Festsetzung von Selbstberechnungsabgaben (hier: Forschungsprämie): Forschungsförderungsgesllschafts-Gutachten und offensichtliche Unrichtigkeit bei der Übernahme aus Abgabenerklärung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin MMag.Dr. Ingrid Fehrer in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch HAUNSCHMIDT & PARTNER Steuerberatungs GmbH, Julius Tandler Pl 6 Tür 9, 1090 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom , betreffend Forschungsprämie gemäß § 108c EStG 1988 für 2012, zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Bisheriger Verfahrensgang
In der am elektronisch eingebrachten Beilage zur Körperschaftsteuererklärung für 2012 (E 108c) beantragte die beschwerdeführende Gesellschaft (in der Folge kurz: Bf.) eine Forschungsprämie für eigenbetriebliche Forschung und experimentelle Entwicklung in Höhe von 81.910,25 €, welche ihr am in der beantragten Höhe auf dem Abgabenkonto gutgeschrieben wurde.
Im Oktober 2015 forderte die belangte Behörde die Bf. auf, das fehlende Jahresgutachten der Forschungsförderungsgesellschaft mbH (in der Folge kurz: FFG) zu beantragen und nachzureichen.
Daraufhin beantragte die Bf. am bei der FFG die Erstellung des Jahresgutachtens für 2012.
Im Jahresgutachten 2012 vom und in der von der belangten Behörde am angeforderten Stellungnahme vom kam die FFG zu dem Ergebnis, dass die eingereichten Förderprojekte nur zum Teil "den inhaltlichen Voraussetzungen des § 108c Abs 2 Z 1 EStG 1988 zur Geltendmachung einer Forschungsprämie" entsprechen.
Mit Bescheid gemäß § 293b BAO vom (unter Verwendung des Vordrucks Verf293b) sprach die belangte Behörde folgendes aus:
"Im Bescheid vom wurde Gutschrift betreffend Forschungsprämie 2012 iHv 81.910,25 € festgesetzt. In der Ausfertigung sind folgende auf Versehen beruhende Unrichtigkeiten enthalten:
Laut Stellungnahme der Forschungsförderungsgesellschaft v. steht die Forschungsprämie 2012 nur teilweise zu, sie ist um 32% zu kürzen - siehe beiliegende Stellungnahme vom .
Der Spruch wurde gemäß § 293b BAO wie folgt berichtigt: Die Höhe der Forschungsprämie 2012 beträgt 55.698,97 €. (….)
Begründung: Die Berichtigung war gemäß § 293b BAO vorzunehmen, da - wie nach Abfertigung des Bescheides - festgestellt wurde, dass der Inhalt des Bescheidspruches durch die Übernahme offensichtlicher Unrichtigkeiten aus Abgabenerklärungen rechtswidrig ist."
Die dagegen erhobene Beschwerde vom wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde folgendes aus:
"In der Beschwerde wird ausschließlich die Zulässigkeit der Erlassung des Bescheides gerügt. Der Beschwerde ist insoweit beizupflichten, als die Prämie aufgrund des Antrags vom (Erklärung Formular E 108c) am ohne Bescheiderlassung gebucht wurde. Der Verweis auf den "Bescheid vom " im angefochtenen Bescheid vom ist daher unrichtig.
Dennoch war die Erlassung des Bescheides berechtigt. Gemäß § 201 Abs. 1 BAO kann nach Maßgabe des Abs. 2 von Amts wegen eine erstmalige Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid erfolgen, wenn sich die bekanntgegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist. Die Festsetzung kann laut Z. 5 erfolgen, wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 293b oder des § 295a die Voraussetzungen für eine Abänderung vorliegen würden.
Gemäß § 293b BAO kann die Abgabenbehörde von Amts wegen einen Bescheid insoweit berichtigen, als seine Rechtswidrigkeit auf der Übernahme offensichtlicher Unrichtigkeiten aus Abgabenerklärungen beruht. Im gegenständlichen Fall ergibt sich die Unrichtigkeit daraus, dass die Forschungsprämie 2012 mit Erklärung vom geltend gemacht wurde, obwohl ein Jahresgutachten der österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft nicht vorlag. Im nachträglich beantragten Jahresgutachten wurde festgestellt, dass die geltend gemachte Prämie um 32% zu kürzen war.
Der Festsetzungsbescheid vom ist daher den Bestimmungen des § 201 BAO entsprechend zu Recht ergangen."
Nach Eingehen des Vorlageantrages vom legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Im Vorlagebericht vom führte sie Folgendes aus:
"Nach § 108c Abs. 7 EStG ist ein vom Steuerpflichtigen bei der FFG anzuforderndes Gutachten Voraussetzung für die Gewährung einer Forschungsprämie für eigenbetriebliche Forschung und experimentelle Entwicklung. Im hier vorliegenden Fall wurde die Forschungsprämie fälschlicherweise gewährt, ohne dass die Bf. ein Gutachten der FFG vorgelegt hat. Gemäß § 201 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde bei Abgaben bei welchen die Selbstberechnung vorgesehen ist, nach Maßgabe des Abs. 2 von Amts wegen eine erstmalige Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid erfolgen, wenn sich die bekanntgegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist. Nach Abs. 2 Z 5 kann die Festsetzung erfolgen, wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 293b BAO die Voraussetzung für eine Abänderung vorliegen würden. Nach § 293b BAO kann die Abgabenbehörde auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen einen Bescheid insoweit berichtigen, als seine Rechtswidrigkeit auf der Übernahme offensichtlicher Unrichtigkeiten aus der Abgabenerklärung beruht. Die Unrichtigkeit ergibt sich im vorliegenden Fall daraus, dass die Forschungsprämie mit Erklärung vom geltend gemacht wurde, obwohl kein Gutachten der FFG vorlag. Im nachträglich beantragten Jahresgutachten wurde festgestellt, dass die geltend gemachte Prämie um 32% zu kürzen war. Somit stellt der Bescheid vom einen Festsetzungsbescheid dar, welcher den rechtlichen Vorgaben nach § 201 BAO entspricht. Dem Vorbringen, dass der angefochtene Bescheid keine ausdrückliche Zuordnung zu einer der Fallgruppen des § 201 Abs. 2 und 3 BAO enthält, ist nicht zu folgen. Sowohl aus der Überschrift als auch aus der Begründung geht unzweifelhaft hervor, dass die Festsetzung aufgrund des § 201 Abs. 2 Z 5 BAO erfolgte."
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Sachverhalt/Beweiswürdigung/Streitpunkt
Die Bf. ist ein Softwareunternehmen und betreibt Forschung.
Sie beantragte im September 2013 mit Erklärungsformular E108c die Geltendmachung einer Forschungsprämie für eigenbetriebliche Forschung und experimentelle Entwicklung. Das von der Bf. verwendete Formular "E108c-PDF-2012" enthält auf der Rückseite ("Erläuterungen") den Hinweis, dass der Steuerpflichtige die Forschungsprämie mit diesem Formular auch schon vor Anforderung des Gutachtens beantragen kann.
Im November 2013 verbuchte die belangte Behörde die Forschungsprämie auf dem Abgabenkonto der Bf. Nach Aufforderung der belangten Behörde beantragte die Bf. im November 2015 bei der FFG die Erstellung des Jahresgutachtens 2012, welches dann im Jänner 2016 vorgelegt wurde. Darin kam die FFG zu dem Ergebnis, dass die im Anforderungsschreiben der Bf. dargelegten F&E-Aktivitäten nur teilweise die inhaltlichen Voraussetzungen des § 108c EStG 1988 zur Geltendmachung einer Forschungsprämie erfüllen. Die von der belangten Behörde angeforderte Stellungnahme der FFG vom Dezember 2016 konkretisierte deren Beurteilung.
Mit Bescheid gemäß § 293b BAO vom Jänner 2017 begründete die belangte Behörde die vorliegende Unrichtigkeit der gutgeschriebenen Forschungsprämie mit der Stellungnahme der FFG vom Dezember 2016.
Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergibt sich aus den elektronisch vorgelegten Aktenteilen und wird von den Parteien nicht beeinsprucht.
Im Beschwerdefall besteht ausschließlich Streit darüber, ob die für eine Maßnahme nach § 201 Abs 2 Z 5 BAO erforderlichen Tatbestandsmerkmale gegeben waren oder nicht.
Rechtliche Grundlagen
Zur Forschungsprämie nach § 108c EStG 1988:
§ 108c EStG 1988 idgF lautet auszugsweise:
(1) Steuerpflichtige, soweit sie nicht Mitunternehmer sind, und Gesellschaften, bei denen die Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind, können Prämien geltend machen für:
- Eigenbetriebliche Forschung und Auftragsforschung im Sinne des Abs. 2 von jeweils 10% der Aufwendungen (Ausgaben). (…..).
(3) Die Prämien können erst nach Ablauf des jeweiligen Wirtschaftsjahres geltend gemacht werden, spätestens jedoch bis zum Eintritt der Rechtskraft des betreffenden Einkommensteuer-, Körperschaftsteuer- oder Feststellungsbescheides (§ 188 der Bundesabgabenordnung ).
(4) Die sich aus dem Verzeichnis ergebenden Prämien sind auf dem Abgabenkonto gut zu schreiben, es sei denn, es ist ein Bescheid gemäß § 201 BAO zu erlassen. Die Gutschrift wirkt auf den Tag der Einreichung des Verzeichnisses zurück. (….)
Sowohl die Prämien als auch Rückforderungsansprüche gelten als Abgaben vom Einkommen im Sinne der Bundesabgabenordnung und des Abgabenverwaltungsorganisationsgesetzes . Auf Gutschriften und Rückforderungen sind jene Bestimmungen der Bundesabgabenordnung anzuwenden, die für wiederkehrend zu erhebende, selbst zu berechnende Abgaben gelten. (….)
(7) Das Finanzamt kann sich bei der Beurteilung, ob die Voraussetzungen einer Forschung und experimentellen Entwicklung im Sinne des Abs. 2 Z 1 vorliegen, der Forschungsförderungsgesellschaft mbH (FFG) bedienen. Voraussetzung für die Gewährung einer Forschungsprämie für eigenbetriebliche Forschung und experimentelle Entwicklung ist ein vom Steuerpflichtigen bei der FFG anzuforderndes Gutachten (Abs. 8), welches die Beurteilung zum Gegenstand hat, inwieweit eine Forschung und experimentelle Entwicklung unter Zugrundelegung der vom Steuerpflichtigen bekanntgegebenen Informationen die Voraussetzungen des Abs. 2 Z 1 erfüllt. Liegt bereits eine diesbezügliche bescheidmäßige Bestätigung nach § 118a der Bundesabgabenordnung vor, genügt die Glaubhaftmachung, dass die durchgeführte Forschung und experimentelle Entwicklung der der Bestätigung zu Grunde gelegten entspricht oder davon nicht wesentlich abweicht.
(8) Für die Erstellung von Gutachten durch die FFG gilt Folgendes:
1. Die FFG hat Gutachten ausschließlich auf Grundlage der vom Steuerpflichtigen zur Verfügung gestellten Informationen zu erstellen und - vorbehaltlich der Z 4 - deren Richtigkeit und Vollständigkeit nicht zu beurteilen.
2. Die FFG hat in ihrem Gutachten nicht zu beurteilen, ob und in welchem Umfang Aufwendungen oder Ausgaben für Forschung und experimentelle Entwicklung Bestandteil der Bemessungsgrundlage für die Forschungsprämie sind. (….)
6. Der Steuerpflichtige hat Gutachten der FFG elektronisch anzufordern, wobei FinanzOnline als Authentifizierungsprovider zu fungieren hat. Die FFG hat Gutachten unter Bezugnahme auf die Anforderung durch den Steuerpflichtigen im Wege von FinanzOnline der Abgabenbehörde zu übermitteln und dem Steuerpflichtigen zur Einsichtnahme zur Verfügung zu stellen. (….)
Maßgeblich für den vorliegenden Beschwerdefall ist § 108c EStG 1988 in den Fassungen BGBl. I Nr. 22/2012 (1. Stabilitätsgesetz 2012) und BGBl. I Nr. 122/2012 (Abgabenänderungsgesetz 2012). Mit dem AbgÄG 2012 ergaben sich noch vor dem Inkrafttreten der Fassung des 1. StabG 2012 Neuerungen hinsichtlich der Absätze 7 und 8. Die Absätze 7 bis 9 finden gemäß § 124b Z 223 lit c EStG 1988 grundsätzlich ab der Veranlagung 2012 Anwendung. Absatz 7 erster Satz tritt abweichend davon mit in Kraft.
§ 4 der Forschungsprämienverordnung lautet:
(1) Die FFG hat zur Geltendmachung einer Forschungsprämie für eigenbetriebliche Forschung und experimentelle Entwicklung auf Anforderung des Steuerpflichtigen ein Jahresgutachten zu erstellen. Das Jahresgutachten hat sich auf alle Forschungsschwerpunkte/Forschungsprojekte und nicht forschungsschwerpunkt- oder forschungsprojektbezogen zugeordnete Investitionen zu beziehen, aus denen für die Forschungsprämie maßgebliche Aufwendungen resultieren.
(2) Das Jahresgutachten ist nach Ablauf des Wirtschaftsjahres, für das die Forschungsprämie beantragt wird, bei der FFG anzufordern. Dazu sind die Forschungsschwerpunkte/Forschungsprojekte und nicht forschungsschwerpunkt- oder forschungsprojektbezogen zugeordneten Investitionen inhaltlich genau zu umschreiben und die im Anhang III, Teil A, enthaltenen Daten und Informationen bekannt zu geben. Für ein Wirtschaftsjahr kann nur ein Jahresgutachten angefordert werden.
Das Jahresgutachten der FFG ist ein Sachverständigenbeweiseigener Art, dessen Besonderheiten in § 108c EStG 1988 sowie in der Forschungsprämienverordnung geregelt sind. Wesentlich erscheint dabei, dass der FFG bei der Erstellung des Gutachtens keine Erhebungspflichten auf Sachverhaltsebene auferlegt werden. Gegenstand des Gutachtens ist daher nur die Beurteilung der vom Steuerpflichtigen bekanntgegebenen Informationen, ohne Überprüfung auf deren Richtigkeit und Vollständigkeit.
Die tatsächlichen Verhältnisse im Sinne des § 115 Abs 1 BAO sind folglich nicht von der FFG, sondern vom Finanzamt zu ermitteln. Da das Gutachten der FFG ein Beweismittel darstellt, welches der freien Beweiswürdigung unterliegt, können allfällige Unrichtigkeiten der Abgabenerklärung erst nach entsprechender Würdigung des Gutachtens hervorkommen.
Zur Selbstberechnung einer Abgabe gemäß § 201 BAO:
Die Forschungsprämie gemäß § 108c EStG 1988 ist nach den oben zitierten Bestimmungen eine Selbstberechnungsabgabe nach § 201 BAO .
§ 201 BAO lautet:
(1) Ordnen die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen an oder gestatten sie dies, so kann nach Maßgabe des Abs. 2 und muss nach Maßgabe des Abs. 3 auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen eine erstmalige Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid erfolgen, wenn der Abgabepflichtige, obwohl er dazu verpflichtet ist, keinen selbst berechneten Betrag der Abgabenbehörde bekannt gibt oder wenn sich die bekanntgegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist.
(2) Die Festsetzung kann erfolgen,
1. von Amts wegen innerhalb eines Jahres ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages,
2. wenn der Antrag auf Festsetzung spätestens ein Jahr ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages eingebracht ist,
3. wenn kein selbstberechneter Betrag bekannt gegeben wird oder wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 303 die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegen würden,
(Anm.: Z 4 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 20/2009 )
5.wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 293b oder des § 295a die Voraussetzungen für eine Abänderung vorliegen würden.
(3) Die Festsetzung hat zu erfolgen,
1. wenn der Antrag auf Festsetzung binnen einer Frist von einem Monat ab Bekanntgabe des selbst berechneten Betrages eingebracht ist,
(Anm.: Z 2 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 70/2013 )
3. wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 295 die Voraussetzungen für eine Änderung vorliegen würden. (…)
§ 108c Abs 4 EStG 1988 sieht vor, die geltend gemachten Prämien auf dem Abgabenkonto gut zu schreiben (mit Wirkung des Tages der Antragstellung) oder einen Bescheid gemäß § 201 BAO zu erlassen. Die (allfällige) bescheidmäßige Festsetzung der Forschungsprämie nach § 108c EStG 1988 hat demnach nach § 201 BAO zu erfolgen.
Diese Bestimmung hat den Zweck, einen "Gleichklang mit der bei einem durch Bescheid abgeschlossenen Verfahren geltenden Rechtslage" herbeizuführen. Aus diesem vom Gesetzgeber statuierten Gleichklang ergibt sich auch eine Übertragbarkeit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Bescheidberichtigung nach § 293b BAO auf Festsetzungen gemäß § 201 Abs 2 Z 5 BAO ().
Bei einer Selbstbemessungsabgabe - wie hier der Forschungsprämie - bewirkt bereits die Einreichung der Erklärung (Bekanntgabe der Selbstberechnung) die Festsetzung der Abgabe. Die "Quasirechtskraft" einer solchen Festsetzung durch Erklärung wird allerdings durch die bescheidmäßige Festsetzung der Abgabe durchbrochen. Eine derartige Durchbrechung der "Quasirechtskraft" kann aber nur unter den Voraussetzungen und im Rahmen der Fristen des § 201 BAO erfolgen ().
Festsetzungsbescheide gemäß § 201 BAO sind Abgabenbescheide ( ; , 2005/15/0035 ). Sie haben daher im Spruch jene Bestandteile zu enthalten, die sich aus den §§ 93 Abs 2 und 198 Abs 2 ergeben. Solche Bescheide haben die gesamte Abgabe festzusetzen und nicht nur die Abgabenhöhe (Nachforderung), um die sich die Selbstberechnung als zu niedrig erweist ( ; , 2007/13/0065 ; , 2011/16/0206 ; , 2010/16/0030 ).
Zur sinngemäßen Anwendung der Bescheidberichtigung nach § 293b BAO:
Nach § 293b BAO kann die Abgabenbehörde auf Antrag einer Partei (§ 78) oder von Amts wegen einen Bescheid insoweit berichtigen, als seine Rechtswidrigkeit auf der Übernahme offensichtlicher Unrichtigkeiten aus Abgabenerklärungen beruht.
§ 201 Abs 2 Z 5 BAO sieht die sinngemäße Anwendung des § 293b BAO vor, wenn die Voraussetzungen für eine Berichtigung vorliegen. Die sinngemäße Anwendung des § 293b bedeutet, dass an Stelle der Übernahme der Unrichtigkeit in den Bescheid, die Übernahme durch Verbuchung des bekannt gegebenen Selbstberechnungsbetrages tritt. Sie setzt u.a. voraus, dass die offensichtliche Unrichtigkeit aus einer Abgabenerklärung übernommen wurde. Weiters hat die sinngemäße Anwendung zur Folge, dass der Abgabenbescheid nur hinsichtlich der offensichtlichen Unrichtigkeit vom Ergebnis der Selbstberechnung abweichen darf (Ritz, SWK 2006, 83f; Ritz, BAO -Kommentar6, 712).
Bei auf § 293b gestützten Berichtigungen hat der Bescheid in der Begründung darzulegen, aus welchem Grund eine Berichtigung vorzunehmen war. Die Angabe des Berichtigungsgrundes ist auch deshalb bedeutsam, weil der von der Abgabenbehörde verwendete Berichtigungsgrund im Beschwerdeverfahren nicht ausgetauscht werden kann ( ; Ritz, BAO -Kommentar6, 1124). Die Berechtigung zur Bescheidberichtigung ist anhand der vom Finanzamt verwendeten Berichtigungsgründe zu prüfen; d.h. der vom Finanzamt verwendete Berichtigungsgrund ist nicht durch einen anderen, vom Finanzamt nicht verwendeten Berichtigungsgrund ersetzbar. Aus diesem Grund liegt ein im Beschwerdeverfahren sanierbarer Begründungsmangel nicht vor, wenn ein allenfalls vorhandener Berichtigungsgrund nicht im Begründungsteil eines Berichtigungsbescheides angeführt wird.
Die (erstmalige) Festsetzung der Selbstberechnungsabgabe liegt im Ermessen der Abgabenbehörde. Für die Ermessensübung bei sinngemäßer Anwendung des § 293b BAO sind dieselben Grundsätze wie für Berichtigungen gemäß § 293b BAO maßgebend.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (zB , Ro 2014/15/0015) ist für die Befugnis der Abgabenbehörde zur Berichtigung nach § 293b BAO entscheidend, dass die Abgabenbehörde den Inhalt einer Abgabenerklärung übernimmt, dem eine offensichtliche Unrichtigkeit zugrunde liegt. Die Unrichtigkeit muss daher aus der Abgabenerklärung selbst oder aus ihr in Verbindung mit der übrigen Aktenlage erkennbar sein (). Bloße Zweifel an der Richtigkeit der Abgabenerklärung - mögen sie auch berechtigt sein - stellen noch keine offenkundige Unrichtigkeit dar (; , 2007/15/0098).
Die Unrichtigkeit kann sowohl in einer unzutreffenden Rechtsauffassung als auch in einer in sich widersprüchlichen oder eindeutig gegen menschliches Erfahrungsgut sprechenden Sachverhaltsdarstellung zum Ausdruck kommen (VwGH, , 99/15/0255 ).
Eine Unrichtigkeit ist offensichtlich, wenn sie ohne nähere Untersuchungen im Rechtsbereich und ohne Ermittlungen im Tatsachenbereich deutlich erkennbar ist (Stoll, BAO , 2831; ; , 95/13/0124 ; , 2003/15/0110 ; , 2003/15/0049 ). Die Übernahme einer offensichtlichen Unrichtigkeit liegt vor, wenn die Abgabenbehörde bei ordnungsmäßiger Prüfung der Abgabenerklärung die Unrichtigkeit hätte erkennen müssen, ohne ein weiteres Ermittlungsverfahren durchzuführen ( ; , 2004/15/0126 ; , 2001/13/0235 ; , 2007/15/0098 ; , 2010/15/0202 ; , 2011/15/0107 ; , Ro 2014/15/0015 ). Ist die Unrichtigkeit jedoch erst im Wege eines über die Bedachtnahme auf die Aktenlage hinausgehenden Ermittlungsverfahrens erkennbar, so ist sie nicht gemäß § 293b beseitigbar (Ritz, ÖStZ 1990, 181; ; , 2002/13/0071 ; , 2004/15/0126 ; , 2007/15/0098 ).
Nicht entscheidend ist, ob die Übernahme der Unrichtigkeit auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen ist. Auf das Ausmaß der Aufmerksamkeit oder Vernachlässigung der gebotenen Sorgfalt Behörde kommt es nicht an ( ).
Erwägungen
Zur Bescheidgestaltung:
Entgegen der Ansicht der Bf. erfordert § 201 BAO nicht, dass im Spruch des Bescheides zum Ausdruck gebracht wird, auf welchen konkreten Tatbestand des § 201 BAO der Bescheid gestützt ist ( ; , Ro 2016/16/0004 ). Dies muss aber (zumindest) aus der Begründung hervorgehen. Eine allenfalls mangelhafte Begründung kann vom Bundesfinanzgericht ergänzt, aber nicht ausgetauscht werden ( ). Bei auf § 201 Abs 2 Z 5 gestützten Festsetzungen hat der Bescheid in der Begründung darzulegen, aus welchem Grund eine Berichtigung nach § 293b BAO vorzunehmen war.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom wurde unter Hinweis auf § 293b BAO ausgesprochen, dass die Forschungsprämie für 2012 in Höhe von 55.698,97 € festgesetzt wird. Dass die Festsetzung auf Grundlage des § 201 Abs 2 Z 5 BAO , nämlich in sinngemäßer Anwendung des § 293b BAO , erfolgte, ergibt sich nach Ansicht des erkennenden Gerichts aus der Begründung, auch wenn der konkrete Tatbestand nicht ausdrücklich genannt wird. Begründend wird auf die Stellungnahme der FFG vom verwiesen. Damit enthält der Bescheid alle essentiellen Spruchbestandteile.
Zur Bescheidberichtigung nach § 201 Abs 2 Z 5 BAO:
Eine bescheidmäßige Festsetzung der Forschungsprämie ist nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 201 BAO zulässig. Die belangte Behörde hat zur Herstellung eines rechtsrichtigen Zustandes den Tatbestand des § 201 Abs 2 Z 5 BAO herangezogen. Das Bundesfinanzgericht hat daher im Beschwerdefall (nur) die Rechtmäßigkeit der Bescheidberichtigung nach Abs 2 Z 5 dieser Bestimmung zu prüfen ().
Gemäß § 279 Abs 2 BAO hat das Bundesfinanzgericht außer in hier nicht interessierenden Fällen des Absatzes 1, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Bei einer Beschwerde gegen eine Berichtigung nach § 293b BAO ist die Sache, über welche das Bundesfinanzgericht gemäß § 279 Abs 2 BAO zu entscheiden hat, ob die Berichtigung aus den vom Finanzamt herangezogenen Gründen tatbestandsmäßig ist. Ob eine Berichtigung nach § 293b BAO idgF zulässig ist oder nicht, ist folglich anhand des vom Finanzamt verwendeten Berichtigungsgrundes zu beurteilen.
Die Bf. hat am , unter Verwendung des Formulars E108c die Forschungsprämie in Höhe von 81.910,25 € beantragt. Dabei hat sie den im Formular vorgedruckten Text ("Ich beantrage für eigenbetriebliche F & E des angeführten Veranlagungszeitraumes eine Forschungsprämie in Höhe von") verwendet und keine weiteren zusätzlichen Angaben zu den Forschungsaufwendungen gemacht. Die elektronisch vorgelegten Aktenteile lassen weder die konkrete Berechnung der Prämie erkennen noch geht daraus deren Unrichtigkeit hervor.
Die beantragte Forschungsprämie wurde der Bf. am erklärungsgemäß gutgeschrieben. Zu diesem Zeitpunkt lagen weder ein Gutachten noch eine Stellungnahme der FFG vor. Die belangte Behörde konnte daher noch keine Kenntnis darüber haben, ob die Forschungsprämie in der beantragten und gutgeschriebenen Höhe den Anforderungen des § 108c EStG 1988 entsprochen hat. Die Anforderung und die Erstellung des Jahresgutachtens erfolgten erst nachträglich, nämlich am und am . Die Stellungnahme wurde am angefordert und am verfasst.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom setzte die belangte Behörde die Forschungsprämie mit einem niedrigeren Betrag fest, weil sich die bekanntgegebene Selbstberechnung auf Grund der Stellungnahme der FFG vom als nicht richtig erwiesen habe.
Die Beschwerdevorentscheidung vom wurde u.a. damit begründet, dass die Bf. die Prämie geltend gemacht habe, ohne dass ein Gutachten vorgelegen sei.
Dem ist zu entgegnen, dass das Vorliegen eines Gutachtens des FFG (§ 108c Abs 7 und 8; § 4 Forschungsprämienverordnung), welches der Steuerpflichtige anzufordern hat, zwar Voraussetzung für die Gewährung der Prämie ab dem Wirtschaftsjahr 2012 ist, die Anforderung des Gutachtens bei der FFG einerseits und die Beantragung der Prämie andererseits jedoch zeitlich unabhängig voneinander erfolgen können. Das bedeutet, dass die Forschungsprämie mit dem Formular "E108c" - so wie im Beschwerdefall geschehen - zur Wahrung der Frist für die Antragstellung, zeitlich schon vor Anforderung des Gutachtens beantragt werden kann (siehe die im Formular "E108c-PDF-2012" angeführten Erläuterungen). Die Vorgehensweise der Bf. steht folglich im Einklang mit der Verwaltungspraxis (siehe dazu auch EStRL Rz 8208a, 8208k).
Die belangte Behörde verwendete im angefochtenen Bescheid als Berichtigungsgrund die Stellungnahme der FFG vom . Hierzu ist festzuhalten, dass im Zeitpunkt der Verbuchung der Forschungsprämie auf dem Abgabenkonto (), der von der belangten Behörde verwendete Berichtigungsgrund nicht existiert hat. Die Existenz des Berichtigungsgrundes zum Zeitpunkt der Übernahme durch Verbuchung des bekanntgegebenen Selbstberechnungsbetrages auf dem Abgabenkonto der Bf. ist aber die Voraussetzung dafür, dass die auf diesen Berichtigungsgrund gestützte Berichtigung zulässig ist. Existiert nämlich der Berichtigungsgrund nicht zu diesem Zeitpunkt, ist auch nicht mittels dieses Berichtigungsgrundes feststellbar, dass offensichtliche Unrichtigkeiten aus Abgabenerklärungen übernommen worden sind ().
Die Tatsachenfeststellung der Unrichtigkeit der Berechnung der Prämie war somit weder aus der Aktenlage noch aus der Erklärung erkennbar. Wenn die belangte Behörde die Abgabenerklärung sorgfältig geprüft hätte, hätte sie nur erkennen können, dass das erforderliche Jahresgutachten noch nicht vorgelegen ist, was aber per se keine Rechtswidrigkeit begründet.
Die Feststellung, dass die Höhe der Forschungsprämie offensichtlich unrichtig und somit um 32% zu kürzen gewesen wäre, hatte die belangte Behörde zu diesem Zeitpunkt jedenfalls nicht treffen können, weil weder das der freien Beweiswürdigung unterliegende Jahresgutachten noch die Stellungnahme der FFG vorgelegen sind. Ebenso gut hätte das Gutachten der FFG nämlich auch ergeben können, dass sämtliche Voraussetzungen des § 108c EStG 1988 gegeben sind. Eine abschließende Entscheidung auf Sachverhaltsebene hatte die belangte Behörde daher zweifelsfrei erst nach Einlangen des Gutachtes und der Stellungnahme treffen können.
Im Lichte obiger Ausführungen ist somit zusammenfassend festzuhalten, dass die vorliegende Unrichtigkeit nicht offensichtlich gewesen war. Daraus folgt, dass eine Beseitigung der Unrichtigkeit unter Anwendung des § 201 Abs 2 Z 5 BAO nicht zulässig und der Bescheid vom aufzuheben war.
Zur Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Bundesfinanzgericht ist bei der Beurteilung der Frage, ob eine Bescheidberichtigung gemäß § 201 Abs 2 Z 5 BAO zulässig war, der in der Entscheidung angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gefolgt, Es lag damit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor und die Revision war nicht zuzulassen.
Insgesamt war spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 108c EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 201 Abs. 2 Z 5 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7103421.2017 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at