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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 02.06.2020, RV/7102083/2020

Zeitpunkt der Betriebseröffnung bei Berufspiloten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Gabriele Krafft in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch APEX-Wirtschaftstreuhand Gesellschaft m.b.H., Hietzinger Hauptstraße 22/1/101, 1130 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Baden Mödling vom betreffend Einkommensteuer 2016 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

  1. Der Beschwerde wird teilweise stattgegeben, der angefochtene Bescheid wird abgeändert. Die Einkommensteuer 2016 wird mit - 963,00 € festgesetzt.

  2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Bescheid vom erließ die belangte Behörde (FA) im Rahmen einer antragslosen Arbeitnehmerveranlagung an ***Bf1*** (Beschwerdeführer, Bf.) einen Einkommensteuerbescheid für 2017 mit einer Gutschrift von -241,00 €.
Im Wege von Finanz-Online (FON) beantragte die steuerliche Vertretung am die Verlängerung der Beschwerdefrist betreffend diesen Bescheid bis .

Mit Schreiben vom übermittelte die steuerliche Vertretung die Beschwerde und übermittelte eine Einkommensteuererklärung mit welcher neben Einkünften aus nicht selbständiger Arbeit (nsA) Verluste aus Gewerbebetrieb von -1.811,14 € sowie Verlustvorträge aus 2014 und 2015 von -60.159,02 € geltend gemacht wurden.

Überdies reichte der Bf. am Steuererklärungen Einkommensteuer (E) 2014 und E 2015 ein.

Mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom wies das FA die Beschwerde als unbegründet ab und verwies zur Begründung auf einen - am erlassenen - Feststellungsbescheid gemäß § 92 BAO mit welchem für 2012 - 2015 festgestellt wurde, dass seitens des Bf. keine Unternehmereigenschaft gegeben sei. Überdies erließ das FA am selben Tag () betreffend E 2014 und E 2015 Erstbescheide, mit welchen die in den Erklärungen E 2014 und E 2015 geltend gemachten Verluste aus Gewerbebetrieb nicht anerkannt wurden (Anmerkung der Richterin: Die Kosten der Pilotenausbildung wurden im Bescheid E 2014 als Werbungskosten berücksichtigt).

Mit Eingabe vom beantragte der Bf. eine Fristverlängerung für die Beschwerden gegen die Einkommensteuerbescheide 2014-2016, wobei dieses Ansuchen hinsichtlich 2016 als Fristverlängerungsansuchen für den Vorlageantrag gewertet wurde (BVE vom ).

Mit Schriftsätzen vom erhob der Bf. Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide vom und verwies auf sein Vorbringen zu der am selben Tag eingebrachten Beschwerde gegen den Feststellungsbescheid gemäß § 92 BAO.

Da für E 2016 bereits eine BVE ergangen war, wurde die "Beschwerde Einkommensteuer 2016" zutreffend als Vorlageantrag zur BVE E 2016 vom gewertet.

Über die Beschwerden betreffend E 2014 und E 2015 entschied das FA mit abweisenden BVE vom .

Mit Antrag vom beantragte der Bf. eine Fristverlängerung zur Einbringung des Vorlageantrages wobei - offenbar irrtümlich - auch eine Fristverlängerung für den Vorlageantrag E 2016 beantragt wurde. Diesbezüglich war aber bereits am die Vorlage beantragt worden (dort irrtümlich als Beschwerde bezeichnet).

Betreffend E 2014 und E 2015 wurde laut elektronischem Akt und Akteninhalt des Papieraktes kein Vorlageantrag eingebracht. Die Beschwerde betreffend E 2016 wurde entsprechend dem Vorlageantrag vom am dem Bundesfinanzgericht (BFG) zur Entscheidung vorgelegt.

Der Vorlageantrag vom bezieht sich ausdrücklich auf den Feststellungsbescheid gemäß § 92 Abs. 1 lit. c BAO vom .

Mehrfache Rückfragen der Richterin beim FA ergaben, dass keine weiteren Vorlageanträge eingebracht worden waren.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Aus dem elektronischen Akt und den übermittelten Unterlagen ist folgender Verfahrensablauf ersichtlich:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
E 2014
E 2015
E 2016
Erstbescheid
Fristantrag
Beschwerde
BVE
Fristantrag
Vorlageantrag
kein
kein

Da betreffend E 2014 und E 2015 kein Vorlageantrag eingebracht wurde, sind die Beschwerdevorentscheidungen (BVE) vom über die Beschwerden vom betreffend E 2014 und 2015 in Rechtskraft erwachsen.

In den Jahren 2014 und 2015 wurden sohin laut den rechtskräftigen Bescheiden bzw. BVE keine negativen Einkünfte aus betrieblichen Einkunftsarten erwirtschaftet.

Hinsichtlich E 2016 ist der als Beschwerde bezeichnete Schriftsatz vom als Vorlageantrag zu werten, welcher eine Entscheidung durch das BFG zugänglich ist.

Ab Dezember 2016 war der Bf. laut den von ihm vorgelegten Unterlagen als freiberuflicher Pilot tätig und erzielte für die Tätigkeit als Co-Pilot für ein Bedarfsflugunternehmen laut Honorarnote Einnahmen von 500 €. Er bot nach seinen eigenen glaubwürdigen Aussagen seine Leistungen verschiedenen Bedarfsflugunternehmen an, konnte aber aufgrund seiner noch geringen Bekanntheit nur einen einzigen Auftrag - über Empfehlung seines ehemaligen Fluglehrers - erlangen. Zudem war er ab Februar 2016 in einem Vollzeitdienstverhältnis angestellt. Ab übte er unter der GISA Zahl ***1111111*** seine gewerbliche Tätigkeit aus.

Vor August 2016 war der Bf. mangels Vorliegens der erforderlichen Prüfung zum Berufspiloten nicht berechtigt diese Tätigkeit auszuüben. Das ist aus den Unterlagen des Bf. insofern ersichtlich, als am der Prüfungsflug stattgefunden haben dürfte (Rechnung Th. ***3*** Flug für Prüfung). Nach Absolvierung der Prüfung bedarf es einiger Tage bis die Lizenzen von der zuständigen Behörde ausgestellt und zur Verwendung freigeschaltet werden. Aus den vom Bf. gesetzten Handlungen konnte bis zur ersten tatsächlichen Ausübung seiner Tätigkeit am für Dritte in keiner Weise erkennbar werden, dass er die Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit als Berufspilot überhaupt plante. Die Absolverierung einer derartigen Ausbildung ist kein Hinweis auf die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit zumal Berufspiloten ihre Tätigkeit in der Regel im Rahmen eines Dienstverhältnisses ausüben. Aus der Sicht der BFG ist der frühestmögliche Zeitpunkt der Betriebseröffnung daher im gegenständlichen Fall mit Annahme des ersten Auftrages anzusetzen. Vor diesem Zeitpunkt sind keine nach außen gerichteten Tätigkeiten ersichtlich, die eindeutig auf die Eröffnung eines Betriebes gerichtet waren.

Aus den vorgelegten Unterlagen ist ersichtlich, dass die als Fortbildung geltend gemachten Aufwendungen sämtlich vor anfielen. Hinsichtlich der angesetzten Fahrtkosten (117,44 €), geht das BFG aufgrund der Höhe der Beträge und der Entfernung zwischen Wohnort und Flughafen davon aus, dass diese die An- und Abreise zum Flughafen Linz für den von ihm verrechneten Flug von und nach Linz am und darstellen.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

Gemäß § 18 Abs. 6 EStG 1988 idF BGBl I 117/2016 sind als Sonderausgaben auch Verluste abzuziehen, die in einem vorangegangenen Jahr entstanden sind (Verlustabzug). Dies gilt nur, wenn die Verluste durch ordnungsmäßige Buchführung oder bei Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 ermitteln, durch ordnungsgemäße Einnahmen-Ausgaben-Rechnung, ermittelt worden sind und soweit die Verluste nicht bereits bei der Veranlagung für die vorangegangenen Kalenderjahre berücksichtigt wurden.

Die Höhe des abzugsfähigen Verlustes ergibt sich grundsätzlich aus der Veranlagung des Verlustjahres (​Renner in Doralt EStG, § 18 Rz 302 ff). Damit wird der Verlustabzug der Höhe nach mit Bindung für die Folgejahre rechtskräftig festgestellt ( 931/77; , 94/13/0011; , ​2012/15/0038; ​RV/5101210/2011; ​EStR 2000 Rz 4533). Der Ausspruch eines Verlustes im ESt-Bescheid wirkt auf ein späteres Verlustabzugsverfahren derart ein, dass der ursprüngliche Verlustausspruch für den nachfolgenden Verlustvortrag betragsmäßig verbindlich wird ( ​2006/15/0026; ​2012/15/0038; Renner in Doralt EStG, § 18 Rz 297).

Da im gegenständlichen Fall in den Einkommensteuerbescheiden für 2014 und 2015 keine Verluste aus betrieblichen Einkünften aufscheinen, kommt ein Verlustabzug 2016 daher nicht in Betracht und der Beschwerde kommt in diesem Punkt keine Berechtigung zu.

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Nach § 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 fallen darunter auch Aufwendungen für Aus- und Fortbildungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der vom Steuerpflichtigen ausgeübten oder einer damit verwandten beruflichen Tätigkeit und Aufwendungen für umfassende Umschulungsmaßnahmen, die auf eine tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes abzielen.

Nach § 4 Abs. 4 EStG 1988 sind Betriebsausgaben Aufwendungen oder Ausgaben, die durch den Betrieb veranlasst sind.

Eine betriebliche Tätigkeit liegt bereits in der Vorbereitungsphase, sohin vor Erzielung der ersten Einnahmen vor, wenn sich der innere Entschluss eines Steuerpflichtigen zur Aufnahme der werbenden Betätigung durch entsprechende Handlungen dokumentiert und der Steuerpflichtige zielstrebig auf die Betriebseröffnung hinarbeitet ( ​2007/15/0134). Bei einer über einige Jahre hinausgehenden Vorbereitungsphase ist dabei besonderes Gewicht darauf zu legen sein, dass auf Grund der bereits gesetzten Handlungen die eindeutige Absicht der künftigen Betriebseröffnung erweislich ist ( ​2001/14/0086).

​Aufwendungen vor Beginn der betrieblichen Tätigkeit können Betriebsausgaben sein, wenn die Eröffnung eines Gewinnbetriebes tatsächlich beabsichtigt ist (). Die bloße Möglichkeit der späteren Verwendung eines Wirtschaftsgutes oder Ausgabe für Betriebszwecke reicht hingegen nicht aus ( 69/72). Aufwendungen zur Erzielung künftiger Betriebseinnahmen sind nur dann Betriebsausgaben, wenn ein ausreichender Zusammenhang mit den künftigen Betriebseinnahmen besteht ( ​82/14/0150; ​95/14/0134; ​2007/15/0134). Erfolgt der Entschluss zur Betriebseröffnung, nachdem Aufwendungen getätigt worden sind, werden diese dadurch nicht betrieblich ( ​RV/0096-L/06 ).

Aus dem Verhalten des Bf. konnte - wie oben festgestellt - in keiner Weise erkannt werden, dass er bereits bei Beginn seiner Ausbildung zum Berufspiloten die Ausübung dieser Tätigkeit als "Freelancer" geplant hatte. Der entsprechende Nachweis wäre dem Bf. oblegen, konnte aber nicht erbracht werden.

Sämtliche Ausgaben der Ausbildung zum Berufspiloten im Jahr 2016 im Betrag von 2.193,70 € sind daher - weil sämtlich vor Betriebseröffnung am angefallen - als Ausbildungskosten (Umschulungskosten) im Rahmen der Werbungskosten aus nicht selbständiger Arbeit abzugsfähig. ​ ​

Ab - also ab Betriebseröffnung - stellen die weiteren Fortbildungskosten Betriebsausgaben iSd § 4 Abs. 4 EStG 1988 dar. Solche liegen aber laut den vorgelegten Unterlagen nicht vor. Es verbleiben daher lediglich die geltend gemachten Fahrtkosten von 117,44 € als Betriebsausgaben. Der Gewinn aus Gewerbebetrieb beträgt daher 382,56 €.

Sind im Einkommen lohnsteuerpflichtige Einkünfte enthalten, ist nach § 41 Abs. 3 EStG 1988 von den anderen Einkünften (hier Einkünfte aus Gewerbebetrieb) bis zu 730 € abzuziehen. Im gegenständlichen Fall beträgt der Veranlagungsfreibetrag gemäß § 41 (3) EStG 382,56 €

Die Einkommensteuer 2016 ist daher wie folgt zu berechnen:


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Einkünfte Gewerbebetrieb
€ 382,56
Freibetrag § 41 Abs. 3
-€ 382,56
Einkünfte Gewerbebetrieb
€ 0,00
Einkünfte nicht selbtständige Arbeit
Magistrat ***1*** lt. LZ
€ 2.966,20
***2*** lt. LZ
€ 25.415,10
§ 3 (2) Kontrollrechnung lt. Bescheid
€ 1.052,76
Werbungskosten lt. Erkenntnis
-€ 2.193,70
Gesamtbetrag Einkünfte
€ 27.240,36
Sonderausgabenpauschale
-€ 60,00
Einkommen
27.180,36
Einkommensteuer
0% für die ersten 11.000 €
€ 0,00
25% für die weiteren 7.000€
€ 1.750,00
35% für die restlichen 9.180,36 €
€ 3.213,13
Steuer vor Absetzbeträgen
€ 4.963,13
Verkehrsabsetzbetrag
-€ 400,00
Steuer nach Absetzbeträgen
€ 4.563,13
Steuer für die sonstigen Bezüge lt. Bescheid
€ 229,51
Einkommensteuer gesamt
4.792,64
anrechenbare Lohnsteuer
-€ 5.755,26
Rundung
-€ 0,38
Abgabengutschrift
-€ 963,00

2.2 Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine grundsätzliche Rechtsfrage liegt hier schon deshalb nicht vor, da die Frage des Vorliegens von abzugsfähigen Betriebsausgaben für die Ausbildung maßgeblich vom Nachweis der geplanten Betriebseröffnung abhängt und die Beurteilung dieser Frage ein Sachverhaltsthema und keine Rechtsfrage darstellt. Die rechtlichen Folgen des festgestellten Sachverhaltes ergeben sich unmittelbar aus dem Gesetz.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7102083.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at