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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 04.06.2020, RV/2101004/2018

Ein über die Dauer des Beschwerdeverfahrens gegen die Grundlagenbescheide hinausgehender Zahlungsaufschub ist auch im Rechtsmittelverfahren über die Aussetzung der Einhebung nicht zu gewähren

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/2101004/2018-RS1
Wird ein Antrag auf Vorlage an das BFG betreffend die Abweisung eines Aussetzungsantrages nach § 212a BAO zeitlich nach Ergehen einer rechtskräftigen Beschwerdevorentscheidung über die Grundlagenbescheide gestellt, dann ist dieser Antrag jedenfalls abzuweisen. § 212a Abs. 5 BAO, wonach der Ablauf der Aussetzung nach Ergehen einer Entscheidung über die Beschwerde zu verfügen ist, wird analog angewandt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende ***1***, die Richterin ***2*** sowie die fachkundigen Laienrichter Beis1 und Beis2 in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, Zypern, vertreten durch ***4***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Stadt vom betreffend Aussetzung § 212a BAO 2015, nach Durchführung einer nicht mündlichen Verhandlung am
vor dem Senat in Anwesenheit der Schriftführerin ***3*** zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin (=Bf.) ist eine beschränkt haftende Gesellschaft mit Sitz auf Zypern.
Im Zuge einer Außenprüfung wurden den erklärten Vorsteuern aus Einfuhrumsatzsteuer die Abzugsfähigkeit aberkannt.
Das Finanzamt folgte diesen Feststellungen der Außenprüfung und setzte mit Bescheiden vom bzw. die Umsatzsteuer der der Bf. für die Jahre 2012, 2013 und 01-03/2015 abweichend von den bisherigen Erklärungen fest.
Die Nachforderungen an Umsatzsteuer und die damit verbundene Festsetzung von Säumniszuschlägen stellt sich wie folgt dar:


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2012
2013
01-03-/2015
SZ 2012
SZ 2013
SZ
01-03/2015
Bescheiddatum
Festges.
USt

0,00

0,00

0,00
Vorsoll
-1.694.798,35
-1.891.084,68
-434.356,33
Nachforderung
+1.694.798,35
+1.891.084,68
+434.356,33
Säumnis
zuschläge (SZ)
33.895,97
37.821,69

8.687,13

Die Bf. bekämpfte diese Festsetzungsbescheide mit Beschwerde vom .
Mit Beschwerdevorentscheidungen vom wies die Beschwerde inhaltlich ab und änderte die angefochtenen Bescheide, indem es die Zahllasten erhöhte (sogenannte Verböserung).
Die Bf. brachte keinen Vorlageantrag ein, weshalb die Festsetzungen laut Beschwerdevorentscheidungen vom rechtskräftig wurden.

Gleichzeitig mit der Einbringung der Beschwerde gegen die Grundlagenbescheide stellte die Bf. mit Eingabe vom einen Antrag auf Aussetzung der Einhebung gemäß
§ 212a BAO betreffend die strittigen Abgaben einschließlich der Säumniszuschläg in Gesamthöhe von 4.091.957,02 Euro.
Das Finanzamt wies den Aussetzungsantrag bereits vor Ergehen der Beschwerdevorentscheidung mit Bescheid vom ab.

Das Finanzamt begründete die Abweisung damit, dass der dringende Verdacht der Abgabenhinterziehung durch die Bf. bestehe und von der zypriotischen Steuerverwaltung mitgeteilt worden sei, dass die Bf. an der angegebenen Adresse auf Zypern keine Tätigkeit ausübe. Dieses Verhalten der Bf. weise auf eine Gefährdung der Einbringung der aussetzungsgegenständlichen Abgaben im Sinne des § 212a Abs. 2 lit. c BAO hin.

Die Bf. brachte mit Eingabe vom Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid vom betreffend die Aussetzung nach § 212a BAO ein und führte darin aus:

lm Beschwerdefall lägen die im Gesetz genannten Gründe, nach welchen eine Aussetzung der Einhebung nicht zu gewähren sei, nicht vor.
1)
a)
Die Beschwerden gegen die Abgabenbescheide vom seien nach Ansicht der Bf. erfolgversprechend, da der § 11 Abs.1 Ziff 3 UStG, auf den sich das Finanzamt stützt, keine Voraussetzung für die strittige Abzugsfähigkeit der Einfuhrumsatzsteuer darstelle.

Die sofortige Einhebung der strittigen Abgabennachforderungen gefährde die wirtschaftliche Existenz der Bf. Es sei augenscheinlich, dass die Einhebung des Betrages von rund 4 Mio. Euro den sofortigen wirtschaftlichen Ruin des Unternehmens zur Folge hätte - und dies noch bevor rechtskräftig über das Bestehen der Abgabenschuld entschieden wurde.
Der Regelungssinn des § 212a BAO liege im Ziel der faktischen Effizienz von Beschwerden (). Danach sei die Versagung der Aussetzung geradezu als Schlag gegen die rechtsstaatlich gesicherte Möglichkeit der Wirksamkeit eines Rechtsmittels bezeichnet werden. Eine Abweisung des Aussetzungsantrages komme überhaupt nur bei Erkennbarkeit der Aussichtslosigkeit des Rechtsmittels für jede mit der Sache vertraut gemachte, urteilsfähige und objektiv urteilende Person in Betracht (; ). Eine Aussetzung wäre nur dann nicht zu bewilligen, wenn die Beschwerde nach Lage des Falles wenig erfolgversprechend (,,Mutwillensbeschwerde") erscheint.
Aufgabe des Aussetzungsverfahrens sei es nicht, die Beschwerdeentscheidung vorwegzunehmen (zB ; ua). Es seien lediglich die Erfolgsaussichten der Beschwerde anhand des Beschwerdevorbringens zu beurteilen.
b)
Dieser Punkt sei jedenfalls nicht anwendbar, da die angefochtenen Bescheide in allen Punkten vom Anbringen der Bf. abwichen.

Die Bf. setze und setzte kein Verhalten, dass auf die Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabe gerichtet ist. Im Gegenteil, es seien alle notwendigen Registrierungen vorgenommen und alle notwendigen Meldungen (Umsatzsteuervoranmeldung, Zusammenfassende Meldung) ordnungsgemäß, vollständig und gewissenhaft beim Finanzamt eingereicht worden.

2) Vorwurf der Steuerhinterziehung
Der Vorwurf der Steuerhinterziehung in den Ausführungen des Finanzamtes entbehre jeglicher Grundlage. Es sei festzuhalten, dass kein Tatbestand der § 1 und 2 FinStrG vorliege.

Der Abzug der Einfuhrumsatzsteuer stehe der Bf. nur aufgrund des Tatbestandes der verwirklichten Einfuhr einer Ware für Zwecke ihres Unternehmens zu.
Die Einfuhren haben tatsächlich stattgefunden, was auch von der Außenprüfung bestätigt und mittels umfangreicher Zolldokumente nachgewiesen worden sei.
Hinsichtlich der Umsatzsteuern liege daher keine Steuerhinterziehung vor.

Unzweifelhaft habe die Bf. keine ertragsteuerliche Betriebsstätte in Österreich (dies behaupte auch die Finanzverwaltung nicht)
Eine Strafbarkeit betreffend ausländisches Ertragsteuerrecht komme nach dem FinStrG nicht in Betracht.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom ab und führte darin aus:
Die Bf. übe auf Zypern keine wirtschaftliche Tätigkeit aus, weshalb die vorliegenden Rechnungen die Anforderungen für Rechnungen gemäß § 11 Abs. 1 Z 3 UStG 1994 nicht erfüllten. Der beantragte Vorsteuerabzug sei daher zu versagen.
Im Übrigen sei aus dem Verhalten der Bf. der dringende Verdacht auf Abgabenhinterziehung abzuleiten und weise die Verschleierung des Ortes der wirtschaftlichen Tätigkeit auf ein die Einbringung der auszusetzenden Abgaben gefährdendes Verhalten hin.

Die Bf. stellte mit Eingabe vom den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.
Die Bf. wiederholte in diesem Antrag im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen.

Mit Eingabe vom ergänzte die Bf. ihr Beschwerdevorbringen wie folgt:
Die Bf. habe im Vorlageantrag vom mit Verweis auf die Beschwerden vom bereits ausgeführt, dass es ohne Bedeutung sei, auf welcher Rechtsgrundlage die Einfuhr erfolgte (vgl. Rz 1844 UStR 2000). Maßgeblich sei es daher nicht, ob eine Rechnung im Sinne des § 11 UStG 1994 vorliege, sondern wie in § 12 Abs. 1 Z 2 lit. b UStG ausgeführt, dass eine Einfuhr bestehe, die den Kriterien des § 26 Abs. 3 Z 2 UStG entspreche. Ergänzend werde auf das Erkenntnis verwiesen, wonach der Vorsteuerabzug aufgrund einer Rechnung, die von einer liechtensteinischen Domizilgesellschaft ausgestellt wurde, anzuerkennen sei.
Es sei mit Anführung des statutarischen Sitzes als Adresse unzweifelhaft der Unternehmer (die Gesellschaft) festgelegt, der tatsachlich geliefert habe, sodass eine genaue Erhebung der Steuer sichergestellt sei. Es sei nicht schädlich, dass die tatsächliche Geschäftsleitung der liefernden Gesellschaft an einem anderen Ort liege. Diesem Erkenntnis liege ein vergleichbarer Sachverhalt zu Grunde. Der VwGH führe dazu aus:
Auch eine Domizilgesellschaft könne Unternehmer sein, wenn sie nachhaltig Leistungen gegen Entgelt erbringe. Sinn des § 11 Abs. 1 Z 1 UStG sei es, dass der Rechnung eindeutig jener Unternehmer zu entnehmen sei, der tatsächlich geliefert oder geleistet habe, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu vermeiden.
Diese Rechtsprechung sei auch auf den vorliegenden Fall anzuwenden.

Das Finanzamt legte die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht am zur Entscheidung vor.

Ergänzend wird vom Bundesfinanzgericht ausgeführt:
Die Bf. stellte mit Eingabe an das Finanzamt vom einen Antrag gemäß
§ 303 Abs. 1 BAO auf Wiederaufnahme der Verfahren betreffend die Grundlagenbescheide.

Das Finanzamt wies den Antrag auf Wiederaufnahme mit Bescheid vom ab.
Dagegen brachte die Bf. mit Eingabe vom Beschwerde ein, welche wiederum mit Beschwerdevorentscheidung vom abgewiesen wurde.

Die Bf. stellte folglich mit Eingabe vom einen Vorlageantrag. Diese Beschwerde wurde vom Bundesfinanzgericht am zu Geschäftszahl RV/2100848/2018 abgewiesen.

Rechtslage:

Die maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen lauten:

§ 212a Abs. 1 BAO (Bundesabgabenordnung)
Die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde abhängt, ist auf Antrag des Abgabepflichtigen von der Abgabenbehörde insoweit auszusetzen, als eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einen Bescheid, der von einem Anbringen abweicht, oder auf einen Bescheid, dem kein Anbringen zugrunde liegt, zurückzuführen ist, höchstens jedoch im Ausmaß der sich bei einer dem Begehren des Abgabepflichtigen Rechnung tragenden Beschwerdeerledigung ergebenden Herabsetzung der Abgabenschuld. Dies gilt sinngemäß, wenn mit einer Bescheidbeschwerde die Inanspruchnahme für eine Abgabe angefochten wird)."
§ 212a Abs. 5 BAO:
Die Wirkung einer Aussetzung der Einhebung besteht in einem Zahlungsaufschub. Dieser endet mit Ablauf der Aussetzung oder ihrem Widerruf (§ 294). Der Ablauf der Aussetzung ist anlässlich einer (eines) über die Beschwerde (Abs. 1) ergehenden

a) Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder
b) Erkenntnisses (§ 279) oder
c) anderen das Beschwerdeverfahren abschließenden Erledigung

zu verfügen. Die Verfügung des Ablaufes anlässlich des Ergehens einer Beschwerdevorentscheidung schließt eine neuerliche Antragstellung im Fall der Einbringung eines Vorlageantrages nicht aus.


Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Vorweg wird klargestellt, dass im gegenständlichen Verfahren lediglich die Abweisung des Antrages auf Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO vom strittig ist.
Nach überwiegender Lehre und Rechtsprechung setzt die Aussetzung von streitverfangenen Abgaben gemäß § 212a BAO voraus, dass eine Beschwerde, von deren Erledigung die Höhe einer Abgabe abhängig ist, im Zeitpunkt der Entscheidung über den Aussetzungsantrag noch anhängig ist (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 2267; ; ; ; ). Dies ergibt sich in Analogie zu § 212a Abs. 5 BAO, wonach ein Ablauf einer bewilligten Aussetzung der Einhebung im Falle des Ergehens einer das Beschwerdeverfahren (wenn auch nicht notwendigerweise rechtskräftig) abschließenden Erledigung zu verfügen ist.

Im vorliegenden Fall wurde die Beschwerde gegen die der beantragten Aussetzung der Einhebung zugrunde Festsetzungsbescheide betreffend Umsatzsteuer 2012, 2013 und 01-03/2015 vom , mit Beschwerdevorentscheidungen vom abschließend erledigt.
Die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide in Form der inhaltlichen Abänderung (Erhöhung der Abgabennachforderung) durch die Beschwerdevorentscheidungen vom sind mangels Einbringung eines Vorlageantrages in der Folge in Rechtskraft erwachsen.
Folglich wäre auch bei einer aufrechten Aussetzung auf Grund einer Stattgabe des Aussetzungsantrages nach Ergehen der Beschwerdevorentscheidungen über die Sachbescheide gemäß § 212a Abs. 5 BAO der Ablauf der Aussetzung der Einhebung zu verfügen gewesen.

Im Beschwerdefall waren die Wirkungen der Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a in Form eines Zahlungsaufschubes vom Zeitpunkt der Einbringung des Aussetzungsantrages am und die nachfolgende Beschwerde vom gegen die Abweisung der Aussetzung bis zur abschließenden rechtskräftigen Erledigung der Sachbescheide am lückenlos gewährleistet.
Der Bf. kam daher jedenfalls durch die Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid (§212a BAO) und den anschließenden Vorlageantrag bis zum Ergehen der abschließenden Beschwerdevorentscheidung über die Grundlagenbescheide vom die Wirkung eines Zahlungsaufschubes zu Gute.

De facto war der von der Bf. begehrte Rechtsschutz der Aussetzung der Einhebung während des gesamten Beschwerdeverfahrens gegen die Grundlagenbescheide gegeben.
Ein über die Dauer des Beschwerdeverfahrens gegen die Grundlagenbescheide hinausgehender Zahlungsaufschub ist auch im Rechtsmittelverfahren über die Aussetzung der Einhebung nicht zu gewähren (siehe die oa. Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes).

Die Beschwerde war somit spruchgemäß abzuweisen.

Unzulässigkeit einer Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die Entscheidung folgt vielmehr der dargestellten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 212a Abs. 2 lit. c BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 212a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 212a Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 212a Abs. 5 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.2101004.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at