Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 06.07.2020, RV/2100462/2020

Höchstlaufzeit bei Lebensversicherungen

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/2100462/2020-RS1
Aus den Erläuternden Bemerkungen ist abzuleiten, dass nach dem Willen des Gesetzgebers in Fällen der Nachversteuerung nach dem VersStG (Rückkauf vor Ablauf der 10- bzw. 15-Jahresfrist) auch eine Steuerpflicht im Einkommensteuerrecht gegeben sein soll. Für die Interpretation des § 27 Abs 5 Z 3 EStG 1988 bedeutet das, dass unter „Höchstlaufzeit“ die effektive Höchstlaufzeit zu verstehen ist.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senat in der Beschwerdesache
***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch SBT Steuerberatungs GmbH & Co KG, Metahofgasse 30, 8020 Graz, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Graz-Stadt vom betreffend Einkommensteuer 2012 - 2017 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin ***1*** zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Bf., Herr ***2*** (im Folgenden Bf.) hat im Beschwerdezeitraum 2012 - 2017 ein Portfolio der ***3*** (Dachfond) mit der Depotnummer ***4*** gehalten. Dieses Portfolio beinhaltet ausschließlich (thesaurierende) lnvestmentfonds (Subfonds), die nicht bei der Österreichischen Kontrollbank gemeldet waren und somit als "Nicht-Meldefonds" gelten.
Die ausschüttungsgleichen Erträge wurden auf eine Selbstanzeige des Bf. hin der pauschalen Besteuerung gemäß § 186 Abs. 2 Z 3 InvFG 2011 unterworfen, weil der alternative Selbstnachweis nicht erbracht werden konnte.

Weiters hat der Bf. am bzw. am zwei Erlebensversicherungen ohne laufende Prämienzahlungen (Polizzennummern ***5*** und ***6***) abgeschlossen. Diese wurden beide am gekündigt und ausbezahlt.

Zum Beweis, dass die gegenständlichen Lebensversicherungen eine Laufzeit von 22 Jahren haben, legte der Bf. ein "modulo di proposta" (Antragsformular) in italienischer Sprache sowie zwei "estratto dati di polizza" (Auszug aus den Versicherungsdaten) ebenfalls in italienischer Sprache vor, denen der Abschluss am bzw. und das Ende der Laufzeit am zu entnehmen ist.

Das Finanzamt versteuerte die Unterschiedsbeträge zwischen der eingezahlten Versicherungsprämie und der Versicherungsleistung iHv 96.091,58 Euro gemäß § 27a Abs. 2 Zi 6 EStG mit dem progressiven Tarif.

Die gegen die Einkommensteuerbescheide 2012 - 2017 eingebrachte Beschwerde richtet sich gegen den Ansatz der Pauschalierung der ausschüttungsgleichen Erträge gemäß § 186 Abs. 2 Z 3 InvFG 2011 der Jahre 2012 bis 2017, weil dadurch das verfassungsrechtlich verankerte Leistungsfähigkeitsprinzip verletzt würde.

Weiters richtet sich die Beschwerde gegen den Ansatz der sonstigen Erträge aus Kapitalvermögen resultierend aus der Veräußerung der Erlebensversicherungen im Jahr 2016, weil die Voraussetzungen des § 27a Abs 2 Z 6 EStG nicht kumulativ vorlägen: Die Erträge aus einer Erlebensversicherungen unterlägen nur dann der Einkommensteuer gemäß § 27a Abs. 2 Z 6 EStG, wenn die Punkte gemäß § 27 Abs. 5 Z 3 EStG kumulativ erfüllt sind. Somit müsse es sich um einen

- Einmalerlag (keine laufenden Prämienzahlungen) und eine

- Kurzläufige Versicherung (Verträge, die vor 2011 gekauft wurden mit einer vereinbarten Laufzeit von weniger als 10 Jahren) handeln.

Inwieweit der vorzeitige Rückkauf bei vereinbarter Laufzeit über 10 Jahre eine Steuerpflicht begründe, sei selbst in der Fachliteratur nicht eindeutig geklärt (vgl. Doralt, EStG § 27 Rz 234: es ist unklar, ob die vereinbarte Laufzeit oder die tatsächliche Laufzeit maßgeblich ist). Es seien daher keine Einkünfte anzusetzen.

Zur Besteuerung der Investmentfonds führte der Bf aus:

"Unserer Meinung nach entspricht die Schätzung gemäß § 186 Abs. 2 Z 3 lnvFG 2011 der Jahre 2012 bis 2017 nicht den gegebenen Tatsachen bzw. führt zu einer überzogenen Steuerlast und sehen somit das verfassungsrechtlichen Leistungsfähigkeitsprinzip verletzt. Im Prüfungszeitraum ist es zu keinem Ertragszufluss zu Gunsten unseres Klienten gekommen. lm Jahr 2013 wurden im Dachfonds (***3***) einzelne Subfonds ge- und verkauft. Der Ertrag aus diesen Transaktionen wurde nach Abzug der Steuer wieder in andere Subfonds reinvestiert. In den anderen Jahren kam es zu keinem Verkauf.

Für die angeführten Fonds konnte kein qualifizierter Selbstnachweis nach § 186 Abs. 2 Z 3 lnvFG 2011 letzter Satz erstellt werden, da es für unseren Klienten nicht möglich war, bei den Rechtsträgern der oa Fonds die relevanten Unterlagen und Informationen für den Nachweis der tatsächlichen ausschüttungsgleichen Erträge zu erlangen. Die Erstellung eines qualifizierten Selbstnachweises für einen schwarzen Subfonds ist problematisch, weil der Privatanleger gegenüber den Kapitalanlagegesellschaften der Subfonds kein Auskunftsrecht hat. Somit konnten die notwendigen Nachweise für die Bemessung der ausschüttungsgleichen Erträge nicht erbracht werden. Gegen eine pauschale Schätzung ist aus verfassungsrechtlicher Sicht grundsätzlich nichts einzuwenden, "sofern die Schätzungsmethode geeignet erscheint, im typischen Fall und auf längere Sicht gesehen die tatsächlichen Erträge der Besteuerung zu unterwerfen" ( G 49/04 ua). Die Pauschalierungsmethode als typisierende Betrachtungsweise ist demnach am (verfassungsmäßigen und gemeinschaftsrechtlichen) Sachlichkeitsgebot und daher am Leistungsfähigkeitsprinzip zu messen (vgl Kirchmayr, GeS 2004, 109 ff). In diesem Zusammenhang müsste der pauschale Ansatz von ausschüttungsgleichen Erträgen im Rahmen einer Durchschnittsbetrachtung den tatsachlichen Einkünften aus den betreffenden ausländischen Investmentfondsanteilen entsprechen. Wie der konkrete Fall zeigt, stellt die in § 186 Abs. 2 Z 3 lnvFG 2011 geregelte Schatzungsmethode hingegen nicht sicher, dass die tatsächlichen erzielten Erträge aus den gehaltenen Nicht-Meldefonds der Besteuerung unterworfen werden. Vielmehr führt die Schatzungsmethode gem. §186 Abs. 2 Z 3 lnvFG 2011 dazu, dass fiktive Ertrage besteuert werden.

Nach der ständigen Rsp des VfGH ist eine im Gesetz definierte Schätzungsmethode weiters verfassungswidrig, wenn die Mehrzahl der Fälle gar nicht darunter fallen kann oder wenn der gewählte Maßstab Anlass zu Bedenken gibt (vgl zB VfSlg. 4409/1963, 4930/1965, 4958/1965, 5022/1965, 5160/1965).

Bei einer Annahme einer jährlichen Rendite von ca. 10% ist - wie die Lebenserfahrung und im Speziellen auch der konkrete Fall zeigt - davon auszugehen, dass die Mehrzahl der Fälle nicht unter diese Erwartung fallen kann. Denn eine Rendite von 10% kann auf Basis der derzeitigen Marktlage durch Investitionen am Geld- oder Kapitalmarkt nur in Ausnahmefallen erzielt werden. Somit bestehen auch hinsichtlich der Hohe der in §186 Abs. 2 Z 3 lnvFG 2011 definierten Prozentsatze verfassungsrechtliche Bedenken.

Ein weiteres Indiz für eine überzogene pauschalierte Besteuerung gemäß § 186 Abs. 2 Z 3 lnvFG 2011 stellt die Betrachtung der seit 2013 zusätzlich gehaltenen Melde-Fonds unseres Klienten dar. Die hierbei berechneten ausschüttungsgleichen Ertrage liegen nicht einmal annähernd bei der in §186 Abs. 2 Z 3 lnvFG 2011 festgelegte Pauschalierung, sondern sind um ein Vielfaches geringer. Außerdem wurde im März 2020 mittlerweile das gesamte Portfolio des ***3*** veräußert. Der dabei erzielte Veräußerungsgewinn beläuft sich insgesamt auf € 15.710,69.

Unserer Meinung nach entspricht es eher der Realität, die Wertsteigerungen des Portfolios zu besteuern"

Der Bf. verzichtete im Rahmen seiner Beschwerde ausdrücklich auf eine Beschwerdevorentscheidung.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung erklärten die Parteien übereinstimmend, dass der Sachverhalt unstrittig ist.
Der Bf. wiederholte sein schriftliches Vorbringen und erklärte, dass er auch unter Zuhilfenahme von Experten in Linz und Wien (Priv.Doz. Dr. ***7***, Dr. ***8***) nicht die von der österreichischen Kontrollbank geforderten Angaben zu den ausschüttungsgleichen Erträgen vorlegen konnte. Die italienische Bank habe 800 Seiten Unterlagen geliefert. Das war aber auch noch zu wenig.

In Summe habe er 15.000 Euro Gewinn erzielt, während insgesamt 320.000 Euro versteuert wurden. Diese Beträge stünden in einem krassen Missverhältnis zu den Beträgen, die bei den Meldefonds des Bf. erzielt wurden.

Rechtslage

§ 186 Abs 2 Z 3 InvFG 2011:

Erfolgt keine Meldung gemäß Z 2 betreffend der Ausschüttung, ist die Ausschüttung zur Gänze steuerpflichtig. Erfolgt keine Meldung gemäß Z 2 betreffend der ausschüttungsgleichen Erträge im Sinne der Z 1, sind diese in Höhe von 90 vH des Unterschiedsbetrages zwischen dem ersten und letzten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreis, mindestens jedoch in Höhe von 10 vH des am Ende des Kalenderjahres festgesetzten Rücknahmepreises zu schätzen. Die auf diese Weise ermittelten ausschüttungsgleichen Erträge gelten jeweils als zum 31. Dezember eines jeden Jahres zugeflossen. Der Anteilinhaber kann die Höhe der ausschüttungsgleichen Erträge oder die Steuerfreiheit der tatsächlichen Ausschüttung unter Beilage der dafür notwendigen Unterlagen nachweisen.

§ 42 Abs 2 InvFG 1993:

4. Unterbleibt ein Nachweis im Sinne der Z 3 oder werden die Anteilsrechte im Inland nicht öffentlich angeboten, gelten als ausschüttungsgleiche Erträge die tatsächlichen Ausschüttungen sowie 90% des Unterschiedsbetrages zwischen dem ersten und dem letzten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreis. Als ausschüttungsgleicher Ertrag sind in einem solchen Fall aber mindestens 10% des letzten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreises anzusetzen.

§ 27 EStG 1988 idF BGBl. 163/2015:

(5) Als Einkünfte aus der Überlassung von Kapital im Sinne von Abs. 2 gelten auch: (…)

3. Unterschiedsbeträge zwischen der eingezahlten Versicherungsprämie und der Versicherungsleistung, die

a) im Falle des Erlebens oder des Rückkaufs einer auf den Er- oder Er- und Ablebensfall abgeschlossenen Kapitalversicherung einschließlich einer fondsgebundenen Lebensversicherung,

b) im Falle der Kapitalabfindung oder des Rückkaufs einer Rentenversicherung, bei der der Beginn der Rentenzahlungen vor Ablauf von zehn beziehungsweise fünfzehn Jahren ab Vertragsabschluss vereinbart ist,

ausgezahlt werden, wenn im Versicherungsvertrag nicht laufende, im Wesentlichen gleich bleibende Prämienzahlungen vereinbart sind und die Höchstlaufzeit des Versicherungsvertrages

- weniger als zehn Jahre ab Vertragsabschluss beträgt, wenn der Versicherungsnehmer und die versicherten Personen im Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrages jeweils das 50. Lebensjahr vollendet haben;

- in allen anderen Fällen weniger als fünfzehn Jahre ab Vertragsabschluss beträgt.

Ist der Versicherungsnehmer keine natürliche Person, gilt das Erfordernis der Vollendung des 50. Lebensjahres nur für die versicherten Personen. Im Übrigen gilt jede Erhöhung einer Versicherungssumme im Rahmen eines bestehenden Vertrages auf insgesamt mehr als das Zweifache der ursprünglichen Versicherungssumme gegen eine nicht laufende, im Wesentlichen gleich bleibende Prämienzahlung als selbständiger Abschluss eines neuen Versicherungsvertrages.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Lebensversicherungen

Gemäß § 27 Abs 5 Z 3 EStG 1988 unterliegen im Falle des Erlebens oder des Rückkaufs einer Lebensversicherung die Unterschiedsbeträge zwischen der eingezahlten Versicherungsprämie und der Versicherungsleistung der Besteuerung wenn im Versicherungsvertrag nicht laufende Prämienzahlungen vereinbart sind und die Höchstlaufzeit des Versicherungsvertrages weniger als zehn bzw. fünfzehn Jahre beträgt.

Im Beschwerdefall wurden zwei im Jahr 2010 (am bzw. am ) ohne laufende Prämienzahlungen abgeschlossene Erlebensversicherungen am gekündigt und ausbezahlt.

Nach Ansicht des Bf. unterliegen diese Zahlungen nicht der Einkommensteuer, weil die vertraglich vereinbarte Laufzeit mehr als 10 bzw. 15 Jahre beträgt.

Das Finanzamt hingegen vertritt die Ansicht, dass durch die Auszahlung im Jahr 2016 die Laufzeit dieser Versicherungsverträge weniger 6 Jahre beträgt. Die Unterschiedsbeträge unterlägen der Besteuerung, weil die effektive Versicherungsdauer maßgeblich sei.

Das Gesetz selbst ist uneindeutig, weil es nur auf eine "Höchstlaufzeit" verweist ohne zu erläutern, ob eine "vereinbarte" oder eine "effektive" Höchstlaufzeit gemeint ist.

Ein Blick auf die Geschichte der Bestimmung zeigt, dass der Gesetzgeber mit dem Besteuerungstatbestand stets jene Lebensversicherungen erfassen wollte, deren wirtschaftlicher Gehalt der einer verzinslichen Sparform ist (vgl 313/A XVII. GP - Initiativantrag zu Art 1 Z 19).

Die Erfassung der Einkünfte aus "kurzläufigen" Lebensversicherungsverträgen als Einkünfte aus Kapitalvermögen wurde erstmalig mit dem AbgÄG 1989 (BGBl. Nr. 660/1989) eingefügt (damals § 27 Abs 1 Z 6). Die damalige Bestimmung sah vor, dass "zwischen dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses und dem Zeitpunkt des Anfallens der Versicherungssumme bzw. dem Zeitpunkt des Anfallens der ersten Rentenzahlung ein Zeitraum von weniger als zehn Jahren liegt".

Mit Strukturanpassungsgesetz 1996 (BGBl. Nr. 201/1996) wurde die Bestimmung neu gefasst, wobei vorgesehen war, dass "die Höchstlaufzeit des Versicherungsvertrages weniger als zehn Jahre beträgt". Dieser Passus wurde auch im AbgÄG 1996 beibehalten, in dem § 27 Abs 1 Z 6 zur Gänze neu verlautbart wurde.

Nach den erläuternden Bemerkungen (72 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP Erläuterung zu Art 39, Z 28 Strukturanpassungsgesetz 1996) sollte es durch die Neufassung der Bestimmung (nur) dazu kommen, dass auch Einmalerlagversicherungen, die das Er- und Ableben gleichermaßen abdecken, der Steuerpflicht unterliegen und dass Rentenversicherungen mit Rententarif (ohne Ablebensrisiko) nicht mehr unter die Steuerpflicht fallen.
Daraus lässt sich schließen, dass es hinsichtlich der Berechnung der 10-Jahresfrist zu keinen inhaltlichen Änderungen im Vergleich zu der Fassung im AbgÄG 1989 kommen sollte.

Zugleich mit der Einkommensteuerpflicht wurde mit Strukturanpassungsgesetz 1996 in § 6 Abs 1 Z 1 VerStG eine 11%ige Versicherungssteuer für kurzläufige (10 Jahre) Lebensversicherungen und eine 4%ige für andere eingeführt.

Mit Abgabenänderungsgesetz 1996 wurde zusätzlich dazu in § 6 Abs 1a VersStG eine Nachversteuerungsbestimmung eingefügt: erfolgt bei einer, der 4%igen Versicherungssteuer unterliegenden Lebensversicherung ein Rückkauf innerhalb von 10 Jahren, so fällt eine zusätzliche Versicherungssteuer von 7% an.

Das Versicherungssteuergesetz ist deshalb für die Interpretation des § 27 EStG von Bedeutung, weil die Erläuternden Bemerkungen von einer Vereinheitlichung von Einkommensteuerrecht und Versicherungssteuergesetz ausgehen:

72 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP Erläuterung zu Art 39, Z 28 Strukturanpassungsgesetz 1996 (§ 27 Abs 1 Z 6) "Die Neufassung soll eine Vereinheitlichung der Steuerpflicht für sogenannte Einmalversicherungen mit dem 11%igen Steuersatz für solche Versicherungen bei der Versicherungssteuer herbeiführen."

Auch 497 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP führt in den Erläuterungen zu Art 1, Z 4 Abgabenänderungsgesetz 1996 (§ 27 Abs. 1 Z 6 EStG) aus: "Im Interesse einer gleichmäßigen Besteuerung sollen sämtliche Rentenversicherungen, die als "Kurzläufer" konstruiert sind, im Falle der (späteren) Kapitalabfindung oder eines Rückkaufs zu einer Steuerpflicht führen. (…) Die einkommensteuerliche Regelung ist inhaltlich mit dem im Versicherungssteuergesetz neu eingefügten § 6 Abs. 1a abgestimmt."

Noch deutlicher zu Art 6, Z 2 (§ 6 Abs. 1 Z 1 lit. a VersStG): "Kurzläufige, gegen Einmalerlag genommene Rentenversicherungen, sollen nicht von vornherein dem 11%igen Versicherungssteuersatz unterliegen, sondern - im Sinne der Vereinheitlichung mit den einkommensteuerrechtlichen Vorschriften - in den in der neu geschaffenen Bestimmung des § 6 Abs. 1a geregelten Fällen des Rückkaufes oder der Kapitalabfindung einer Nachversteuerung unterworfen werden."

Aus diesen Erläuterungen ist abzuleiten, dass nach dem Willen des Gesetzgebers in Fällen der Nachversteuerung nach dem VersStG (Rückkauf vor Ablauf der 10- bzw. 15-Jahresfrist) auch eine Steuerpflicht im Einkommensteuerrecht gegeben sein soll.
Für die Interpretation des § 27 Abs 5 Z 3 EStG 1988 bedeutet das, dass unter "Höchstlaufzeit" die effektive Höchstlaufzeit zu verstehen ist.

Zu keinem anderen Ergebnis kommt man, zieht man die Gleichmäßigkeit der Besteuerung in Betracht: Durch die Vereinbarung einer Höchstlaufzeit von mehr als 10/15 Jahren verbunden mit entsprechend attraktiven Auflösungsbestimmungen könnte die Steuerpflicht willkürlich vermieden werden.

Es kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, dass er die Steuerpflicht von ausschließlich in der Dispositionsmöglichkeit der Normunterworfenen liegenden Formulierungen von vertraglichen Vereinbarungen abhängig machen wollte.
Vielmehr ist davon auszugehen, dass unter dem Begriff "Höchstlaufzeit" weiterhin die tatsächliche Laufzeit zu verstehen ist.

Die effektive Laufzeit im Beschwerdefall beträgt weniger als 7 Jahre (von bzw. bis ). Daher unterliegen die Unterschiedsbeträge der Einkommensteuer gem. § 27 Abs 5 Z 3 EStG 1988. Die Beschwerde ist diesbezüglich abzuweisen.

Fondsbesteuerung

Im hier anhängigen Verfahren ist unstrittig, dass der Fonds in Österreich keine Meldung iSd § 186 Abs 2 Z 2 InvFG 2011 gemacht hat und dass daher die Erträge gemäß § 186 Abs 2 Z 3 InvFG 2011 zu schätzen waren. Die Schätzung erfolgte der Höhe nach gesetzeskonform.

Der Bf. macht im Verfahren ausschließlich die Verfassungswidrigkeit des § 186 Abs 2 Z 3 InvFG 2011 geltend.

Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Bf. können nicht geteilt werden.

Der VfGH hat am zu E 866/2015-10 die Behandlung einer Beschwerde betr. des inhaltlich gleichlautenden § 42 Abs 2 InvFG 1993 mit folgender Begründung abgelehnt:
"Die Regelung der steuerlichen Bemessungsgrundlage bei fehlendem Nachweis bei ausländischen Investmentfonds ist sachlich gerechtfertigt. Der Gesetzgeber hat seinen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum bei der Regelung, wie in allgemeiner Form ohne Nachweis der ausschüttungsgleichen Erträge eine (fiktive) Bemessungsgrundlage festgelegt wird, nicht überschritten."

Der Umstand, dass im Beschwerdefall die Berechnung der ausschüttungsgleichen Erträge höher ist, als die eingetretene Wertsteigerung vermag ebenso wenig eine Verfassungswidrigkeit zu rechtfertigen wie der Umstand, dass der Bf. die Fonds in seinem Heimatland geerbt hat (und so keine bewusste Disposition getroffen hat):
Im Falle von Wiederveranlagungen kann der steuerpflichtige Ertrag jederzeit von der Wertsteigerung abweichen, da die wieder veranlagten Gelder auch negativen, nicht ausgleichsfähigen Erträgen führen können und die Steuerpflicht ist nicht davon abhängig, wie der Steuerpflichtige zur Steuerquelle gekommen ist.

Da im Beschwerdefall § 186 Abs 2 Z 3 InvFG 2011 unstrittig korrekt angewendet wurde und die Bestimmung auch nicht dem Verfassungsrecht widerspricht, ist die Beschwerde auch diesbezüglich abzuweisen.

Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Beschwerdefall fehlt Rechtsprechung zur Frage, wie der in § 27 Abs 5 Z 3 EStG 1988 verwendete Begriff "Höchstlaufzeit" zu verstehen ist. Da das Erkenntnis von der Lösung dieser Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, abhängig ist, ist die Revision zulässig.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 27 Abs. 5 Z 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 186 Abs. 2 Z 3 InvFG 2011, Investmentfondsgesetz 2011, BGBl. I Nr. 77/2011
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.2100462.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at