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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 08.05.2020, RV/3100059/2019

Nichtfestsetzung der GrESt aufgrund Vertragsaufhebung, nachdem der Verkäufer ein Rücktrittsrecht erworben hatte

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/3100059/2019-RS1
Durch die einvernehmliche Aufhebung eines Liegenschaftskaufvertrages wird der Tatbestand des § 17 Abs 1 Z 2 GrEStG verwirklicht, wenn eine Vertragspartei aufgrund Nichterfüllung vertraglicher Verpflichtungen durch die andere Vertragspartei ein Rücktrittsrecht erworben hat.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache der Bf, vertreten durch Rechtsanwalt, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom zu Erfassungsnummer Nr_1 betreffend Grunderwerbsteuer zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird dahin abgeändert, dass die Grunderwerbsteuer für den Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag vom mit Verkäufer nicht festgesetzt wird.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin stellte am den Antrag auf Nichtfestsetzung der Grunderwerbsteuer für den Kaufvertrag vom . Sie brachte vor, sie habe mit diesem Kaufvertrag von Verkäufer 122/402 Miteigentumsanteile an der Liegenschaft EZ_1 samt Wohnungseigentum an Top W1, an Top AP 3 und an Top G 3 zu einem Gesamtkaufpreis von EUR 290.000,- erworben. Mit Aufhebungsvertrag vom sei dieser Kaufvertrag im gegenseitigen Einvernehmen aufgehoben worden. Es werde gemäß § 17 Abs 4 letzter Satz GrEStG beantragt, die Grunderwerbsteuer für den Kaufvertrag nicht festzusetzen.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt diesen Antrag ab. Begründend führte es aus, dass eine einvernehmliche Rückgängigmachung eines Erwerbsvorganges vorliege, welche jedoch außerhalb des Dreijahreszeitraumes des § 17 GrEStG erfolgt sei. Die verspätete Entrichtung des Kaufpreises sei vom Verkäufer ausdrücklich geduldet worden.

In ihrer Beschwerde vom brachte die Beschwerdeführerin vor, der bekämpfte Bescheid sei nach einem mangelhaften Ermittlungsverfahren ergangen. Der Verkäufer habe immer wieder auf Bezahlung des vereinbarten Kaufpreises gedrängt, jedoch auch zur Kenntnis genommen, dass sich ein beim Landesgericht Innsbruck anhängiges Verfahren in die Länge gezogen habe. Nach Rechtskraft des dieses abschließenden Urteils habe die Beschwerdeführerin versucht, den ihr zugesprochenen Betrag von EUR 270.750,- samt Zinsen und Kosten einbringlich zu machen, was letztlich gescheitert sei. Daraufhin habe die Beschwerdeführerin gegenüber dem Verkäufer eingeräumt, dass sie nicht in der Lage sein werde, den Kaufpreis zu entrichten, worauf es zur einvernehmlichen Aufhebung des Kaufvertrages gekommen sei. Der Erwerbsvorgang sei somit aufgrund eines Rechtsanspruches des Verkäufers auf Rückgängigmachung des Kauf- und Wohnungseigentumsvertrages vom rückgängig gemacht worden.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde ab. Die vertragsgegenständliche Wohnung sei nach Aufhebung des Kaufvertrages von der Beschwerdeführerin weiter als Mieterin bewohnt worden. Der Mietvertrag sei unmittelbar nach Auflösung des Kaufvertrages am unterzeichnet worden. Es liege daher eine einvernehmliche Aufhebung des Kaufvertrages nach § 17 Abs 1 Z 1 GrEStG und nicht eine Rückgängigmachung nach § 17 Abs 1 Z 2 GrEStG vor. Die für erstere normierte Dreijahresfrist sei bereits abgelaufen.

Die Beschwerdeführerin beantragte am die Vorlage an das Bundesfinanzgericht, welche am erfolgte.

Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin schloss am mit Verkäufer einen Kaufvertrag über 122/402 Anteile an der Liegenschaft EZ_1 verbunden mit Wohnungseigentum an Tops W1, AP3 und G3. Punkt II des Kaufvertrages lautet:

"II. Kaufpreis

Der Kaufpreis für die vertragsgegenständlichen Liegenschaftsanteile wird einvernehmlich mit EUR 290.000,- … festgesetzt. Dieser Kaufpreis ist am zur Zahlung fällig.

Bis zu dieser Fälligkeit ist der Kaufpreis von der Käuferseite in der Weise zu verzinsen, dass die Käuferseite beginnend mit bis jeweils bis längstens 5. eines jeden Monats, erstmals somit bis , letztmalig per an die Verkäuferseite eine monatliche Zahlung in der gleichbleibenden Höhe von EUR 800,- … zu bezahlen hat. Mit dieser Zinsvereinbarung sind die bis fällig werdenden Zinsen zur Gänze abgegolten. Darüber hinaus werden für den Fall des Zahlungsverzuges Verzugszinsen in der Höhe von 1 % p.m. vereinbart, wobei sich diese Verzugszinsenvereinbarung auch auf die von der Käuferseite geschuldeten Zinszahlungen bezieht.

Sollte der von der Käuferseite geschuldete Kaufpreis nicht fälligkeitsgemäß bezahlt werden, so steht der Verkäuferseite das Recht zu, von diesem Vertrag unter mit eingeschriebenem Brief zu erfolgender Setzung einer Nachfrist von vier Wochen vom Vertrag zurückzutreten. In diesem Fall hat die Käuferseite die vertragsgegenständliche Wohnung binnen 14 Tagen, ab dem der Vertragsrücktritt rechtsgültig ist, von allen eingebrachten Fahrnissen zu räumen und der Verkäuferseite geräumt zu übergeben. Die von der Käuferseite … auf ihre Kosten vorgenommenen Einbauten und Komplettierungen … verbleiben in diesem Fall entschädigungslos im Eigentum der Verkäuferseite."

Die Grunderwerbsteuer für diesen Vorgang wurde am in Höhe von EUR 10.150,- selbst berechnet.

Am schloss die Beschwerdeführerin mit Verkäufer einen Aufhebungsvertrag. Punkt II dieses Vertrages lautet:

"II Vertragsaufhebung

Gemäß Punkt II wäre dieser Kaufpreis bis längstens zur Zahlung fällig gewesen. Die Käuferin hat diesen Kaufpreis bis heute nicht bezahlt, weshalb dem Verkäufer gemäß Punkt II des Kauf- und Wohnungseigentumsvertrages vom das Recht zusteht, von diesem Vertrag zurückzutreten.

Die Käuferin anerkennt ausdrücklich diesen Rechtsanspruch des Verkäufers, den Erwerbsvorgang rückgängig zu machen.

Demgemäß willigt die Käuferin ein, dass im Grundbuch … nachstehende Grundbuchshandlung vorgenommen wird: [die Löschung der Anmerkung der Zusage der Einräumung von Wohnungseigentum] …"

Diese Feststellungen ergeben sich aus den von der Beschwerdeführerin vorgelegten und aktenkundigen Verträgen.

Rechtslage

§ 17 GrEStG 1987 lautet:

"(1) Die Steuer wird auf Antrag nicht festgesetzt,

1. wenn der Erwerbsvorgang innerhalb von drei Jahren seit der Entstehung der Steuerschuld durch Vereinbarung, durch Ausübung eines vorbehaltenen Rücktrittsrechtes oder eines Wiederkaufsrechtes rückgängig gemacht wird,

2. wenn der Erwerbsvorgang auf Grund eines Rechtsanspruches rückgängig gemacht wird, weil die Vertragsbestimmungen nicht erfüllt werden,

3. wenn das Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründen sollte, ungültig ist und das wirtschaftliche Ergebnis des ungültigen Rechtsgeschäftes beseitigt wird,

4. wenn das geschenkte Grundstück aufgrund eines Rechtsanspruches herausgegeben werden musste oder ein von Todes wegen erworbenes Grundstück herausgegeben werden musste und dieses beim Empfänger einen Erwerb von Todes wegen darstellt.

(2) Ist zur Durchführung einer Rückgängigmachung zwischen dem seinerzeitigen Veräußerer und dem seinerzeitigen Erwerber ein Rechtsvorgang erforderlich, der selbst einen Erwerbsvorgang nach § 1 darstellt, so gelten die Bestimmungen des Abs. 1 Z 1, 2 und 4. sinngemäß.

(3) Wird die Gegenleistung für das Grundstück herabgesetzt, so wird die Steuer auf Antrag der Herabsetzung entsprechend festgesetzt,

1. wenn die Herabsetzung innerhalb von drei Jahren seit der Entstehung der Steuerschuld stattfindet,

2. wenn die Herabsetzung (Minderung) auf Grund der §§ 932 und 933 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches vollzogen wird.

(4) Ist in den Fällen der Abs. 1 bis 3 die Steuer bereits festgesetzt, so ist auf Antrag die Festsetzung entsprechend abzuändern. Bei Selbstberechnung ist in den Fällen der Abs. 1 bis 3 die Steuer entsprechend festzusetzen oder ein Bescheid zu erlassen, wonach die Steuer nicht festgesetzt wird.

(5) Anträge nach Abs. 1 bis 4 sind bis zum Ablauf des fünften Kalenderjahres zu stellen, das auf das Jahr folgt, in dem das den Anspruch auf Nichtfestsetzung oder Abänderung der Steuer begründende Ereignis eingetreten ist. Die Frist endet keinesfalls jedoch vor Ablauf eines Jahres nach Wirksamwerden der Festsetzung."

Erwägungen

§ 17 GrEStG 1987 verfügt die grundsätzliche Steuerfreiheit rückgängig gemachter Erwerbsvorgänge. Das entspricht auch der materiellen Zielsetzung des Grunderwerbsteuergesetzes, den Grundstücksverkehr und nicht bloße (zu Verträgen verdichtete Absichten) zu besteuern. Ist der Erwerbsvorgang fehlgeschlagen, und wird er wieder rückgängig gemacht, erweist sich seine vorgängige Besteuerung eben als unbegründet (; Fellner, Grunderwerbsteuer, Rz 1 zu § 17 GrEStG 1987 mwN).

Die Geltendmachung des Rücktritts vom Vertrag infolge Nichteinhaltung der Vertragsbestimmungen ist zeitlich nicht begrenzt bzw. nur indirekt durch die zivilrechtliche Verjährung des Rücktrittsrechts begrenzt. Eine Befristung auf drei Jahre besteht daher in den Fällen des Abs 1 Z 2 nicht, da eine vom Erwerbsvorgang losgelöste Vereinbarung gerade nicht als Erstattungsanspruch in Betracht kommt (Fellner, Grunderwerbsteuer, Rz 35 und 40 zu § 17 GrEStG 1987).

Voraussetzung der Nichtfestsetzung der Steuer ist also die Rückgängigmachung des Erwerbsvorganges auf Grund eines Rechtsanspruches eines daran Beteiligten. Eine solche Rückgängigmachung kann sowohl auf frei vereinbarte Vertragsbestimmungen wie auch auf gesetzliche Tatbestände gestützt werden.

Unter Vertragsbestimmungen im Sinne des § 17 Abs 1 Z 2GrEStG1987 sind alle Bestimmungen des Vertrages zu verstehen, von deren Erfüllung nach dem Willen der Vertragsparteien die Wirksamkeit des Erwerbsgeschäftes abhängig sein soll. Die Vertragsbestimmung über die Entrichtung des Kaufpreises bildet eines der essentialia negotii ab, ihre Erfüllung ist nach dem Parteiwillen die wesentlichste Voraussetzung für die Wirksamkeit des Kaufvertrages.

Werden die Bestimmungen des Vertrages nicht eingehalten, so hat der andere Vertragsteil einen Rechtsanspruch auf Aufhebung des Vertrages. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gelten Liegenschaften ohne Rücksicht auf die praktische Besitzeinräumung erst dann als übergeben, wenn die Einverleibung des Eigentumsrechtes des Käufers im Grundbuch erfolgt ist. Solange dies nicht der Fall ist, kann daher der Verkäufer insbesondere bei Zahlungsverzug des Käufers gemäß § 918 ABGB vom Vertrag zurücktreten. Die Gründe, aus welchen es noch nicht zur grundbücherlichen Einverleibung des Eigentumsrechtes des Käufers gekommen ist, sind belanglos (; u.a.).

Die Beschwerdeführerin hat entgegen den Bestimmungen des Kaufvertrages den Kaufpreis für die Liegenschaft nicht fristgerecht entrichtet. Sie hat daher den Tatbestand des Zahlungsverzuges iSd § 918 ABGB verwirklicht und ihrem Vertragspartner einen Rechtsanspruch auf Rücktritt vom Kaufvertrag eröffnet. Es ist in diesem Zusammenhang unerheblich, ob der Vertragspartner sein Rücktrittsrecht einseitig ausgeübt hat oder ob es - wie im vorliegenden Fall - zu einer einvernehmlichen Vertragsaufhebung gekommen ist (vgl auch ).

Die Begünstigung des § 17 GrEStG setzt wie Wiederherstellung des Zustandes vor Vertragsabschluss, namentlich die Wiedererlangung der freien Verfügungsmacht des Veräußerers, voraus. Wenn das Finanzamt auf den nach Vertragsaufhebung zwischen dem Veräußerer und der Beschwerdeführerin abgeschlossenen Mietvertrag hinweist, unterstreicht es geradezu, dass der Veräußerer nach der Vertragsaufhebung wiederum die uneingeschränkte Verfügungsmacht über die Liegenschaft erlangt hat und aus dieser Rechtsstellung heraus auch tatsächlich frei über die Liegenschaft verfügt und einen Mietvertrag abgeschlossen hat.

Das Rückgängigmachen eines Erwerbsvorganges erfordert auch die Rückstellung allenfalls bereits erbrachter Gegenleistungen (Fellner, Grunderwerbsteuer, Rz 14a zu § 17 GrEStG 1987). Das Finanzamt wendet diesbezüglich ein, dass die Beschwerdeführerin bis zur Aufhebung des Kaufvertrages monatliche Zahlungen von EUR 800,- geleistet habe, welche nicht zurückbezahlt worden seien. Die monatlichen Zahlungen von EUR 800,- stellen nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin die Abgeltung von Verzugszinsen dar. Laut Punkt II des Kaufvertrages waren von bis monatlich EUR 800,- als pauschale Verzugszinsen zu entrichten. In der Folge haben die Beschwerdeführerin und ihr Vertragspartner - wiederum laut dem Vorbringen der Beschwerdeführerin (Stellungnahme vom , Punkt b)) - abweichend vom Kaufvertrag vereinbart, dass weiterhin EUR 800,- monatlich als pauschale Verzugszinsen entrichtet werden sollen. Angesichts der vertraglichen Regelung und dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, dem das Finanzamt im übrigen nicht entgegengetreten ist, geht das Bundesfinanzgericht in freier Beweiswürdigung davon aus, dass die monatlichen Zahlungen von EUR 800,- keine Gegenleistung aus dem Kaufvertrag, sondern eben nur die Abgeltung des Verspätungsschadens darstellen. Der Einwand des Finanzamtes, die Gegenleistung sei der Beschwerdeführerin nicht zurückgestellt worden, ist nicht berechtigt.

Daher ist der Tatbestand des § 17 Abs 1 Z 2 GrEStG 1987 verwirklicht. Da nach Abschluss des Kaufvertrages die Grunderwerbsteuer selbst berechnet wurde und kein Abgabenbescheid ergangen ist, war die Grunderwerbsteuer gemäß § 17 Abs 4 GrEStG 1987 nicht festzusetzen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine solche Rechtsfrage war gegenständlich nicht zu lösen, da sich die Würdigung des festgestellten Sachverhaltes unmittelbar aus den Gesetzen ergibt und im übrigen mit der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des Obersten Gerichtshofes im Einklang steht.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.3100059.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at