Zur Kürzung der Bemessungsgrundlage von € 279.552,48 auf € 153.052,85 führte die Bf. aus:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgangszahlung
270.000,00
abzüglich gesetzliche Abfertigung
-76.010,34
abzüglich Urlaubsersatzleistung lfd
-31.558,38
zuzüglich Verfahrenskosten
+9.552,48
Bemessungsgrundlage
153.052,85

Die Auflösungssumme iHv € 270.000,00 beinhalte auch die gesetzliche Abfertigung iHv € 76.010,34 sowie die Urlaubsersatzleistung iHv € 50.489,29, vgl. beiliegender Lohnzettel. Diese Positionen seien keine Bestandteile der Bemessungsgrundlage. Die gesetzliche Abfertigung sowie die Urlaubsersatzleistung hätten auch ohne außergerichtlichen Vergleich an die Mitarbeiterin bezahlt werden müssen.

Gemäß § 33 TP 20 Abs. 1 lit. a GebG betrage der Gebührensatz für außergerichtliche Vergleiche 1%, wenn der Vergleich über anhängige Rechtsstreitigkeiten getroffen wird. Der Vergleich sei gemäß Punkt 5 über anhängige Rechtsstreitigkeiten (**1** und **2**) getroffen worden.

Da die Bemessungsgrundlage € 153.052,85 und der Gebührensatz 1% betrage, reduziere sich die Gebühr für das Rechtsgeschäft von € 5.591,05 auf € 1.530,53.

Der Beschwerde angeschlossen wurde der Lohnzettel für den Zeitraum März 2017.

4. Beschwerdevorentscheidung

Mit Beschwerdevorentscheidung vom änderte das FA den angefochtenen Bescheid ab und setzte die Gebühr unter Anwendung eines Gebührensatzes von 1% ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von € 279.552,48 mit € 2.795,52 fest.

Die Begründung lautet wie folgt:

"Gemäß § 33 TP 20 GebG unterliegen außergerichtliche Vergleiche einer Gebühr.
Wird der Vergleich über anhängige Rechtsstreitigkeiten geschlossen, beträgt die Gebühr 1 vH vom Gesamtwert der von jeder Partei übernommenen Leistungen. Bemessungsgrundlage ist der Gesamtwert der im Vergleich ausbedungenen, positiv zu erbringenden Leistungen. Im ggst. Vergleich verpflichtet sich die Bf zur Zahlung eines Betrages in Höhe von € 270.000,00, Zusätzlich leistet die Bf Verfahrenskosten in Höhe von C 9.522,48. Die Summe der zu erbringenden Leistungen beträgt sohin € 279.522,48. Mit Bezahlung dieser Beträge sind sämtliche Ansprüche aus dem Dienstverhältnis bereinigt und tritt ewiges Ruhen hins. der anhängigen Gerichtsverfahren ein. Gemäß Punkt 5 des Vertrages sind mit ordnungsgemäßer Erfüllung der Auflösungsvereinbarung sämtliche Ansprüche aus dem Dienstverhältnis bereinigt und verglichen. Ein Vorbehalt, dass einzelne Ansprüche (gesetzliche Abfertigung, Urlaubsersatzleistung) nicht mitverglichen werden, kann dem Vertrag nicht entnommen werden.

Hinsichtlich des Hundertsatzes war der Beschwerde zu entsprechen, im Übrigen jedoch war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen."

5. Vorlageantrag

Im Vorlageantrag führte die Bf. ergänzend aus, dass dem Dienstnehmer unabhängig von einem Vergleich die gesetzliche Abfertigung und die gesetzliche Urlaubsersatzleistung zugestanden wäre. In der Auflösungsvereinbarung sei dies irrtümlicherweise nicht gesondert ausgewiesen. Vom Vergleich konnten jedoch diese beiden Positionen (vgl. beiliegende Abrechnung) nicht umfasst sein, auch wenn dies nicht gesondert aus dem Vertrag entnommen werden kann.

Weiters wiederholte die Bf. die Anträge auf Entscheidung durch den Senat und auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

6. Vorlage der Beschwerde ans Bundesfinanzgericht

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Dabei gab das FA noch eine Stellungnahme mit folgendem Inhalt ab:

"Gemäß § 17 Abs. 1 GebG ist für die Festsetzung der Gebühren der Inhalt der über das Rechtsgeschäft errichteten Schrift (Urkunde) maßgebend. Unter Berücksichtigung des Urkundenprinzips sind andere als in der Urkunde festgehaltene Umstände nicht zu berücksichtigen. Auch wenn in der Urkunde festgehalten worden wäre, dass im Betrag von € 270.000,00 die gesetzliche Abfertigung und die gesetzliche Urlaubsersatzleistung enthalten seien, könnte daraus für die Bf nichts gewonnen werden.

Parteienvereinbarungen sind nämlich auch dann Gegenstand einer Gebühr, wenn der vereinbarte Erfolg auch ohne Vorliegen der Vereinbarung kraft Gesetz einträte ( 88/15/0086; RV/3938-W/02)."

7. Beweisaufnahme durch das BFG

Vom BFG wurde zunächst Beweis erhoben durch Einsicht in die vom Finanzamt vorgelegten Teile des Bemessungsaktes ErfNr*** und ergibt sich dadurch der oben dargestellte Verfahrensablauf und der - unstrittige - Urkundeninhalt.

8. Vorhalteverfahren des BFG

Mit Vorhalt vom teilte die Berichterstatterin zur Vorbereitung auf die von der beschwerdeführenden Partei beantragte mündliche Verhandlung vor dem Senat den Parteien mit, wie sich die Sach- und Rechtslage für sie darstellt und aus welchen Erwägungen beabsichtigt werde, den angefochtenen Bescheid wie in der Beschwerdevorentscheidung abzuändern. Dazu wurden den Parteien die Gelegenheit zur Abgabe einer Stellungnahme bis zum eingeräumt.

Das Finanzamt teilte dazu am mit, keine weitere Stellungnahme abzugeben. Der Antrag, die Beschwerde hinsichtlich der Höhe der Bemessungsgrundlage als unbegründet abzuweisen und die Gebühr mit 1% von den vereinbarten Leistungen festzusetzen, bleibe aufrecht.

Die Bf. nahm mit Telefax vom die Anträge auf Entscheidung durch den Senat und auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurück.

II. Sachverhalt

Die über die "Auflösungsvereinbarung" errichtete Urkunde wurde am durch die Dienstnehmerin X und durch Herrn Y auftrags und namens der Bf. unterzeichnet. Zu diesem Zeitpunkt waren 2 Verfahren beim Arbeits- und Sozialgericht Wien anhängig und wurde durch die in der "Auflösungsvereinbarung" getroffenen Regelungen die anhängigen Rechtsstreitigkeiten bereinigt und verglichen.

Die Urkunde hat jenen Inhalt wie oben unter Punkt I.1. auszugsweise dargestellt und entspricht die getroffene Regelung dem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien.

III. Beweiswürdigung

Der Inhalt der über die hier gegenständliche Vereinbarung errichtete Urkunde ist ebenso unstrittig wie die Tatsache, dass die Urkunde unterzeichnet wurden. Es liegt keinerlei Hinweis dafür vor, dass der Inhalt der Vereinbarung nicht dem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien entspricht, zumal die Bf. kein dem entgegenstehendes Vorbringen erstattet hat.

IV. Rechtlage und Erwägungen

Rechtslage

Auf Grund des § 33 TP 20 Abs. 1 unterliegen Vergleiche (außergerichtliche) nach Maßgabe des III. Abschnittes des Gebührengesetzes,

a) wenn der Vergleich über anhängige Rechtsstreitigkeiten getroffen wird 1 vH,

b) sonst 2 vH

vom Gesamtwert der von jeder Partei übernommenen Leistungen.

Gemäß § 17 Abs. 1 GebG ist für die Festsetzung der Gebühren der Inhalt der über das Rechtsgeschäft errichteten Schrift (Urkunde) maßgebend. Zum Urkundeninhalt zählt auch der Inhalt von Schriften, der durch Bezugnahme zum rechtsgeschäftlichen Inhalt gemacht wird.

Wenn aus der Urkunde die Art oder Beschaffenheit eines Rechtsgeschäftes oder andere für die Festsetzung der Gebühren bedeutsame Umstände nicht deutlich zu entnehmen sind, so wird auf Grund des § 17 Abs. 2 GebG bis zum Gegenbeweis der Tatbestand vermutet, der die Gebührenschuld begründet oder die höhere Gebühr zur Folge hat.

Nach § 17 Abs. 4 GebG ist es auf die Entstehung der Gebührenschuld ohne Einfluss, ob die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäftes von einer Bedingung oder von der Genehmigung eines der Beteiligten abhängt.

Hat eine der Gebühr nach der Größe des Geldwertes unterliegende Schrift (Urkunde) mehrere einzelne Leistungen zum Inhalt oder werden in einem und demselben Rechtsgeschäfte verschiedene Leistungen oder eine Hauptleistung und Nebenleistungen bedungen, so ist die Gebühr gemäß § 19 Abs. 1 GebG in dem Betrage zu entrichten, der sich aus der Summe der Gebühren für alle einzelnen Leistungen ergibt. Als Nebenleistungen sind jene zusätzlichen Leistungen anzusehen, zu deren Gewährung ohne ausdrückliche Vereinbarung nach den allgemeinen Rechtsvorschriften keine Verpflichtung besteht.

Für die Bewertung der gebührenpflichtigen Gegenstände gelten gemäß § 26 GebG , insoweit nicht in den Tarifbestimmungen abweichende Bestimmungen getroffen sind, die Vorschriften des Bewertungsgesetzes 1955, BGBl. Nr. 148, mit der Maßgabe, dass bedingte Leistungen und Lasten als unbedingte, betagte Leistungen und Lasten als sofort fällige zu behandeln sind und dass bei wiederkehrenden Leistungen die Anwendung der Bestimmungen des § 15 Abs. 1 über den Abzug der Zwischenzinsen unter Berücksichtigung von Zinseszinsen und des § 16 Abs. 3 des vorerwähnten Gesetzes ausgeschlossen ist.

Erwägungen

Der den Gegenstand des § 33 TP 20 GebG bildende Vergleich ist nach § 1380 ABGB zu beurteilen, da das Gebührengesetz keine Begriffsbestimmung enthält. Nach der angeführten Bestimmung des § 1380 ABGB heißt ein Neuerungsvertrag, durch welchen streitige oder zweifelhafte Rechte dergestalt bestimmt werden, dass jede Partei sich wechselseitig etwas zu geben, zu tun, oder zu unterlassen verbindet, Vergleich (siehe Fellner, Band I, Stempel und Rechtsgebühren, Rz 2 zu § 33 TP 20 GebG mit zahlreichen Judikaturhinweisen).

Ein Vergleich liegt vor, wenn die Parteien streitige oder zweifelhafte Rechte durch gegenseitiges Nachgeben beseitigen, indem sie eine neue, eindeutige Verbindlichkeit festsetzen. Der Vergleich ist ein Feststellungsvertrag, der vor allem der Vermeidung oder Beilegung von Rechtsstreitigkeiten dient (Schwimann, ABGB3, Band 6, Rz 1 zu § 1380). Strittig oder zweifelhaft ist ein Recht, wenn die Parteien uneins sind, ob oder in welchem Umfang ein Recht entstanden ist oder noch besteht, wobei die Differenzen gegenwärtige wie zukünftige Rechts- oder Tatfragen betreffen können. Dies ist rein subjektiv aus der Sicht der Parteien zu beurteilen, selbst wenn deren Standpunkte möglicherweise objektiv unzutreffend sind (vgl. vgl. unter Hinweis auf Koziol/Bydlinsky/Bollenberger, Kurzkommentar zum ABGB, Rz 3 zu § 1380).

Nicht nur bereits bestehende strittige vertragliche Rechtsverhältnisse können vergleichsweise geregelt werden, sondern auch solche Rechte, die dem Grunde oder der Höhe nach zweifelhaft sind. Streitig ist dabei ein Recht dann, wenn die Parteien sich nicht darüber einigen können, ob und in welchem Umfang es entstanden ist oder noch besteht. Zweifelhaft ist das Recht, wenn die Parteien sich über Bestand, Inhalt und Umfang oder auch über das Erlöschen nicht im Klaren sind. Rechte sind auch dann zweifelhaft, wenn ihre Verwirklichung unsicher geworden ist (vgl. ).

Das Nachgeben muss keineswegs in jedem einzelnen Punkt der als Vergleich zu qualifizierenden Einigung erfolgen, sondern genügt vielmehr schon das Nachgeben in nur einem von mehreren Punkten genügt (vgl. ).

Die anlässlich der Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses vorgenommene Abgeltung sämtlicher wechselseitigen Ansprüche ist wegen ihrer Streitvorbeugungs- und Bereinigungsfunktion geradezu typisch für einen Vergleich (vgl. ).

War in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren strittig, ob eine ausgesprochene Entlassung gerechtfertigt war, so lag die für einen Vergleich essenzielle Bereinigung strittiger oder zweifelhafter Rechte durch die gegenständliche Vereinbarung - in der ua eine rückwirkende einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses enthalten war - klar auf der Hand. Da auch Generalvergleiche zulässig sind und solche Vergleiche, insbesondere bei Auflösung von Dauerschuldverhältnisse dazu dienen, jene Ansprüche zu erledigen, an die die Parteien zwar nicht gedacht haben, aber hätten denken können, erwies sich insbesondere der Verzicht des Beschwerdeführers auf die Geltendmachung jeden Anspruches als ein Nachgeben auch des Beschwerdeführers ().

Ist über die Räumung eines verpachteten Betriebes ein Rechtsstreit anhängig und schließen die Streitteile vor Zustellung des letztinstanzlichen Urteiles außergerichtlich einen Vergleich , in dem sich der bisherige Pächter zur Rückstellung des Pachtgegenstandes und zur Zahlung eines Beitrages zu den Prozesskosten, der bisherige Verpächter aber zur Zahlung eines Ablösebetrages für Investitionen und Neuanschaffungen des Pächters verpflichtet, dann liegt ein einheitlich als Vergleich nach § 33 TP 20 GebG zu wertendes Rechtsgeschäft vor, das nicht in einzelne Teile aufgespalten werden kann. Es kann daher auch nicht wirksam eingewendet werden, das Geschäft stelle einen gebührenfreien Kaufvertrag über bewegliche Sachen (Investitionen und Neuanschaffungen) dar (vgl. , VwSlg 2362 F/1961).

Das Herausnehmen einzelner Punkte aus einem Vergleich ist unzulässig, weil gerade das für einen Vergleich wesentliche Nachgeben beider Teile, jeweils für sich allein betrachtet, in einem Anerkenntnis oder einem Verzicht bestehen kann, welche Rechtsinstitute für sich gesehen, der Gebührenpflicht nach § 33 TP 20 GebG nicht unterliegen, und eine solche Betrachtungsweise der zitierten Gesetzesstelle in solchen Fällen ihren Anwendungsbereich nehmen würde (vgl. ).

Im gegenständlichen Fall ist unstrittig, dass ein Vergleich vorliegt. Ebenso unstrittig ist, dass der Vergleich über bei Gericht (Arbeits- und Sozialgericht Wien) anhängige Rechtstreitigkeiten (Verfahren **1** und **2**) getroffen wurde.

Gerade der Punkt 5.) der "Auflösungsvereinbarung", wonach mit ordnungsgemäßer Erfüllung dieser Auflösungsvereinbarung sämtliche - laufende wie beendigungsabhängigen - Ansprüche aus dem Dienstverhältnis bereinigt und verglichen (Generalreinigung) sind und die Dienstnehmerin beim Arbeits- und Sozialgericht Wien in den anhängigen Verfahren ewiges Ruhen bekannt geben wird, zeigt eindeutig, dass alle in der Auflösungsvereinbarung von der Bf. versprochenen Leistungen zur Beilegung der Rechtsstreitigkeiten in den Verfahren zu **1** und **2** dient.

Die Vereinbarung gleicht insofern jener, der der Entscheidung zu Grunde lag. In diesem Verfahren war ebenfalls strittig, ob neben den "strittigen Forderungen" (dort gemäß Punkt 4 der Vereinbarung vom ) auch die "unstrittigen Ansprüche" (gemäß Punkt 3 des Vertrages) inhaltlich als Vergleich zu qualifizieren sind und damit der Gebühr gemäß § 33 TP 20 GebG unterliegen. Die damalige Bw. führte dazu aus, dass der Betrag in Höhe von € 169.121,21 niemals - weder gerichtlich noch außergerichtlich - strittig gewesen sei. Dazu hat der UFS entscheiden:

"Der Vertrag vom wurde zum Zweck der Bereinigung sämtlicher wechselseitigen Ansprüche abgeschlossen (Siehe Punkt 6.1 des Vertrages).

Die Zahlungsverpflichtung laut Punkt 6. des Vertrages bezieht sich sowohl auf die unstrittigen als auch auf die strittigen Forderungen.

Gemäß Punkt 7.1 des Vertrages sind mit vollständiger Leistung der in Punkt 6 genannten Zahlungen ausdrücklich, bedingungslos und unwiderrufbar sämtliche wechselseitigen Ansprüche und Forderungen der Parteien, seien dies Ansprüche oder Forderungen bekannt oder unbekannt, endgültig bereinigt.

Ein Vorbehalt, dass einzelne Ansprüche nicht mitverglichen werden, kann dem Vertrag nicht entnommen werde.

Insgesamt ist der Vertrag, der unbestrittenermaßen als Vergleich im Sinne des § 1380 ABGB zu qualifizieren ist, daher rechtlich als ein einheitliches Ganzes anzusehen."

Dazu kommt noch, dass in der gegenständlichen Vereinbarung der laut Punkt 1. zu zahlende Bruttobetrag von € 270.000,00 gerade nicht aufgeschlüsselt wird und die Urkunde keinen Aufschluss darüber gibt, für welche einzelnen Ansprüche der Dienstnehmerin (laufendes Entgelt, beendigungsabhängige Ansprüche wie die gesetzliche Abfertigung oder Urlaubsersatzleistung etc) der Gesamtbetrag (als ein Art Pauschalbetrag) geleistet wird. Nach dem eindeutigen Urkundeninhalt war der Gesamtbetrag von € 270.000,00 sowie die Erstattung der Verfahrenskosten iHv € 9.552,48 von der Bf. für die Bereinigung der Rechtsstreitigkeiten zu leisten.

Es war daher der Beschwerde teilweise Folgte zu geben und der angefochtene Bescheid wie bereits in der Beschwerdevorentscheidung abzuändern.

V. Zur Nichtzulassung der Revision

Nach Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht folgte in rechtlicher Hinsicht der in der Entscheidung dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und war daher die Revision nicht zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 33 TP 20 Abs. 1 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7105119.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at