Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 05.06.2020, RV/7102360/2020

Familienbeihilfe - Rückforderung bei Aufenthalt in Brasilien

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Wolfgang Pavlik über die Beschwerde des Bf., Adresse, vom , gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf vom über die Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für die Kinder Sohn 1 Bf. und Sohn 2 Bf. für den Zeitraum September 2017 - März 2018, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG ) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Aufgrund eines anonymen Anrufes beim Finanzamt (FA) am (der Familienbeihilfenbezieher [Beschwerdeführer] und seine Kinder würden sich in Brasilien aufhalten) mit der Ankündigung einer schriftlichen Anzeige wurde der Familienbeihilfenbezug vom FA eingestellt.
Nachdem die schriftliche Anzeige nicht einlangte, wurde im April 2018 ein Anspruchsüberprüfungsschreiben ausgelöst.
Zeitlich überschneidend wurde vom Beschwerdeführer (Bf) am per Finanz Online die ausbleibende Familienbeihilfe urgiert.
Am beantragte der Bf per Finanz Online die Familienbeihilfe für die Kinder Sohn 1 Bf., geb. 2011 und Sohn 2 Bf., geb. 2012.
Das FA forderte mit Ergänzungsersuchen vom vom Bf Nachweise, dass er mit seiner Familie weiterhin in Österreich lebe.
Mit Schreiben vom erinnerte das FA den Bf an die Beantwortung des Ergänzungsersuchens.
Da der Bf die Schreiben des FA nicht beantwortete, wurde er mit 2. Erinnerung vom noch einmal dazu aufgefordert.

Am brachte der Bf per E-Mail vor, er würde mit seiner Familie in Österreich leben; alle Familienmitglieder seien in der Wohnung in Wien 2345, X-Gasse hauptgemeldet. Der Bf befinde sich bis Ende Oktober in Weiterbildung und deswegen temporär im Ausland. Sein Sohn Sohn 1 besuche dort eine Privatschule. Sein Sohn Sohn 2 besuche keinen Kindergarten, das verpflichtende Kindergartenjahr beginne im September 2018.
Der Bf legte mit diesem Schreiben verschiedene Unterlagen vor, so
- einen Aufenthaltstitel seiner Gattin XY, einer brasilianischen Staatsbürgerin, für das Bundesgebiet
- den freien Zugang seiner Gattin zum Arbeitsmarkt
- den Impfpass von Sohn 1, wonach dieser am , , , , und von einem Kinderarzt in Wien geimpft worden war
- den Impfpass von Sohn 2, wonach dieser am , , , , , , , , 16.12.202, , , und von einem Kinderarzt in Wien geimpft worden war
- den Mutter-Kind Pass betreffend Sohn 2 vom AKH in Wien mit der letzten Eintragung vom
- den Mutter-Kind Pass betreffend Sohn 1 vom AKH in Wien mit der letzten Eintragung vom
Mit Schreiben vom forderte das FA den Bf auf, weitere Unterlagen vorzulegen, wie Kindergartenbestätigungen, Angaben und Bestätigungen zur Weiterbildung des Bf und seiner Gattin, und fragte den Bf, warum die Ausbildung in Brasilien absolviert werde.

Am brachte der Bf ergänzend per E-Mail vor, er lege weitere Nachweise vor, und zwar
- Nachweis Aufenthaltstitel (hoffentlich jetzt lesbar)
- FB-Verzichtserklärung seiner Frau
- Kindergartenbestätigung betreffend Abmeldung zur Häuslichen Erziehung ab 9/2018 betreffend Sohn 2
- Kindergartenbestätigungen für Sohn 1 und Sohn 2 2014-2017
- Schulbestätigung/Zeugnis - wie bereits in der vorigen Email geschrieben - gäbe es sie nur von Brasilien, wo das Schuljahr im Februar beginne, beide Abschnittszeugnisse (2 von 4) von Sohn 1 seien anbei
- Angaben und Bestätigung zur Weiterbildung- AMS Bestätigungen seien anbei. Die Weiterbildung in Brasilien habe sich beim Bf aufgrund eines portugiesisch Sprachkurses vor Ort ergeben. Bei seiner Frau sei es der Hochschulzugang den sie in Österreich nicht habe. Es gäbe diesbezüglich keine Einschränkungen vom AMS wo die Weiterbildung stattfinde und die Voraussetzungen/Bedingungen dafür seien von ihm und seiner Gattin erfüllt worden
Ergänzend gab der Bf an, dass die Ausbildungskosten seiner beiden Söhne in Brasilien die Österreichische Familienbeihilfe übersteige und er und seine Familie diese Unterstützung aufgrund ihres niedrigen Weiterbildungsentgelts/Einkommens dringend benötigen würden. Der Bf könne Nachweise über die Ausbildungskosten schicken.
Die angeführten Unterlagen waren beigelegt. Demnach wurden letztmalig 2017 Essensbeiträge für den Besuch der Kinder in Wiener Kindergärten geleistet. Demnach besuchte Sohn 1 2018 in Brasilien die Schule. Demnach wurde Sohn 2 vom verpflichtenden Kindergartenjahr in Wien für den Zeitraum - zum häuslichen Unterricht abgemeldet, da sich die Familie temporär in Brasilien befinde.
Auf Anfrage des FA vom gab die MA 6 folgende Kindergartenbetreuungszeiten für die Kinder des Bf bekannt:
Für Sohn 1 Bf.:
September 2014 - November 2014
März 2015 - Februar 2016
April 2016 - September 2016
Dezember 2016 - Februar 2017
Juli 2017 - August 2017
Für Sohn 2 Bf.:
Jänner 2016 - Februar 2016
April 2016 - Februar2017
Juli 2017 - August 2017
Der Bf urgierte mehrmals die Bearbeitung seines Anbringens.

Mit Bescheid vom forderte das FA die Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für Sohn 1 und Sohn 2 für den Zeitraum September 2017 - März 2018 als zu Unrecht bezogen zurück und führte in der Begründung i.w. aus, Personen hätten nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen im Bundesgebiet haben und sich die Kinder ständig im Bundesgebiet aufhalten.

In der Beschwerde vom brachte der Bf i.w. vor, er habe einen Wohnsitz in Wien 2345, X-Gasse. Im Ausland habe er keinen Wohnsitz. Der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen und der seiner Familie befinde sich im Inland. Die Familie sei in der genannten Wohnung hauptgemeldet. Seine Gattin sei zur Zeit karenziert und beziehe Weiterbildungsgeld vom AMS, auch der Bf sei bis karenziert gewesen und sei seit arbeitslos gemeldet. Durch den Wohnsitz der Familie in Wien und der wirtschaftlichen Beziehung sei die Familie eng mit Österreich verbunden.

Im weiteren FB-Verfahren am FA (Ersuchen um Ergänzung vom ; Nachweise, wann die Familie wieder in Wien lebe) geht aus den vorgelegten Boarding Pässen hervor, dass Sohn 1 und Sohn 2 am von Lissabon nach Wien gereist waren; seit September 2019 besuchen sie eine Volksschule in Wien.
Aus einer ZMR-Abfrage des FA geht hervor, dass der Bf von - mit einem Hauptwohnsitz in Wien 2345, X-Gasse (Unterkunftgeber DE Bf.) gemeldet war und seitdem den Hauptwohnsitz in Wien 6789, gemeldet hat.
Weiters geht aus einer vom FA durchgeführten Abfrage hervor, dass der Bf vom - Notstandshilfe bezog, bis vom - bei der Bf. GmbH angestellt war, vom - Arbeitslosengeld bezog, vom - Weiterbildungsgeld vom AMS bezog, und seit bei der ABC AG angestellt ist.
Die Gattin des Bf bezog vom - Notstandshilfe, vom - war sie bei der Bf. GmbH angestellt, vom - bezog sie Weiterbildungsgeld und seit erhält sie Arbeitslosengeld.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das FA die Beschwerde als unbegründet ab und führte in der Begründung i.w. aus, im Zuge der Überprüfung sei festgestellt worden, dass die Kinder ab September 2017 die Schule bzw. den Kindergarten in Brasilien besucht hätten. Für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten, bestehe kein Anspruch auf Familienbeihilfe.

Mit Schreiben vom beantragte der Bf, die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht (BFG) vorzulegen.

Mit Vorlagebericht vom legte das FA die Beschwerde dem BFG vor und führte i.w. aus, der Sachverhalt stelle sich dar wie folgt.
Die beiden Kinder des Beschwerdeführers (Bf) hätten bis August 2017 in Österreich den Kindergarten besucht. Der Bf sei bis karenziert gewesen und beziehe seit 11/2018 Arbeitslosengeld vom AMS. Die Kindesmutter war/sei ebenfalls karenziert und beziehe Weiterbildungsgeld vom AMS. Ab September 2017 habe sich die gesamte Familie in Brasilien aufgehalten. Sohn Sohn 1 habe dort die Schule besucht. Der Bf begründe den Mittelpunkt der Lebensinteressen seiner Familie im Zeitraum 9/2017 bis 3/2018 in Österreich ausschließlich mit der Hauptwohnsitzmeldung im Zentralen Melderegister zum damaligen Zeitpunkt mit einer Wohnung in Wien 2345. Ab Mai 2019 befinde sich die Familie wieder in Österreich (Adresse in Wien 6789), die Kinder besuchten die Schule in Österreich. Die Familienbeihilfe sei von der Kindesmutter ab 5/2019 beantragt worden und werde laufend gewährt.
Da sich die Familie mit ihren Kindern im Zeitraum ab 9/2017 nicht bloß vorübergehend in Brasilien aufgehalten habe und Sohn 1 dort die Schule besucht habe, werde die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der verheiratete Bf (österreichischer Staatsbürger) wohnte mit seiner Gattin (brasilianische Staatsbürgerin) und den Kindern Sohn 1, geb. am 2011, und Sohn 2, geb. am 2012 bis August 2017 in Wien 2345. Die Familie hatte hier den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen. Die Kinder besuchten bis August 2017 einen Kindergarten in Wien.

Ab September 2017 bis Mai 2019 wohnte die gesamte Familie in Brasilien.
Der Bf und seine Familie hatten dort den Mittelpunkt der Lebensinteressen.
Die Kinder hielten sich im genannten Zeitraum ständig in Brasilien auf.
Der Bf war karenziert, absolvierte in Brasilien eine Weiterbildung und erhielt vom - Weiterbildungsgeld vom AMS.
Die Gattin des Bf war ebenfalls karenziert und bezog vom - Weiterbildungsgeld vom AMS.
Sohn 1 besuchte 2018 in Brasilien die Schule.
Sohn 2 wurde vom verpflichtenden Kindergartenjahr in Wien für den Zeitraum - abgemeldet, da sich die Familie temporär in Brasilien aufhalte.
Ab Mai 2019 wohnt die Familie in einer Wohnung in Wien 6789. Der Bf und seine Familie haben seitdem hier den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen. Die Kinder besuchen eine Schule in Wien und haben seitdem den ständigen Aufenthalt im Bundesgebiet.

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt beruht auf den umfangreichen Ermittlungen des FA und den vom Bf vorgelegten Unterlagen.

Dass die Kinder bis August 2017 (und dann nicht mehr) einen Kindergarten besuchten, ist durch die vorliegenden Kindergartenbestätigungen erwiesen.
Dass der Bf und seine Gattin karenziert waren und in den genannten Zeiträumen Weiterbildungsgeld bezogen, ist unstrittig.
Der Schulbesuch Sohn 1 in Brasilien ist durch die vom Bf vorgelegte Bestätigung erwiesen, ebenso wie die Abmeldung Sohn 2 vom verpflichtenden Kindergartenjahr.
Dass die Familie ab Mai 2019 den Mittelpunkt der Lebensinteressen und die Kinder den ständigen Aufenthalt (wieder) im Inland haben, ist durch die nichtselbständige Erwerbstätigkeit des Bf, die Hauptmeldung in Wien 6789 und den Schulbesuch der Kinder in Wien erwiesen und ist unstrittig, da seitdem Familienbeihilfe von der Amtspartei (wieder) ausbezahlt wird.

Dass sich der Bf und seine gesamte Familie ab September 2017 bis Mai 2019 und somit auch im Rückforderungszeitraum in Brasilien aufhielten und der Bf und seine Familie dort den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen sowie die Kinder dort den ständigen Aufenthalt hatten, wird in freier Beweiswürdigung auf Grund folgender Tatsachen und Beweismittel festgestellt:

Betätigungen des Kindergartens ergeben eindeutig, dass die Kinder nur bis August 2017 in Wien den Kindergarten besuchten. Dementsprechend wurde Sohn 2 auch vom verpflichtenden Kindergartenjahr in Wien abgemeldet. Auch aus den vorgelegten Impfpässen und Mutter/Kind Pässen ist ersichtlich, dass die zeitlich letzte Eintragung vom datiert.
Dass sich die Familie in Brasilien aufhielt, wird auch vom Bf nicht bestritten.
Sohn 1 besuchte unstrittig im Jahr 2018 in Brasilien die Schule. Der Bf brachte selbst vor, sein Sohn Sohn 1 besuche dort eine Privatschule und legte das Zeugnis/Schulbesuchsbestätigung vor. Sein Sohn Sohn 2 besuche keinen Kindergarten.
Der Bf führt selbst aus, die Familie befinde sich "temporär" in Brasilien; die Weiterbildung in Brasilien habe sich beim Bf aufgrund eines portugiesisch Sprachkurses vor Ort ergeben. Bei seiner Frau sei es der Hochschulzugang, den sie in Österreich nicht habe. Dementsprechend bezogen der Bf und seine Gattin in den genannten Zeiträumen Weiterbildungsgeld vom AMS. Weiters thematisierte der Bf die Ausbildungskosten seiner beiden Söhne in Brasilien.
Da der Kindergartenbesuch in Wien im August 2017 endete, ist naheliegend, dass der Aufenthalt in Brasilien im September 2017 begann.
Da die Boarding Pässe der Kinder mit Datum vorgelegt wurden, ist naheliegend, dass der Aufenthalt der Familie in Brasilien im Mai 2019 endete.
Die Verbindung der Ehegattin des Bf zu ihrem Herkunftsland Brasilien ist evident.
Bei einem Aufenthalt von ca 1 Jahr und 8 Monaten kann der Mittelpunkt der Lebensinteressen verlagert werden, wenn die persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen zum Land des Wohnortes enger sind als zum Land des Herkunftsortes.
Schon der Aufenthalt der gesamten Familie in Brasilien für eine gewisse Dauer spricht dafür, dass die persönlichen Beziehungen des Bf und seiner Familie enger zu Brasilien waren. Der Bf und seine Gattin sorgten dort für die Kinder, diese bekamen dort ihre Ausbildung, und auch der Bf und seine Gattin absolvierten dort ihre Weiterbildung. Anzunehmen ist auch, dass die Gattin des Bf in Brasilien Verwandte und Bekannte hat und die Familie somit auch persönliche Kontakte in Brasilien pflegte.
Demgegenüber traten die Beziehungen zu Österreich erkennbar in den Hintergrund.
Dass ein Hauptwohnsitz in Wien (Unterkunftgeber DE Bf.) bis aufrecht gemeldet war, ist nicht entscheidend. Es kommt auf die tatsächlichen Verhältnisse und nicht auf die Meldung laut ZMR an. Nach der Rückkehr der Familie bezog diese auch einen neuen Wohnsitz in Wien 6789.
Die wirtschaftlichen Beziehungen treten im Verhältnis zu den persönlichen Beziehungen in den Hintergrund. Festzuhalten ist auch, dass die wirtschaftlichen Beziehungen zu Österreich nur darin bestanden, dass der Bf und seine Gattin Geld vom AMS erhielten. Die Ausbildung selbst, die später wirtschaftlich umsetzbar sein kann, wurde aber in Brasilien absolviert. Der Bf und seine Gattin waren im str. Zeitraum nicht in Österreich erwerbstätig, sodass eine starke wirtschaftliche Beziehung zu Österreich durch das BFG nicht festgestellt werden kann.
Anzunehmen ist, dass es sich um einen ununterbrochenen Aufenthalt - zumindest der Kinder - in Brasilien während des gesamten str. Zeitraums handelte; dies schon wegen der großen Entfernung und den damit verbundenen Kosten sowie der Ausbildung der Kinder und der damit verbundenen Anwesenheitspflicht vor Ort.

Aus obigen Ausführungen ergibt sich, dass der ständige Aufenthalt der Kinder im genannten Zeitraum in Brasilien war. Sie waren tatsächlich und ununterbrochen in Brasilien aufhältig, wohnten dort und machten dort ihre Ausbildung. Es handelte sich um kein vorübergehendes, sondern um ein dauerhaftes Verweilen über einen längeren Zeitraum.

Das BFG folgt daher der Ansicht des FA, dass der Bf (und seine Familie) im Zeitraum von 09/2017 - 05/2019 den Mittelpunkt der Lebensinteressen in Brasilien hatte und dass sich die Kinder im genannten Zeitraum ständig in Brasilien aufgehalten haben.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)

  • Gesetzliche Grundlagen

Gemäß § 2 Abs 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967 ) haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder sowie unter bestimmten Voraussetzungen für volljährige Kinder.

Gemäß § 2 Abs 2 FLAG 1967 hat Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs 1 genanntes Kind die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

Nach § 2 Abs 5 FLAG 1967 gehört ein Kind dann zum Haushalt einer Person, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Die Haushaltszugehörigkeit gilt u. a. dann nicht als aufgehoben, wenn sich das Kind nur vorübergehend außerhalb der gemeinsamen Wohnung aufhält.

§ 2 Abs 8 FLAG 1967 lautet: "Personen haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben. Eine Person hat den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat."

§ 5 Abs 3 FLAG 1967 lautet: "Kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten."

Die Einschränkung des § 5 Abs 3 FLAG 1967 gilt nur bei einem Aufenthalt außerhalb der EU/EWR/Schweiz (§ 53 FLAG 1967). Es besteht somit kein Familienbeihilfenanspruch für ständig in einem Drittstaat wie Brasilien lebende Kinder.

Gemäß § 26 Abs 2 BAO hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Land nicht nur vorübergehend verweilt. Wenn Abgabenvorschriften die unbeschränkte Abgabepflicht an den gewöhnlichen Aufenthalt knüpfen, tritt diese jedoch stets dann ein, wenn der Aufenthalt im Inland länger als sechs Monate dauert. In diesem Fall erstreckt sich die Abgabepflicht auch auf die ersten sechs Monate.

Gemäß § 26 Abs 1 FLAG 1967 hat derjenige, der Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen

Gemäß § 33 Abs. 4 Z 3 lit. a EStG 1988 steht einem Abgabepflichtigen für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten, kein Kinderabsetzbetrag zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 FLAG 1967 anzuwenden.

  • Mittelpunkt der Lebensinteressen

Der Bf und seine Familie haben im Streitzeitraum einen Wohnsitz im Inland und einen Wohnsitz in Brasilien. Nach § 2 Abs 8 FLAG 1967 hat der Bf nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn er den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet hat. Dies ist nach den Feststellungen im Sachverhalt nicht der Fall.

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass dieser Mittelpunkt bei einer verheirateten Person regelmäßig am Orte des Aufenthaltes der Familie zu finden sein wird (vgl. ; ; VWGH , 88/16/0229; ; und ).

Wie der VwGH wiederholt ausgesprochen hat, besteht die stärkste persönliche Beziehung eines Menschen im Regelfall zu dem Ort, an dem er regelmäßig Tag für Tag mit seiner Familie lebt, dass also der Mittelpunkt der Lebensinteressen einer verheirateten Person regelmäßig am Ort des Aufenthaltes ihrer Familie zu finden sein wird. Diese Annahme setzt im Regelfall voraus, dass ein gemeinsamer Haushalt geführt wird und keine Umstände vorliegen, die ausschlaggebende und stärkere Bindungen zu einem anderen Ort bewirken (vgl. ).

Dieser Ort ist im vorliegenden Fall Brasilien.

Der Mittelpunkt der Lebensinteressen befindet sich an dem Ort, zu dem die Person die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen unterhält. Darunter ist der Ort (in jenem Staat) zu verstehen, zu dem der Steuerpflichtige die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (). Entscheidend ist das Gesamtbild der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, wobei das Überwiegen der Beziehungen zum einen oder anderen Staat den Ausschlag gibt. Wirtschaftlichen Beziehungen kommt idR eine geringere Bedeutung zu als persönlichen Beziehungen. Unter letzteren sind all jene zu verstehen, die einen Menschen aus in seiner Person liegenden Gründen mit jenem Ort verbinden, an dem er einen Wohnsitz inne hat. Von Bedeutung sind dabei die Ausübung des Berufes, die Gestaltung des Familienlebens sowie Betätigungen religiöser und kultureller Art sowie andere Tätigkeiten zur Entfaltung persönlicher Interessen und Neigungen ( unter Verweis auf Hofstätter/Reichel, Kommentar zur Einkommensteuer, § 1, Tz 9).

Da der Bf im Streitzeitraum die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Brasilien und daher dort den Mittelpunkt der Lebensinteressen hat, hat er nach § 2 Abs 8 FLAG 1967 keinen Anspruch auf Familienbeihilfe.

  • Ständiger Aufenthalt im Ausland

Für Kinder, die sich ständig im Ausland (Drittstaat) aufhalten, besteht nach § 5 Abs 3 FLAG 1967 kein Anspruch auf Familienbeihilfe.

Die Beurteilung des ständigen Aufenthalts iSd § 5 Abs 3 FLAG 1967 hat nicht auf den subjektiven Gesichtspunkt des Mittelpunktes der Lebensinteressen abzustellen, wie etwa auf persönliche und wirtschaftliche Bindungen, sondern auf das objektive Kriterium der grundsätzlichen körperlichen Anwesenheit ().

Aus der Rechtsprechung des VwGH ergibt sich, dass der Begriff des "ständigen Auslandsaufenthaltes" im § 5 Abs 3 FLAG 1967 dem Begriff des gewöhnlichen Aufenthaltes nach § 26 BAO gleichzusetzen ist (vgl ) und die Frage des ständigen Aufenthaltes nicht nach subjektiven Gesichtspunkten, sondern nach dem objektiven Kriterium der körperlichen Anwesenheit zu beantworten ist (vgl etwa ). Danach hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Land nicht nur vorübergehend verweilt. Ein nicht nur vorübergehendes Verweilen liegt vor, wenn sich der Aufenthalt über einen längeren Zeitraum erstreckt (vgl ). Lassen objektive Gesichtspunkte erkennen, dass ein Aufenthalt nicht nur vorübergehend währen wird, dann liegt schon ab dem Vorliegen dieser Umstände, allenfalls ab Beginn des Aufenthaltes, ein ständiger Aufenthalt vor.

Auf den Wohnsitz und ständigen Aufenthalt der Eltern kommt es daher ebensowenig an wie auf deren Staatbürgerschaft, deren Berufsausübung in Österreich, den Mittelpunkt der Lebensinteressen, die Tragung der Kosten des Lebensunterhaltes oder die Argumentation, dass der Auslandsaufenthalt "nur" zu Ausbildungszwecken erfolge (vgl Kuprian, "Kein Familienbeihilfenanspruch bei Ausbildung eines Kindes in einem Drittland", UFS Journal 2011, 371, mit Hinweis auf ).

Im ggstdl Fall steht fest, dass sich die Kinder des Bf ca. 1 Jahr und 8 Monate dauerhaft in Brasilien aufhielten. Sie sind mit ihren Eltern dorthin übersiedelt und absolvierten dort ihre Ausbildung.

Auch der Verfassungsgerichtshof hat sich in seinem Erk. , mit den im dortigen Verfahren vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Bestimmung des § 5 Abs 4 (neu: Abs 3) FLAG 1967 auseinandergesetzt und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass ein verfassungsrechtlicher Anspruch auf Familienbeihilfe für sich ständig im Ausland aufhaltende Kinder nicht anzunehmen ist. In diesem Erkenntnis hat der Gerichtshof ausgeführt, dass eine gesetzliche Regelung, welche den Anspruch auf eine der Familienförderung dienende Transferleistung an eine Nahebeziehung des Anspruch vermittelnden Kindes zum Inland binde und hierbei auf dessen Aufenthalt abstelle, keine verfassungsrechtlichen Bedenken erwecke.

Erstreckt sich ein Aufenthalt über einen "längeren Zeitraum", so liegt nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes "jedenfalls" ein "nicht nur vorübergehendes Verweilen" vor (vgl ).
Im Erkenntnis , hat das Höchstgericht einen über zwei Jahre erstreckenden Auslandsaufenthalt von Kindern als ständig iSd § 5 Abs 3 FLAG 1967 beurteilt, wobei der VwGH ausführt: "Dass ein sich über volle zwei Jahre erstreckender Auslandsaufenthalt der Kinder des Beschwerdeführers als ständig im Sinne des § 5 Abs. 4 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 beurteilt werden muss, kann nicht zweifelhaft sein."
Im Erkenntnis vom , 98/15/0016, war es ein annähernd dreijähriger Auslandsaufenthalt eines Sohnes, den das Höchstgericht als ständig iSd § 5 Abs 3 FLAG 1967 eingestuft hat.
Ein einjähriger Schulbesuch im Ausland führt zu einem ständigen Auslandsaufenthalt, der auch durch das etwaige Verbringen der Schulferien in Österreich im Haushalt der Eltern nicht unterbrochen wird (vgl auch Kuprian, a.a.O.).
Wird von einem Elternteil eine auf ein Jahr begrenzte Forschungstätigkeit in einem Drittstaat ausgeübt und wird dieser Elternteil von seiner gesamten Familie dorthin begleitet, verlagert sich für diesen Zeitraum nicht nur der Mittelpunkt der Lebensinteressen (§ 2 Abs 8 FLAG 1967 ), sondern es liegt auch ein ständiger Aufenthalt der Kinder in diesem Drittstaat vor (vgl. -I/10).
Wird vom Bf selbst als Dauer des High-School-Besuchs des Kindes in den USA das gesamte Schuljahr 2014/2015 erklärt, hatte durch diese Ausbildung in den USA das Kind im hier maßgeblichen Zeitraum "ab September 2014" bis zur Rückkehr nach Österreich im Juni 2015 seinen ständigen Aufenthalt in einem Drittstaat, wodurch der im § 5 Abs 3 normierte Ausschlussgrund für eine Beihilfengewährung für diesen Zeitraum vorliegt ( sowie ähnlicher Sachverhalt ).
Ein fünfeinhalb Monate dauernder Aufenthalt wurde vom VwGH gerade noch als vorübergehend angesehen ().
Nach Kuprian a.a.O. ergibt sich klar, dass ein Aufenthalt eines Kindes in einem Nicht-EU-/Nicht-EWR-Land bzw. der Schweiz, der z.B. dem Zweck eines mehrjährigen Schulbesuchs dient oder auch aus anderen Gründen für die Dauer von mehr als sechs Monaten (vgl. nochmals ) erfolgt, als ständiger Aufenthalt in diesem Land angesehen werden muss, womit der Ausschlussgrund des § 5 Abs 3 FLAG vorliegt.

Im Hinblick auf die zit. Judikatur des VwGH und BFG, wonach ein fünfeinhalb Monate dauernder Aufenthalt gerade noch als vorübergehend, während ein-, zwei- bzw dreijährige Auslandsaufenthalte jedenfalls als ständiger Aufenthalt angesehen werden, steht im ggstdl. Fall fest, dass sich die Kinder des Bf während ihres ca. 1 Jahr und 8 Monate dauernden Aufenthaltes und somit auch im Rückforderungszeitraum in Brasilien ständig in einem Drittstaat aufhielten.

Dem Bf hat daher nach § 5 Abs 3 FLAG 1967 keinen Anspruch auf Familienbeihilfe.

  • Ergebnis

Um Anspruch auf Familienbeihilfe zu haben, müssen die Voraussetzungen des § 2 Abs 8 und des § 5 Abs 3 FLAG 1967 kumulativ vorliegen.

Da jedoch keine der beiden Voraussetzungen vorliegt, besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe und diese wurde im Rückforderungszeitraum zu Unrecht bezogen. Das FA hat daher die Familienbeihilfe gemäß § 26 FLAG 1967 zu Recht zurückgefordert. Gleiches gilt gemäß § 33 Abs 3 EStG 1988 für den gemeinsam mit der Familienbeihilfe ausbezahlten Kinderabsetzbetrag.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall ist die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängig, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, da das BFG der zit. einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgt.

Wien, am

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