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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.08.2020, RV/5100661/2020

Haftung Überrechnung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Norbert Zöls in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Grieskirchen Wels vom betreffend die Abweisung eines Antrages auf Rückzahlung eines Guthabens zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt

Mit Haftungsbescheid vom wurde der Bf vom Finanzamt Bregenz als Haftungspflichtiger gem. § 9 i.v.m §§ 80 ff. BAO für die Abgabenschuldigkeiten der Fa. GmbH im Ausmaß von 15.785,95 € in Anspruch genommen. (Die Beschwerde wurde vom BFG in der weiteren Folge mit Erkenntnis vom zu GZ. RV/1100643/2016 als unbegründet abgewiesen.)

Mit wurde beim BG Wels das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet. Der Zahlungsplan wurde nicht angenommen. Das Abschöpfungsverfahren wurde am eingeleitet. Mit Beschluss vom wurde das Schuldenregulierungsverfahren aufgehoben.

Durch die am durchgeführte Buchung der Einkommensteuerbescheide 2014 -2018 ergab sich auf dem Abgabenkonto des Beschwerdeführers beim Finanzamt Grieskirchen Wels ein Guthaben in Höhe von 4.180,63 €. Am wurde dieses Guthaben zunächst an das Finanzamt Bregenz zur dortigen Abgabenkontonummer ***1*** (lautend auf den Bf) übertragen. In der weiteren Folge wurde dieses Guthaben bereits am zur teilweisen Abdeckung der Haftungsschuld auf das Abgabenkonto der Primärschuldnerin zu StNr. ***2*** überrechnet.

Mit Schreiben vom eingelangt am beantragte der Bf die Rückzahlung des Guthabens.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag auf Rückzahlung eines Guthabens ab. So sei das Guthaben zur (teilweisen) Tilgung der anderen Abgabenschuldigkeiten verwendet worden.

In der Beschwerde vom brachte der Bf vor, dass die Schuldigkeiten in Bregenz durch eine Situation entstanden seien, die er nicht zu verantworten hätte. So habe er seinerzeit für einen "Freund" die Gesellschafterfunktion eines Gastrobetriebes übernommen, mit der Zusage, jedenfalls Schad-und klaglos gehalten zu werden. Dieses Versprechen sei leider nicht viel wert gewesen und als Strohmann habe er keinerlei Rechte und Einfluss gehabt sowie keine Einsicht und Einflussnahme in finanziellen Dingen. Die finanzielle Entschädigung sei gering gewesen. Nach einem Jahr sei ein anderer Geschäftsführer bestellt worden. Der Betrieb sei mit einem notariellen Abtretungsvertrag übergeben worden (beigelegt der Beschwerde). Erst längere Zeit im Nachhinein habe er erfahren, dass die Firma Bankrott gegangen sei und er nun für die Verbindlichkeiten und Finanzschulden zahlen solle. Er selbst habe niemals mit seiner früheren Firma Schulden beim Finanzamt gehabt und seine Abgaben immer pünktlich gezahlt. Nur durch einen Fehler der Leichtgläubigkeit habe er eine ganze Menge Schulden unschuldigerweise auf sich geladen. Dies habe ihn gezwungen einen Konkurs anzumelden (Abschöpfungsverfahren beim BG Wels am ). Auch die Verbindlichkeiten beim Finanzamt Bregenz seien hier angegeben und würden zum Teil durch das Abschöpfungsverfahren getilgt. Die Schuldenlast sei durch Firmenmisswirtschaft eines anderen entstanden; das Guthaben beim Finanzamt Wels jedoch bei dem Versuch durch geregelte Arbeit wieder ins Leben zurück zu finden. Dabei sei das Geld mehr wie knapp, zumal er zur Zeit Alleinverdiener sei und für seine Frau und seinen Sohn (2,5 Jahre) sorgen müsse. Das Guthaben bestehe zum Teil aus Kinderfreibeträgen, Alleinverdienerabsetzbetrag und Pendlereuro. Dies habe mit der Schuldenlast nichts zu tun und sei für Kinder und Fahrten zur Arbeit angedacht. Zumindest die Kinderfreibeträge sowie der Pendlereuro sollten zur Rückzahlung gelangen (1.980,00 €).

Das Finanzamt wies in der weiteren Folge die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab. So seien die Gründe, aus denen sich bei einer Einkommensteuerveranlagung eine Gutschrift ergebe (wie angeführt: Alleinverdiener, Kinderfreibeträge oder Pendlereuro), für die Beurteilung ob ein Guthabensbetrag einbehalten oder ausbezahlt werden könne, nicht von Relevanz. Die Umbuchung (Übertragung) nach § 215 Abs.1 und 2 habe zwingend zu erfolgen (kein Ermessen; Stoll, Bundesabgabenordnung, 2308; ; , 97/14/0166; -I/08; , RV/3392-W/11). Die Übertragung an das Finanzamt Bregenz sei gemäß den gesetzlichen Bestimmungen mit zurecht erfolgt. Da sich kein rückzahlbares Guthaben auf dem Abgabenkonto befunden habe, wäre das Ansuchen zwingend abzuweisen gewesen. Informativ hielt das Finanzamt unter Hinweis auf § 216 BAO noch fest, dass Meinungsverschiedenheiten betreffend die Verrechnung bzw. die Richtigkeit der Gebarung in einem Verfahren beim dortigen Amt geklärt werden müssten.

Im Vorlageantrag vom brachte der Bf ergänzend vor, das Guthaben an das Finanzamt Bregenz umzubuchen und sich damit aus der Verantwortung zu ziehen, halte er nicht als seriös. Unter normalen Umständen komme § 215 BAO zum Tragen. Bei der gegebenen Sachlage würde er sich allerdings mehr Feingefühl wünschen, so beruhe eine Entscheidung nicht nur auf Grund der gesetzlichen Grundlage, sondern hänge diese auch von den Erwägungen des entscheidenden Beamten ab. So sollten Personen, die ein anständiges Arbeitsleben geführt und Steuern bezahlt hätten und durch widrige Umstände in Not geraten seien, nicht vom Amt in Stich gelassen werden. Während Menschen aus allen Teilen der Welt, teils ohne benötigte Indentifikation und Berechtigung aufgenommen und versorgt würden. Aus dem notariellen Vertrag gehe klar hervor, dass alle Verbindlichkeiten vom Käufer übernommen werden und er diesbezüglich Schad- und klaglos gehalten werde. So könne man nicht gesetzliche Paragraphen anwenden und notariell beglaubigte Verträge ignorieren.

Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ist unstrittig. Strittig ist ob und in welchem Ausmaß die belangte Behörde eine Rückzahlung hätte durchführen müssen.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 215 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde ein Guthaben eines Abgabepflichtigen zur Tilgung fälliger Abgabenschuldigkeiten zu verwenden, die dieser Abgabepflichtige bei derselben Abgabenbehörde hat.

Gemäß § 215 Abs. 2 BAO ist das nach einer gemäß Abs. 1 erfolgten Tilgung von Schuldigkeiten verbleibende Guthaben zur Tilgung der dieser Behörde bekannten fälligen Abgabenschuldigkeiten zu verwenden, die der Abgabepflichtige bei einer anderen Abgabenbehörde hat.

Gemäß § 215 Abs. 4 BAO sind Guthaben, soweit sie nicht gemäß Abs. 1 bis 3 zu verwenden sind, nach Maßgabe der Bestimmungen des § 239 BAO zurückzuzahlen oder unter sinngemäßer Anwendung dieser Bestimmungen über Antrag des zur Verfügung über das Guthaben Berechtigten zu Gunsten eines anderen Abgabepflichtigen umzubuchen oder zu überrechnen.

Auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen kann gemäß § 239 Abs. 1 BAO die Rückzahlung von Guthaben (§ 215 Abs. 4 BAO) erfolgen.

Erwägungen

Unstrittig ist, dass auf Grund der Veranlagungen für die Jahre 2014 bis 2018 ein Guthaben in Höhe von 4.180,63 € am Abgabenkonto beim Finanzamt Grieskirchen Wels am bestand.

Bei einer Haftungsschuld ist eine Überrechnung zwingend vorzunehmen:

Bevor jedoch ein ausgewiesenes Guthaben zurückgezahlt werden kann, muss gemäß § 215 Abs. 1 und 2 BAO geprüft werden, ob dieses Guthaben für andere Abgabenschulden des Abgabepflichtigen bei derselben oder einer anderen Abgabenbehörde zu verwenden ist, wobei die Verwendung von Guthaben gemäß § 215 Abs. 1 und 2 BAO zwingend und nicht dem Ermessen der Behörde überlassen ist ().

Das Guthaben war deswegen auf das Abgabenkonto der GmbH, für deren aushaftende Abgabenschulden der Bw. mit Haftungsbescheid vom als Haftungspflichtiger gemäß § 9 Abs. 1 BAO iVm § 80 BAO und damit gemäß § 7 Abs. 1 BAO als Gesamtschuldner in Anspruch genommen wurde, zu überrechnen, weil § 215 Abs. 1 und 2 BAO auch dann anzuwenden ist, wenn ein Abgabepflichtiger auf einem Abgabenkonto über ein Guthaben verfügt und als Gesamtschuldner eine auf einem anderen Abgabenkonto gebuchte Abgabe schuldet.

Das Guthaben wurde zunächst auf das persönliche Abgabenkonto des Bf beim Finanzamt Bregenz verbucht und in der weiteren Folge zur teilweisen Abdeckung der Haftungsschuld auf das Konto der Primärschuldnerin überrechnet.

Weil die Verwendung von Guthaben gemäß § 215 Abs. 1 und 2 BAO zwingend und nicht dem Ermessen der Behörde überlassen ist (), kommen die zahlreichen Argumente des Bf, wie etwa die finanzielle Notlage, der Ermessensspielraum der Behörde, das bisherige steuerliche Verhalten, Kinderfreibetrag und Pendlereuro sowie die zivilrechtliche Vereinbarung der Schadloshaltung allesamt nicht zum Tragen.

Was den Hinweis auf das Abschöpfungsverfahren betrifft, so ist in diesem Zusammenhang festzuhalten:

Verrechnungen von Abgabenkonkursforderungen mit Gutschriften, die aus Abgabenansprüchen entstanden sind, sind grundsätzlich zulässig.

Nach der Aufhebung des Konkurses kann sich der frühere Gemeinschuldner nicht mehr auf die konkursrechtliche Aufrechnungsbeschränkung berufen (vgl. Fischerlehner in SWK 2002, S 840, mit dem Hinweis auf Schubert in Konecny/Schubert, Kommentar zu den Insolvenzgesetzen, §§ 19, 20 KO, Rz 14).

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt zwar in ständiger Rechtsprechung (zB ) die Auffassung, dass den Aufrechnungsvorschriften der IO (insbesondere §§ 19, 20) der Vorrang vor den Verrechnungsregeln der §§ 214 ff. BAO zukommt. Allerdings gilt diese Einschränkung der Aufrechnung nur während der Dauer des Konkurs-, nicht jedoch des Abschöpfungsverfahrens.

Im Abschöpfungsverfahren normiert § 206 Abs. 1 IO lediglich ein Exekutionsverbot, das aber der vorgenommenen Aufrechnung nicht im Wege stand, weil eine auf § 215 Abs. 1 BAO gestützte Verrechnung keine Exekutionsmaßnahme, sondern eine Entrichtungsform darstellt (Ritz, BAO - Kommentar4, § 211, Tz. 16). Auch das Aufrechnungsverbot des § 206 Abs. 3 IO steht einer solchen Verrechnung nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () nicht entgegen, weil es nur die Aufrechnung durch den Drittschuldner gegen von der Abtretungserklärung erfasste Bezüge untersagt.

Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Verrechnungsvornahme einerseits und jene der Gerichtsbeschlüsse über die Aufhebung des Schuldenregulierungsverfahrens () sowie über die Restschuldbefreiung (noch nicht erteilt) andererseits.

Da die jeweils eine Gutschrift ausweisenden Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2014-2018 allesamt erst nach Aufhebung des Schuldenregulierungsverfahrens, aber noch vor Erteilung der Restschuldbefreiung ergingen, unterlagen die vorgenommenen Verrechnungen mit dem aushaftenden Abgabenrückstand wohl keinem konkursrechtlichen Aufrechnungsverbot.

Zum Zeitpunkt der Antragstellung (datiert mit ; Einlangen ) wies das Abgabenkonto des Bf. bereits kein Guthaben mehr aus. Dieses wurde auf die Haftungsschuld bereits vor Antragstellung überrechnet. Maßgebend ist der Zeitpunkt der Antragstellung. Besteht, wie im beschwerdegegenständlichen Fall kein rückzahlbares Guthaben, so ist der Antrag abzuweisen (s. dazu auch Ritz, BAO, 6. Auflage, § 239 Rz 15 und 16).

Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine ordentliche Revision ist nicht zulässig, weil sie im beschwerdegegenständlichen Fall nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt und von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen wird.

zu StNr. ***3***

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 215 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.5100661.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at